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359 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. Nr. 31 Die Sonnenröschen. B lutrot, karmesin, zinnober, überhaupt rot in den verschieden sten Abstufungen, kupferfarben, goldgelb, schwefel- und strohgelb, weiß und creme — das ist die Farbenskala der Sonnen- oder Felsenröschen, kleiner, meist niederliegender oder aufsteigender Kräuter und Halbsträuchlein, die zur Familie der Cistrosen-Gewächse gehören und die die botanische Bezeich nung Helianthemum führen. Mit ihren grünen zahl reichen Ästen und Zweiglein schmiegen sie sich dem Boden an, den sie oft ganz überziehen und den sie während des ganzen Sommers und noch darüber hinaus mit ihren bunten Blumen wie mit einem Teppich schmücken. Ganz besonders einzelne gefüllte Formen besitzen eine auffallend lange Blütendauer. Diese so niedlichen und im Blühen dankbaren Pflanzen gedeihen noch an den trockensten Standorten, denn sie sind äußerst bedürfnislos, und alles, was sie zum Gedeihen benötigen, sind sonnige Lage und ein leichter, steiniger, trockner Boden. Sie können unter diesen Verhältnissen eine ganze Reihe von Jahren leben und Büsche von über einen Meter Durchmesser bilden. Für Steingruppen, Felsenanlagen, Ruinen, Böschungen, selbst zu Blumenteppichen sind die Sonnenröschen vorzüglich geeignet, dabei leicht zu behandeln und ebenso leicht aus Samen heranzuziehen, der gewöhnlich schon nach Ablauf weniger Tage keimt. Auch Stecklinge wachsen unschwer. Die Blüten der Helianthemum-Arten und -Formen sind meist endständige, einfache oder zweispaltige Trauben; sie sind an und für sich zwar schnell vergänglich, erscheinen jedoch in großen Mengen und ununterbrochener Folge, sind aber nur bei sonnigem Wetter geöffnet, daher der Name Sonnenröschen. Es ist eine außerordentlich zu Abweichungen neigende Gattung, von der einzelne Pflanzenkenner über 100 Arten unterscheiden, während andere sich mit ganz erheblich weniger begnügen. Nachstehend geben wir eine Auswahl der besten Arten, Abarten und Formen: 1. Staudenartige. Helianthemum amabile ist eine Gartenkulturform mit leb haft karminroten Blumen, deren hohe Schönheit besonders in einer starkgefüllten Form zutage tritt. Eine der beliebtesten und formenreichsten ist H. mutabile, das aus der westlichen Mittelmeer-Region stammt. Seine Blu men variieren von reinweiß bis zu lebhaft rot in allen mög lichen Übergängen, namentlich gelbe und rote Töne sind stark vertreten. H. croceum, rubrum, purpureum, rhodanthum, rubrum und sanguineum sind alles Formen dieser einen Art, die sich lediglich in der Blütenfarbe unterscheiden. Das kleinasiatische H. roseum bildet eine mehr schlank wachsende Art mit gekrümmten Ästen, die bis 40 cm hoch wird und sich zur Blütezeit mit sehr großen, lebhaft roten Blüten bedeckt. 2. Halb-oderZwergsträucher. H. alpestre, eine alpine Kalkpflanze der europäischen und asiatischen Gebirge, bildet niedrige, dichte Büsche, die sich vom Juni bis August mit lebhaft gelben Blüten schmücken. Die Belaubung wird durch kleine lanzettliche bis verkehrt eiför mige Blätter dargestellt. H. apenninum oder polifolium ist ein niedergestreckter oder mehr oder weniger in die Höhe strebender Zwergstrauch von 8—30 cm Höhe mit grau behaarten, elliptischen Blättern und weißen, leider sehr wenig haltbaren Blumen. Man kennt auch von dieser Art mehrere Formen, von denen das rotblühende H. alpestre var. roseum wohl das schönste ist. Rasigen, niederliegenden Wuchs, der höchstens 30 cm Höhe erreicht, finden wir bei H. canum, dessen meist lanzettliche oder eirunde Blätter auf der Unterseite filzig behaart sind, wo durch die Pflanze grau erscheint. Die kleinen, im Sommer er scheinenden Blüten sind gelb. Diese Art ist weit verbreitet und findet sich auch im mittleren und südlichen Deutschland. Zu