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moralische Unterstützung und glaubte, daß nur durch Festigkeit und Einigkeit etwas erreicht werden könnte. Es wurde auf die schwierige Lage der etwa hinzu ziehenden Kassenärzte hingewiesen und auf den Um stand ausmerksam gemacht, daß derartige künstlich ge schaffene Verhältnisse an anderen Orten nicht von langer Dauer gewesen find, daß die Krankenkassen die Forderung der älteren Aerzte doch bald bewilligt, und die neu hinzugezogenen Aerzte den Platz bald wieder hätten verlassen müssen. — Zwickau, 9. Okt. (Oeffentliche Verhand lungen vor dem Königl. Landgericht, Strafkammer II.) Wegen Unterschlagung in zwei Fällen wurde heute der 1845 zu St. Egidien geborene, in Lobsdors wohnhafte Handelsmann Carl Friedrich Alban Franke zu einer Gefängnisstrafe von 2 Monaten verurteilt. — Wider den 1874 in Plauen i. V. geborenen, in Gersdorf wohnhaften Bergarbeiter Johann Paul Sachs, welcher in Gersdorf drei einfache Dieb stähle ausgeführt, erkannte man in Anbetracht seiner Rückfälligkeit auf eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 10 Monaten. Meerane, 10. Oktbr. Ein schreckliches Unglück hat sich am Montag vormittag in der Fa milie des Tischlers Kutzschbach hier ereignet. Das zweijährige Kind desselben fiel in einem unbewachten Augenblick in da« im Hofe stehende, mit heißem Wasser gefüllte Waschfaß und verbrühte sich der« maßen, daß es, trotz ärztlicher Hilfe, verstorben ist. — Glauchau, 10. Oktbr. Das von Mit gliedern der hiesigen Militär- und Kriegervereine hierselbst zur Darstellung gebrachte KriegSfesifpiel hatte sich auch gestern wieder eines reichen Erfolges in jeder Beziehung zu erfreuen. Sowohl die am gestrigen Nachmittag stattgehadte als auch die Abend- Vorstellung hatten einen ganz außerordentlich zahl reichen und dankbaren Gesuch aufzuweisen. Es wird von Interesse sein, zu erfahren, daß außer am näch sten Sonnabend auch am Sonntag noch eine Nach mittags-Vorstellung statifindet, deren Anfang auf 3fts Uhr festgesetzt worden ist. — In Plauen dürfte demnächst ein strenges Urteil gegen einen Gastwirt zu erwarten sein. Er hat den Gästen verendete Gänse vorgesetzt. Der Tod der Tiere soll durch Rattengift verursacht wor den sein. An vielen Orten des Vogtlanoes ist übrigens die Gänsepest auögcbrvchen. — Der Viehschmuggel über die böhmische Grenze herein nach Sachsen und Böhmen wird trotz der hohru Strafen, die hierauf gesetzt und bereits in vielen Fällen erkannt worden sind, lebhaft fortge trieben. Erst in der Nacht zum Montag sind wie der von Aufsehern der Grenzwache Faßmanns- reuth zwei geschmuggelte Ochsen aufgegriffen wor den. Eine viel größere Anzahl geschmuggelten Viehes ist aber bei der Pascherei wahrscheinlich doch herüber gekommen. — Die Leipziger Heimstätte am Gleesberg bei Schneeberg-Neu st ädtel steht seit gestern in Flammen. Abgebranm ist das Wirtschaftsgebäude, das Wohngebäude wurde erhalten. Es liegt bös willige Brandstiftung vor. Erschwert wurden die Löscharbeiten durch Wassermangel. — In Bärenwalde wird gegenwärtig eins Bäckerei von größerem Umfange eingerichtet, die den Einwohnern von dort und der ganzen Umgebung die Backwaren zu einem billigeren Preise liefern will, als die ortsüblichen Preisbeträge, und zwar spricht man davon, daß jedes Brot je 5 Pf. und jede Zeile Das Irrlicht von Wildenfels. Original-Roman aus unseren Tagen von G. v. Brühl. Nachdruck »erdoteu. (Schluß.) „Es hat Niemand etwas seit heute Vormittag von ihm gesehen und gehört, er ist nicht fortgefahren und nicht sortgegangen, irgendwo muß er doch stecken, Herr Staatsanwalt!" Ewers hatte sich erhoben. „So wollen wir auf der Stelle Nachsuchung