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und nach „gewissen Gegenden“ eine Ausfuhr haben. Und wo bleibt diese Ausfuhr wenn Oesterreich Gemüse zölle einführt? Und kommen die Schäden der Einfuhr für das übrige Deutschland dem gegenüber garnicht in Betracht? Dass die Ansichten über die Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit zollpolitischer Schutzmassnahmen i n den Kreisen der Gärtner sehr getheilt sind, bestreiten wir auf das Entschiedenste. Wenn die Reichsregierung die gärtnerische Schutzzoll bewegung mit nur einigermassen offenen Augen verfolgt hätte, würde sie den Sachverhalt auch selbst kennen. Wir geben zu, dass, wie auch ganz natürlich, eine Meinungs verschiedenheit über die Höhe der Zölle vorliegen kann, ebenso wie in der Landwirthschaft eine Meinungs verschiedenheit über die als nothwendig zu bezeichnende Höhe ihrer Zölle vorhanden ist. Ueber die Noth wendigkeit eines Schutzes an und für sich sind sich über 90 Prozent der deutschen Gärtner einig. Ehe wir zu dem Schluss der Begründung übergehen, wollen wir auf einen Punkt der in der letzten Nummer veröffentlichten Sätze eingehen, und zwar auf den, wo die Regierung, besorgt für das Wohl der deutschen Gärtner, von Schutzzöllen einen Anreiz zu unverhältniss- mässig hohen Aufwendungen für Anlage und Betriebs kapital befürchtet. Ausser dem bereits in voriger Nummer Erwähnten beweisen diese Sätze klar, dass die Regierung gar keine Ahnung davon hat, welche ungeheuren Summen nach und nach, und immer in der Hoffnung, durch An spannung aller Kräfte noch konkurrenzfähig bleiben zu können, in die gärtnerischen Anlagen und Betriebe gesteckt worden sind. Das, wozu die Regierung erst einen Anreiz befürchtet, ist bereits alles, zum grossen Theil in denk barster Vollkommenheit vorhanden, das einzige was fehlt, ist die Möglichkeit einer ratio nellen Ausnutzung, die aber ohne einen Schutz gegen das Ausland nicht möglich ist. Und nun zum Schluss der Begründung. Wir beendeten unseren Auszug in der letzten Nummer mit dem Satze, dass der zur Zeit in erfreulichem Umfänge blühende Handel mit frischen Blumen voraussichtlich eine starke, nicht nur dem Handel selbst, sondern mittelbar auch der heimischen Gärtnerei nachtheilige Einbusse erleiden würde, wenn seine Fortführung durch die Erschwerung der ausländischen Zufuhr in Frage gestellt würde. Und nun heisst es weiter: Eine solche Erschwerung würde aber selbst bei niedrigen Zollsätzen eintreten, da die Nothwendigkeit der zollamtlichen Untersuchung und Abfertigung Verzögerungen in der Weiterbeförderung und durch das Oeffnen der Sendungen eine Gefährdung der leicht verderblichen Waare nach sich ziehen würde. Dabei ist auch noch zu beachten, dass schon jetzt unter der Einwirkung des Transports nahezu 50 pÖt. (!!!) des In halts der Sendungen in verdorbenem Zustande eintreffen. Bei dieser Sachlage empfiehlt es sich im Allgemeinen nicht, den gegenwärtigen Zustand der Zollfreiheit für Erzeugnisse der Gärtnerei aufzugeben und zu Schutzzöllen überzugehen. Auch hier kann man wieder die Erfahrung machen, dass dem Handel ja keine Erschwerung bereitet werden darf, ob aber den, wie in der Denkschrift selbst fest gestellt, 248227 Seelen, welche in der sogenannten „Kunst- und Handelsgärtnerei“ (es sind hierunter n i c h t die Per sonen innerhalb der Gemüsegärtnerei einbegriffen) ihr Brod finden, ihre Existenz erschwert wird, das wird nicht auf die Wagschale gelegt, sonst müsste diese, nicht die andere Seite mit den Interessen des Handels nach unten sinken! Die Denkschrift ist doch sonst umfangreich genug, warum wird denn die angebliche Wahrheit des Satzes, dass durch einen Schutzzoll auch die heimische Gärtnerei eine