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— Einsiedel, 17. Nov. Unweit der Halte stelle Erfenschlag sind gestern abend vor dem Pas- fieren des 8 Uhr 6 Min. hier cintreffenden Per- sonenzuges von ruchloser Hand große Steine auf die Schienen gelegt worden. Glücklicherweise wurde daS Hindernis vom Lokomotivführer des Zuges rechtzeitig bemerkt und der Zug zum Halten gebracht. Jedenfalls wird es gelingen, den oder die Thater ihrer Bestrafung zuzuführen. — Frankenberg, 17. Nov. Seit Mitt woch, den 6. d. M., war aus der Wohnung seiner Eltern hier ein junger Mann von ca. 19 Jahren spurlos verschwunden. Nachdem acht Tage lang alle Nachfo.schuvgen nach dem Vermißten vergeblich ge- blieben waren, wurde derselbe am vergangenen Mitt woch in einem engen Raume unter der Treppe der Fabrik, in welcher der junge Mann beschäftigt ge wesen war, ganz erschöpft vor Hunger und unter den Wirkungen der Kälte leidend, aufgcfunden. Ein ausreichender Grund zu dem so befremdenden, nahe- zu selbstmörderischen Verhalten des jungen Mannes ist nicht bekannt. — Aus Mügeln wird dem „Pirn. Anzeig." geschrieben: Kommt da ein „Baumeister" aus Dres den nach hier mit 6 bis 8 Arbeitern, läßt Grund zu einem Hause graben, und der Bau beginnt ganz flott nach allen Regeln der Kunst. Nach 3 Wochen verkauft der Baumeister sein Haus an den Polier, und als die Maurer endlich ihren Lohn haben wollten, stellte sich das Unglaubliche heraus, daß die Bau stelle noch gar nicht gekauft war. Die Arbeiter gingen nun schleunigst zum Gewerbeschiedsgericht, welches ihnen dieser Tage zu ihrem Rechte verholfen hat. Auch ein Lieferant, dem gegen 400 Mark auf dem Spiele standen, hat dieselben glücklich gerettet, wäh rend die anderen vorläufig das Nachsehen haben. Wie sich der Mann die Regelung vorgestellt hat, kann man sich nicht denken. Ein gerichtliches Nachspiel dürfte folgen. Z Berlin, 19. Nov. Berlin war heute in einen dichten Nebel gehüllt, wodurch der Verkehr sehr erschwert wurde. Die Stadtbahnzüge mußten Ihre Fahrgeschwindigkeit vermindern; in den Straßen erfolgten mehrfache Zusammenstöße zwischen Fuhr werken. — Auch aus Hamburg wird ein wahrhaft Londoner Nebel gemeldet. Z Memel, 19. Noo. Heute früh find im Hofe des hiesigen Justizgefängnisses durch den Scharf, richter Reindel der Losman Cristoph Greitschus und seine Mutter Annika Greitschus hingerichtet worden. Sie waren am 26. Juni wegen Doppelmordes, bezw. Anstiftung dazu zum Tode verurteilt worden. Cri- stoph Greitschus hatte, von seiner Mutter überredet, am 17. Februar d. I. aus Rache wegen einer De nunziation seine Schwägerin in Pofingen bei Memel ermodert und deren siebenjährige Tochter, die Zeugin der That, in den Brunnen geworfen. § Schneidemühl, 19. Nov. Amtlich wird gemeldet: Der Personenzug von Berlin stieß ver gangene Nacht 2 Uhr 24 Min. bei der Einfahrt in den Bahnhof Schneidemühl aus einen Güterzug auf. Die Maschine des Personenzuges, sowie 3 Güter wagen sind erheblich beschädigt worden. Von den Reisenden und den Bahnbcamten wurde glücklicher weise niemand verletzt. Die Reisenden sämtlicher Personenzüge müssen an der Unfallstelle umsteigen; das Gepäck wird umgelade». Das Gleis Eydtkuhnsn- Berlin wird voraussichtlich heute, das Gleis Berlin- Eydtkuhnen voraussichtlich erst morgen wieder frei. 8 Köln, 19. Nov. Heute fuhr bei starkem Nebel oberhalb Köln ein großer Kahn auf eine in der Mitte des Stromes befindliche Baggermaschine auf. Der Kahn zerschellte und sämtliche Insassen, darunter mehrere Frauen, stürzten ins Wasser. Die Ein Blick in die Zukunft. Novelle von C. Schirme r. iNachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Anfang August sehen wir ihn zur