Volltext Seite (XML)
bach in Böhmen eine große Menge Weißwaren von hohem Wert in Beschlag genommen und auf zwei Wagen nach dem K. K. Zollamte in GraSlitz ge schafft. Die Waren gehörten dem Filialgeschäfte, das Herr Kaufman» Hermann Puschmann in Falken stein i. V. zu GraSlitz errichtet hatte, und waren nach Annahme der Grenzbeamten über die Grenze aus Sachsen heraus gepascht worden. Infolge die ses Vorkommnisses wurden auch die Handelsbücher deS Puschmann'schen Filialgeschäftes mit Beschlag belegt. Dem Besitzer erwuchs damals ein Schaden von 30000 M. Herr Puschmann, der seiner Ver sicherung nach die Waren sämtlich verzollt hatte, setzte im Bewußtsein seines Rechtes unter bedeuten den Opfern alle Hebel in Bewegung, um wieder zu dem Seinigen und zu seinen Büchern zu gelangen, ohne welche die Außenstände nicht eingezogen werden konnten. Allein fünf volle Jahre hat es gedauert, ehe er, nachdem die endlose Voruntersuchung einen für ihn günstigen Verlauf genommen hatte, wieder in Besitz derselben gesetzt worden ist. Die Waren haben natürlich im Laufe der Jahre allen W-rt für ihn verloren. Die damalige Beschlagnahme hat mancherlei Unglück im Gefolge gehabt, und zwar nicht bloß für die Faktor« und Arbeiter des Pusch- mannschen Filialgeschäftes, die damals arbeits- und verdienstlos wurden. Wie die Beschlagnahme, sowie die Forderung einer Zollstrafe vvn 52500 Gulden Herrn Puschmann geschädigt hat, das hat derselbe sowohl der K. K. österreichischen, wie der Königl. sächsischen Regierung dargelegt und einen Schaden ersatz von weit über 100000 M. von der österreichi schen Regierung verlangt. Nachdem seine Beschwerde von dem Königl. sächsischen Justizministerium ge prüft worden war und er sich ohne Erfolg wieder holt an den österreichischen Finanzminister gewendet hatte, hat er den Schutz des Königl. sächsischen Mi nisteriums des Auswärtigen angerufsn, und es ist ihm von diesem soeben der Bescheid zuteil geworden, daß der Königl. sächsische Gesandte in Wren ange wiesen worden sei, bei der K. K. österreichisch-unga rischen Regierung auf thunlichsts Berücksichtigung seiner Ansprüche hinzuwirken. Der Fall erscheint ganz dazu angethan, daß man österreichischerseits einen Mißgriff, der viel Unheil angerichtet hat, durch Schadenersatz nach Möglichkeit wieder gutzumachen sucht und dem Eintreten noch weiterer schlimmer Folgen v.rbeugt. — Leipzig, 29. Sept. Die Mitglieder deS 17. Kongresses des Jaternationalen Verbandes zum Schutze des geistigen Eigentums haben sich über den ihnen hier von den ersten Vertretern des deutschen Buchhandels gebotenen Empfang, über das Festmahl im deutschen Buchhändlerhause und über die ihnen zu Ehren veranstaltete Festvorstellung im Neuen Theater außerordentlich befriedigt ausgesprochen. Im Neuen Theater wurde Humperdinks reizende Mär chenoper „Hänsel und Grethel" gegeben; der Kom ponist befand sich selbst unter der glänzenden Ver sammlung und hob im Gespräche mit einzelnen Kritikern hervor, daß die Aufführung ganz vorzüg lich gewesen sei. Nach dem Theater begaben sich mehrere Kongreßteilnehmer, darunter der bekannte Dichter Sudermann, nach Berlin, die meisten aber kehrten nach Dresden, bezw. in ihre Heimat zurück. Der nächste internationale Kongreß wird in Bern abgehalten werden. — Leipzig, 1 Okt. Wegen Anfertigsns fal scher Zweimarkstücke Hamburgischen Gepräges mit der Jahreszahl 1876 und dem Münzzeichen ll wurde gestern abend ein umherziehender, 30jähriger, aus Oplischken in Ostpreußen gebürtiger Handelsmann von der Polizei in L,-Gohlis verhaftet und nachmals an die Königl. Staatsanwaltschaft in Leipzig abgs- Das Irrlicht von Wildenfels. Original-Roman aus unseren Tagen von G. v. Brühl. