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— Borna, 4. Nov. AIS der Abendzug die Stat'vn Böhlen (Linie Leipzig-Hof) verließ, stürzte der Obcrschaffner M. vom Trittbrett und wurde vom Zuge eine Strecke von 30 Metern mit fort- geschleift. AlS man das Fehlen des Beamten bemerkte, wurde der Zug etwa 1 Kilometer von der Station auf freiem Felde angehalten. Glücklicherweise war der Oberschaffner nur leicht verletzt und konnte die Fahrt fortsetzen. — Grimma, 4. Nov. Die Stephans-Jünger haben wieder einmal Grund, stolz auf ihre Findigkeit zu sein. Eine in Capri bei Neapel aufgegebene Post karte, auf der nichts verzeichnet war, als Namen und Geschäft des Empfängers mit dem Zusatze „König reich Sachsen" wurde in Grimma an der rechten Stelle abgeltefcrt und zwar — und das ist das be sonders Lobenswerte an der Sache — ohne irgend welche Verspätung. — Der inZöblitz bei Marienberg im sächsi schen Erzgebirge gebrochene Serpentinstein ist in seiner Verwendung als Material zu allerhand kleinen Ge genständen, wie Feuerzeugen, Reibschalen, Wärm steinen, Leuchtern, Vasen rc., weithin bekannt, daß er aber auch zu größeren Bauteilen jetzt verarbeitet wird, dürfte wohi vielen neu sein. Die in Zöblitz bestehende Serpentinstein-Gesellschaft Wieland L Co. hat nun aber in der Neuzeit sehr große hervorragende Ausführungen gehabt, die wegen ihrer Vorzüglich keit verdienen weiteren Kreisen bekannt zu werden; so wurden von ihr die Ballustraden der Treppen in den großartigen Bahnhofsbauten, sowie im neuen Äönigl. Finanzministerium zu Dresden geliefert, fer ner nach Berlin für das Museum in der Natioval- gallerie große Thürgewände und viele andere größere Arbeiten, wie Kamine, Grabdenkmäler, kirchliche Ge genstände rc, für das In- und Ausland. Einen bedeutenden Aufschwung hat auch die Anfertigung von Aschen-Urnen und die Herstellung von Isola toren für elektrische Leitungen genommen. — Aus dem Elbsandsteingebirge, 6. Nov. Eine höchst interessante Sandsteinarbeit, wie sie noch niemals hier ausgeübt wurde, kann man zur Zeit im Teichsteinbruche an Station Schöna, der Firma Vogel u. Müller in Dresden gehörend, in Augenschein nehmen. Dort ist seit einigen Iah- ren das sogenannte „Abbänken", welches von diesem Sommer an auch in den Oberkirchleithnerbrüchen angewendet wird, mit gutem Erfolg eingeführt. Es gilt jetzt, daselbst einen sogenannten Schrot herzu stellen. Dieser Schrot wird 22,5 in lang, 1 m breit und bis zu 30 in tief und trennt dann den Felsen kegel, welcher viele Tausend Kubikmeter besten Ge steines enthält, vom Hauptfelsen. Diese bisher noch nie ausgeführte Arbeit wurde schon vor einigen Monaten begonnen. Man hofft bis Neujahr 1896 so tief zu kommen, daß man den ersten großen Schlag heben kann. Nach fachmännischer Berechnung wird derselbe allein schon etliche Tausend Kubikmeter bestes Gestein bieten, also Material für einige Jahre. Selbst die bei der Herstellung des Schrotes abzutrei benden Steinmassen werden nutzbringend verarbeitet, so daß die Schuttanhäufungen sehr gering sind. Bekanntermaßen wird bei dem alten Verfahren, dem üblichen Hohlmachen, meist noch mehr Schutt ge wonnen, als zu verarbeitendes Steinmaterial, die Schuttanhäufungen haben sich in den Bruchgebieten aber so vermehrt, daß hier und da die besten Bänke davon überdeckt sind und der Betrieb eingestellt wer den muß. — Zittau, 6. Nov. Der Raubmörder Kögler hat in letzter Zeit, nachdem sein Ausbruch mißlungen, im Gefängnisse zu Thun die Annahme jeder Speise so beharrlich verweigert, daß man zu seiner zwangs weisen Ernährung schreiten mußte. Dies geschieht Ein Blick in die Zukunft. Novelle von C. Schirmer. (Nachdruck verbalen.) (Fortsetzung.) Mit diesen Worten suchte der Kanzleirat