Reise gerüstet, und als er in dem Städtchen, in welchem seine Wiege gestanden, wo seine Eltern gestorben waren, und das alle seine Kindheitsträume, seine Jugenderinne rungen barg, so freundlich und liebevoll von Schwester und Schwager empfangen wurde, überschlich ihn doch ein Vorwurf, daß er so viele Jahre nur an sich ge dacht und der ihm doch so Nahestehenden sich kaum noch erinnert hatte. Seine Verwandten suchten ihm den Aufenthalt äußerst angenehm zu gestalten, doch so dankbar er sich aussprach über alle ihm bezeichnete Liebe und Aufmerksamkeit, so gelang es ihm doch nicht, den Trübsinn, der ganz von ihm Besitz genommen hatte, zu verscheuchen und die Schwester sagte mehrmals kopfschüttelnd: „Dich drückt ein Kummer, Benno, mir gefällt das nicht. Du bist noch zu jung, um Dich dem Tiefsinn zu überlassen, schüttle ab, was Dich quält und blicke froh und mutig in Deine schöne Zukunft." Hubert lächelte traurig, er sagte aber nichts, es hätte ihn ja doch niemand verstanden. Kaum war eine Woche vergangen, als es ihn wieder forttrieb aus der alten Heimat, die ihm auf Schritt und Tritt so fremd vorkam. Das klein städtische Gepräge, das ihm überall begegnete, be drückte ihn, und alle Aufmerksamkeiten, mit denen ihn seine Verwandten überschütteten, alle Liebe seiner Männer retteten sich durch Schwimmen ans Land und brachten Hilfe, sodaß die Rettung Aller gelang. * * Rom, 19. Nov. Gestern abend wurde in Milazzo auf Sizilien eine Erderschütterung verspürt, die Bevölkerung alarmierte. Schaden wurde nicht verursacht. * * Konstantinopel, 19. Nov. Ueber die neuesten Metzeleien in Kharput wird noch mitgeleilt: Die Kurden griffen zuerst einen Teil der Stadt an, wurden aber dort zurückgeschlagen. Voller Wut über diese Niederlage griffen sie einen anderen Teil der Stadt an, in welchem sich die amerikanische Mission befindet. Sie eroberten diesen Teil, plünderten den selben unter dem Schutz der Truppen und steckten ihn und 8 Gebäude der amerikanischen Mission in Brand. Man sagt, daß die Zahl der im Vilojet Kharput gelöteten Personen sehr beträchtlich sei. Nach einer Meldung aus Musch ist der von dort ge meldete Aufruhr der arnautischen Bewohner durch die Behörden unterdrückt worden; 40 Armenier sind gelötet. Die Depesche lobt die Haltung des Mutes- sarif und dessen promptes Handeln bei der Unter drückung der Unruhen. — Weiter wird berichtet: Ein englisches Kriegsschiff erhielt Befehl, nach Alexandrette zu gehen, woselbst das amerikanische Kriegsschiff „San Francisco" täglich erwartet wird. * * Tanger, 19. Nov. Fünftausend Insur genten haben die Stadt Safi umzingelt. Die Thore der Stadt find geschlossen worden, aller Verkehr ist abgeschnitten, die Situation sehr kritisch. Mensch nnd Irrtum. Unter den einzelnen Menschen ist der Irrtum weiter verbreitet als die Wahrheit und die Thorheit viel häufiger als die Weisheit; aber die Menschheit als Ganzes gelangt trotzdem allmählich zu größerer Wahrheit und Weisheit. Es treten von Zeit zu Zeit in der Entwickelung der Menschheit zwar bedenkliche Rückschritte und Störungen, Stürme und Verdunke lungen ein, aber der Forischritt zum Besseren ist un aufhaltsam. Der Grund liegt darin, daß das Sinn- liehe und Materielle allmählich von dem Geistigen und Sittlichen überwunden wird und daß die Gegen wart sich die Lebenserfahrungen und Vergangenheit zu nutze machen kann. Die Litteratur der Gegen wart bietet uns viele unreife, jugendlich stürmische, realistisch-sinnliche Erzeugnisse, welche begierig ver- schlangen, aber auch rasch wieder vergessen werden; nebenher gehen jedoch bleibende, ausgereifte Werke ernster Denker und wahrer Menschenfreunde. Zu letzteren zählen wir