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zu veranlagen sein und die Sätze 4 und 8 ausfallen. Die Sätze 4 und 8 kommen zur Veranlagung, wenn das Anlage- und Betriebskapital über 3000 Mark beträgt, infolgedessen der Betrieb steuerpflichtig ist, der Ertrag des Steuerjahres aber unter 1200 resp. 800 M. ist. Ebenso soll das Anlage- und Betriebskapital als Norm dienen in Fällen, wo der Ertrag nicht zu ermitteln ist. Die Ermittelung des Ertrages erfolgt in derselben Weise wie bei der Einkommensteuer, nur mit dem Unter schiede, dass nicht abzugsfähig sind: Zinsen für das Anlage- und Betriebskapital, dasselbe mag dem Gewerbetreibenden selbst oder Dritten gehören; und Schulden, welche behufs Erweiterung des Geschäfts, Verstärkung des Betriebs kapitals oder zu sonstigen Verbesserungen aufgenommen sind. Das Merkwürdige dabei ist: Der Besitzer darf die Zinsen für Anlage- und Betriebskapital vom Ertrage nicht abziehen, während der Pächter den Pacht- und Miethszins für die zum Geschäftsbetriebe gepachteten und gemietheten Grundstücke, Gebäude, Räumlichkeiten und Utensilien in Abzug bringen kann. Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen Besitzer und Pächter, zwischen Zinsen und Pacht oder Miethe. Nun zur Hauptsache, zu der Frage: was ist Garten bau, was ist Kunst- und Handelsgärtnerei. Hören wir zuerst die Ausführungen der Regierung und die Verfügungen des Oberverwaltungsgerichts, ich werde darauf meine Be merkungen folgen lassen. Das Oberverwaltungsgericht hat am 6. Dezember 1894 entschieden: Nach §4 Abs. 1 unterliegt der Besteuerung nicht: der Gartenbau — mit Ausnahme der Kunst- und Handelsgärtnerei — einschliesslich des Absatzes der selbstgewonnenen Erzeugnisseim rohen Zustande oder nach einer im Bereich dieses Erwerbs zweiges (des Gartenbaues) liegenden Be arbeitung. Es soll danach — unter der Voraussetzung der Beschränkung des Absatzes anf selbstgewonnene Er zeugnisse — die Steuerfreiheit die Regel, die Steuerpflicht die Ausnahme sein. In formeller Hinsicht folgt hieraus, dass diejenigen thatsächlichen Merkmale des Betriebes, welche die Steuerpflicht als Ausnahme begründen, fest gestellt und in dem Einspruch und der Berufungsent scheidung angegeben werden müssen. In materieller Hinsicht folgt hieraus: a) Es würde unrichtig sein, die Ausnahmebestimmung über die Steuerpflicht der „Kunst- und Handels gärtnerei“ ausschliesslich auf die berufsmässigen Gärtner anzuwenden. b) Nicht Jeder, der sich Kunst- und Handelsgärtner nennt, ist schon deshalb steuerpflichtig. Diese Be zeichnung war bisher kein feststehender Begriff. Doch mag, wenn sich ein Gärtner unter der Herr schaft des neuen Gewerbesteuergesetzes selbst als „Kunst- und Handelsgärtner“ bezeichnet, hieraus ein Anerkenntniss der Voraussetzungen der Steuer pflicht für seinen Betrieb entnommen werden, so dass ihm die Darlegung des Gegentheils im Rechtsmittel wege überlassen werden kann. c) Unter dem zusammenfassenden Ausdruck „Kunst und Handelsgärtnerei“ versteht man regelmässig einen einheitlichen Betrieb. Ein Handelsgärtner der nur eigene Erzeugnisse verkauft, bleibt steuerfrei, ebenso ein Kunstgärtner der nur in fremdem Garten baubetriebe thätig ist. d) Zur richtigen Erfassung der Merkmale der Kunst- und Handelsgärtnerei müssen die Verhältnisse des Gartenbaues in seiner heutigen Entwickelung und Ausbildung zu Grunde gelegt werden. Als solche gelten insbesondere: technische Vorbildung des Betriebsinhabers, oder seiner Gehülfen, namentlich in Verbindung mit der Zahl der nicht