den formenreichsten Spezies gehört H. nummularium oder auch H. chamaecistus genannt, mit entweder niederliegen den oder aufstrebenden Zweigen bis etwa 30 cm Höhe und eirunden oder mehr oder weniger breitlanzettlichen Blättern. Die Blüten sind bei der echten Art gelb. Es finden sich aber auch Abweichungen in rot, rosa oder weiß mit allen möglichen Übergängen und auch gefüllte Blumen. Alle hier genannten Arten und Formen sind vor allen Dingen zur Bepflanzung sonniger Stein- und Felspartien wie geschaffen und verdienen mehr wie bisher beachtet zu werden. E- □ □ □ Myosotidium nobile. Von P. Kache in Baumschulenweg bei Berlin. D iese prächtige, als Neuseeländisches Vergißmeinnicht be nannte Staude ist bisher noch herzlich wenig bekannt geworden, trotzdem sie schon um die Mitte des vorigen Jahr hunderts bei uns eingeführt wurde. Der Grund daran ist wohl der, daß sie eigentlich für unser Klima nicht mehr zu den winterharten Stauden zu rechnen ist. Sie verlangt wärmere Gebiete, bei uns aber entweder gute, trockene Winterdecke, oder noch besser frostfreie Überwinterung. Obwohl ihr mäßige Kälte, bis etwa 10 Grad, nichts schadet, fällt sie doch stärkerem Frost zum Opfer. In guter Entwicklung ist Myosotidium nobile eine Pracht staude. Sie soll bis 1 m Durchmesser in Höhe und Breite er reichen, macht aber schon einen prächtigen Eindruck, wenn sie knapp die Hälfte dieser Größe erreicht, so wie ich sie sah. Das festgestielte, im großen Umriß herzförmige Blatt erreicht eine erhebliche Länge bei fast ebenso großer Breite. Es ist von derber, lederartiger Beschaffenheit und von glänzend tief grüner Färbung und ist, wenn bei gutem Zustand der Pflanze reichlich hervorgebracht, eine gewählte, vornehme Zierde. Im Frühjahr, im Laufe des Mai, entwickelt sich aus dem grund ständigen Blättertuff eine größere Anzahl lang- und festgestielter Blütenstände, die eine Doldenrispe bilden und etwa 20 cm Durchmesser erreichen. Sie tragen zahlreiche, hübschgeformte Blütchen von der Form einer Vergißmeinnichtblüte, von reich lich 1 cm Breite und einer köstlich tiefblauen Färbung. Bis weilen kommen auch kleine Farbenänderungen vor, wie es auch eine weißblühende Form gibt. Ich finde aber, daß die tief blaue Grundform doch die schönste bleibt. In der Heimat, Neuseeland, wächst M. nobile dicht an der Meeresküste, im feuchten Dünensand und in der vollen Glut der dortigen warmen Sonne. Für die Kultur lassen sich hieraus leicht die nötigsten Schlüsse ziehen. Ein recht warmer Stand ort, vor rauhen Stürmen geschützt, ist erste und unerläßliche Bedingung. Der Standort muß gut wasserdurchlässig sein und der Erdboden selbst, in dem die Staude wurzelt,, gut mit Sand durchsetzt. Denn sie liebt wohl Feuchtigkeit, aber keine stagnierende, besonders nicht, sobald die regelnde Wärme fehlt. Für Deutschland kommt diese prächtige Staude leider nur für recht warme, vom Klima bevorzugte Lagen in Frage. Auch wenn man sich ein klein wenig Mühe mit ihr geben muß, sollte man es sich nicht verdrießen lassen, denn sie lohnt es reichlich. Für den Handelsgärtner aber, besonders für den, der Topfpflanzen kultiviert und der seinen Kunden gern ein mal etwas anderes bieten möchte, ist dieses Myosotidium ein dankbares Objekt. Nicht als Massenartikel, sondern nur in beschränkter Anzahl, für Kenner und Liebhaber unter dem Publikum, die es auch heute noch gibt, die nur gefunden sein wollen. Den Sommer über in freiem Kasten oder Freiland, in nicht zu kleinen Töpfen stehend, im gedeckten, kalten Kasten eingewintert, sollten die Stauden dann im Februar bis März ins kühle Haus kommen, woselbst sie sich langsam ent wickeln können, was aber auch im kalten Kasten geschehen kann. Ich bin überzeugt, daß blühende Töpfe jederzeit dank bare, willige Käufer finden würden. . Man versuche es nur. □ □ □