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No. 35. Berlin, den 29. August 1901. XVI. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben un r Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglleder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 60Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Die Schutzzoll-Debatte auf der Haupt versammlung in Dresden. (Schluss.) C. F. Krause-Neuhaldensleben: Meine Herren! Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, so fühle ich mich dazu veranlasst durch eine Anknüpfung des Herrn Geh. Hofrath Mehnert. Er sagte, er wundere sich, dass Cycaswedel so stark verzollt werden. Ich halte es für unsere grösste Pflicht, die Abgeordneten, die hier sind, darüber aufzuklären, in wie weit eine einzelne Blume durch Schutzzoll vertheuert wird. Ich will daran anknüpfen, dass in den meisten Fällen, wie der Herr Abg. Gäbel sagte, die Biurnen, die in Berlin gekauft werden, eigentlich nichts Rechtes mehr sind. Im wahren Sinne des Wortes kauft das Publikum im Winter Ruinen. Sie sind 3, 4 mal mit Draht durchgesteckt und entbehren jeder Frische und jedes Geruches. Es ist eben nur eine Blume, eine Rose, aber das Publikum ist damit zufrieden und wird damit über schwemmt. Eine Rose wird durch den Zoll vielleicht um einen halben Pfennig, vielleicht um einen Pfennig vertheuert. Das wird für das konsumirende Publikum jedenfalls nichts austragen, das ist keine Belastung. Nun aber müssen Sie denken — ich verweise hier auf Dresden — wie hoch stand da die Kamelienkultur! Was wurden diese Blumen verarbeitet — und jetzt ist es nichts mehr. Ein bedeutendes Anlagekapital steckt in diesen Gewächshäusern, was jetzt nichts einbringt. So ist es auch mit Schnittgrün. Das Alles ist durch die Zufuhr aus dem Süden immer schlimmer geworden. In den letzten Jahren haben sich im Gartenbau ver schiedene Spezialitäten herausgebildet, die mit Vorliebe zur Binderei verwendet werden; aber auch diese Artikel hat sich der Süden zu Nutze gemacht, weil dieses Grün haltbar ist und einen sehr langen Transport verträgt. Auch damit hat sich der Süden befasst und erzeugt unter, freiem Himmel, was wir nur unter schwierigen Verhältnissen erzeugen können. Alle Schnittblumen, die zu den Zollsätzen, die wir beantragt haben, hereinkommen, die werden nicht erheblich vertheuert, und ich sage noch einmal: der Zoll auf abgeschnittene Blumen ist ein Luxuszoll ersten Ranges. Auf der anderen Seite bewundere ich aber die Staatsregierung, welche immer Geld braucht, dass sie auf diesen Luxuszoll nicht eingeht. Das Geld müsste der hohen Staatsregierung sehr an genehm sein, denn Geld braucht sie immer. Es ist schon soweit gekommen, dass sich in Berlin z. B. Jemand sesshaft gemacht hat, der die Waaren wagenladungsweise aus dem Süden bezieht und direkt an das Publikum verkauft, nicht blos an Händler. Er be zieht auch seine abgeschnittenen Blumen, hat ein grosses Blumen geschäft und macht grosse Dekorationen. Er schädigt damit auch die Berliner Händler; sogar für den Hof arbeitet er. Der Sache müssen wir doch entgegentreten. Wenn man die Zeitungen gelesen hat, was die französischen Blumenproduzenten planen, dass sie, wenn kein Zoll auf die Blumen gelegt wird, in Berlin und ander wärts sogar allgemeine Verkaufshallen einrichten, dann steht es nicht allein um den Gartenbau schlecht, sondern auch um den Händler, und auch er hat ein Interesse mehr daran, für den Schutz zoll einzutreten, als er jetzt hatte. Bis jetzt haben sämmtliche umliegenden Länder einen Schutzzoll, wenn auch nicht gross, und in Folge dessen ist Deutschland der Abladeplatz der gesammten Ueberproduktion des Südens. Alles, was nicht abgesetzt wird, wird hier herein geworfen. Es werden die Sachen per Post zu gesandt, es werden fingirte Bestellungen gemacht und die Sen dungen von der Post nicht angenommen und dann zu Schund preisen an die Strassenhän'dler verkauft und damit wieder den Blumengeschäften eine Konkurrenz gemacht. Im Winter wird Ihnen ein Strauss mit 2 Rosen mit dem nöthigen Grün für 15 Pf. angeboten. So arbeiten die fremden Händler bis zum späten Früh jahr. Ja, das können wir nicht machen. Und dann möchte ich Ihnen sagen: Wieviel Arbeit und Intelligenz ist im Gartenbau vertreten, viel mehr als in manchen anderen Branchen. Kein Beruf ist so der Witterung ausgesetzt, kein Arbeiter und Unternehmer muss so auf dem Posten stehen wie der Gärtner von Früh bis Abends; eine Stunde Sonne kann die Arbeit von Monaten vernichten. Das wird immer vergessen, und der Gärtner wird leider nicht auf die Stelle gestellt, wohin er gehört. Das ist bedauerlich. Dann wird bei der Regierung vergessen: wenn die Händler gefragt werden, wird nicht der richtige Massstab dafür gefunden, wieviel Kapital einerseits im Gartenbau und andererseits im Handel angelegt ist. Was kosten die Gewächshäuser und was haben die Blumengeschäfte für Kapitalien nöthig? Nichts! Sie kaufen aus der Hand in den Mund. Wenn ihnen etwas ausgegangen ist, können sie es in einer halben Stunde wieder beziehen. Wir sitzen mit unseren Erzeug nissen, die jahrelange Arbeit gekostet haben, da; ist die Waare nicht in kurzer Zeit abgesetzt, so ist unweigerlich der Verderb da. Das berechnet Keiner. Es giebt keinen Beruf, wo die Waare so dem Verderb ausgesetzt ist, wie im Gartenbau. In kurzer Zeit kann sie werthlos sein. Das nimmt dann das wieder, was in der übrigen Zeit des Jahres verdient worden ist. (Lebhafter Beifall.) Geh. Hofrath Dr. Mehnert: Nur um ein MissverständniSs aufzuklären, ein kurzes Wort. Der Herr Vorredner hat angeführt, dass ich mich gegen den Zoll ausgesprochen hätte. (Widerspruch.) Um Gottes Willen nicht! Ich habe nur hervorgehoben, wie wunder bar es sei, dass dieser Zoll auf Cycaswedel sich so allein heraus-