technischen Arbeitskräfte; künstliche Anlagen von nicht unter geordneter Bedeutung, z. B. eine ungewöhnlich grosse Zahl von Frühbeeten, grössere Gewächs häuser und Treibhausanlagen, grössere maschinelle Vorrichtungen und dergleichen, kaufmännische Be triebsformen u. s. w. Hiermit ist nicht ausgeschlossen, das unter Umständen schon ein einziges Merkmal für sich, wenn es wegen seiner besonders hervorragenden Bedeutung mit ausreichender Sicherheit auf einen Kunstbetrieb schliessen lässt, für die Zutheilung des Betriebes zur „Kunst- und Handelsgärtnerei“ den Ausschlag giebt. Folgende Beschwerdefälle mögen noch einen näheren Anhalt bieten: 1. Die Angaben, wonach ein Beschwerdeführer auf einem gepachteten Grundstücke von 4 Morgen Grösse unter Beschäftigung eines Gehilfen und bei Unterhaltung von 20 Stück Mistbeeten von je 36 Fuss Länge, Gemüse- und Blumenzucht betreibt, reichen für die Feststellung der Zugehörigkeit des Betriebes zur „Kunst- und Handelsgärtnerei“ für sich allein nicht aus. 2. Ein Landwirth, nicht zum Gärtnerberufe ausgebildet, benutzt von den 25 ha seiner Besitzung etwa 11/4 ha zur Maiblumenzucht im freien Lande und zwar nur zur Gewinnung von Treibkeimen. Der Betrieb wird mit gewöhnlichen Arbeitskräften geführt. Das Sortiren geschieht im Winter in einem ursprünglich zu anderen Zwecken hergestellten, jetzt hierfür allein benutzten Treibhause. Auch hier liegt nur Garten bau vor. 3. Der in der Berufsentscheidung angewendete Grund satz, dass ein Gartenbaubetrieb, der sich nicht auf Gewinnung der Erzeugnisse unmittelbar aus dem Boden heraus beschränkt, sondern Treibhäuser (gleichviel von welcher Art und Beschaffenheit) unter hält, ohne Weiteres als steuerpflichtige Kunst- und Handelsgärtnerei anzusehen sei, wird in der Be schwerdeinstanz verworfen. 4. Ein Baumschulenbetrieb in völlig kaufmännischen Formen, welcher mit allen Mitteln der Technik aus gerüstet, zwei Obergärtner und eine grössere Zahl Gärtner u nd Handarbeiter beschäftigt, erscheint un zweifelhaft steuerpflichtig, zumal solcher eine ganz eigenartige Kenntniss der Lebe ns- und Wachs- thumsbedingungen der Kulturen beansprucht. 5. Ein Betrieb, welcher Obstbäume und Rosen züchtet, einen Obergärtner und zwei bis sechs Gehilfen neben sonstigen Arbeitskräften erfordert, nicht blos Hoch stämme, sondern auch kunstvolle Formbäume kultivirt und sogar Sorten- und Preisverzeichnisse her- ausgiebt, kann ohne Weiteres als steuerpflichtig an gesehen werden, 6. Ebenso ein Betrieb, dessen erheblicher Umfang sich daraus ergiebt, dass durch Ins erat im Kreisblatt auf einmal 50 Frauen zum Maiblumenjäten ge sucht worden sind, dass ferner in den Gewächs häusern auch Palmen gezogen, Kränze, Pflanzen und Blumen das ganze Jahr hindurch feil gehalten werden u. s. w. Das sind die Verfügungen und Erklärungen vom Ober verwaltungs-Gericht, des Begriffs, was Gartenbau, und was Kunst- und Handelsgärtnerei ist. Einige Verfügungen, die mir von Kollegen bekannt geworden, werde ich weiter unten anführen. Diese Verfügungen sind ebenso unklar, wie das Gesetz selbst. Sie entbehren jeder Norm, und sind so elastisch, das die Veranlagungen willkürlich er folgen können. Das Königl. Oberverwaltungs-Gericht erkennt in der Begründung der Entscheidung vom 6. Dezember 1894 an und hat auf die Beschwerde eines Kollegen verfügt: „Dass nach § 4 des Gewerbesteuer-Gesetzes vom 24. Juni 1891 der Gartenbau der Besteuerung nicht unterliegt, dass bei der Beschränkung des Absatzes auf selbstgewonnene Erzeugnisse die Steuerfreiheit