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und Tabaksläden sämtliche Geschäfte geschloffen waren. Ein großer Teil der klerikalen Partei miß billigt den Schutz, welchen Canovas dem Madrider Stadtrat gewährt. ** London, 11. Dez. Aus Clay-Croß wird gemeldet, daß dort 500 Grubenarbeiter seit gestern in der Hardwickgrube infolge Abstürzens eines mit Kohlen beladenen Förderstuhles eingeschlossen sind. Man arbeitet rastlos an ihrer Befreiung. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. Dezember. Die erste Beratung des Etats wird fortgesetzt. Schatzsekretär Graf PosadowSky wendet sich gegen verschiedentltche Ausführungen des Abg. Richter über die Etatsverhältnisse, speziell über die Ursachen der günstigen Gestaltung derselben für 1895/96 und über die Art der Veranschlagungen. Entgegen dem Abg. Richter, der die Einnahmen ein stellen wolle, die eingeheu können, wolle die Regie rung die Einnahmen einstellen, von denen voraus sichtlich sei, daß sie sicher eingehen werden. Richter wolle den Etat aufstellen, losgelöst Vonden bequemen Grundsätzen, nur nach parteitaktischen Gesichtspunk ten, darum sei derselbe auch gegen die Finanzreform. Bei unvorsichtiger Veranschlagung würde auf die Dauer nur Defizit entstehen, und daraus würde dann die unbedingte Notwendigkeit neuer Steuern folgen. Im laufenden Etat habe die Regierung die Spannung zwischen Matrikularbeiträgen und Ueber- weisungen nicht möglichst zu erhöhen, sondern mög lichst herabzudrücken versucht; dafür befänden sich am Gundesratstische klassische Zeugen. Was die Zuckersteuer anlange, so werde die Regierung hin sichtlich der Reform der Kontingentierung und Art der BetriebSsteusrn mit sich reden lassen; hoffentlich gelingt es da auch, die Bedenken des Osten zu über winden. Aus den Beratungen entnehme er eine tröstliche Thatfache: die Redner des Centrums und der Nationalliberalen haben sich entschieden für eine planmäßige Schuldentilgung ausgesprochen; sie wer den sich dann gewiß auch von der Notwendigkeit einer Finanzreform überzeugt haben. Abg. Bebel (Soz.): Die späte Einberufung des Reichstages erweckt den Eindruck, daß man un liebsame Erörterungen habe verhindern wollen. Wer die Thronrede liest, muß glauben, daß alles im Reüge in bester Ordnung sei. Aber Sie kennen doch alle die Worte von der „Rotte" und außerdem eine Rede, die an demselben Tage in Breslau gehalten wurde. Man sollte meinen, dergleichen hätte doch auch in der Thronrede erwähnt sein müssen. In der gestrigen Rede des Fürsten Hohenlohe ist die Tonart wieder eine ganz andere, als in der süßen, friedlichen Thronrede. Dieuus zugeschriebene Aeuße- rung, daß das Vaterland kulturwidrig reaktionär sei, ist nicht von uns, sondern von Bakunin. Vor Allem möchte ich hier konstatieren, wie die Sozialdemokra ten von sehr hoher Stelle (Präsident v. Buol er sucht den Redner, nicht die allerhöchste Person mit in die Debatte zu ziehen). Abg. Bebel fährt fort: Was jedem Redakteur erlaubt ist, soll das nicht auch uns an dieser Stelle erlaubt fein, nämlich auf Be schimpfungen zu antworten, die gegen uns gerichtet sind? (Präsident v. Buol ersucht den Redner noch mals, die Anspielung auf Worte von allerhöchster Stelle zu unterlassen.) Abg. Bebel: Ja, wie soll es uns dann möglich sein, den Antrag auf Abschaffung der MajestätLbeleidigung zu begründen? Meine Parteige nossen haben einstfür Deutschlands Einheit undFreiheit gekämpft und gelitten zu einer Zeit, 1848 und später, da die Hohenzollern und die Junker noch nichts davon wissen wollten; mit Exil