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Franz prallte zurück. „Was sprichst Du da?" stieß er heraus. „Hellmuth lebt!" „Bist Du von Sinnen?" „Hellmuth kniet neben Lisbeth's Lager! Höre zu! Ich hatte Lisbeth zu Bett gebracht. Der Arzt hatte sich entfernt. Ich begab mich zu meiner kran ken Mutter, um ihr zu erzählen, was sich zugetra gen. Da hörte ich, daß die Hausthür geöffnet wurde. Ich horchte auf. Ich glaubte, Du wärest es, Du kämest. Als ich dann nach Lisbeth sehen wollte, kniete Jemand neben ihr — er sah mich nicht, denn er kehrte mir den Rücken zu. Hellmuth war es! Ich hörte und erkannte seine leise Stimme. Er rief Lisbeth!" — „Eine Hallucination!" stieß Franz mit erzwun genem Lächeln aus, „Du bist eine Thörin! Was soll es denn weiter gewesen sein als eine Täuschung der Sinne, ein zum Bilde gewordener Gedanke!" „Ich habe doch nicht an Hellmuth gedacht!" „Hellmuth ist tot!" „So geh' selbst mit hin und sieh nach". „Ja, ich gehe mit! Komm!" Franz war in großer Aufregung. Er schien sich zwar immer wieder selbst dadurch beruhigen zu wollen, daß er sich Hellmuth's Tod vergegenwärtigte, aber daß etwas Absonderliches geschehen war, hatte liefert. In seinem Besitz fand man die zur Herstel- lung der Falsifikate benützten Formen. — Ein Heiratsschwindler, der sich Emil Laue nennt, von mittlerer Gestalt und etwa 35 Jahre alt ist und dunkelblondes Haar, blonden Schnurrbart, breites, gesundfarbiges Gesicht hat, treibt schon seit längerer Zeit in Leipzig sein Wesen. Kürzlich rst derselbe in einer kleinen Stadt in Anhalt aufge taucht und hat eine Annonce in einer Zeitung er lassen, nach der ein Beamter eine Frau suchte. Ein junges Mädchen ging hierauf ein, und Laue stellte sich ihr in der Uniform eines preußischen Bahn-Be- amten vor und bestellte sie mit ihrem Gelde nach Leipzig in ein Hotel. Hier übergab da« Mädchen dem Unbekannten 360 Mark, die er angeblich zur Einlösung seines Mobiliars, das bei einem Leipziger Spediteur stehen sollte, brauchte. Seitdem ist der Mann verschwunden. — Glauchau, 1. Okt. Ein Veteran in herr schaftlichen Diensten, wie es deren wohl nur wenige giebt, ist Herr Karl Schindler, welcher, am 2. Jan. 1836 in Ernstthal geboren, schon seit dem 15. Juni ^863 ununterbrochen im Hause der Familie Leuschner als Diener thätig ist. Dem treuverdienten Manne wurde heute vormittag an Ratsstelle das Ehrenzeichen für „Treue in der Arbeit" zum Tragen am grünen Bande mit Verleihungsurkundc des Kgl. Ministeriums des Innern unter der üblichen Ansprache ausgehän digt. Herr Schindler ist bei bestem Wohlsein und voller Rüstigkeit. — Lug au, 1. Okt. Gestern abend in der 6. Stunde brach in der in der Scheune befindlichen Wagenremise des Gutsbesitzers Herold hier Feuer aus. Infolge des raschen Umsichgreifens des Feuers wurde die Scheune mit sämtlichen Erntevorräten vollständig eingeäschert. Ueber die Entstehungsur sache des Brandes ist Bestimmtes noch nicht bekannt. — Zschopau, 30. Sept. Wie nahebei Tod auch dem scheinbar gesundesten Menschen ist, beweist folgender Vorfall. Heute morgen in der fünften Stunde begegnete ein in der Wilischthaler Papier fabrik, Filiale Penig, beschäftigter Arbeiter auf dem Wege von Hohndorf nach Wilischthal einem Manne, der beim Uebergang des Ziegenrücks auf dem Wege lag. Als ersterer jenem zu Hilfe eilen und denselben aushebsn will, erkennt er in ihm einen seiner besten Freunde und Mitarbeiter, den 35jähr!gen Papierar- bsiter Martin aus Hohndorf. Dieser hatte sich, wie gewöhnlich, früh 4 Uhr auf den Weg zur Fabrik begeben, um seiner gewohnten Arbeit