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gangen. Er führt den Beschauer in ein bescheidener Stübchen der Zimmermannsleute. Am Fenster, von sonnigem Lichte überstrahlt, sitzt die Madonna mit dem Kinde, ein Bild stillen Glückes. Von der rech ten Seite nahen sich die Könige aus dem Morgen lande mit ihren Gaben und der Glanz ihrer Ge wänder steht in starkem Gegensätze zu der Armut des Stübchens. Eine überaus wohlthuende, freund liche Stimmung liegt über der Szene. — In einem reizende» kleinerem Bilde stellt der Künstler, der im letzten Sommer in seinem Tuskulum am Starnberger See vielerlei große landwirtschaftliche Studien im Freien gemalt hat, eine „Raft auf der Flucht nach Aegypten" im grünen deutschen Buchenwalde dar. Im Vordergründe ruht Maria mit dem Knaben, im Hintergründe bindet Josef das Eselein an einen Baum. — Das Landgericht Zwickau verurteilte emen vorbestraften Arbeiter, welcher in Werdau zwei Mädchen, von denen er das eine küssen wollte, das andere aber sonst belästigte, wegen ihrer Weigerung schlug und körperlich verletzte, zu 3 Jahren Gefäng nis, sowie einen Tischler aus Chemnitz, der in Zwickau einen Einbruchsdiebstahl versuchte, zu 2 Jahren Zuchthaus. — Glauchau, 18. Dez. Der Gerichtsvoll zieher Eichseld in Glauchau ist seit Montag voriger Woche verschwunden. Bücher und Kasse sind in Ordnung. Man sagt, daß ein unverdienter Tadel ihn zu dem Schritte veranlaßt haben soll. Bedauer lich wäre es, wenn ein Mann, der 40 Jahre lang dem Staate treu gedient, in solcher Weise seinem Leben ein Ziel gesetzt hätte. — In Jerisau wurde, wie das „Schönb. Tgbl." berichtet, am Sonntag nachmittag die Leiche des in Glauchau wohnhaft gewesenen und seit mehreren Tagen vermißten Gerichtsvollziehers Eichfeld aus dem Wasser gezogen. Familienverhältnisse sollen den Unglücklichen zum Selbstmord getrieben haben. — Waldenburg, 18. Dez. Gestern nach mittag verunglückte auf dem Fürstlichen Vorwerke der 18jährige Verwalter Freund aus Annaberg da durch, daß er mit einem Bein in die Dreschdrommel der Dampfdreschmaschine geriet, wodurch ihm das Bein bis zum Knie vollständig zerschmettert wurde. In das hiesige Krankenhaus überführt, ist er heute früh 4 Uhr seiner schweren Verletzung erlegen. — Freiberg, 17. Dezbr. Es dürfte nur wenige Städte in unserem Vaterlande geben, die so ansehnliche Stiftungen aufweisen können, wie die Bergstadt Freiberg. Wie aus einer amtlichen Ueber- sicht zu ersehen ist, betrugen die dem hiesigen Stadt rat zur Verfügung stehenden Stiftungskapitalien al lein 3,776,203 M. 78 Pf. und diejenigen unter seiner Aufsicht stehenden 44,579 M. 21 Pf. — Die 5 Jahre Gefängnis, die dem Blockwär- 1er Wolf in Oederan auferlegt wurden, sind die höchste Strafe, die auf seine Pflichtvergessenheit er folgen konnte. Wolfs Apparat mußte die rote, die Strecke sperrende Scheibe solange zeigen, bis sein Nachbar Noack „die Strecke frei" gemeldet hatte. Noack sandte diese Meldung nicht, und doch zeigte Wolfs Signalstange das grüne Licht, als der Mili- tärzug ankam. Es ist nicht anders möglich, als daß Wolf den Apparat mit Gewalt verstellt hat, um sich einen Weg zu ersparen. Ein Zeuge, der Bahnwär ter Schädlich, der mit Wolf im Dienst wechselte, bekundete, daß er keine Unregelmäßigkeiten an dem Wolf'schen Weckapparat bemerkt habe. Er habe jedoch früher einmal gehört, daß Wolf in seinem Dienstraum poche, darauf sei ein schnappendes Geräusch gefolgt. Als er die Blockstube betreten, zeigten sich weiße Blockfel der. Kurzzuvor ist damalseineMaschine durchgefahren. Zeuge hat ferner den Flügel schon aufgezogen ge sehen, bevor das Glockensignal gekommen ist. Später hat Schädlich einmal durch das Fenster den Ange klagten beobachtet, wie er an dem Blockapparat herumgepocht habe. Der Streckenarbeiter Weigand bekundet, daß er etwa eine Woche vor dem Unglück bemerkt habe, wie sich Wolf selbst blockierte. Zeuge hat auch