halten," erklärte er, „nehmen Sie einen Bewohner des Schlosses, einen Beamten oder einen Diener mit, Herr Kommissar!" „Ich habe draußen soeben den Oberförster Grimm gesehen." „Gut, der Oberförster kann uns begleiten, be nachrichtigen Sie ihn sogleich von unserem Vorhaben." Baumann eilte voran, um Gnmm zu suchen, während Ewers sich langsam nach dem Gange begab, der in das alte Schloß führte. Die Baronin hatte sich tief gebeugt mit Ger trud in ihre Zimmer zurückgezogen, während im ganzen Palais große Aufregung herrschte und unter der Dienerschaft die erschreckende Kunde leise von Mund zu Mund ging, daß die Beamten den Baron Franz suchten. Als Baumann mit dem Oberförster den Staats anwalt im Gange eingeholt hatte, gingen alle drei in'S alte Schloß. Es war zwar Abend geworden, doch die Dunkel heit war noch nicht hereingebrochen, so daß man noch ohne Licht genügend sehen konnte. Von Erwartung erfüllt, schritt Baumann voran nach dem grünen Zimmer und machte die Thür des selben auf. In demselben Augenblick sah er auch schon, daß seine Ahnung eingetroffen war. Semmeln um je 1 Pf. billiger sein werde. Der Schöpfer de« neuen Unternehmen- ist der Bäcker Dörfel dortselbst. — Meißen. Der „Heurige" hat in Meißen einem Annaberger Übel mitgespielt. Wie das Meiße ner „Tageblatt" mitteilt, sanden am Dienstag mor gen mehrere von der Einweihung ihrer neuen Turn halle zurückkehrende Mitglieder de« Turnvereins „Frisch Auf" früh in der dritten Stunde in der Nähe der Eisenbahnbrücke einen nur noch mit Beinkleidern, Hemd und Strümpfen bekleideten Mann auf der Erde liegend. Derselbe schlief fest und erst nach vieler Mühe gelang es, ihn zu erwecken. Seine Kleider hatte der Schläfer einige Meter von seiner Schlafstelle entfernt auf ein Geländer gehangen und die Stiefel ordnungsmäßig daruntergestellt. Wie sich nun, nachdem der Mann einigermaßen ernüchtert worden war, herausstellte, war derselbe am Montag von Annaberg aus dort zum Besuch gewesen, hatte sich aber mit seinen Verwandten veruneinigt und infolge dieses Aergers ein Gläschen Meißner Wein zu viel getrunken. Glücklicherweise waren seine Kleider und sonstigen Sachen noch vorhanden und er »ahm dankbar das Anerbieten, mit in die Woh nung eines der „Finder" zu gehen, an. — Zittau, 9. Okt. In der Maschinenfabrik von Grund L Co. ereignete sich gestern nachmittag ein entsetzlicher Unfall. Dort beschäftigte Arbeiter vernahmen plötzlich aus dem Maschinenhause einen gel lenden Aufschrei und kurz darauf einen dumpfen Fall; als sie hinzueilten, fanden sie den Maschinenwärter bewußtlos und schwer verletzt am Boden liegen. Vermutlich ist der Unglückliche von der Transmission erfaßt und um die Welle herumgeschleudert worden. Der Verunglückte wurde ins Krankenhaus transpor tiert; seine Verletzungen sind derart, daß man an seinem Wiederauskommen zweifelt. — Bautzen, 9. Okt. Vor der Strafkammer des hiesigen Landgerichts hatte sich die Geschirrfüh- rers'Ehefrau Grundmann aus Großröhrsdorf wegen geradezu barbarischer Mißhandlung ihres eigenen, unehelich geborenen Kindes, eines siebenjährigen Mädchens, zu verantworten. Das unmenschliche, schon sieben Mal, darunter wegen Raubversuchs und Körperverletzung mit drei Jahren Gefängnis vorbe strafte Weib har das arme Wesen nicht nur täglich unter Benutzung eines Leibriemens und anderer Ge genständeentsetzlich geprügelt, sondern auch gezwungen, in der bittersten Winterkälte barfuß und nur mit dem Hemdchen bekleidet im Hausflur zu verweilen. Große und kleine Narben legen Zeugnis von der unmenschlichen Behandlung des Kindes ab; das Gericht verurteilte die Megäre zu zwei Jahren Ge fängnis. 