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No. 4. Berlin, den 24. Januar 1901. XVI. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 IVI. 60 Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Gärtnerei und Handwerkskammern. In No. 48 des vorigen Jahrgangs vom 29. November beschäftigten wir uns mit der Stellungnahme der Hand werkskammer in Münster gegenüber der Handelsgärtnerei bezw. den Blumenbindereien. Die genannte Handwerks kammer stellte sich hier auf folgenden Standpunkt: Die Gärtnerei, soweit sie sich mit der Anzucht und dem Verkauf von Gewächsen befasst, gehört nicht zum Handwerk, sondern zur Landwirthschaft, resp. zum Handel. Hingegen die Anfertigung von Kränzen, Bouquets, also sogenannte Blumenbindereien, wenn diese einen Bestandtheil des gärtnerischen Be triebes bilden oder ausschliesslich betrieben werden, setzen ein handwerksmässiges Erlernen voraus und können die Inhaber dieser Betriebe dem Handwerk zugesprochen werden. Wir würden daher, wenn es uns darauf ankäme, die Frage jetzt schon endgiltig zu regeln, von vornherein nur eine bestimmte Anzahl von Gärtnern (Bindereien) dem Handwerk zuzählen. Da es sich (in Münster) dabei nur um eine geringe Anzahl handelt, so kann es einstweilen auf sich be ruhen, zumal sie keinerlei Innung besitzen. Wir theilten weiter mit, dass man in Münster auch mit der Auffassung der Kammer, dass die Binderei ein hand werksmässiges Erlernen voraussetze, nicht einverstanden sei, da aber die dortige Kammer vorläufig die Sache auf sich beruhen lassen zu wollen erklärt hat, gelangt dort diese Frage ja noch nicht zur Entscheidung. Desto eher kann dies in einem anderen Theile des Reiches der Fall sein. Die Handwerkskammer in Liegnitz erlässt durch die Ortsbehörden des Regierungsbezirks eine Bekanntmachung, die den Zweck hat, auch die Handels gärtner zur Anmeldung ihrer Lehrlinge bei der Kammer zu verpflichten. Es heisst u. A. in der betreffenden Be kanntmachung: Ferner ordnen wir unter Androhung der gesetz lichen Strafen für jeden Fall der Unterlassung hier mit an: Jeder im Regierungsbezirk Liegnitz wohnende Gewerbetreibende, welcher Lehrlinge in handwerks mässiger Weise ausbildet, gleichviel ob der Geschäfts inhaber Handwerker, Kaufmann oder Fabrikbesitzer ist (betrifft auch Buchdruckereien, Handelsgärtner)*, hat, sofern er nicht einer Innung angehört, die von ihm gehaltenen Lehrlinge bis zum 25. Januar 1901 bei der unterzeichneten Handwerkskammer, Liegnitz, Frauenstrasse 17, II, anzumelden. Die Anmeldung hat nach dein unten beigedruckten Formulare zu er folgen und muss enthalten: a) Name, Vorname, Ge werbe und Wohnung des Lehrherrn, b) Vor- und Zu name, Geburtstag, Geburtsort und Wohnung des Lehrlings, c) Angabe des Gewerbes oder Gewerbe zweiges, in welchem der Lehrling ausgebildet werden soll, d) Beginn und Dauer der Lehrzeit. Ausserdem ist der Lehrherr verpflichtet, der Handwerkskammer auf Erfordern den Lehrvertrag einzureichen. In der Bekanntmachung ist nun zwar ausdrücklich gesagt, dass nur solche Gewerbetreibenden zur Anmeldung ihrer Lehrlinge verpflichtet sein sollen, die solche in hand werksmässiger Weise ausbilden, da aber hierbei aus drücklich die Handelsgärtnerei genannt wird, muss doch die Liegnitzer Handwerkskammer der Ansicht sein, dass in einem Gärtnereibetrieb in einem oder dem anderen Theile desselben eine handwerksmässige Ausbildung des Gärtner lehrlings stattfinden könne. Und von diesem Wahn muss nicht nur die Liegnitzer, sondern überhaupt jede Handwerkskammer, die etwa ähn liche Bekanntmachungen erlassen möchte, gründlich ge heilt werden. Selbst wenn in jeder der im Regierungs bezirk Liegnitz befindlichen Gärtnereien etwas Binderei betrieben würde und selbst wenn wir uns auf den Stand punkt der Handelskammer in Münster stellen wollten, dass die Binderei handwerksmässig zu erlernen ist, *) In einer der uns zugesandten Bekanntmachungen steht statt des Wortes „Handelsgärtner“ „Landwirthschaftsgärtner“, die Kammer bleibt aber die Erklärung dafür schuldig, was sie unter diesem Ausdruck versteht. D. R.