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Nr. 1. Rundschau über alle Zweige des Gartenbaues. lästig — aber nicht schädlich — können meiner Ansicht nach insektenfressende Vögel im Gewächshause nur durch das Beschmutzen von Blattpflanzen mit ihren Entleerungen werden, aber nur dann, wenn man zu viele Vögel hält. Dies ist aber durchaus nicht nötig, denn zwei Köpfe werden in kurzer Zeit sämtliches Ungeziefer in einem ziemlich statt lichen Hause vertilgt haben. Von heimischen Vogelarten, die meiner Ansicht nach nur im Winter im Gewächshause zu halten sind, empfiehlt Dr. Karl Russ: Rotkehlchen, Blau kehlchen, Nachtigallen, Rotschwänzchen, die verschiedenen Schmätzer, Zaunkönig, Goldhähnchen und Fliegenschnäpper, viel weniger aber die Meisen und nur bedingungsweise die Amsel, Singdrossel und andere Drosselarten. Südländische Vögel fühlen sich während des ganzen Jahres in der Temperatur des feuchtwarmen Gewächshauses äusserst wohl und schreiten hier sogar zu erfolgreicher Brut. Von gefiederten Tropenbewohnern empfiehlt Dr. Russ in erster Linie die Sonnenvögel, dann die leider nur zu seltenen ostindischen Brillenvögelchen, die farben glänzenden Honigsauger, die Zuckervögelchen, Waldsänger, die kleinsten Tangaren - Arten und vornehmlich die Or ganisten. Wo fremdländische Vögel als Insektenvertilger und zugleich auch zum Vergnügen in den Gewächshäusern ge halten werden sollen, da darf man freilich die Kosten nicht scheuen, sämtliche Lüftungsvorrichtungen mit feinmaschigem Drahtgeflecht vergittern zu lassen. Hierzu eignet sich am besten Eisendraht, welcher mit einem Erdwachsüberzug versehen oder mit guter haltbarer Fimissfarbe dunkel, braun, blau oder grün gestrichen wird. Niemals dürfen Vögel ohne weiteres in ein Gewächshaus gesetzt werden, sie würden ungestüm gegen das Glas fliegen, sich dadurch verletzen, auch wohl das Futter nicht finden und könnten deshalb elend zu gründe gehen. Daher gibt Herr Dr. Russ folgende Anleitung: „Man bringt die Vögel stets in einen bereitstehenden Käfig, welcher einerseits zweckmässig ein gerichtet ist und andererseits an einem stillen, etwas ver steckten, doch keineswegs dunklen Orte hängen muss. Hier werden sie so gehalten und sachgemäss versorgt, wie es sonst in der Vogelstube geschieht und nachdem man sie vielleicht zwei bis drei Wochen hier beherbergt hat, so dass sie die nächste Umgebung ihres Käfigs gut kennen ge lernt haben, öffnet man die Thüre und lässt sie in den freien Raum hinausfliegen. Aber auch dann dürfen sie keineswegs gejagt, erschreckt oder beängstigt werden, son dern sie müssen die Oertlichkeit ganz von selber ungestört kennen lernen. Hauptsache ist es ferner, dass sie noch lange Zeit oder am besten für die Dauer immerfort in jenem Käfige gefüttert werden — so dass sie wohl auf weitere oder kürzere Ausflüge in alle Teile des Gewächs hauses sich begeben, den in der Ecke hängenden Käfig aber, der übrigens mit mehreren offenen Thüren oder Schlupf löchern versehen sein muss, als ihre eigentliche Heimstätte ansehen.