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— Hartmannsdorf, 8. Sept. Während eines gestern in den ersten Abendstunden hier auf tretenden Gewitters ist die Familie des Gärtners H. von einem schrecklichen UnglUcksfall betroffen worden; die Ehesrau des genannten Gärtners wurde in ihrer Behausung vom Blitz erschlagen. — Grimma, 8. Sept. Gestern nachmittag gegen '/»6 Uhr wurde Grimma von einem kleinen Orkan heimgssucht, denn von bloßem Sturm konnte man angesichts der Heftigkeit des Windes nicht reden. Die schwere Zinkbedachung auf der neuen Bürger schule wurde geradezu spielend ausgehoben. Der namentlich in den Gärten angerichtete Schaden ist ziemlich beträchtlich. Das auf den Sturm folgende heftige Gewitter spendete leider den so heiß ersehnten Regen nur in geringem Maße. - — Riesa, 9. Sept. Im Hafen zu Gröba ereignete sich heute vormittag ein Unfall. Der Steuermann und die beiden Bootsleute eines Tank kahnes hatten bei dem durch die Steuer vorgeschrie benen Reinigen der Bassins des Kahnes, trotzdem sie wissen, welche Gefahren mit dem zu frühzeitigen Einsteigen in die Tanks infolge der darin enthaltenen Gase verknüpft sind, die Benutzung der vorhandenen Apparate zum Zuführen frischer Lust abgelehnt, es hatte sich vielmehr einer der Leute ohne weiteres in den Kahn begeben. Der Mans ist hier nun infolge der vorhandenen Gase ohnmächtig geworden und als der zweite und dann der dritte zu des ersten Rettung ebenfalls hmabstiegen, ereilte sie dasselbe Schicksal. Glücklicherweise gelang es weiterer Hülfe, alle drei Personen aus dem Tank herauszubringen, und er holten sich dieselben dann an der frischen Luft bald wieder. Nachteilige Folgen hat der Unfall für die Betreffenden nicht. — Meißen, 9. Sept. Im oberen Elbaebiet ist der Wasserstand gegenwärtig so niedrig, daß so wohl die Frachtschifffahrt, wie anch die Personen- Dampsschifffahrt mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Es verlautet, daß die Personen schiffe in nächster Zeit Leitmeritz wohl nicht mehr erreichen und nur noch bis Aussig oder T-tschen verkehren werben. 8 Mau schreibt aus Hamburg: „Unsere neuen Stahlriesen werden bald durch ein noch neueres Seeungeheuer übertrumpft sein. Vor wenigen Tagen hat, wie schon kurz erwähnt, die Amerika-Linie einen neuen Dampfer in Auftrag gegeben, der in Bezug auf Größe alles, was bisher Anspruch darauf machte, unter die Riesen zu zählen, m Schatten stellen wird. Auch die Schiffe, welche der Norddeutsche Lloyd bauen läßt, reichen nicht an diesen Leviathan. Der Ham burger Dampfes wird 20,090 Tons Wasserver drängung haben, ca. 15 Prozent mehr als die größ ten englischen Passagierschiffe „Campania" und „Lu- cania". An Ladung wird ec 240 000 Zentner tragen. Das Schiff wird auf einer englischen Werft gebaut, da die deutschen Werften, die für den Bau derartiger Kolosse in Frage kommen können — Vulkan in Stettin und Blohm u. Voß in Hamburg — zur Zeit vollauf beschäftigt sind und den Auftrag nicht über nehmen konnten. Die Frist für dis Erbauung ist auf zehn Monate angesetzt, so daß wir schon im Juli nächsten Jahres den Koloß auf der Elbe anlangen sehen können. In hiesigen fachmännischen Kreisen zollt man dem Vorgehen der Hamtmrg-Amerika- Linie große Auerkermung, zumal die Direktion es gleichzeitig verstanden hat, bei dem Handel zwei ältere Schiffe, „Rugia" und „Rhaetia", loszuwerden, indem sie dieselben der Werft als Zahlung giebt. Durch dieses schneidige Vorgehen sieht sich die Ge sellschaft heute im Besitz von durchweg modernen Schiffen und auf einem besseren Fuße wie ihrs Kon kurrenten, die mehr oder weniger alle an der Schwierigkeit laborieren, ihre unmodernen Schiffe nicht los werden zu können. 