nachzugehen. Kaum eine halbe Stunde von seiner Wohnung ent fernt hatte aber ein Herzschlag seinem Leben ein schnelles ungeahntes Ende bereitet. Da Martin als solider Mensch, fleißiger Arbeiter und besonders auch als treusorgender Vater seiner zahlreichen Familie bekannt ist, wird dieser Fall hier als besonders tra gisch aufgefaßt und erregt allgemeine Teilnahme. — Zittau, 30. Sept. Bei dem heute morgen niedergegangenen Gewitter fuhr ein Blitz, glücklicher weise ohne zu zünden, in das Haus des Herr» Gärtner Herrmann in der äußeren Oybinerstraße. Zwei in einem Stalle stehende Kühe wurden vom Blitz erschlagen. 8 Dis Berliner Turner sind von ihrer Rom fahrt heimgekehrt. Die Turner waren noch ganz voll von den Eindrücken der Reise. Nach ihren Schilderungen hat sich der Empfang in Rom kühler vollzogen, als manerwartete; je länger die deutschen Turner aber in Rom verweilten, desto herzlicher sei die Stimmung geworden, und bei der Abfahrt habe eine wahrhaft überwältigende Begeisterung geherrscht. Was das Turnen der Italiener anlangt, so herrschte bei allen Heimkehrenden eine Stimme der Bewunde rung über die großartigen Leistungen der Italiener ja de, Aufschrei Lisbeth's, hatte ihre Ohnmacht be wiesen. Nachdem Franz seinen Hut ergriffen hatte, ver ließ er mit Martha das Palais. Schnell, von unbeschreiblicher Ungeduld erfüllt, eilten nun beide durch die Nacht dahin nach dem Richter'schen Häuschen. Das kleine Fenster desselben war noch erhellt. „Dort", raunte Martha dem Baron zu und zeigte zu dem einen Fenster hin. Es war das Fenster der Stube, in welcher Lis beth lag. Franz stürzte in atemloser Erwartung zu dem Fenster hin. Nun verzog sich sein Gesicht zu einem höhnischen Lachen, während er die Hand zu den Scheiben aus streckte. Martha traf neben ihm ein. „Siehst Du etwas?" fragte er. „Er ist fort! Lisbeth ist allein", erwiderte Martha, „doch vorhin war er hier, ich schwöre es Dir heilig zu. Es war keine Täuschung, es war Wahrheit und Wirklichkeit! Hellmuth war da!" „Schwöre nicht, Du irrst!" „Er war es! Er lebt! Ein Fremder kennt doch Lisbeth nicht? Und auch Fürstenberg lebt, der In genieur, von dem Du sagtest, daß er verschollen und tot sei!" „Wo ist er? Hast Du ihn gesehen?" „Im Forsthause ist er!" „Du meinst auf der Oberförsterei?" „Bei Grimm!" „Was wagt dieser alte pflichtwidrige Schurke". in den Freiübungen und an den Ringen. Bei deit Spezial-Wettkämpfen in Rom haben die Berliner, wie sie erzählen, nicht die Erfolge gehabt, wie bei dem Riegen-Wettkampf. Sic haben in den Spezial- Wettkämpfen nur zweite und dritte Preise errungen, die bisher noch nicht zur Verteilung gekommen sind. Um so unbestrittener war ihr Erfolg im Riegenwett- kampf. Geradezu unbeschreiblich war nach den Schilderungen der Turner der Abschied von Rom. Die Italiener umarmten und küßten unsere Lands leute, rissen sich die Medaillen von der Brust und reichten sie Jenen hin; in lautem Chore klang eS: rivicisroi UamdurZo!" (Aas Wiedersehen in Hamburg!") 8 Im Wiederaufnahmeverfahren freigesproche» wurde vom Breslauer Gericht der Schlächter Giesche. Er war im Dezember 1893 wegen wieder holter Sittlichkeitsverbrechen zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Von dieser Strafe wurden schon früher drei Jahre erlassen, weil für die Fälle, die das Dienstmädchen Schneider fbetrafen, nach deren Verurteilung wegen Meineids Freisprechung erfolgte. — 50000 M. gespendet hat Kommerzienrat Schichau in Elbing zum Gesten dortiger Kinder-Bewahran- stalten. Z Lieg nitz, 30. Sept. Ein folgenschwerer Jagdunfall ereignete sich am Sonnabend nachmittag auf einer in Alt-Raudtcn abgehaltenen