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Nr. 3u.4 XXII, Jahrgang Freitag, den 16. Januar 1920. Der Handelsgärtner Bezugspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland M. 7.—, für das Ausland M. 12.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 24.— pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Anzeigen 40 Pfennig für die fünf gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 50 Pfennig, im Reklameteil M. 1.50 für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 50°0 Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Vom gärtnerischen Versuchswesen der Zukunft! — Praxis und Wissenschaft: Deutsche Wissenschaft nnd das Ausland. — Obstptlanzweite und Ernteausfall der Unterfrüchte. — Wie groß ist der Nährstoffgehalt der Komposterde? — Winteraussaat der Primeln. — Primula malacoides. — Stachys lanata, der Wollziest, eine wertvolle Einfassungspflanze für sonnigste Lagen. — Einquellen des Karottensamens vor der Aussaat in das Mistbeet. — Walnußbäume bei der Pflanzung nicht schneiden! — Vereine und Versammlungen. — Handelsnachrichten. — Geschäftsnachrichten. --------------------------- Vom gärtnerischen Versuchswesen der Zukunft. Wenn der Gartenbau in allen seinen Zweigen den •Aufschwung nehmen soll, der im Interesse nicht nur der VBerufsangehörigen, sondern der ganzen deutschen Volks wirtschaft liegt, dann bedarf das gärtnerische Versuchs wesen eines großzügigen Ausbaues, wie ihn die Landwirt schaft, wenigstens in ihren Grundlagen, bereits aufweist. Es genügt nicht, wenn zu diesem Zwecke die vorhandenen, dazu geeigneten Fachschulen mehr als bisher ihre Tätig keit in den Dienst des gärtnerischen Versuchs stellen. Es ist auch notwendig, Einrichtungen zu schaffen, die in allen Teilen des Reiches die gefundenen Fortschritte für die Praxis ummünzen und den Berufsgenossen vorführen. Einen interessanten Vortrag über das, was in dieser Hin sicht von Seiten der Regierung des Freistaates Sachsen für diesen Bundesstaat zum besten der sächsischen Land wirtschaft geplant ist, hielt in einer Sitzung des Presse beirats des Landeslebensmittelamtes am 8. Januar Geh. Regierungsrat Dr. Falke im Anschluß an einen früheren, sehr beifällig aufgenommenen Vortrag, der die landwirt schaftlichen Versuchsstationen behandelte, auf Wunsch der Pressevertreter über die Verwertung der Unter suchungsergebnisse der Versuchsanstalten für die Praxis. „Um in Zukunft in vermehrter, wirksamer und vor al lem intensiver Weise zu neuzeitlicher, fortschrittlicher Betriebsweise anzuregen, müssen den praktischen Land wirtschaften die Ergebnisse der wissenschaftlichen For schungen in anschaulicher Weise vorgeführt werden. Da zu dient zunächst die Errichtung von Beispielwirtschaften. Von sogenannten Musterwirtschaften unterscheiden sich diese dadurch, daß sie nach rein privatwirtschaftlichen Grundsätzen bewirtschaftet werden, d, h, die Rentabilität der Neuerungen zeigen sollen. Dadurch werden nicht nur die Landwirte, sondern auch die Verbraucher, Regie rung und Publikum, über die tatsächlichen Erzeugungs bedingungen der Landwirtschaft unterrichtet. Neben den staatlichen müssen auch private Beispielwirtschaften unterhalten werden, was der landwirtschaftlichen Berufs vertretung zu überlassen ist. Weitere Belehrungsmittel der praktischen Landwirte sind Schauversuche, die einzelne Maßnahmen (z. B. Wir kung eines Düngemittels, Anbau verschiedener Saatgut sorten) anschaulich machen sollen, ferner landwirtschaft liche Schulen, Haushaltungs-, Wiesenbau- usw. Schulen; schließlich zur Ausbildung in besonderen Wirtschafts zweigen: Schweizer-, Schweinemäster-, Schäfer-, land wirtschaftliche Betriebsschulen u. a.