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/v ^opvrighl by Earl Duncker Verlag, Berlin W. 62. «Schlich.» Wie ein schiinmerndcr Regenbogen glücklicher Ver geistungen geht dein iilit aller Welt Zerfallenen eines Tages beim Reiten mit Dorrit auf, Vast sic eigentlich der einzige Mensch ist, auf den er sich in dieser harten Welt der Unvollkommenheiten vollkommen verlassen kann. Dorrit ist ganz und gar eine übersichtlich gerade Linie. Sie ist unbedingt, ohne Zögern nnd ohne Vorbehalt, über jeden Zweifel erhaben, fiir ihn da. Mit tiefer Wehmut stellt er fest, dast er vou Gon uud der Welt verlasse» sein würde, wen» die Dorrit ihm nicht die Stange hielte. Sihaly und Rngbst scheinen endlich das Paarspringcn zu kapieren. Das ist ein Grund zu ciucr herzliche« Kame radschaft zwischen ihm nnd Dorrit. Am Morgen des freien Wochenabends Angelikas lädt Frank Dorrit ein, den Abend mit im Hanse seines Vaters zn verbringen. Er hat eine peinliche Scheu vor dem Alleinsein mit Sidncp und Angelika. Dorrit zeigt keine begeisterte Lust dazu. Sic ist cs wiedcr einmal gründlich leid, sich nach dein Belieben Franks wie eine Flagge seiner guten oder schlechten Laune auf Halbmast oder Vollmast sehen zn lassen. ,DaS tut mir leid-, sagt sie störrisch, „ich habe mich für den Abend schon mit Gracc nnd einigen Freunden verabredet." „Hm", knurrt Frank mistmnlig, „dann nicht!" Dorrit versagt eben auch, wen« es ihr gerade in den Kram pnstt. Er Hal eine Mordswut, uud Rugbp springt wie eine Heuschrecke quer über die erste Hürde. Er behindert dabei Sihaly. Uni ein Haar wäre Dorit gestürzt. Frank flucht, und Dorrit schimpft auf Nugbh. Frank reiht seinen Nugbh uach ihr herum. Sihalh kriegt es plöhlich mit der Augst vor ihrem zornmütige« Springparl«cr z« tu«. Sic bricht seitwärts ans. Der Schrecke« Dorrits über die unbcsoimettc Schmähung trägt sich Sihalhs Lust am Durchgehen zn. Dorrit gibt der Stute den Hals frei. Sic prescht in wildem Zickzackkurs auf die Tarnswand zu, die die Reit bahn begrenzt. Frank stockt das Herz. Er schreit auf, als Dorrit zum Sprung gegen die hohe, undurchsichtige Taxuswand an- schi. Es bricht uud kracht. Durch die Bruchstelle sicht Frank, dast Dorrit glücklich landet. In gestrecktem Galopp stürmt sic in den Wald. Nugbh steigt. Frauk starrt, iu deu Bügel» stehend, hinter Dorrit her. Plöhlich schnellt auch Nngbh auf die Hecke z». Die Sprnnglücke zischt an Franks Ohren vorbei. Der Boden dröhin dumpf unter dem Aufsprung. Dorrit jagt in halsbrecherischem Tempo über ein Stubbcnfcld. „Bist du wahnsinnig geworden?" schreit Frank ihr nach. ' Ein Nnf gellt zurück. Sic Hai keine Gewalt über Sihalh, denkt Frank. Der verfluchte Schinder wird sie alle Knochen kosten! Nugbh greift ohuc Hilfe aus, wie er kauu. Wen» alles gut abgeht, schwört sich Frank, wenn die ses besessene Frauenziinmcr nicht inzwischen das Genick gebrochen Hai, werde ich es verprügeln. Dorrii lobt über einen weiteren Kahlschlag mit Baumstümpfen und Nodclöchern. Vor ihr liegt ein steiler Hang mit Basaltblöckcn. „Halt!! Halt!!" schreit Frank. Es kommt keine Antwort, und es ist keine Wirkung zu sehen. Dorrit beisst die Zähne zusammen. Sic reitet auf Tod und Leben. Nein, Herr Frank Jeffrey! Die