mit erlebt, daß der Angeklagte durch vor zeitiges Ziehen des Flügels die Streckenarbeiter, die vor Passieren eines Zuges ihre Lowry noch aus den Geleisen zu bringen hatten, in unnötige Angst ver setzte. Der Vorsitzende bemerkte, daß in der Nähe des Wolf'schen Signalmastes eine etwa 70 Zentimeter lange dünne Eisenschiene mit einigen Kettenringen an beiden Enden gefunden worden sei. Die Probe hat ergeben, daß es möglich sei, vermittelst dieses den Angeklagten sehr belastenden Instruments das Signal am Mast zu ändern. Der Angeklagte ver wickelte sich angesichts dieses Werkzeuges in Wider sprüche. Er will dasselbe nur zum Anfahren der Kartoffeln verwendet haben. — Von sachverständiger Seite wurde allein der Material-Schaden, den das Eisenbahnunglück bereitet hat, auf 100,000 Mark geschätzt. — Aus Hartenstein wird gemeldet: Am Sonnabend pocht es an die Stubenthür eines nicht mit Glücksgütern, wohl aber mit Kindern reich ge segneten Familienvaters, als gerade die elfköpfige Familie bei Tische sitzt, und herein tritt ein Hand werksbursche, um sich bescheiden eine Gabe auszu bitten. Es wurde ihm eine kleine Münze gereicht und der Mann entfernte sich. Aber nach einer Weile kam er wieder und die Gabe vorweisend, sagte er: „Sie müssen sich wohl geirrt haben — zehn Mark von einem armen Familienvater, das ist doch gewiß ein Irrtum." — Die Freude des Familienvaters, der durch den Verlust seines Geldes in große Ver- legenheit gekommen wäre, kann man sich wohl denken. — Arg vom Unglück verfolgt wird eine Dienst, magd aus Pfaffengrün, welche 1893 kurz vor Weihnachten einen Arm, 1894 um dieselbe Zeit daS linke Bein und vor ewigen Tagen den Knöchel des linken Fußes brach; so ist das bedauernswerte Mäd chen genötigt, Heuer zum dritten Male hintereinan der das W-ihnachtsfest im BezirkSkcankenhause zu Treuen zu verbringen. 8 Berlin, 19. Dez. Der Kaiser hat ein Exemplar der von ihm entworfenen Allegorie „Völker Europas, wahret eure heilgsten Güter" dem Reichs kanzler Fürsten Hohenlohe, in kostbaren Rahmen ge faßt und mit eigenhändiger Unterschrift versehen, geschenkt. Der Reichskanzler begab sich heute vor mittag 11 Uhr zum Vortrag beim Kaiser in daS Nsue Palais. 8 Berlin, 19. Dez. Bei der einstündigen zeugenlosen Unterredung des Kaisers mit dem Für sten Bismarck soll die Behandlung der Sozialdemo kratie das Haupithema gebildet haben. Der Kaiser ist angeblich allmählich zu Bismarcks Anschauungen hierüber zurückgekchrt. Daraus werde sich, sagt man, ein Umschwung in der Leitung der Staatsgeschäfte ergeben, aus welcher Fürst Hohenlohe seine Folgen werde ziehen müssen. Eine Zeit der Bismarck'schen eisernen Faust werde kommen, eine Versöhnung des Monarchen mit Graf Herbert Bismarck sei bevor stehend. § In dem Nachlaß einer sehr bejahrten Witwe, die vor einigen Lagen in Berlin verstarb und welche fortwährend bei den Behörden wegen Erlaß von Steuern vorstellig wurde, hat man in kurs fähigen Papieren ein Vermögen von weit über 350,090 Mark gefunden. Aus den hinterlassenen Papieren der Verstorbenen soll hervorgehen, daß sie seit ca. 30 Jahren ihr Vermögen nicht besteuert hatte und sogar aus einer Stiftung Unterstützung ange nommen hat. Von diesem bedeutenden Vermögen will nicht einmal der Sohn der Verstorbenen Kennt nis gehabt haben. Der Steuerfiskus will ca. 50,OM Mark hinterzogene Steuer aus dem Nachlaß vorweg haben, und die Behörden sind augenblicklich mit der Regulierung des Nachlasses beschäftigt. 