Fasanenjagd. Einer der Schützen, ein Dragoner Leutnant auS Lüben, gab seinen Schuß in der Richtung ab, in der er keine Treiber vermutete, wurde aber im nächsten Augenblick durch das Aufschreien einiger Personen gewahr, daß er ein Unglück angerichtet hatte. Der Förster und drei Treiber waren von den Schrot- kugeln getroffen worden. Der eine Treiber war so schwer verletzt, daß er auf dem Transport nach Raubten verstarb; die Schrotkörner hatten die Haupt ader am Halse getroffen. Der zweite ebenfalls nicht unbedeutend verletzte Treiber wurde nach dem Kran- ksnhause in Raubten überführt, der dritte ist am Arm verwundet. Den Förster trafen Körner in den Kopf und Brust, doch ist Hoffnung auf Heilung vorhanden. § Brocken, 1. Okt. Heute wurde das auf dem Brocken neu errichtete staatliche meteorologische Observatorium durch Professor Aßmann vom meteo rologischen Institute in Berlin eröffnet. Z Köln, 1. Okt. Die Verhaftung des in Rad- fahrerkrsisen sehr bekannten Kaufmanns Stein erregt hier großes Aufsehen. Eine Haussuchung bei Stein förderte eine Menge gestohlener Sachen zu Tage, so daß eine Anklage wegen Diebstahls gegen Stein erhoben wird. Außerdem glaubt die Polizei Anhalts punkte dafür gewonnen zu haben, daß Stein dringend verdächtig sei, seinerzeit den Brand der gelegentlich des Radfahrerfestrs niedergebrannten vollbesetzten Tribüne veranlaßt zu haben, bei welchem eine große Anzahl von Personen verwundet wurde. 8 Karlsruhe, 30. Sept. Die Karlsruher Ztg. veröffentlicht einen Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser und dem Großherzog von Baden. Das Telegramm des Kaisers lautet: „Rominten, 28. Sept. Ew. Königl. Hoheit wollen dessen aufrichtig versichert sein, daß Ich bei der 25. Wiederkehr von Straß burgs Fall in tief empfundener Dankbarkeit der Lorbeeren gedenke, welche sich die badischen Krieger unter den Augen ihres geliebten Landesherrn bet der Einnahme Vieser Festung erkämpften. Wilhelm". — Das Antworttelegramm des Großherzogs lautet: „Wollen Ew. Kaiserl. Majestät Meinen aufrichtig gefühlten Dank entgegennehmen für die überaus wohl- thuenbe Empfindung, mit der Allerhöchst dieselben bec der 25. Wiederkehr des Tages vou Straßburgs Fall in so ehrender Weise des Anteils der badischen Krieger an diesem Ereignisse gedenken. Es wird „Du magst es nun glauben oder nicht, Fürstenberg lebt, und der, welcher vorhin hier war, kann nur Hellmuth gewesen sein!" „Giebt denn das Grab die Toten wieder?" rief Franz mit gepreßter Stimme. — „Gewißheit, Gewißheit muß ich haben!" „Wie willst Du sie Dir jetzt in der Nacht ver schaffen, Franz? Du siehst ja, daß der geheimnis volle Besuch nicht mehr hier ist". Der Baron packte plötzlich Martha's Hand, mit seiner anderen Hand zeigte er zum Parke hinüber. „Was hast Du vor?" fragte Martha. „Nach dem Gewölbe will ich!" stieß Franz heraus. „Geh' allein, ich mag nicht mit!" „Ich will nachsehen, ob mein Bruder dort schläft, ich will Dir zeigen, daß Du eine Hallucina tion gehabt hast! Komm' mit! Wir wollen uns überzeugen!" Er hielt Martha's Hand fest in der scinen und zog das von geheimem Grauen erfüllte Mädchen mit sich fort. Als Beide in der Nähe des PalaiS waren, eilte Franz in dasselbe und holte den Schlüssel zum Erb- gewölbe und einen Armleuchter mit brennenden Lichtern, dann kehrte er zu Martha zurück. „Du mußt mit", rief er ihr mit gedämpfter Stimme zu, „ich allein kann den schweren Metall deckel nicht heben". Martha fügte sich, wenn auch mit innerem Widerstreben. Den Armleuchter mit de» flackernden Lichtern in der linken Hand und in der rechten den Schlüssel zum Gewölbe tragend, schritt Franz schnell voran.