undGefängnis haben sie büßen müssen. Gegen den Bruderkrieg waren wir allerdings. Uns muten Sie zu, einen Mann zu feiern, der uns 12 Jahre lang gehetzt hat, das können wir nicht, das wollen wir nicht. (Heiterkeit.) Ich appelliere an Ihre Objektivität. Wenn Ihnen im Centrum, den Konservativen, Nationalliberalen gesagt würde, Sie verdienten nicht Deutsche zu sein, würden Sic dazu ruhig sein? Auf unsere Abwehr war die Ant wort Majestätsbeleidigungsprozesse. Auch der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird. Die Meinung des Auslandes von Deutschland war nie so niedrig wie heute. Wie kann das Ausland uns achten, wenn die Meinung verbreitet wird, in Deutschland sei man keine Stunde sicher vor Revolution. An diese ist gar nicht zu denken, kann gar nicht gedacht werden, wenn aber so etwas verbreitet wird, wo soll da die Autorität Deutschlands bleiben, auch wenn noch so viel Knackfuß'sche Bilder verbreitet werden. (Unruhe.) Wir haben gar kein Interesse daran, die natürliche Entwickelung der bürgerlichen Gesellschaft zu hemmen, wir haben sogar das größte Interesse, daß die Entwickelung unbehindert vor sich gehe. Diese Entwickelung ist Vorbedingung für unseren Sieg. Wir denken nicht daran, alles zu Grunde zu richten und dem EntwickelungSprozsß vorzugreifen. Liebknecht und ich feiern sitzt da« 25jähr. Jubiläum unserer Verhaftung wegen Hochverrats. Heute, nach 25 Jahren, besteht noch das Deutsche Reich. Nicht wir sind die Umstürzler, sondern die, die in der heu tigen Gesellschaft maßgebend sind, wie Stumm, Mir bach, Manteuffel (Abg. Singer: wie Hammerstein). Alle diese Herren vom Großkapital, wenn sie uns noch so oft den Mund verbieten, wie schon einmal durch das Sozialistengesetz, die Bewegung hemmen Sie nicht, sie setzt sich fort in den Fabriken, wenn Sie auch noch so viel Kirchen bauen. Dort (auf Stumm zeigend) sitzt der Vater des Umsturzgesetzes, der Scharfmacher (Heiterkeit). Eine solche Aeußerung, wie er sie gethan, wird auch Diejenigen zum Sehen bringen, die bisher eine Binde vor den Augen hatten. Der Kriegsminister sagte noch vor einem Jahre, gegen uns reiche die Feuerspritze aus, warum dann das Drohen mit der Armee. Die Offiziere sprechen ja selbst nur noch vom Kampf gegen die Sozial- demokratie, statt vom Sieg gegen auswärtige Feinde; und die Rechtsprechung gegen uns hat doch ein Reichs gerichtsrat Stenglein geschrieben. Das Recht güt ja sonst für Jedermann, aber nicht mehr für Vie Sozialdemokraten; erst neuerdings hat man unsere Organisation in Berlin aufgelöst, obwohl wir gerade hier alles aufgeboten haben, dem bürgerlichen Ge setze gerecht zu werden. An dem Tage, wo wir wegen 8 8 des Vereinsgesetzes verurteilt werden, werde ich auch verlangen, daß auch gegen die Herren von der bürgerlichen Organisation Anklage erhoben wird, von Herrn v. Bennigsen an bis zum Grafen Mirbach. Die Regierung hat nur für die Interessen der Großgrundherren und Großbarone ein Ohr. Auch in der Konvertierungsfrage giebt nur das Jnteresfe der Kapitalisten den Ausschlag. Anstatt von der Konvertierung der Zinsen der Besitzenden zum Vorteil des Reiches zu kürzen, häuft man neue Steuern auf die Schultern der Armen. Ob der Kriegsbereitschaft in Ostasten denkt Niemand daran, die Heere zu verringern, obwohl an kulturellen Aus gaben in einer eines Kulturstaates geradezu unwür digen Weise gespart wird. Für Kirchen freilich wird genug ausgegeben. Bei dieser Gelegenheit erwähnt Redner die Kameelinschrift des Baurats Schmechten. Hätte dergleichen ein Sozialdemokrat gethan, so wäre er wegen Religionslästerung bestraft worden. Alle der Sozialdemokratie bereiteten Martyrien, schließt Redner, machen nur Propagando für uns. Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff: Herr Bebel hat wieder meine Aeußerung über die Feuerspritzen erwähnt. Ich habe davon gesprochen als von einem heiteren Bilde und wir haben auch keine Veranlassung, diese Dinge ernster zu nehmen, als sie sind. Es war eine Liebenswürdigkeit von mir, ich sagte, dis Polizei werde mit der Sache fertig werden, wenn das aber nicht möglich wäre, wenn die Ruhe gestört werde, dann müsse das Mili tär eiugreisen und das werde sich seiner Aufgabe ent ledigen und den Aufruhr überwältigen, straff, prompt und ohne Schwäche. Daß es dann blos mit nassen Cylinderhüten abgeht, das glaube ich denn doch nicht. (Heiterkeit.) Sie haben die Gelegenheit, da wir un sere Siegestage feierten, benützt, um diese Erin- nerunaen zu stören. Sie haben selbst gesehen, wel chen Sturm der Entrüstung Sie damit im Lande und in der Armee hervorgerufen haben. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Wer ist denn die Armee? Wer soll denn die Armee sein?) Es wird Ihnen nicht ge lingen, das zu ändern und etwas Schlechteres in die Armee einzuführen. Aber das will ich Ihnen doch noch sagen: Wenn ein sozialdemokratischer Schmier- fink mit seiner in die Gosse getauchten Feder es wagen konnte, das Andenken unseres großen Helden- kaiserS zu verunglimpfen und zu besudeln (Lebhafte Unruhe bei den Sozialdemokraten und Zurufs: Bravo! rechts), so wundern Sie sich nicht, wenn Sie dafür in Anspruch genommen werden; das bleibt Ihnen auf dem Kerbholze (Unruhe. Bravo!) Herr Fritzen fragte, wie es mit der Reform des Militärstraf prozesses stehe. Herr Richter deutete an, ob ich nicht im Verfolg meiner früheren Aeußerungen meinen Abschied nehmen würde. Das würde aber mit Herrn Richters Ansichten über den Pcnfionsetat doch nicht übereinstimmen (Große Heiterkeit). Innerhalb der preußischen Regierung sind die Verhandlungen nahe zu abgeschlossen. Ist dies geschehen, so wird die Vorlage an den Bundesrat gehen und alsdann un verweilt an den Reichstag. Ob dies noch in di-ser Session geschehen wird, kann ich nicht sagen. Herr Fritzen hat denn auch nach den vierten Bataillonen gefragt. Die in den letzten Wochen eingegangenen Berichte der kommandierenden Generale äußern sich über diese Bataillone einstimmig ungünstig. Diesel ben seien wohl geeignet, eine teilweise Entlastung anderer Bataillone zu ermöglichen, aber das falle nicht schwer genug in'S Gewicht, um andere Nach teile auszugleichen. ES sind auch bereits Vorschläge in den Berichten gemacht, einige derselben sind für Eihöhung der Präsenz (Heiterkeit), andere glauben, ohne eine solche Erhöhung auszukommen. Dieser Meinung bin auch ich. Bis zum Jahre 1899 wird jedenfalls die Präsenzziffer nicht geändert, lieber die zweijährige Dienstzeit hat sich niemand von den Ge neralen geäußert; es ist auch ein Urteil darüber wegen der kurzen Zeit noch nicht möglich. Die for melle Ausbildung der Truppen ist jedenfalls nicht schlechter gewesen, als früher. Die einfachste Probe darauf wäre ein großer Krieg, aber es ist Wohl bes ser, denselben nicht vom Zaune zu brechen. Ich hoffe auch auf anderem Wege zu dem gewünschten Resul tat zu gelangen, indem ich den Soldaten und Land wehrleuten viel schwerere Aufgaben stelle. Jedenfalls ist dies keine politische Frage. Abg. v. Podbielski (kons.): Die Sorgfalt und Sparsamkeit, mit welcher der Etat aufgestellt ist, verdient Anerkennung. Im Militäretat