“ Neben den genannten Singvögeln sind die Reptilien und Amphibien unsere besten Freunde im Gewächshause. Diese kaltblütigen Tiere vermögen zwar in der Regel nicht auf strauch- oder baumartige Pflanzen zu gelangen, ver tilgen aber- Schnecken, Kellerasseln und schädliches Ge würm aller Art in grossen Mengen, ohne irgendwie nach teilig zu werden. Das Vorurteil, welches man früher gegen die hierher gehörigen Geschöpfe gehegt, schwindet mehr und mehr, man erkennt ihre Harmlosigkeit und ihren Nutzen an, ja man pflegt sie sogar in sogenannten Terrarien in der Häuslichkeit. Diese Liebhaberei gewinnt ständig an Bedeutung; zahlreiche Männer, die — wie man zu sagen pflegt — durchaus nicht auf den Kopf gefallen sind, wid men sich ihr und der grosse Verein der Aquarien- und Terrarienliebhaber in Berlin wagte sich sogar im vergange nen Sommer mit einer wohlgelungenen Ausstellung an die Oeffentlichkeit. Die aufblühende Liebe für Aquarien und Terrarien kann meiner Ansicht nach für die deutsche Handelsgärtnerei nur von Nutzen sein, denn in die ge nannten Naturanstalten gehört Pflanzen wuchs, es wäre des halb von Wichtigkeit, wenn umsichtige Handelsgärtner auf die Kultur von Sumpf- und Wasserpflanzen mehr Wert als bisher legten und möglichst den Vertrieb fertig be pflanzter Aquarien und Terrarien in die Hand nehmen würden, denn sie vermögen dies besser als irgend ein Naturalienhändler. Vielleicht komme ich auf die fragliche Angelegenheit in einem besonderen Artikel zurück und gebe dann auf grund meiner eignen Erfahrungen die er forderliche Anleitung, heute gilt es nur, die verschiedenen kaltblütigen Tiere in ihrem Nutzen für die Gewächshäuser zu schildern. Von den Reptilien empfehle ich nur die Einbürgerung- kleiner Eidechsen in die Gewächshäuser. Die Eidechsen sind meist schöne, flinke und lebenslustige Tiere, sie lieben Wärme sehr, je mehr wir ihnen diese bieten, um so grösser wird ihre Beweglichkeit und ihr Nahrungsbedürfnis und da Schnecken und Kellerasseln Leckerbissen sind, so räumen sie bald mit diesen Schädigern auf. Neben der gemeinen Eidechse (Lacerta agilis) dürfte sich die Berg- oder lebendig gebärende Eidechse (Lacerta vivipara) im Warmhause be sonders wohl fühlen und nützlich erweisen. Unter den Amphibien sind die Kröten die eifrigsten Vertilger schädlicher Tiere. Die Kröten sind ja keineswegs schöne Geschöpfe, im Gegenteil, sie sind unserem Ge- schmacke nach hässlich, aber, wie alle heimischen Amphi bien, harmlos und deshalb durchaus nicht giftig. Aber die Kröte führt eine nächtliche Lebensweise, man merkt deshalb ihre Anwesenheit im Geschäftshause kaum, sie kommt erst mit der Dunkelheit hervor und frisst dann jenes schädliche Gewürm, welches sich gleich ihr unseren Augen entzieht und dadurch besonders verderblich ist. Auch der grosse Erd- oder Feuersalamander (Salamandra maculosa), dessen Körper auf glänzend schwarzem Grunde gelbe Flecken zeigt, ist ein lichtscheuer Geselle, aber ein eifriger Insektenfresser. Der Tau- oder Grasfrosch (Rana temporaria) möge noch an letzter Stelle empfohlen sein; er geht gleich den vorgenannten Amphibien nur zur Paarungszeit, im Frühling, ins Wasser, ist Tag und Nacht auf den Beinen und obwohl er Fliegen am liebsten frisst, so verschont er doch als echter Nimrod auch andere Kerb tiere nicht. In der freien Natur halten alle Amphibien und Reptilien einen recht langen und — wir hoffen es — recht behaglichen Winterschlaf. Aber nur die Kälte zwingt diese Tiere zu solchem Schlafe, den sie tief in der Erde oder im Schlamme der Gewässer verbringen, im warmen Gewächs hause dagegen denken sie nicht ans Schlafen, sie zeigen sich hier vielmehr zu jeder Frist im Jahre als gleich raub lustige und brauchbare Insektenvertilger. Es sollte mich sehr freuen, wenn recht viele meiner geschätzten Fachgenossen auf grund vorstehender Andeutungen einen Ver such mit Einbürgerung nützlicher Tiere in Gewächshäuser machen und ich bin fest über zeugt, dass durch solche Versuche die ge hegten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar noch übertroffen werden. M. Hesdörffer, Obergärtner in Trier.