8 Berlin, 10. Okt. Nach dem „Berl. Tgbl." ist über die Neuordnung der Militärstrafprozeßord nung mit den nicht unter preußischer Verwaltung stehenden Kontingenten und mit Bayern eine Ver ständigung erzielt. Der Entwurf dürfte im Allge meinen den Gesichtspunkten der modernen Zeit ent sprechen, es sei indes noch nicht entschieden, daß er noch in diesem Jahre an den Reichstag komme. Z Berlin, 10. Okt. Dis „Berliner Neuesten Nachrichten" melden: Die Berichte über die Erfah rungen mit der zweijährige» Dienstzeit sind teilweise bei den Generalkommandos eingegangen. Die Be richte über die 4. Bataillons werden folgen. Die ersteren Berichte lautenooraussichtlich im allgemeinen günstig, die letzteren dagegen nicht. Franz hatte sich vormittags, als die Beamten im Palais angekommen waren und plötzlich alles offenbar wurde, in das grüne Zimmer begebsn und seine Büchse mitgenommen, welche noch neben ihm auf dem Tische lag, während er sich auf das Polster gelegt hatte. Er hatte die Absicht gehabt, falls das grüne Zimmer seine Wirkung verfehlte, sich zu er schießen. Doch auch bei ihm war die Wirkung eingetreten, denn regungslos lag er auf dem Polster da. Seinen gelblich fahlen Zügen war der Stempel des Todes aufgedrückt, seine offenen Augen waren stier und leblos. Ewers trat zu ihm hin, von Baumann und Grimm gefolgt, und faßte die Hand des vor ihm Liegenden an — sie hatte bereits die eisige Kälte und Schwere des Todes angenommen. Da ergriff der Oberförster die Büchse, um nach- zusehen, ob Franz einen Schuß auf sich abgegeben. Grimm stand unter dem an der Wand schweben den Engel und war so eifrig mit dem Gewehr be schäftigt, daß er die Gipsfigur nicht beachtete. Während Ewers und Baumann noch neben dem Toten standen, machte Grimm mit der Büchse eine hastige Bewegung und schlug an die schwebende zer brechliche Figur. Ein lautes Getöse folgte. Alle sahen zu der Wand hin. Der untere Teil der Gipsfigur war abgefallen und lag zerstückelt auf den Dielen. Und dann ver lor auch der obere Teil seinen Halt und stürzte herab. Es wurde nun eine starke Röhre sichtbar, welche sich hier in der Wand befand. Die Gipsfigur hatte allem Anschein nach nur den Zweck gehabt, diese Oeffnung zu verbergen and es war daher die Röhre dazu benutzt worden, der schwebenden Figur als Halt zu dienen. DaS mußte schon vor vielen Jahren so hergestellt worden sein. § Die sozialdemokratisch.gewerkschaftliche Bewe gung nimmt in jüngster Zeit in Berlin größere Dimensionen an. Die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 hat bereits einen derartigen Einfluß auSgeüvt, daß die Maler, die Gipsbildhauer, die Stuckateure, die Gold- und Silberarbeiter, die Schraubendreher und andere mehr für das nächste Jahr General- Streiks in Aussicht genommen haben. Auch die deutsche Militär-Arbeit hat bewirkt, daß den Fabri kanten die Sattler mit einem Streik drohen. Als Forderungen werden meist Miodest-Lohn und Maxi- mal-Arbeitszeit aufgestellt. Wie umfangreich die ge werkschaftliche Bewegung in Berlin augenblicklich ist, beweist die Thatsache, daß am Sonntag allein sechs öffentliche und elf Branchen-Versammlungen statt fanden. Bemerkenswert ist, daß in keiner der gewerk schaftlichen Versammlungen Parteileiter referieren, daß dieselben vielmehr derartige Ansuchen mit dem Hinweis ablehnen, sie seien politische, keineswegs ge werkschaftliche Persönlichkeiten. In den meisten Ge werkschaften fft übrigens Einigkeit nicht zu finden. Viele jener Arbeiter, welche die gewerkschaftliche Be wegung für falsch erkannt, haben auch Der politischen Bewegung den Rücken gekehrt. ß Eine Ehe von sehr kurzer Dauer ist am jüng sten Sonnabend auf dem Standesamt Gesund brunnen bei Berlin