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dings eine übertriebene Bevorzugung aller jener bunt scheckigen und vielgestaltigen Formen seitens der Baumschulbesitzer wahrnehmen. Das aber war nur vor übergehend. Damals war auch für Gehölzsammlungen von rein botanischen und dendrologischen Gesichts punkten aus noch ein günstigerer Boden als heute in der Zeit der Kinos, Autos und Velos und der Vorliebe für Stein- und Lattengärten. Damals pflanzte man aller dings noch andere Sachen als Picea pungens, Kugel- buxus, Taxus, Pyramidenpappeln, Birkenheistern und Eichenhecken. (Man gestatte auch uns einmal nach gegnerischem Muster eine kleine Uebertreibung!) Nicht nur mit Bezug auf das Gehölzmaterial, sondern bei der Auswahl des gesamten Pflanzenmaterials, herrscht heute entschieden viel eher Eintönigkeit als über triebene Vielseitigkeit. Diese Eintönigkeit hat sich auf bestimmten Gebieten derart verschärft, dass sie gerade in jüngster Zeit zu Protesten führte. So in der Balkon bepflanzung. Und in der Auswahl der Gehölze ist es nicht besser. Die Sortenliebhaberei, über die der Artikel spottet, ist doch recht, recht selten geworden. Es ist geradezu unverständlich, wie H e i c k e als Schul beispiel eine bekannte Berliner Baumschule anführen kann, die in ihrem Verzeichnisse 111 Arten von Cratae gus, 14 von Aesculus, 63 solcher von Weiden, 49 Arten von Pirus usw. anbietet. Deutschland zählt über 1000 Baumschulen, und wenn davon auch nur der geringere Teil für die Anzucht von Gehölzen in Betracht kommt, so bleiben doch immer noch mehrere Hundert solcher übrig. Wir haben aber in Deutschland kaum 3—4 Sortimentsbaumschulen von der Art, wie sie H e i c k e im Auge hat. Seien wir lieber stolz darauf, dass es noch Firmen gibt, die wissenschaftlichen Zwecken Opfer bringen, denn es handelt sich dabei tatsächlich um pekuniäre Opfer. Mit grossen Sortimenten wird heute kein Pflanzenzüchter mehr Millionär. Und wenn wir allerdings die Förderung gärtnerisch-wissenschaftlicher Interessen nur der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst überlassen müssten, würde es auf diesem Gebiete bald sehr eintönig aussehen. Zweifellos begegnen wir auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Gehölzkunde ebensowohl Uebertrei- bungen und einseitiger Betätigung wie in der Garten kunst. Die von Sargent aufgestellten Crataegus- Arten überlassen wir gern den Amerikanern, ebenso wie die Haarspalterei anderer Botaniker in Gattungen wie Rubus, Rosa, Spiraea u. a. m. mit dieser Frage nichts zu tun hat. Von den Baumschulen aber, die tatsächlich als Bei spiel in dieser Frage heranzuziehen wären, huldigt keine einzige einem derartigen dendrologischen Sport. Dafür sorgt schon die mangelnde Nachfrage nach Seltenheiten, selbst wenn es sich tatsächlich um Arten handelt, die weitester Verbreitung würdig sind. Ich nehme aufs Geratewohl den Katalog einer be deutenden westdeutschen Baumschule, deren Sortimente gewiss zu den reichsten zählen. Sie hat nur 6—7 Cratae gus-, 5—6 Sorbus-, 13 Pirus- oder Malus und nur 7 Weidenarten und Bastarde in ihrem Hauptverzeichnis. Die grosse Masse der mittleren Baumschulen führt aber überhaupt im ganzen nur etwa 2—300 Arten und Sorten von Ziergehölzen, und eine Statistik über die Zusammensetzung unserer modernen Gärten und Parks würde das überraschende Ergebnis bringen, dass kaum mehr als 50—60 Arten allgemein verbreitet sind. Das also ist in Wahrheit das Zuviel von Gehölzen, vor dem H e i c k e die Züchter warnt. Von den Rosen wollen wir heute ganz absehen. Gartendirektor Heicke hat die Frage der Rosengärten bereits früher ausführlich