8 Kaisertage in Stettin. Die Kaiserparade des 2. Armeekorps auf dem Kreckower Felde bei Stettin hat einen glänzenden Verlauf genommen. Den Majestäten wurden sowohl auf dem Hinwege zum Paradefelve wie bei der Rückkehr in die Stadt stürmische Ovationen seitens der Bevölkerung darge bracht. Bei dem im Schlosse folgenden Parademahl brachte der Kaiser einen Trinkspruch aus, in welchem er sagte: „Der heutige Tag hat mich mit hoher Freude erfüllt und spreche ich dem Korps meine vollste Anerkennung aus für die vorzügliche Parade, die es heute vor mir geleistet hat. Möge der heu tige Tag, der eine Weihe besonderer Art durch die Ehre erhalten hat, welche dem Korps und vor allem dem Kürassierregiment Königin dadurch zu Teil ge worden ist, daß Ihre Majestät geruht haben, das Regiment selbst vorbsizuführen, dem Korps ein An sporn sein, nunmehr auch im Manöver zu zeigen, daß es vorbereitet ist, jede Abwehr, die sie auch sei, auszuführen und für das Ackerland einzustehen, wenn es gerufen werden sollte. Ich fordere Sie auf, Ihre Gläser zu erheben und aus vollem Herzen zu rufen: „Das II. Korps Hurrah! und nochmals Hur- rah! und zum dritten Male Hurrah!" Am Sonntag früh brachte der Sängerbund ves Sietriner Lehrer vereins dem Kaiser ein Morgenständchen; der Mo narch sprach wiederholt seinen Dank aus. Um 10 Uhr sand der große Militär-Gottesdienst in der Grenadier- kaferne statt. Der Weg des Kaiserpaares führte durch die Große Rttterstraßs über den Königsplatz usd Paradeplotz, durch bas Berliner Thor und die Bellevuestraße nach der Kaserne, weiche einen ungeheuren Hof besitzt. Tausende von Menschen bilüeten Spalier und brachen bei der Vorbeifahrt der Majestäten in enthusiastische Hurrahrufs auS. Am Gottesdienst beteiligten sich sämtliche in Stettin an wesende Stäbe und Truppenkörpsr; dis Aufstellung der Truppen bildete ein Viereck mit offener Sette nach der Straße hin. Bald verkündete der anschwsl- lende enthusiastische Jubel des Publikums das Nahen her Majestäten. Der Kaiser in kleiner Generals- omform, die Kaiserin in schwarzer Toilette entstiegen der offenen Eqaipage, worauf der Erstere die Trup penteile einzeln durch „Guten Morgen" begrüßte, was kräftig srwiedsrt wurde. Die Feier wurde durch den Sängerchor und das Musikkorps der Artillerie eingeleitet, welche „Lobe den Herrn" vertrugen. Während des ganzen Gottesdienstes verblieb der Kaiser stehend und entblößte bei der Liturgie Vas Haupt, dis Truppen folgten dem Beispiel. Dis Kaiserin nahm mit Beginn der Predigt Platz, zu gleicher Zeit wurden die Gewehre zusammengesetzt. „Ein feste Burg ist unser Gott" folgte als Choral, worauf sich die Kaiserin beim allgemeinen Kirchengebet wieder erhob. Nach dem „Vaterunser" betete vie Kaiserin noch entblößten Hauptes allem. Ein roter Baldachin, . dessen Spitze die Kaiserkrone zierte, während an den s vier Ecken Adler angebracht waren, erhob sich über - den Sessel» des hohe» Paares, bei dessen Eintritt f die Kaijerftandarte emporging. Di« Predigt hielt j Mtlitäroberpfarrer Kramm. Derselbe legte das Wort s aus 2. Mose 15, 1—2 zu Grunde: „Da sang Mose s und die Kinder Israels dies Lied dem Herrn und j sprachen: Ich will dem Herrn singe», denn er hat z eine herrliche That gethan. Roß und Wagen hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und Lobgssang ist mein Heil. Das ist mein Gott, - ich will ihn preisen: er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben." Der Altar war mit grünen r Tannenreisern dekoriert und von Trommeln errichtet, ; zwei Feldgeschütze flankierten ihn. Nach Beendigung > des gottesdienstlichen Aktes erfolgte ein Prächtig aus ¬ geführter Vorbeimarsch der gesamten Truppen: die Infanterie mit aufgepflanztem Seitengewehr; die Kavallerie zu Fuß; besonders die Pasewalker Küras siere machten einen außerordentlichen Eindruck. Hierauf nahm der Kaiser da« Frühstück