geschlossen worden. Dort hatte der Maschinist Peter G. mit einer bemittelten Wittib den Gund fürs Leben geschlossen. Die Hoch zeit wurde in einem Gasthaus m der Bvyenjtraße gefeiert. Schon im Laufe des Nachmittags war es der Hochzeitsgesellschaft ausgefallen, daß der junge Ehemann mehrfach fortging; zum Abendessen kam er aber gar nicht wieder. Als man nach ihm forschte, stellte es sich heraus, daß er inzwischen die gesamte Wirtschaflseinrichtung seiner Frau verkauft hatte und mit dem baren Gelbe und den Wertpapieren durch gebrannt war. Auf einem zurückgelassenen Zettel schrieb der Bösewicht die Abschiedsworte: „So lebe wohl, du alte Schraube. Ich gehe nach Kamerun — und fertig ist die Laube!" 8 Von einem der seltsamsten Diebstahlsobjckte wird aus Minden berichtet. Aus dem Hofe des dortigen Garnisonlazaretts wurden in der Nacht zum 5. Oktober siebzehn weiße Mäuse gestohlen, welche za Versuchszwecken mit Tuberkelgift geimpft waren. Vor Ankauf dieser Tiere wird gewarnt, da bei Berührung mit Menschen eine Uebertragung der Krankheit sehr leicht möglich ist. 8 Köln, 10. Oktbr. G stern ist der Neubau der Beckmann'schen Spinnerei in Bocholt (Westfalen) zusammengestürzt. Dabei sind 40 Arbeiter unter den Trümmern begraben. Militär ist aus Wesel mittelst Extrazug eingetroffen. Bis heute früh sind 10 Tote und 9 Verwundete geborgen. 20 Vermißte dürften tot sein. 8 Weißenfels, 6. Oktbr. Auf der Kanzel wurde heute in Obernefsa Pastor Wsrtver von einem Schlaganfall betroffen und mit den Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht weiter", verlor er das Be wußtsein. Man führte ihn sogleich von der Kanzel herab und brachte ihn zugleich nach der Sakristei. Erst nachdem man ihn in seiner Wohnung zu Bette gebracht hatte, ist er wieder zur Besinnung gekom men. Herr Pastor Wariner ist erst 35 Jahre alt und noch unverheiratet. Die Aufregung in der Kirche war eine große. 8 Altona-Ottensen. >se. König!. Hoheit Prinz Ludwig von Bayer», welcher von Kiel kommend Die nun angestellte Untersuchung führte endlich zur Erklärung der Todesfälle im grünen Zimmer, nach welcher man bisher immer, wie wir gesehen haben, vergebens gesucht hatte. Unter diesem Teils des alten Schlosses befanden sich überbaute Schleusen und Kloaken, von deren Vorhandensein längst Niemand mehr etwas gewußt hatte und zu diesen Schleusen führte die alte eiserne Röhre, welche ihre O-ffnung im grünen Zimmer hatte. Frühere Besitzer des Schlosses hatten die Röhre nicht entfernt, ihr nicht weiter nachgespürt und ihr keine Beachtung geschenkt, sondern einfach sie dadurch dem Auge entzogen, daß man sie durch die schwebende Gipsfigur verdeckt hatte. Es waren nun die Miasmen, die giftigen Dünste aus den überbauten Gruben durch die Röhre in's grüne Zimmer gedrungen und hatten Jeden mit dem Tode bedroht, der hier weilte und sie einatmete. Das Geheimnis war endlich enthüllt, und die Röhre wie auch die gefahrbringenden Gruben entfernt. Der Tod des Barons hatte ihn schwerer Ver antwortung und Strafe entzogen und hatte der Ba ronin die Schmach und Demütigung erspart, ihren Sohn auf der Anklagebank sehen zu müssen. Trost und Erhebung gewährte ihr in dieser qualvollen Zeit die Liebe Hellmuth's und Lisbeth's, an denen sie einen Halt und eine Stütze fand. Und es ge währte ihrem bekümmerten Herzen eine Genugthuung, die Tochter des armen Fürstenberg bei sich zu be halten und wie ihre Tochter auszustatten, als nach längerer Zeit der Oberförster Grimm Gertrud seine Hand reichte. Glück aber, das verlorene Glück zog wieder in das Palais ein, als die Vermählung Hellmuth's mit LiSbeth stattgefunden hatte und die Baronin sich an diesem Glücke aufrichten konnte.