sich und seine Damen zu trösten, doch der Trost wurde immer schwächer, je mehr die Sonne stieg und je heißer sie auf dem sandigen Boden der endlosen öden Hardegegend brannte. Die Pferde schienen immer langsamer zu gehen, und die Räder sanken ein in den tiefen Sand und knarrten, als ob sie sich kaum mehr umdrehen könnten. Frau Gebert klagte über Kopfweh, und selbst Rosa sah matt aus, und auf der Stirn des Kanzleirats lag eine Wolke, die eine ganze Flut von Mißmut in sich barg. Jetzt standen plötzlich die Pferde still und der Kutscher stieg ab und öffnete den Wagenschlag. „Wenn die Herrschaften hier aussteigen wollten," sagte er, „es sind nur noch zehn Minuten bis zum Haidekrug, dort werden wir die Pferde füttern und eine Stunde ausruhen." Mit einem Seufzer fügte sich der Kanzleirat und alle drei stiegen aus, um die Strecke bis zum Haidekrug zu Fuß zu gehen. ES ging etwas bergan, und da die Pferde bet jedem Schritt tief in den Sand sanken, war es dem Kutscher nicht zu ver denken, daß er ihnen eine kleine Erleichterung gönnte, und obgleich der Kanzleirat brummte, war doch allen schließlich die kleine Fußtour angenehmer als die langsame Fahrt. Der Haidekrug lag einsam und still in der öden Gegend. Fern von dem Verkehr mit Menschen täglich im Beisein des Anstaltsarztes zwei Mal. Kögler bleibt übrigens dabei, daß er an dem ihm zugeschriebenen Morde des Abbö Olivier in Beaten- bucht unschuldig sei; er will sich um diese Zeit in Ancona aufgehalten haben, wo bereits ein diesbe zügliches Ermittelungsverfahren eingeleitet ward. Nachgerade wird eS immer zweifelhafter, ob die An klage in Thun wider ihn erhoben werden wird. Verschiedene Zeugen vermochten ihn bei der Rekog noszierung nicht zu erkennen. 8 Braunschweig, 1. Nov. Die Braun schweigische Landeslotterie wird demnächst Anlaß zu einem höchst interessanten Prozeß geben. Die Lot terie ist seit langen Jahren an ein Konsortium von Bankiers und Finanzleuten verpachtet, dem seit mehreren Pachtperioden auch die Braunschweigische Kreditanstalt und die Norddeutsche Bank in Ham burg angehören. Diese Firmen waren vor ungefähr 20 Jahren selbständig als Bewerber aufgetreten und dann in das Konsortium mit ausgenommen worden. Die jetzige Pachtzeit läuft noch zwei Jahre. Da wird plötzlich bekannt, daß die übrigen Mitglieder des Konsortiums — ohne Vorwiffen der Kreditan stalt und der Norddeutschen Bank — eine» neuen Pachtvertrag auf längere Jahre mit der Regierung vereinbart und die beiden genannte» Firmen ohne Weiteres ausgeschlossen haben oder nicht wieder mit beteiligen wollen. Diese sind aber der Ansicht, daß man verpflichtet gewesen wäre, ihnen von der beab sichtigten Ausschließung vorher Kenntnis zu geben, damit sie in der Lage gewesen wären, auch ihrerseits sich selbständig um die Lotterie bewerben zu können. Zunächst haben nun die Braunschweigische Kredit- anstatt und die Norddeutsche Bank Klage auf Mit- beteiligung oder Schadenersatz gegen die übrigen Mitglieder des Konsortiums erhoben. Z Hamburg, 7. Nov. Bei Brunshausen a. d. Unterelbe ist ein mit Futterrüben beladenes deut sches Segelschiff untergegangen. Die Mannschaft ist vermutlich ertrunken. 8 Kiel, 7. Nov. Laut Spruch des kaiserlichen Seeamtes erfolgte die Strandung des Dampfers „Rheinland" im Kaiser Wilhelm-Kanal durch un richtige Führung des noch ungenügend geschulten Kanal-Lootsen. 