8 Ueber den Kaiserbesuch im Kieler „ses- mannshause" erfährt die „Kreuz-Ztg." noch, daß der Besuch ursprünglich nicht auf dem Programm gestanden hat. Als aber Contre-Admiral Frhr. v. Seckendorff meinte, es würde den Prinzen Heinrich doch recht freuen, wenn sein Werk vom Kaiser be sichtigt würde, antwortete der Kaiser: „Na, dann maß ich ja selbstverständlich hin." Der Kaiser ver weilte volle dreiviertel Stunden im Seemannsheim, besichtigte mit Interesse jeden Unreinen Raum, begab sich selbst in das kellerartige Souterrain, wo die Badeeinrichtlmgen liegen, und war entzückt von dem Hause, von dem er meinte, er habe nicht gedacht, daß sich aus dem alten Kasten so etwas Herrichten ließe. (Das Haus ist eins der ältesten in Kiel und diente feit vielen Jahren als Ober - LandeSgerichts- gebäude.) In der Küche unterhielt sich der Kaiser mit der Frau des Kastellans, der er sagte, er habe schon gehört, daß sie ihrem Geschäft ganz vortrefflich vorzustehen wisse. Als der Kaiser die Restaurations räume für die Mannschaften betrat, sprang natürlich alles auf; aber sofort winkte der Kaiser, sitzen zu bleiben, unterhielt sich auf's Lebhafteste bald hier, bald dort und fragte nach Diesem und Jenem. Als er ein paar Matrosen vom Panzerschiffe „Sachsen" beim Kaffee fitzen sah, that der Kaiser verwundert und meinte lachend: „Na, man sieht doch wieder, die Sachsen trinken gern Kaffee." Besonders inte ressierte den Kaiser auch das Lese- und Schreibzim mer, das überaus stark benutzt wird; denn täglich werden hundert und mehr Briefbogen verbraucht. Als der Kaiser im Hauptsaal die Bilder des Prin zen und der Prinzessin Heinrich an der Wand hängen sah, versprach er ebenfalls ein paar Bilder zu stiften. Auch ein größere« Oelbild des Prinzen Adalbert von Preußen, das der Maler H. Weyl dem Prinzen Heinrich als Wandschmuck für das Haus dargebracht hat, wurde vom Kaiser anerkennend beurteilt. Die Frequenz des Seemannshauses, die durchweg recht erfreulich ist, war während des Kaiserbesuchs überaus stark. 8 Hannover, 19. Dez. Heute wurde durch eine Gasexplosion, die entstand, weil ein Gaskoch- berd nicht geschlossen worden war.^ein Haus in der Nicolaistraße furchtbar demoliert;^uch die Neben häuser wurden erheblich beschädigt. Das 19jährige Dienstmädchen, deren Lampe die unmittelbare Ur sache der Explosion gewesen, wurde durch Brand wunden lebensgefährlich verletzt; mehrere andere Personen sind verwundet. 8 Bremen, 19. Dezbr. Von der englischen Küste wird gemeldet: Der Norddeutsche Lloyddamvfer „Spree", von Newyork nach Bremen mit 350 Per sonen unterwegs, geriet in der Nähe der Insel Wight auf Grund. Der Dampfer wird bei Hochwasser wieder flott gemacht, er sitzt ungefährlich und wird keinen Schaden nehmen. * * AuS Petersburg schreibt man: Die amtlichen Feststellungen haben ergeben, daß durch die letzten großen Ueberschwemmungen von der trans kaspischen Bahn 50000 KnbiS-sLsbsu Bahndamm fortgeschwemmt wurde». Die Schienengleise wurden in einer Ausdehnung von über 12 Werst fortgeriffen. Sieben kleine und fünf große Brücken wurden fort- getragen. EinStationSgebäude wurde zerstört. Der gesamte Schaden wird auf über 2 Millionen Rubel geschätzt. * * Wettin, 19. Dez. Am Dienstag ist während der Nacht der Sparkaffenrendant Böttcher ermordet worden. Die Leiche wurde gestern in der Nähe der Stadt gefunden. Der Mörder hat im Sparkassenlokal die Schränke erbrochen und Gelder geraubt. * * Paris, 19. Dez. In Nantes wurde seit einigen Tagen da» nächtliche Erscheine» einer schwär- zen Dame mit einem Totevkopf, welche die Passan ten mit einem Krückstock bedrohte, viel besprochen. Das Rätsel ist nunmehr gelöst; man fand gestern eine 80jährige schwachsinnige Frau, die in TrauerH kleidern aus ihrer Wohnung verschwunden war, tot auf der Landstraße. Der Schädel war ihr zer schmettert. Ein 30jähriger Botengänger hat sich als Mörder gemeldet. Die schwarze Dame hatte ihm des Nachts den Weg vertreten und den überdies Betrunkenen durch ihr Hohnlachen völlig von Sin nen gebracht. Er schlug sie nieder und rannte dann davon. * * Kopenhagen, 17. Dez. Ein hiesiger Kapitän hatte in der letzten Zeit an heftigen Kopf schmerzen gelitten und gleiwzcitig Anfälle gehabt, während deren er furchtbare Visionen hatte und völ lig tobsüchtig wurde. Er wurde zu einem Irrenarzt gebracht, und