behandelt. Gewiss steckt in seinen Aus- ührungen, die die Schaffung von Rosarien behandeln, ein gesunder Kern, nur die Schlussfolgerungen sind wieder recht einseitig. Dieser Teil der Frage wurde bereits in Nummer 25 eingehend erörtert. Gartendirektor Heicke hat noch vor wenigen Jahren die Frage von weniger engherzigen Gesichts punkten aus aufgefasst. Dass er heute beispielsweise der vorzugsweisen Verwendung deutscher Gehölze das Wort redet, lässt den Verdacht aufkommen, dass er sich in diesem Punkte den Wünschen der erzradikalen Richtung der neuen Schule in der Gartenkunst gebeugt habe. Denn der „Deutsche Garten“ gehört zu deren Programm. Es ist ja für die Herren Allkünstler, die alles, nur nicht Gärtner sind, auch viel be quemer, mit einem in der Zahl beschränkten Material zu arbeiten. Sie hoffen so noch am ehesten auf die Mitarbeit des Gärtners verzichten zu können. Warum aber den Teufel mit Beelzebub austreiben? Warum an Stelle des alten Schemas ein neues setzen? Sind wir damit einen Schritt weiter, wenn an Stelle der eintönigen Pflanzungen von Picea pungens, Thuya, Spiraeen, Philadelphus, Prunus Padus, Flieder, überall Haine von Eichen, Birken, Buchen, überall nur Gebüsch von Weissdorn, Holunder, Wildrosen, Ginster usw. treten würde! „Man kann zweifellos", um mit Heicke zu reden, „sehr schöne Gartenanlagen schaffen unter ausschliess licher Verwendung heimischer Arten!“ Gewiss, aus nahmsweise! Gibt es nicht noch immer Millionen von Fleischessern und ein Häuflein Vegetarier! Trotz deren rühriger Propaganda! Warum also in Kunst- und Gartenfragen immer der Allgemeinheit den Geschmack einer kleinen Gruppe aufdrängen wollen? Heicke sagt richtig: „Wo man fremde Arten an wendet, da sollte man nur diejenigen bevorzugen, die sich wirklich durch wertvolle Eigenschaften vor unseren heimischen Gehölzen auszeichnen.“ Noch niemand hat doch eigentlich das Gegenteil befürwortet. Fast die gesamte Fachpresse hat sich seit Jahrzehnten in obigem Sinne bemüht. Die stete Sichtung des Pflanzenmaterials, die Empfehlung und Verbreitung gerade solcher Pflanzen, die sich vor anderen durch bestimmte Zier- oder Zweckeigenschaften aus zeichnen, hat auch uns stets am Herzen gelegen. Unsere Parks sollen ebensowenig botanische Gärten, wie blosse Staffage für Statuen, Steinplatten und Knüppelbauten sein! Möge also auch die Schriftleitung der „Gartenkunst“ ihre Spalten diesen Bestrebungen öffnen! Bisher hat dort die Frage der besten Verwendung des Pflanzen materials nur eine sehr bescheidene Rolle gespielt. Fast schien es, als sei es eines Gartenkünstlers unwürdig, sich mit solch trivialen Dingen, wie Gehölzkunde, Wert schätzung der Schmuckstauden, Gruppenpflanzen, Sommerblumen usw. zu befassen. Schliesslich zeugt es doch von einer bedenklich einseitigen Berufsauffassung, so ohne weiteres über die Formen mit gefüllten Blüten den Stab zu brechen. Haben wir nicht auch mit einer starken Strömung zu Gunsten der „Japanischen Gartenkunst“ zu rechnen? Wir würden es als eine Geschmacksverirrung betrachten, wenn dieser „Japanische Stil“ nun plötzlich zum Schema ausartete, aber die Begeisterung dafür entspringt min destens denselben edlen Motiven, derselben edlen Kunst auffassung, wie die Begeisterung für den jetzt zu Ehren gekommenen Barockstil oder die Biedermeier- Schwärmerei. Nun, in dem modernen „Japanischen Garten“ sollten auch die gefüllten japanischen Prunus serrulata- und Pseudocerasus-Formen ebenso wenig fehlen, wie die längst bekannten Formen von Prunus japonica und P. triloba. Man muss auch hier unterscheiden zwischen Lieb haberinteressen und allgemeinen Interessen. Der Baum-