bei den Kö- nigsgrenadieren ein. Eine Rede fand nicht statt. Gegen Abend fuhr der Monarch zum kommandieren den General v. Blomberg zum Diner, an welchem teilnahmen: Prinz Albrecht von Preußen, Graf Waldersee, General v. Hahnke, Generalleutnant v. Plessen, Kriegsminister v. Bronsart, der General stabschef Graf Schlieffen, sämtliche Generäle deS 2. Armeekorps, der Oberpräsident der Provinz Pom mern v. Puttkamer rc. Das Diner dehnte sich sehr lange aus, infolgedessen hat der Kaiser die Vorstel lung im Stadttheater nicht besucht. — Hervorgehoben zu werden verdient, daß das französische Vizekonsulat in deutschen und französischen Farben geflaggt hat. — Die Kaiserin hat nach herzlicher Verabschiedung von ihrem Gemahl am Sonntag mittag Stettin wieder verlassen und ist nachmittags wohlbehalten im Neuen Palais bei Potsdam eingelroffen. ** Vom Böhmerwald-PassionSspiel inHöritz wird geschrieben: Die Vorstellung am 8. S-Ptember war vollständig besetzt. Die Zuseher folgten mit großer Teilnahme der wirklich vorzüglichen Darstel lung des PasslonSspieles. Sonntag, den 15. Sept., findet die letzte Vorstellung statt. Die Aufführungen werden dann für eine lange Reihe von Jahren unter brochen. ** Prag, 10. Sept. Ja die Kirche zu Alt- Kolli» schlug der Blitz während des Gottesdienstes. ES entstand große Panik; in der Verwirrung konn ten nur die wenigsten den Ausgang finden, einzelne wurden vom Blitz betäubt, viele Kinder erlitten auch erheblichere Brandwunden. ** Zum Tode des Erzherzogs Ladislaus wird aus Budapest geschrieben: Es ist wohl der erste Fall, daß ein kaiserlicher Prinz in einem allgemeinen Krankenhause behandelt worden ist. Der Erzherzog bekam bei der Aufnahme die „Nummer 562", und es wurde über ihn ebenso ein Protokoll ausgenommen wie über jeden andere» Patienten. Auf dem dem Erzherzog gewidmeten Spttal-Grundbuchsblatt findet sich auch der Vermerk: „Der Kranke ist in der chirurgischen Abteilung untergebracht und bezahlt die Gebühren der ersten Klasse: 6 Gulden täglich". Wahrhaft erschütternd lauten die Schilderungen vom Morgen des Sterbetages. Als Erzherzog Joseph die Treppen hinaneilte, um sich in das Krankenzimmer zu begeben, er erblickte am Flur den Prof. Janry und richtete an ihn ganz verstört die Frage: „Um GotteZwillen, Herr Professor, ist es wahr, daß es dem Ladislaus schlecht geht?" Der Arzt hatte Thränen i-: den Augen. Er antwortete: „So schlecht, Hoheit, daß jetzt kaum m-hr eine Hoffnung vorhan den ist. . . Der Erzherzog wurde kreidebleich und sagte hänseringeno: „Mein Gott! Mein Gott! Sagen Sie mir lieber doch gleich Alles, giebt es noch Hoffnung oder ist er ganz verloren?" „Es giebt keine Rettung mehr", flüsterte fast tonlos der Arzt. Darauf konnte Erzherzog Joseph nicht mehr an sich halt-n; er und sein ältsrer Sohn Joseph Augustin begannen heftig zu schluchzen und stürzten einander in die Arme . . . Aber fassungslos ist vor Allem Erzherzogin Clotilde. Sie warf sich in dem Augen blicks der Katastrophe auf den Leichnam ihres Sohnes und jammerte laut: „O mein Teurer, mein Liebling, warum mußtest Du sterben!" »nd ihr zur Seite rang Erzherzog Joseph die Hände und schluchzte: „Mein liebes, gutes Kind, wie konntest Du mich ver lassen!" . . . Sodann kniete die ganze erzherzog liche Familie am Fußende des Bettes nieder und betete. Hierauf wurde vom Leichnam Abschied ge Das Irrlicht von Wildenfels. Original-Noman aus unseren Tagen von G. v. Brüh l. Nachdruck verboten, (Fortsetzung.) „Kommt nur hier mit, hier ist's näher!" sagte Grimm und setzte seinen Weg fort. „Näher wohl, aber nicht viel und wir können auch in der Dunkelheit verunglücken, wie damals die alte Schmiedel drüben aus der Schänke." „Die Schmiedel trank!" „Sie hat doch im Bruch das Leben eingebüßt, Herr Obersörster." „Zum