Dorrit Grant kapituliert nicht noch einmal, nm nachher den Geg ner vor ihren niedergelassenen Zugbrücken verzichtend mn- kehren zu scheu! Fehl wird sich behauptet, oder es wird mit Anstand das Genick gebrochen! Nugbh fängt an auf- zuholcn. Sihalh wird weich. Ihr Herzschlag dröhnt gegen die fest klanuncrnden Schenkel Dorrits. Frank stösst einen Trinmphschrei ans? Noch hast du mich nicht, mein Junge! Jin Galopp springt Frank aus dem Sattel. Er stürmt Dorrit nach. Das Jagen dauert lauge Zeit. Endlich bekommt Frank Dorrit in Sicht. Mit einem lehten, wilden Vorstost prellt er zu. Die Zweige peitschen ihm das Gesicht. Er packt sie am Kragen. „Bist dn denn von allen gnlen Geistern verlassen?!" fährt er sic anster Atem an. Dorrit kann nicht mehr; Herz und Lnnge versagen. Seine Arme pressen ihre Schultern zusammen, als ob dazu noch irgendein Kraftanswand nötig wäre. Die Zugbrücl'cukettc« sind gerissen; da hilft nnn keine Ausflucht mehr. Und dieses Mal macht der Gegner nicht halt; er kehrt nicht nm . . . Er holt ihre stolze Amazonenstandartc ein, reisst Dor rit an seine Brnst und küsst sie, dast ihr bistchen Atem nnd Widerstand völlig vergehen. Nugbh treibt Sihalh über die Lichtnug hin und her. Dorrit und Frank haben gewaltige . Mühe, die Tiere zu sauge«. Wie eine mit Stricken Gebundene reitet Dorrit neben Frank. Er fragt Dorrit noch einmal wegen des Abends. Gut, sic will sich denn frei machen, wenn es gar nicht anders sei» kann. Frank seufzt schwer. Bis zum Abend must noch eini ges erledigt werden. Ach, er möchte cs doch auch ein ein ziges Mal so gut haben, etwas Erfreuliches froh uud «n- beschwcrt geuiesteu zu können. Der Abschied zwischen dem anfs neue heimlich Ver lobten Paar gestaltet sich durch Franks unverständliches Benehmen wieder so, dast Dorrit keine Ahnung hat, was sie nun eigentlich von diesem Eroberer halten soll. Frauk Jcsfrch rechnet mit sich ab. Was eben geschehen ist, lässt sich mit keinen Mitteln der Well mehr rückgängig machen. Und selbst wenn es ginge: Er will gar nichi mebr! Angelika wird sich an den Gedanken gewöhnen nnis scn. ohne ihn mu dem Leben fertig zu werden. Der Gedanke, sic könne seinen Vater lieben, erscheint ihm i» seinem Schuldgefühl wiedcr völlig uuwahcscheiuUch. Er Hai nun die männliche, schwere Ehrcnpslichi, seiner bisherigen Brain so schnell wie möglich seine Schuld zn gestehen. Ans keinen Fall darf sic der pcinlichen Situation ausgcscvi wcrdcn, am Abend ahnungslos als Gast im Hanse Jcffrcv zn erscheinen. Beim Umkleiden fällt ihm wieder entlastend ein, dast seine neuerliche Verlobung init Dorrii Gram nicht so schnell erfolgt sein würde, wenn ihn nicht die Notwendig keit getrieben hätte, jeder anderen Entwicklung durch eiueu Haudstrcich zuvorzukommcu. Was mau freiwillig aufgibl, kau« einem nicht mehr genommen werden! Beim Frühstück bittet er seinen zcUunglcscndcn Vater, ihn für einige Vornstllagstnndcn vom Dienst zu befreie«. Er wolle z« Angelika in die Klinik fahren, uni etwas Unaufschiebbares iuit ihr zu besprechen, „Nanu? Was ist denn geschehen?" fragt Sidncv Jcffrcv erstaunt. Der Frank ist bläst wie ein Laken. „Hat das nicht bis beute abend Zeit?" Franks Kragen legt sich mit jedem Atemzug enger nm