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Nr. 1 u. 2 Freitag, den 2. Januar 1920. XXII Jahrgang Bezugspreis bei d * rektem Bezug vom Verlag: für Deutschland M. 7.—, für das Ausland M. 12.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 24.— pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). Hanldelszeitung für den deutschen Gartenbau Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Gomeniusstr. 17. Anzeigen 40 Pfennig für die fünf gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 50 Pfennig, im Reklameteil M. 1.50 für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 50°/0 Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Hoffnungen für das neue Jahr! — Neues Leben im Reichsverband für den deut schen Gartenbau. — Warum müssen die Gemüsegärtner Genossenschaften bilden? — Praxis und Wissenschaft: Die Kultur der Gattung Eremurus. — Gynura aurantiaca. — Illicium auisatum. — Noch einmal die „Brandfleckenkrankheit“ der Himbeeren. — Die Saatbohnenpreise und die künftigen Preise für die grünen Bohnen — Vereine und Versammlungen. — Handelsnachricnten. — Geschäftsnacnrichten. — Bücherschau. Hoffnungen für das neue Jahr! Wir treten in das. neue Jahr mit schwerem Herzen hin ein, denn noch immer ist das Dunkel, das uns im verflosse nen Jahre umfangen hat, nicht gelichtet, noch immer schauen wir fragend in eine ungewisse Zukunft. Wir haben das verflossene Jahr unter den Nachwehen der Revolution gelitten, und niemand weiß, wie sich das politische Leben und das Wirtschaftsleben entwickeln werden. Das hinter uns liegende Jahr stand unter der Signatur der Streikbewegungen. In den Großbetrieben wie in der Werktstatt brachen Lohnkämpfe aus und die Arbeitnehmer stellten Forderungen an das Unternehmertum, die oft uner füllbar waren. Sie trugen die Kämpfe in die Gruben, in das Verkehrswesen hinüber, und die Folge war jene ver hängnisvolle Kohlennot, unter der Industrie und Gewerbe fleiß und unser Gartenbau schwer zu leiden hatten und noch heute leiden. Die Tarifbewegungen ergriffen alle Schichten des werktätigen Volkes, und die Interessen wurden nicht wirtschaftlich gegeneinander abgewogen, sondern die For derungen, der Arbeitnehmer in Industrie, Handel und Hand werk wurden rücksichtslos durchgedrückt, Auch in der Gärtnerei setzte die Tarifbewegung ein und die Verhand lungen führten zu Tarifabkommen, die wir im „Han- delsgärtner" jeweilig veröffentlicht haben. Sie haben aber auch in unserem Fache nicht immer der Billigkeit Rechnung getragen und bürden den Handelsgärtnern Opfer auf, die nicht jeder Betrieb ohne Nachteile ertragen kann. Das war aber um so gefährlicher, als auch sonst die Lage der Gärt- mnerei infolge der bis vor kurzem währenden Einfuhrer schwerungen aus dem Ausland, namentlich in Sämereien, der sich beständig steigernden Kohlennot eine ungünstige blieb. Das Anziehen der Preise für die Erzeugung hatte auch eitle Steigerung der Verkaufspreise zur Folge, und da konnte es nicht ausbleiben, daß der Blumen- und Pflanzen konsum zurückging. In der Kleingarten- und Kleinpacht landordnung wurde eine ungesetzliche Regelung vorgenom men und dadurch auch der nichtgewerbsmäßige Gartenbau in bestimmte Bahnen gewiesen, wobei dem Bodenwucher entgegengetreten wurde. Da diese privaten Kleingärten ihren Bedarf von den Handelsgärtnern ziehen, war gegen die Juli-Verordnung unserseits nichts einzuwenden. Die Verordnungen über Beschaffung und Preisbemessung von Düngemitteln, sowie über die Sicherstellung von Saatkar toffeln kamen auch der Gärtnerei zu Nutzen, obwohl es an