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Nr. 9 u. 10 Freitag, den 27. Februar 1920. XXII. Jahrgang. Der Handelsgärtner Bezugspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland M. 7.—, für das Ausland M. 12.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 24.- pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Anzeigen 40 Pfennig für die fünf- gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 50 Pfennig, im Reklameteil M. 1.50 für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 50°0 Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Ordentliche 31. Hauptversammlung des Verbandes deutscher Gartenbaubetriebe zu Berlin am 20. Februar 1920. — Zeichen der Zeit. — Praxis und Wissenschaft: Die Regelung der Erzeugung im Gartenbau. — Kleinere Mitteilungen. — Frage kästen der Abonnenten. — Vereine und Versammlungen. — Bücherschau. — Handelsnachrichten.— Genossenschaftsregister. — Handelsregister. — Geschäftsnachrichten. — Personalien. Ordentliche 31. Hauptversammlung des Verbandes deutscher Gartenbaubetriebe zu Berlin am 20. Februar 1920. I Die großen Erwartungen, mit denen der Berichterstat ter nach Berlin fuhr, wurden, das sei gleich vorwegge nommen, insofern etwas enttäuscht, als er einen viel zahl reicheren Besuch der 31. Hauptversammlung, der ersten nach so langer Kriegspause stattfindenden, erwartet hatte, j Schuld daran trugen jedenfalls die schwierigen Verkehrs- i und Verpflegungsverhältnisse, die sich leider noch immer ( mehr verschlechtern werden. Trotzalledem aber, so sollte man meinen, hätte sich eine größere Anzahl von Mitglie dern zu der diesmaligen Tagung in Berlin zusammenfin den müssen. Der Vorstand und die Verbandsleitung hät- j ten sich jedenfalls mit bestem Erfolg bemüht, das Pro- i gramm interessant und zeitgemäß zu gestalten. Der 1. Vorsitzende, Herr O. Bernstiel, begrüßte die Teilnehmer mit herzlichen Worten. Besonders hieß er den Vertreter der Staatsregierung, Geh.-R.Dr. Oldenburg, sowie die Abgeordneten der beruflichen Vereine und Verbände usw. willkommen. Er gedachte dann der 3000 Verbands mitglieder, die im Weltkrieg mitgekämpft haben. Ueber 300 von ihnen sind auf den Schlachtfeldern gefallen. Die Versammlung ehrte ihr Gedächtnis durch Erheben von den Plätzen. Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen ging der Redner dann auf die Arbeit ein, weiche der Verband deutscher Gartenbaubetriebe für seine Mitglieder wäh rend der Kriegsjahre geleistet hat. Er hob vor allem die Arbeitsgemeinschaft hervor, welche zwar zur Folge gehabt habe, daß manche mit diesem Abkommen unzu frieden dem Verbände den Rücken gekehrt hätten, jedoch sei der Zuwachs an Mitgliedern weit stärker als alle erlit tenen Verluste, Die durch den unglücklichen Verlauf des Weltkrieges bewirkten Gebietsverluste des Reiches im Osten und Westen hätten leider auch nicht wenige Mit glieder des Verbandes aus seinen Reihen gerissen. Der Ausblick in die Zukunft sei dunkel, und zwar so wohl in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht, Die Er zeugungskosten drohen unerschwinglich zu werden. Dazu komme die wieder beginnende Einfuhr gärtnerischer Er zeugnisse aus dem Auslande. Schon habe Italien seine blumengeschmückte Visitenkarte abgegeben und auch die südfranzösische Einfuhr habe wieder begonnen. Es sei zu befürchten, daß Deutschland wieder, wie vor dem Kriege, die Ablagerungsstätte für ausländische Gärtnereierzeug nisse werde. Um das zu verhindern, brauchten wir eine Regierung, die Verständnis für die Bedeutung und Bedürf nisse des deutschen Erwerbsgartenbaues habe und in be zug auf die Schutzzollfrage nicht versage. Leider aber fehle der gegenwärtigen Regierung jedes Verständnis für unseren Beruf. Seine volkswirtschaftliche Bedeutung werde keinesfalls nach Verdienst gewürdigt. Auf die in Aussicht stehenden Gärtnereiausschüsse, die voraussichtlich im Anschluß an die Landwirtschafts kammern errichtet werden würden, setze man viele Hoff nungen. Der Gartenbau müsse aber in Zukunft nicht bit ten, sondern fordern. Die deutschen Erwerbsgärtner wollen nur als zur Landwirtschaft gehörig betrachtet wer den, deshalb habe sich der Verband dem Reichsausschuß für die Landwirtschaft angeschlossen. Auch bei den Ar beitnehmern beginne die Ansicht an Boden zu gewinnen, daß die Gärtnerei und die Landwirtschaft zusammenge höre. Von Arbeitgeberseite aus werde es jedoch nicht erstrebt, 'die Landarbeiterordnung in ihrem vollen Um fange auf die gärtnerischen Arbeitnehmer anzuwenden. Auf alle Fälle sei jedoch der Achtstundentag für den Gar tenbau zu kurz bemessen. Zum Schlüsse richtete der Redner noch Worte des Dankes an den Generalsekretär und das Gesamtpersonal des Verbandes und beendet damit seine mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen. Generalsekretär Beckmann ergriff nunmehr das Wort zu seinem V ortrage: W as tut uns not? Es sei zwar nicht alles neu, was er zu sagen habe. Das Thema sei vielmehr schon immer und immer wieder erörtert worden, aber freilich liege zwischen dem Einst und Heute ein großer Unterschied, Früher habe man über diese Dinge voll Kraftbewußtsein und Ruhe gesprochen, heute sei es ein Verzweifelungsschrei. Der Boden wanke unter den Füßen und alle sittlichen und erzeugenden Werte seien im Niedergang begriffen. Aber wenn auch das Reich seinen Glanz eingebüßt habe, nie würden uns die Feinde die Liebe zur Heimat aus dem Herzen reißen. Wer dem Vaterlande nicht die Treue wahre und nicht mit helfe, es aus seiner Not zu erlösen, der verliere auch die Existenzmöglichkeit in seinem Berufe. Deshalb sei das Zurückschauen in die Vergangenheit zwecklos. Man müsse vielmehr der Gegenwart entschlossen ins Auge blicken. Durch seine Kriegsarbeit habe der deutsche Er werbsgartenbau den Beweis erbracht, daß wir nicht auf die Einfuhr gärtnerischer Erzeugnisse angewiesen sind. Die früher nur der Blumenzucht dienenden Betriebe hät ten durch die umfassende Umstellung auf den Gemüsebau, eine große Anpassungsfähigkeit bewiesen, Ueberhaupt habe die große Ausdehnung des Gemüsebaues durch die deutschen Gärtner es erst ermöglicht, daß wir so lange durchgehalten haben. Die Leistungen des Gartenbaues seien um so höher anzuerkennen, weil sie trotz der schwe ren Hemmungen durch die Reichssteile für Gemüse und Obst vollbracht worden sind. Dem Gartenbau gebühre da her die Anerkennung für seine Tüchtigkeit. Darum sei die erste Antwort auf die Fragestellung des zur Erörterung stehenden Themas: Was tut uns not? das Wort: Ge rechtigkeit für die Existenznotwendig- keitendesErwerbsgartenbaues! Damit sei es aber leider sehr schlecht bestellt. Ein Beweis dafür, wie gering die Regierung die wirtschaft liche Bedeutung des Gartenbaues bewerte, liege darin, daß