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" ) Nr. 14. Leipzig, 15. Juli 1891. VI. Jahrgang. Eigentum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbauverbandes für das Königreich Sachsen, sowie vieler gärtnerischer Lokalvereinigungen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am 1. und 15. jeden Monats. Abonnementspreis für Nicht- verbandsmitglieder pro Jahrgang 7 Mk. 50 Pf; für Verbandsmitglieder kostenlos. Redaktion: Otto Mohrmann, Leipzig-Lindenau, Geschäftsführer des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Verlag: Expedition des Handelsblattes etc. Der Granatapfel. (Mit Abbildungen.) bwohl man in Deutschland reife und schmack hafte Granatäpfel nur in den Südfruchthand lungen erhalten kann, so ist doch die Blüte weit leichter zu haben und mag als Ausgangs punkt einer Betrachtung über den Aufbau des Granatapfels dienen. Derselbe weicht so wesentlich und dabei so eigenartig von den ) ) geläufigen Fruchtformen ab, dass eine eingehendere Erörte rung dieses Gebildes sich zu verlohnen scheint. Wir wollen dabei entwickelungsgeschichtlich verfahren, d. h. um die Frucht zu verstehen, wollen wir uns zunächst an die Blüte halten. Diese ist wegen ihrer leuchtend scharlachroten (granatroten) Farbe allgemein geschätzt und der Kontrast des lebhaften Rot mit den grünen Blättern des Baumes muss als ein ästhetisch sehr befriedigender bezeichnet werden. Die einzelne Blüte wird ca. 3—4 cm lang und ist von einer festen, fleischigen Beschaffenheit. Aeusserlich gleicht sie einem zylindrischen oder glocken förmigen Körper, dessen oberer Rand in mehrere, meist 6—8 dreieckige Zipfel, den Kelch, ausläuft. Im Knospen zustande hängen dieselben an . ihren breiten, seitlichen Be rührungsflächen durch daselbst befindliche kopfförmige Haare zusammen, welche wie Verzahnungen in einander greifen. Beim Aufblühen strecken sich die Kelchzipfel gerade und lassen die Kronblätter erkennen; diese, in glei cher Anzahl wie die Kelchteile vorhanden, sind zwischen je zwei der letzteren eingefügt und haben mit Aus nahme des verdickten, längsverlaufenden Kieles eine häutige Beschaffenheit; charakteristisch ist ihr welliger Rand (Fig. 1). Der Teil der Kelchröhre von der Insertion der Krone bis herab zum Grunde ist mit einer Anzahl von Staubblättern bedeckt, von denen die untersten die kürzesten sind; alle sind mit ihren Antheren nach innen gebogen. Das Zentrum der Blüte wird von dem kräftigen, mit einer kopfigen Narbe gekrönten Griffel eingenommen. Ihm nach abwärts folgend, gelangen wir zu den Ovarien, dem interessantesten Teile der Blüte. Halten wir uns zunächst an den medianen Längsschnitt, so haben wir statt der üblichen in gleicher Höhe befindlichen Fruchtknotenfächer, bezw. der einzigen zentralen Höhlung hier mehrere Etagen solcher Räume vor uns. Im einfachsten Falle deren zwei; die untere besteht dabei aus drei, die obere aus fünf (zuweilen 6—8) Abtei lungen; aber es kommen auch drei Etagen vor, von welchen die untere eine, die folgende drei, die oberste fünf (bezw. 6—8) Fächer enthält. Morphologisch gesprochen, setzt sich der Fruchtknoten der Granatblüte aus zwei bis drei Wirbeln von Fruchtblättern zusammen, welche unter sich und mit der Blütenaxe verschmelzen. Diese Verwachsungs vorgänge beeinflussen nun die Stellung der Fächer und die Orientierung der Samenanlagen in eigentümlicher Weise. Halten wir uns an den ersten Fall der beiden drei- und fünfzähligen Etagen, so ist der Reihenfolge der Entwicke lung nach der dreizählige Kreis der jüngere, der fünfzählige der ältere; man sollte demnach durch Analogie mit son stigen Vorkommnissen in der Organogenie der Blüten ver muten, dass der erste der innere (obere),, der letztere der äussere (untere) sei; aber gerade das Gegenteil ist der Fall, und zwar infolge sekundärer Verschiebungen. In Blüten mit drei Stockwerken haben wir demgemäss das untere als das jüngste anzusprechen. Von diesen drei Stockwerken ist durch die später erfolgten Verschiebungen das untere am wenigsten, das oberste am meisten alteriert, während das zwischenliegende eine vermittelnde Stellung einnimmt (Fig. 2—4); dies lässt sich aus der Anheftung und Rich tung der Samenanlagen erschliessen. Im untersten Kreise erscheinen dieselben dem zentralen Innenwinkel des Faches angeheftet, im mittleren Kreise sind sie durch das in der Peripherie des Ovars erfolgende Längenwachstum in eine horizontale, im oberen Stockwerk endlich wiederum in eine vertikale Lage gerückt, jetzt aber so, dass sie der Aussen-