8 Das „Große Los" der preußischen Klassen lotterie ist bekanntlich nach Breslau gefallen und wurde dort zum kleineren Teile von einem Tischler meister nebst seinen zwei Gesellen gespielt Der andere größere Teil wurde, wie jetzt bekannt wird, inWüste- giersdorf und Tannhausen gespielt und zwar von etwa fünfzehn kleinen Handwerkern und Fabrikar beitern, die meist nur mit kleinen Beträgen an dem Lose beteiligt waren. Auf den geringsten Anteil, den ei» Fabrikschlosser mit einer kranken Frau und fünf Kindern spielt, kommen ungefähr 10,000 Mark. Aus einer andere» Familie, die ebenfalls von For tuna bedacht wurde, waren die Kinder schon zur Beschenkung bei der vom dortigen Frauenverein ge planten Weihnachtsbescherung vorgemerkt. 8 Aus Soldau (W-stpreußen) wird berichtet: Neulich abend gegen 6 Uhr meldete die Tochter der Arbeiterwitwe Berg den soeben erngetretenen Tod ihrer Mutter einem hier wohnenden Verwandten, der das Mädchen dann auch zur Bestellung eines Sarges beauftragte und selbst die weiteren Vorbereitungen zur Beerdigung treffen wollte. Als man die Waschung der anscheinend Toten vornehmen wollte, richtete diese sich plötzlich auf und fragte die Umstehenden: „Was wollt Ihr nur eigentlich mit mir vornehme»? Laßt mich doch ruhig liegen!" Den Schrecken der Anwesenden kann man sich leicht vorstellen. 8 Eine Erbschaftsgeschichte hat jetzt durch eine Entscheidung des Kaisers einen für die Beteiligten sahen seine Bewohner nur während der Sommer monate die wenigen Badegäste, die den langen Land weg benutzten, um nach Jeschnitz zu kommen. Die meisten zogen den kürzeren Seeweg von der anderen Seite der Insel vor, und so kam eS, daß der Haide krug oft tage- und wochenlang keinen Gast ein kehren sah. Heute hielt bereits ein Wagen vor der Thür, und als der Kanzletrat mit seine» Damen in das Gastzimmer trat, sahen sie zwei Herren am Tisch sitzen, die im Begriff waren, einem vor ihnen stehen den Frühstück, bestehend aus Milch, Schwarzbrot und Schinken, zuzusprechen. Es entspann sich bald eine allgemeine Unter haltung, und als der Kanzleirat bei der eintretenden Wirtin ein gleiches Frühstück bestellte, setzten sich alle an den Tisch, und es währte nicht lange, so hatte man sich gegenseitig Ziel und Zweck der Reise mitgeteilt. Die beiden Herren hatten sich als Ham burger Kaufleute vorgestellt, sie waren nur auf einer Rekognoszio»sreise begriffen, hatte» in Jeschnitz für ihre Frauen und Kinder auf mehrere Wochen Woh nung mieten wollen, und kehrten nun wieder zurück, ohne etwas ausgerichtet zu habe». „Wa s", rief der Kanzleirat, „keine Wohnung gefunden?" Die Herren lachten. „Ueber einem Pferdestall haben wir ein elendes Nachtquar tier gehabt, sonst keine Aussicht, auch nur eine Fischerhütte mieten zu können". „Aber die Hotels?" Die Herren zuckten die Achsel und der Kanzleirat hörte dieselben Worte, die befriedigenden Abschluß gefunden. In Gr. Lichtenau bei Berlin verstarb der Lehrer Billasch und hinter ließ ei» Vermögen von 44,000 Mark, welches, da ein Testament und sonstige Erbberechtigte nicht vor handen Ware», dem Staate zufallen sollte. Bald darauf meldeten sich jedoch entferntere, gesetzlich aber nicht erbberechtigte Verwandte des Verstorbenen, welche auf die Erbschaft Anspruch erhoben und sich schließlich mit einer Eingabe an den Kaiser wandten. Der Monarch hat nunmehr verfügt, d^.ß der vierte Teil der Erbschaft dem Staate verbleiben, die übrigen 33,000 Mark aber gleichmäßig unter die vorgenann ten drei Verwandten des Verstorbenen verteilt wer den sollen, sodaß jeder derselben 11,000 Mk. erhält. * * Detroit, 7. Nov. Auf der Stätte der Kesselexplosion im Gebäude des „Journal" konnten bisher 12 Leichen geborgen werden. Man befürchtet, daß 29 vermißte Personen unter den Trümmern um gekommen sind. Vermischte*. * Eine aussterbende Riesenschildkröte. I» der Sitzung der Pariser Akademie vom 9. September 1895 beschrieb Th. Sauzier ein lebendes Exemplar einer Schildkröte von den Egmonts-Jnseln im Norden Madagaskars, welches bei 4 Meter Panzerumfang und einer Körperlänge von 1,66 Meter nicht weniger