“ Wenn dieses Programm durchgeführt wird, wird da mit ein weitverzweigtes Netz von Wegen geschaffen, auf denen der Fortschritt bis in den entlegensten Winkel des Landes marschieren kann, in denen der Pflug die Scholle aufreißt. Wir glauben auch, daß es gelingen wird, denn die Hauptstraßen dieses Wegenetzes, die landwirtschaft lichen Versuchsanstalten sind bereits vorhanden. Auch der Gartenbau bedarf dringend ähnlicher Ein richtungen. Vor allem sind auch für uns Beispielbetriebe der verschiedenen Sonderzweige des Gartenbaues nötig, die den Berufsgenossen zeigen, wie die Fortschritte der Wissenschaft und fachlichen Technik geschäftlich nutzbar gemacht werden. Von einer zu schaffenden zentralen Reichsinstanz aus, also etwa einem Reichssekretariat für Gartenbau, müßte das ganze Reich in eine Anzahl von Bezirke einge teilt werden. Das Zentrum jedes Bezirkes müßte eine gärtnerische Versuchsanstalt werden. Dazu könnten die vorhandenen Fachschulen ausgebaut werden, und wo diese nicht ausreichen, wären neue zu gründen. Pros- kau, Dahlem, Geisenheim, Dresden, Hohenheim, Veits höchheim wären gegebene Zentren. Dazu käme vor allem noch die schon vorhandene Versuchsanstalt Bonn mit ihrem tüchtigen Leiter, und schließlich wären Erfurt, der Ursitz des deutschen Handelsgartenbaues, und für Nord westen etwa noch Hannover geeignete Sitze gärtnerischer Versuchsanstalten. Von diesen Versuchsanstalten aus müßten nun in jedem Bezirke eine Anzahl von Beispiel gärtnereien geschaffen werden, die, wie es Professor Falke für die sächsische Landwirtschatf plant, „nach rein privatwirtschaftlichen Grundsätzen bewirtschaftet werden und die Rentabilität der Neuerungen zeigen sollen. Diese Beispielgärtnereien sollen also nicht aus dem Staats oder Reichssäckel leben, sondern sich aus sich selbst er halten. Das wird auch sehr gut möglich sein; denn sie sollen ja keine Experimente machen, sondern lediglich das, was auf den Versuchsanstalten als Fortschritt entdeckt, er funden und als gut erprobt wurde, den Berufsgenossen vorführen. Die Beispielbetriebe müssen natürlich ihre Erzeugnisse verkaufen und würden in dieser Hinsicht frei lich eine gewisse Konkurrenz für den ortsansässigen Gar tenbau bedeuten. Aber sie müßten eben von Staatswe gen gehalten sein, nicht als Schmutzkonkurrenten aufzu treten. Wir haben ja z. B. auch staatliche Weingüter, die den privaten deutschen Weinbau nicht ruiniert, sondern gefördert haben. Manche werden sagen: „Ein verstiegenes Programm". Nun, mir schwebt in dieser Hinsicht die kleine Schweiz als Muster vor, die für ihre rund 3% Millionen Einwohner auch eine Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau unterhält. Wenn das Deutsche Reich acht derartige An stalten hätte, so würde erst auf 7% Millionen Deutsche eine solche kommen. Außerdem sind ja in Dahlem, Gei senheim, Proskau (auch in Dresden nach Durchführung der Verlegung der dortigen Gärtnerlehranstalt) die erfor derlichen Einrichtungen fast vollständig und in den übri gen vorgeschlagenen Orten, mit Ausnahme von Erfurt und Hannover, wenigstens zum Teil vorhanden. Gewiß, die Zeit ist so bitter ernst, wie kaum jemals. Aber gerade aus dieser Erkenntnis heraus sollte auch in unserem Beruf alles geschehen, was dem Fortschritt dient.