Uebertreibungen derselben nicht gefehlt hat. Das Ver bot der Ausfuhr von Obstbäumen, Sträuchern, Beerenobst sträuchen und Stämmen, Obstwildlingen und Obststecklin gen beschränkte zwar den Export in diesen Erzeugnissen, war aber eine notwendige Maßnahme, um das Ausland nicht durch die Ausfuhr von diesen Artikeln zu entblößen, All mählich hat im vorigen Jähre die Zwangswirtschaft einen Abbau erfahren und die Höchstpreispolitik, unter deren vielen Fehlschlägen auch der Gartenbau zu leiden hatte, wurde mehr und mehr eingedämmt. Eine Rückbildung der Preise aber hat noch nicht stattfinden können, da die Vor aussetzungen zu einer solchen fehlen. Wir werden also auch 1920 mit hohen und höchsten Preisen zu rechnen haben, so lange die allgemeine Teuerung anhält, Land wirtschaft und Gartenbau litten noch am Ausgang des alten Jahres schwer unter dem unzulänglichen Verkehrswesen, der mangelnden Bereitstellung von Güterwagen und der schließlich periodisch eintretenden totalen Verkehrssperre. Hoffen wir, daß uns das neue Jahr endlich eine Besserung der Verkehrsverhältnisse bringt, Im übrigen teilte die Gärtnerei des Reiches Leid und Not mit allen übrigen Be rufen unseres Erwerbslebens, Die Gesetzgebung nahm sich durch die Verordnung über Einstellung und Entlassung der Arbeiter und Angestellten der letzteren an, ohne nach den Schwierigkeiten zu fragen, die nur allzuoft durch die gesetz lichen Maßnahmen den Arbeitgebern bereitet wurden. Der Mangel an Rohstoffen und die damit verbundene Verteue- rung derselben, die Preissteigerung der für die Lebenshal tung notwendigen Güter, Schleichhandel und Sohiebertum, Wucher und andre Straftaten mehr standen der Aufwärts entwicklung unseres geschäftlichen Lebens hemmend ent gegen und ließen uns nicht in die Bahnen ruhiger, zielbe wußter Arbeit einlenken. Dazu kam die Unsicherheit des politischen Lebens. Noch ist der normale Frieden nicht abgeschlossen, wenn auch tat sächlich durch den Waffenstillstand der Kriegszustand ein Ende gefunden hat. Aber unsere Feinde, abgesehen von den Amerikanern, die sich von dem Erdrosselungsfrieden abzuwenden scheinen, legen uns immer neue und schwerere Bedingungen auf, um unser wirtschaftliches Leben für im mer zu vernichten. Möchte man doch am liebsten auch unsere großen Häfen verkehrsunfähigmachen oder sie unter die Botmäßigkeit feindlicher Gewalten bringen. Und was die Feinde nicht besorgen, das besorgen wir selbst. Das vergangene Jahr war das Jahr der großen Abgaben- und Steuerexperimente, unter deren Zeichen wir in das neue Jahr hineingetreten sind. Bestürzung und allseitige Verurteilung haben die Steuerprojekte der Reichsregierung hervorgerufen. Noch in den letzten Tagen des Jahres hat man das große Reichsnotopfer unter Dach und Fach ge brächt, ein Opfer, das alle anderen, die wir bisher bringen mußten, bei weitem übersteigen wird. Gerade in einer Zeit, wo man des Betriebskapitals dringend bedarf und schon die Kriegsabgaben 1918 und 1919, sowie das Kapitalsteuerge setz in die Sphäre der Gewerbetreibenden schädigend ein- greifen werden, wird eine Abgabe gezeitigt, die allerdings als „Notofper" gelten kann, weil sie die von ihr Betroffenen größtenteils in Not stürzen wird. Wenn das Opfer auch auf dreißig Jahre verteilt werden kann und die ganz kleinen Vermögen von 5000 Mark freigelassen werden, so ist doch die Abgabe immerhin hoch genug geblieben, denn sie be trägt für die ersten 50 000 Mark 10 vH, für die nächsten 50 000 Mark 12 vH, für die nächsten 100 000 Mark 15 vH, für die nächsten 200 000 Mark 20 vH, und steigt so weiter,