als dieser ihn fragte, ob er nicht eine Begebenheit, die er mit seinen Visionen in Verbin dung bringen könne, erlebt habe, erzählte der Pa tient, er habe am deutsch französischen Kriege 1870 teilgenommen und die blut ge Schlacht bei Grave- lotte mitgemacht (auf welcher Seite, wird nicht ge sagt). Während der Schlacht habe er den Befehl erhalten, eine bestimmte, näher bezeichnete Stellung so schnell als möglich einzunehmen, und um rasch dahin zu kommen, einen Hohlweg zu passieren. Als er daselbst anlangte, fand er denselben mit Toten und Verwundeten ganz gefüllt. Die Leichen lagen in Schickten übereinander und die Verwundete» streckten flehend die Hände gegen ihn aus, daß er mit seinen Kanonen nicht über ihre Leiber hinweg fahre. Der junge Offizier, der noch gegen die Schrecken des Krieges nicht abgehärtet war, mußte jedoch dem Befehle gehorchen, — die Angsirufe der Verwundeten und Las Krachen der Gebeine, die unter dem Gewichte der Kanonen zermalmt wurden, machten jedoch einen schrecklichen Eindruck auf ihn, das Pferd glitt in einer Blutlache aus und er selbst stürzte zu Boden. Er wurde ins Lazarett geschafft, wo Vie Wunde in der Schläfe, die er durch den Starz vom Pferde davongetragen, geheilt wurde. Er kehrte dann nach Dänemark zurück und hatte seit der Zeit mehrmals jährlich die schwere» Anfälle und Visionen. Als der Arzt dies erfahren hatte, unter suchte er den Patienten von Neuem und fand eine kleine Narbe an der linken Schläfe. Er öffnete die Stelle und fand, daß ein Splitter eines Knochens sich gelöst hatte. Derselbe wurde entfernt und seit dem ist der Kapitän völlig hergestellt. * * London, 19. Dezbr. Der amerikanische Botschafter Bayard hielt gestern bei dem Festdiner für den Schauipieler - Wohlthätigkeitsfonds in Er widerung auf den Toast „Auf unsere Freunde jen seits des Meeres", den die Versammlung stehend und mit Begeisterung anhörte, eine bewegte Rede. Heute, sagte er, stehen wir auf gemeinsamem Boden. Zwischen uns ist kein Meer. Ich danke Gott, daß es Dinge giebt, die nicht zu trennen sind, welche die Menschen zusammenhalten müssen. Kein Urteil hat je einen Menschen so bewegt, wie das des weisesten Königs, als er vorschlug, das strittige Kind zu töten, um den Besitz zu entscheiden. „Laßt das Kind leben!" (Stürmischer Beifall.) „Das kann nicht sein!" (Tiefe Bewegung und nicht endender Bei fall.) Bayard schloß seine Rede mit den Worten: „Ich bitte, mit mir zu wünschen, daß unsere Hände sich einander entgegenstrecken über den gähnenden Ozean." Die Versammlung erhob sich bei diesen Worten unter begeisterten Hurrahrufen. * * Zu der Katastrophe der großen englischen Expedition im Massailand welche mit dem Unter gänge von 1000 Menschen endete, macht die Krzztg. folgende ausklärende Mitteilungen: Sie fand statt im Südosten vom Naiwaschasee, an den westlichen Grenzen von Kikuju. Der Kedong, an dessen Ufer» das zweite Gefecht stattfand, welchem der Schotte Disi erlag, entspringt in den Hügeln südlich vom Massaidistrikt Miansini und verläuft gegen Sud- Südwesten bis zu seiner Versumpfung. Miansini ist die Gegend, in welcher die stärksten und tapferste» Massaistämme wohnen, welche etwas nördlicher vor 5 Jahren von Dr. K. Peters auf seiner Emin Pa scha-Expedition zum ersten Mal zu Paaren getrieben wurden. DaS Leikipia-Plateau, auf welchem die Peters'schen Kämpfe stattsanden, wird vom Miansi- nidistrikt durch die Aberdarekette, über welche indeß mehrere Karawanenwege führen, getrennt. Wenn eS sich bestätigt, daß jdie niedergemetzelte Kolonne eine englische Regierungskarawane darstellte, so würden die Engländer einen Schlag empfangen haben, wie er etwa der ZelewLkr'schen Niederlage gleichkommt. Unter allen Umständen wird da« Ereignis ein wenig dazu beitragen, die Anschauung abzuändern, welche in de» letzten Jahren besonders in deutschen Reise- werken vertreten ist, wonach die MaffaiS nichts al»