zeigt der Posten „Naturaloerpflegung" die größte Ersparnis wegen des niedrigen Preisstandes für Getreide. Das ist der Urgrund der Not der Landwirte. Auf den Antrag Kanitz will ich heute nicht näher eingehen,, jedenfalls ist derselbe ehrlich gemeint. Der Grund besitz bringt jetzt gar keine Rente mehr. (Abg. Rich ter: Dann verschenken Sie ihn doch.) Herr Richter ist gestern wieder über die Ost Elbler hergezogen, diese haben jedoch in jahrhundertlanger Vergangen heit gezeigt, daß sie vom Staate nichts fordern, son dern Gut und Blut für denselben einsetzen. Kleine Mittel, das muß jedoch den Herren am Bundesrats tische gesagt werden, werden der Landwirtschaft nichts helfen. Hat auch der Reichsgedanke an manchen Stellen gelitten, so ist das doch sicher nur eine vorübergehende Erscheinung und unter den Arbeitern sind gewiß viele, die ihr Vaterland, das mehr für sie thut, als irgend ein anderer Staat für seine Ar beiter, von Herzen lieo haben. Abg. Dr. Barth (freis. Ver.) verlangt vor allem nachdrückliche Bekämpfung der Agrar- und bimewllistischenAgitatiou seitens der Regierung, so wie Gerechtigkeit gegenüber der Sozialdemokratie. Abg. Dr. EnuecceruS (nl.) stellt fest, daß Bebel die Aeußerung des Reichsgcrichtsrats Steng- lein geradezu auf den Kopf gestellt hat. Persönlich bemerkt Abg. Frhr. v. Stumm: Bebel hat mir Worte in den Mund gelegt, die ich weder dem Wortlaute noch dem Sinne nach gethan habe. Ich habe diese Unterstellung in der Presse zurückgewiesen. Wer diese Erklärung in der Presse gelesen hat und mir dennoch den Vorwurf macht, den erkläre ich für einen bewußten Verleumder. Morgen: Fortsetzung und erste Lesung der Vor lage über den unlauteren Wettbewerb. Familiennachrichte«. Geboren: Hrn. Assessor vr. Hertwig in Leipzig ein K. — Hrn. Or. W. Hoffmann in Wurzen ein M. Verlobt: Frl. Anna Korn mit Hrn. Oswald Kirsten in Leipzig-Kötzschenbroda, Kohle n-Wersand in der Zeit vom 2. bis mit 7. Dezember 1895. In Ladungen k 5000 Kilogramm Ab Oelsnitz i. E. r via Höhlteich: 1837^ Ladungen, via St. Egidien: 1495° „ 60 „ Bahnhof Oelsnitz i. E. in Summa: 3393 Ladungen. Ghsm«itzer Marktpreise vom 11. Dezember 1895. pro 50 Kilo. Weizen fremde Sorten 7 Mark 35 Pfg. bis 8 Mark 05 Pf. - sächs. gelb 7 30 s 7 60 B Roggen, sächs.u. preuß., 6 50 s s 6 65 - hiesiger, - fremder, 6 6 15 35 6 6 25 SS Braugerste, fremde 7 25 * L 8 90 B - sächsische 6 70 s 7 25 L Futtergerste 5 SO s S 5 85 Hafer, 5 80 r 6 40 S Erbsen, Koch- 7 SO s 8 SO a do. Mahl-u. Futter- 6 80 o a 6 9S Heu 2 75 : 3 50 si Stroh 2 SO 3 — a Kartoffeln, 1 90 s 2 — 1 Kilo Butter 2 40 s s 2 60 s 8AlI-8öklSkN8ilM v. 60 pfge. bis 18.65 "p. Met. — sowie schwarze, weiße und farbige Hennberg-LeiSe von 60 Pfg. bis Mk. 18.65 p. Met. — matt gestreift, karriert, gemustert, Damaste re. (ca. 240 versch- Qual, und 2000 versch. Farben, Dessins re.), porto- unä oteuerfrei in3 ttsuo. Muster umgehend. 6. i-Iennkdeng o.u.K.non.), ^ünüek. Mutmaßliche Witter»»^ für de«I3.Dezbr? (Aufgestellte Prognose n. d. Lamprecht'schen Wettertelegraph.) Nachts Frost, veränderlich und windig. Unser großes Lager in suchen bis Januar z« rä«me«. Billige Preise! Richter St Kalich, Hohndorf. von Moritz Koch, am Mühlgraben, empfiehlt zum bevorstehenden Feste feinste Molkerei-Tafelbutter, u Pfund 1 Mark 20 Pfg., Schmalz-Butter, » Pfund 85 Pfg., Margarine, u Pfund 70 Pfg. Um gütige Berücksichtigung bittet der Obige. Appetitskttschen, Neuschatellertäschen, Bierkäschen, ächt. Schweizerkäse, ächt. Sahnenkäse, Limburger n. Kümmelkäse empfiehlt J«li«s Küchler.