Kukuk, weil sie betrunken war, sage ich Euch!" wetterte Grimm los und blieb noch einmal stehen, zu Gimpel sich umsehend, „kommt mir nur nicht immer mit Euren verdammten Bedenken und Einwendungen, Gimpel, Ihr wißt, baß ich das nicht leiden kann." „Wie der Herr Oberförster befehlen," fügte sich der alte Gimpel nun und folgte dem Oberförster auf dem schmalen festen Wege, der an dieser Stelle durch den Bruch hinführte. „Immer führt Ihr die alte Schmiedel in's Treffen," brummte Grimm noch, „ich weiß ja ganz allein, daß es weiterhin Stellen giebt, die man nicht passieren kann, bin doch wohl lange genug hier Ober förster, aber ich weiß auch, baß es weiter hierher nicht gefährlich ist." „Herr Oberförster, viel näher ist es aber nicht!" „Daß Ihr doch nicht von Eurem verwünschten Widersprechen lassen könnt, Gimpel," schrie Grimm nun wütend, „jetzt scheert Ihr Euch dort drüben hin und geht den andern Weg, ich will hier allein gehen." - „Aber, Herr Oberförster ." „Habt Ihr gehört? KrmzbombsneleMent, ich glaube gar, es kommt so weit mit Eurem verdamm tsn Widersprechen, daß Ihr mir gar den Gehorsam verweigert! Da soll doch gleich — „Ich meine ja nur —" „Ihr meint, daß es hier nicht näher ist!" „Viel wird es nicht sein!" „Jetzt geht Ihr dort und ich hier, und dann werden wir ja sehen, wer früher im Forsthause ist, aber nicht schneller als bisher, hört Ihr? Ehrlich, Gimpel, immer ehrlich!" „Darauf können sich der Herr Oberförster ver laßen," erwiderte Gimpel und mußte sich nun fügen, um den Oberförster nicht zum Jähzorn zu reizen, wenn ihm die Sache hier auch im Augenblick ganz und gar nicht gefiel. Gimpel war ein guter Mensch und hing an seinem Herrn, ob derselbe ihn auch tagtäglich barsch behandelte. Ebenso hing aber auch Grimm an seinem alten Faktotum, wenn er dasselbe auch bei jeder Gelegenheit auszankte. Die beiden alten Männer paßten eben ganz gut zu einander. Gimpel fürchtete, daß dem Oberförster hier im Bruch etwas passieren könnte, und darum entschloß er sich nur mit Widerstreben dazu, in diesem Falle zu gehorchen. Es mußte aber sein. Und so trennte er sich denn von Grimm und schlug den etwas wei teren Weg em, der am Bruch entlang führte, swäh- rend Grimm durch denselben ging. Sie hatten sich schon nach wenigen Schritten so von einander entfernt, daß sie sich nicht mehr sehen konnten. Plötzlich erblickte Grimm »eben sich am Wege in der schwachen Abenddämmerung einen auf einem Baumstumpf sitzenden alten, gebückten Mann. Der selbe schien langes, graues Haar zu haben und mit Lumpen bekleidet zu sein. Auch glaubte Grimm zu erkennen, daß er ganz hohläugig aussah und scheu und gebückt dasaß. Es war derselbe Mann, welchen vorhin die Baronin getroffen und welchen sie einen alten Bett ler genannt hatte. Kaum aber näherte Grimm sich dem zusammen- gekauert Dasitzenden, als dieser auch schon sich ge bückt erhob und nun vor Grimm floh, wie wenn der böse Feind hinter ihm herkäme. Der Oberförster schüttelte den Kopf. „Ein Wilddieb war das nicht," brummte er, „ein Bettler muß es gewesen sein, denn er sah recht abgerissen und verkommen aus. „He, kommt her," rief Grimm nun dem Manne nach, „wenn Ihr nichts begangen habt und auf rechten Wegen seid, dann braucht Ihr nicht zu fliehen — Doch in demselben Augenblick blieb Grimm auch schon stehen. Dort tauchte zwischen den alten Erlen, Birken und Buchen ein Helles Licht auf, wie wenn da eine recht hell leuchtende Laterne über der Erde erschien. Der Oberförster mußte an das Gerede der Leute denken, an Gimpel's Behauptung, daß der schon oft im Bruch das Irrlicht gesehen habe und daß es sich nicht nachspüren und nicht einfangen lasse, da es immer weiter dahinschwebe und da man weiterhin im Bruch ihm nicht folgen könne. Im Augenblick sah es ja so aus, als stehe eS