das von uns bereits einmal erwähnte Buch, „Aus den Lebenserfahrungen ei: es Siebzigers" (Gotha 1891 bei Fr. Andreas Perthes). Wir greifen aus dem Schatze treffender Bemerkungen, die sich in allen Abschnitten dieser„Lebenserfahrungen" vorfinden, noch einige wenige heraus, die sich auf das Wissen der Menschen und die Ritter vom Geiste beziehen, die zu allen Zeiten doch auch zuweilen recht bedenklich in der Irre gegangen sind. Sokrates, der Weiseste der Weisen des Altertums, sah den Grund der Schlechtigkeit der Menschen in der Unwissenheit, nicht im Willen, ein Wahn, der zu allen Zeiten bis auf heute viel Unheil gestiftet hat. Alle Philosophen und Staatsmänner Griechenlands und Roms waren von der Vernünftigkeit der Sklaverei so fest über- zeugt, daß sie sich gar keine andere Gestaltung denken konnten. Das klassische Altertum urteilte gering schätzig über den Handels- und Gewerbestand. Luther scheint der erste gewesen zu sein, der jede rechtschaf fene Arbeit, jeden ehrlichen Berufsstand als berech tigt anerkannte. Viele Arten der Arbeit, auch rein mechanische, sind aber erst jetzt im Begriff, sich zur Geltung durchzubringen . . . Galilei wollte nichts von Kepler wissen; Fulton, der Erfinder der Dampf- Schwester konnten ihn nicht bewegen, seinen Aufent halt zu verlängern. Auf der Tour, die er nach der Schweiz einzu schlagen hatte, mußte er Berlin passieren, und wäh rend er überlegte, bis zu welcher Station er wohl das Billet lösen solle, durchzuckte ihn plötzlich der Gedanke, nach B. zu reisen. Was ihn dazu bewegte, wußte er selbst in dem Augenblick nicht, aber auf der ganzen Reife fühlte er eine gewisse Befriedigung über seinen Entschluß, den Ort zu besuchen, wo Rosas Eltern, und wahr scheinlich auch sie selbst wohnte. Ja, er beschäftigte sich sogar mit dem Plan, den Kanzleirat aufzusuchen, es mar ihm, als müßte ihm dadurch Ruhe des Gemüts kommen und je näher er an B. kam, desto mehr wunderte er sich, daß er nicht längst schon auf den Gedanken gekommen sei, eine Aussprache mit Rosas Vater zu suchen. Es war spät abends als der Zuz in die große Halle des Bahnhofes brauste, und Hubert, der sich von der langen Fahrt bei dem heißen Sommertage sehr ermattet fühlte, war froh, als ihn eine Droschke bald nach einem Hotel beförderte, wo er ein gutes Unterkommen fand. Nach einer ruhigen Nacht durch wanderte er die Straßen der Stadt, und als es gegen die Mittagszeit kam, nahm er einen Wagen und sagte dem Kutscher Straße und Hausnummer, wo hin er zu fahren wünschte. Er hatte die Wohnung des Kanzleirats in seinem Notizbuch angemerkt, und obgleich er ja annehmen mußte, sie do« nicht mehr zu finden, so wollte er doch das Haus sehen, in welchem Rosa gewohnt. ES war eine ziemlich lange Fahrt bis in die schiffe, wurde von den 40 Unsterblichen der franzö sischen Akademie für halb „wahnsinnig" erklärt. Die selbe Körperschaft verwarf und verlachte die Möglichkeit der Meteorsteine, nachdem schon die alten Griechen an sie geglaubt hatten . . . Aufs verächtlichste ur teilten Colbert über Maschinen, Napoleon I. über Dampfschiffe, Thiers über Eisenbahnen; auch Arago, der Physiker, meinte, nimmermehr würden die Eisen bahnen Lasten befördern können. Die französische Akademie der Wissenschaften erklärte den Techniker, der an den Eisenbahnbau gehen wollte, für reif zur Zwan,sjacke. Bei Eröffnung der Nürnberg-Fürther Eisenbahn, beschloß das bayerische O »medizinal« kolleg, der Fährbetrieb mit Dampfwagen sei im In teresse der öffentlichen Gesundheit zu verbieten; die schnelle Bewegung erzeuge unfehlbar Gehirnkrank- heiien, ja schon der bloße Anblick eines rasch dahin fahrenden Dampfwagens könne dasselbe bewirken ... Friedrich der Große schrieb in seiner Schrift „I^a. I.ittsratui6 allsiuauäs 1780", also nachdem Lessing und Goethe bereits aufgetreten Ware», die Deutschen hätten bislang nichts gekonnt als essen, trinken und drcinschlagen; er verwirft die ganze deutsche Littera tur, nur Ayrerhoff läßt er gelten, Shakespeare fin det er abscheulich, barbarisch, den erbärmlichsten Cha- rakterzeichncr, Luther und Melanchthon erklärt er für mittelmäßige Pfaffennaturen. Abschätzig urteilte Schiller über Alexander von Humboldt, Winkelmann über Lessing, Dort über Siem und Gneiseoau. Byron überschätze Pope maß los und stellte dessen Übersetzung des Vigil über das Original. Ueber Schillers „Glocke" schreibt Karoline Schlegel: „Wir wären vor Lachen fast vom Stuhle gefallen". Schliemanns Funde wurden von Ernst Curtius spöttisch behandelt. Einseitige Urteile Großer oder Notabler über andere Große und Notable, deren Schöpfungen und Gedanken sind ferner die von Händel über Gluck, Beethoven über Mozarts „Don Juan", Cherubini über Beethoven, Weber über Beethovens heroische, Spohr über dessen C-moll und Neunte Symphonie, Franz Schubert über Webers Euryanthe, Mendels sohn über Auber und Meyerbeer. Schiller fand Haydns „Schöpfung" kindisch, Winkelmann nennt die Hochalpen abscheulich. Goethes und Rückerts Urteil über Uhland, Platens über Heine und umgekehrt waren wohl kaum gerecht. Der V-rfasser der Schrift „Aus den Lebens erfahrungen eines Siebzigers" erinnert an die im vorstehenden angeführten Vorurteile und Irrtümer großer und größter Männer, „nicht um diese zu verkleinern, auch nicht um daraus Trost zu schöpfen für unsere eigenen Thorheiten und Schwächen, nur weil doch auch wir Kleinen uns gar leicht in per sönliche oder in Meinungen unserer Zeiten versteifen, uns überheben. Sicher vor solchen Anwandlungen ist wohl kein Elderpilger." Neueste Nachrichtex. Antwerpen, 21. Nov. Hier ist das Ge rücht verbreitet, daß ein englischer Dampfer an der französischen Küste gescheitert und seine ganze Be mannung mit Ausnahme des Kapitäns und eines Schiffsjungen ertrunken sei. 5. Alle Nummern, hinter welchen kein Gewinn verzeichnet ist, sind mit 265 Mark gezogen worden. (Ohne Gewähr der Richtigkeit. — Nachdruck verboten.) Ziehung am 19. November 1895. 30««« Mark auf Nr. 67829. IS««V Mark auf Nr. 58172. entlegene Vorstadt und Hubert hatte vollständig Zeit, über seinen Entschluß nachzudenken. Endlich hielt der Wagen vor einem grünen Gitter, durch das Hubert ein freundliches Haus in einem wohlgepfleg- teu Garten bemerkte. Die Pforte, die in denselben führte, war offen und er las zu seinem Erstaunen auf einem oben an gebrachten Schilde: „Kunst- und Handelsgärtnerei." Als er in den Garten trat, kam ihm ein Mann in Gärtnertracht entgegen und fragte ihn höflich nach seinem Begehr. Hubert sah sich erstaunt um und sagte dann, daß er den Kanzleirat Gebert, der ja hier wohne, zu sprechen wünsche. „Den können Sie nicht mehr sprechen," ent gegnete der Mann, „er ist bereits über Jahr und Tag tot." „Tot?" rief Hubert erschrocken aus. „Ja, im Winter war es ein Jahr. Er war die letzte Zeit vollständig gelähmt, denn der Schlag hatte ihn gerührt, als seine Frau so schnell starb." „Sie ist auch tot?" Hubert bebte am ganzen Körper und konnte kaum die Worte über seine Lippen bringen. „Arme Rosa!" flüsterte er und der Gärtner sagte dann: „Ja, das arme Fräulein! Bald nachdem sie, es müssen nun drei Jahre sein, aus dem Seebade zurückkamen, wurde Frau Gebert krank und starb nach wenigen Tagen. Wir wohnten damals da drüben in dem kleinen Hause, und meine Frau ist öfters zu Hülfe geholt worden, da hat sie den ganzen Jammer mit erlebt. Der Schmerz von Fräulein