als 250 Kilogramm wiegt. Er hält sie für das letzte Exemplar der aussterbenden Art, welche Du- msril und Biberon unter den Namen 3?6stucko vaa- ckiuii beschrieben haben; sie wurde in Gesellschaft eines verendenden Exemplars aus einem Sumpfe der genannten koralleninseln nach Mauritius ge bracht. Doch scheint es nicht festgestellt, ob sie auf diesen Inseln einheimisch oder nur eingeführt war. ES soll die größte aller lebenden und ausgestorbenen Schildkröten sein. Diese Riesenschilbkröten der In seln des Indischen Meeres gehören zu den durch Menschen ausgerotteten Tieren; noch am Ende deS 17. Jahrhunderts waren große Schildkröten auf der Insel Rodriguez so massenhaft vorhanden, daß die Menschen, nach dem Ausdrucke eines Reisenden, nicht wußte», wo sie den Fuß hinsetzen sollten. Aber sie wurden schifssladungsweise nach Mauritius geschafft, wo es an anderem Schlachtvieh gänzlich mangelte, und nach Dokumenten, die sich in den Archiven der Marine befinden, sind damals (1759—60) in 18 Monaten 30,000 Schildkröten nach Mauritius ver frachtet worden. Einer solchen mörderischen Ver folgung konnten diese unbehilflichen Tiere natürlich nicht lange widerstehen und sie sind nunmehr bis auf dieses und ein Exemplar der Mauritius-Schild kröte (l^stuclo Lumsirsi), welches französische Sol daten 1810 in einen Käfig ihrer Kaserne in Port- Louis sperrten und welches ebenfalls noch lebt — man schätzt sein Alter auf circa 200 Jahre —, aus gerottet. * Berittene Ameisen entdeckte der namhafte Völkerforscher Adolf Bastian im östlichen Asien. Die Entdeckung war so erstaunlich, daß selbst Fachgelehrte ungläubig die Köpfe schüttelten. Lange Zeit blieb sie ungeglaubt, bis sie endlich vor einigen Jahren von anderer Seite ihre Bestätigung fand. Karl Mei ßen teilte in der Zeitschrift „Humboldt" mit: Es giebt in Siam eine kleine, matt grauschwarz gefärbte Ameisenart, welche sich vorzugsweise an feuchten Orten, z. B. in Baderäumen, aufhält, wo man sie häufig in breiten Kolonnen von beträchtlicher Länge sich fortbewegen sieht, irgend einer Nahrungsquelle zu. Die Tiere leben von Stoffen tierischen Ursprungs. Das Arbeitervolk mißt an Körperlänge etwa die Hälfte unserer gewöhnlichen Waldameise. Inmitten der Kolonnen marschieren nun in gewissen Abständen einzelne bedeutend größere Tiere, ab und zu aber ihm schon gestern auf dem Schiffe und bei der An kunft auf der Insel entgegengeklungen waren: „Alles besetzt!" Er tröstete sich noch immer damit, daß er ja längst Zimmer bestellt habe, und als die Pferde an gespannt waren und die Fahrt nach Jeschnitz fort gesetzt wurde, wünschten die Herren viel Glück, doch lächelten sie dazu so ironisch, daß der Kanzleirat seine Stirn in düstere Falten zog und seine Frau mit einem Seufzer sagte: „Wären mir doch lieber zu Hause geblieben". Zum Glück für unsere Reisenden wurde jetzt der Weg besser, und ein kühler Luftzug zeigte an, daß sie sich der See wieder näherten. Bald fuhren sie ei» in einem schönen Buchenwald und hier und da sah man durch die Bäume die Wellen des Meeres blitzen. Alle atmeten auf und neues Blut zog in ihre Herzen. Mit Entzücke» atmeten sie die balsa mische Lust und blickten voll Staunen auf das herr liche Bild, das sich allmählich vor ihnen aufrollte. Rosa fand keine Worte, ihre Auge» strahlten, als der Weg sie hoch oben auf felsigem Ufer, am Saume des herrlich grünen Buchenwaldes entlang führte. Zur Rechten breitete sich das Meer aus, eS lag eine unendliche blaue Fläche, nur ab und zu von einer silbernen Welle durchblitzt, in seiner Erhabenheit vor ihnen. Jetzt machte der Weg eine Biegung und end lich sah man einzelne Häuser auftauchen. „Ist das Jeschnitz!" fragte der Kanzleirat den Kutscher. (Fortsetzung folgt.)