Einbusse erleiden würde, nicht in etwas zu be gründen versucht, dieses wäre doch um so nothwendiger gewesen, als wir bis heute glauben, in unseren Denkschriften den Beweis des Gegentheils erbracht zu haben. Dass die Verzögerungen in der Weiterbeförderung durch zollamtliche Untersuchung und Abfertigung in ihrer Wirkung gewaltig übertrieben werden, haben wir ebenfalls in voriger Nummer nachzuweisen versucht. Einen würdigen Schluss der ganzen Begründung bildet aber die Erzählung, dass nahezu 50 pCt. des Inhalts der Sendungen in verdorbenem Zustande eintreffen. Wenn wir uns schon garnicht denken können, dass selbst der eifrigste Freihandels-Blumenhändler der Regierung eine derartige Information gegeben haben kann, so ist geradezu unglaublich, wie in einer amtlichen Denkschrift, für die die Reichsregierung die Verantwortung trägt, etwas derartiges gedruckt stehen kann! Nach der neuen Eintheilung des statistischen WaarenVerkehrs wissen wir, dass nach Deutschland jetzt ungefähr 15 000 dz frische Blumen — nur Blumen, nicht Bindegrün und getrocknete Waare — eingeführt werden und von diesen kommen ca. 50 pCt., also ca. 7500 Doppelzentner in verdorbenem Zustande an! Wäre diese Zahl richtig, so würde neben anderen auch sie ja den klarsten Beweis für die Berechtigung unserer Forderungen enthalten, denn wenn bei einem derartigen enormen Verlust anWaare undSpesen mit der anderen Hälfte noch diese Menge von Blumenhändlern ein gutes Geschäft macht und diese Hälfte dann auch noch einen derartigen Einfluss auf die heimische Produktion ausübt, dann ist es doch ohne Weiteres klar, dass die Letztere gegenüber einer s o 1 c.h e n Waare machtlos ist! Vor zwei Jahren auf der internationalen Gartenbau- Ausstellung in St. Petersburg waren in der französischen Abtheilung eine grosse Anzahl von Originalkisten französischer Blumen zur Schau gestellt, um den Beweis zu erbringen, in welch tadelloser Verfassung die Blumen diese ungleich weitere Reise überstanden hatten und das war im Monat Mai! Es ist ja schwer, den Prozentsatz an verdorbener Waare richtig zu schätzen, das behaupten wir aber auf Grund unserer Kenntnisse des Berliner Marktes, dass der Verlust mit 10 pCt. zu hoch geschätzt ist. 10 pCt. wären 1500 Doppelzentner! Die Begründung für die Obstzölle werden wir in nächster Nummer bringen, nur einen Satz aus derselben zu erwähnen, können wir uns nicht versagen. Bei dem Zoll auf Tafelobst heisst es: ‘Die Einführung eines Zolles auf Tafelobst erscheint geeignet, dem Obstbau einen Anreiz zur Verwendung grösserer Sorgfalt und Arbeit auf die Erziehung besserer und höherwerthiger Obst sorten zu bieten“. Hier wird eine heimische Produktion angespornt und trotzdem, dass an einer anderen Stelle eingestanden wird, „dass Deutschland seinen BedarfanObst zurZeit beiWeitem nicht zu decken vermag“; aber bei gärtnerischen Schutz zöllen — ja, Bauer, das ist ganz was anderes, da würden Schutzzölle nur einen Anreiz zu ganz gefährlichen Aufwendungen in den Betrieben geben! Wir können nur nochmals wiederholen, dass die betheiligten Stellen sich mit diesem Theil der Be gründung zum Zolltarifentwurf wahrlich keinen Ruhm er worben haben, und diese Thatsache müsste ihnen auch eigentlich bewusst sein. Damit sollen an dieser Stelle unsere Be trachtungen zu Ende sein, wir verweisen nur auf das am Schlüsse der Betrachtungen in voriger Nummer Gesagte und wiederholen nochmals die Aufforderung: Klärt die Reichstagsabgeordneten über den Werth dieser Begründung auf! * Eingabe des Bundes der Landwirthe zum Zolltarif. Eine Eingabe des Bundes der Landwirthe zum neuen Zolltarif enthält in den hauptsächlichsten Punkten die folgenden allgemeinen und die Gärtnerei betreffenden