seinen Hals. „Nein." „Sidncv Jcffrcv legi die Zeitung beiseite. „Junge, was hast du ausgefrcsscn?" „Ich glaube, dast ich mich heute morgen endgültig mit Dorrit Grant verlobt habe." Sidncv fährt ans: „Was hast dn?! Endgültig? Tas glaubst du? Und weisst es nicht?" Seine Arme pressen ihre Schultern zusammen, als ob dazu noch irgendein Kraftaufwand nötig wäre. „Ich inüstle Dorrit erst fragen, was sic dazu lueiut", bekcuut Frauk errötcud. „Frauk, was hast du mit dem Müdcl augestcllt?!" „Geküstl habe ich Dorrit." „Ich glaube mich zu entsinnen, dast du das schon früher getan hast?" Sidncv Jefsrcv hat Mühe, ernst zu bleiben. „Jawohl. Aber dieses Mal anders." „Was heisst anders?" „Freiwillig nnd mit Vergnügen." Sidney Jesfrev steht auf. Das ist ja über alles Er warte» schnell gegangen! Es wird daruin auch wieder mal nicht ganz zuverlässig sein. Jetzt kommt es darauf au, dem Jungen die Hölle ein bistchen zn Heizen. Ihm kann nicht anders gcholsen wcrdcn: er innst sich schuldig fühlen, damit bei seinem Wankelmut in Licbesdingen später keine Nückschlägc kommen nnd keine Bitterkeiten aufsteigen. „So, du hast dich nnn, der Abwechselung halber, mal wieder mit Grace verlobt." „Mit Dorrit, Vater!" begehrt Frauk auf. „Ja, Dorrit. Verzeih, mau kommt bei deinen Aniou- ren durcheinander. Und Angelika? Wie denkst dn dir die Losung?" Frank sitzt schenstlich in der Klemme. Seine Gedanken flüchten ganz von selbst den Weg der grössten Bequemlich keit entlang. Er lächelt über den Scheitel des Vaters hin weg und sagt: „Ich denke, wenn dn und Angelika —" „Was soll mit Angelika und mir sein?" begehrt Sid- nch auf. Frauk blinzelt seinen Vater durch die Augenlider an: „Vielleicht besprecht ihr einmal, wie man die Ange legenheit am besten ordnet?" Sidncv unterdrückt ein anerkennendes Lächeln. Der Junge hat ihm da auf gut Jeffrevsche Art ciuc saubere Schlinge gelegt. Er blinzelt auf Franks listige Art zurück: „Sag mal, mein Junge, du möchtest dir deine Dinge ans diese Weise bequem machen, was?" Er geht hin und her', überlegt gründlich und ordnet an: „Ich wünsche, dast deine neuerliche Verlobung mit Dorrit Gram bis zn dem Tage der Abreise Fräulein Hefsners geheim bleibt." „Angelika will abreisen?" fragt Frauk schuldbewusst. „Ich denke, ihr wird nichts anderes übrigbleiben." F 7V//s IE / „Aber wann?" „Ich nchurc an, wenn sic ihre Studien in der Klinik beendet Hal." „Aber ihr »nist ich cs doch iniltcilc»?" „Natürlich. Sofort. Fahre mir zu ihr iu die Klinik. In deiner Haut möchte ich heute morgen nicht stecken." Sidncv Jcffrcv reicht seinem Sohne die Hand. „Ich denke, wenn du diesen Weg hinter dir hast, wirst du den Wcchsclrahmeu für die Bilder deiner Bräntc ab schaffen?" Frank lächelt beklommen. „Bestimmt, Vater, ich habe jetzt genug." „Sollte mich freuen, Frank." Frank Jefsrcv tritt seinen schweren Gang au. Zu sei ner Erleichterung stellt er sich vor, wie vorzüglich Angelika und sein Vater doch zueinander passen, dast die beiden sich nie gefunden haben würden, wenn er Angelika nicht nach Gallatin gebracht hätte, und wie erfreulich cs für ihu selbst wäre, das Glück zweier anderer Menschen begründet zu haben. . . . Als Frank abgefahren ist, ruft Sidney Jcffrcv die Klinik Wilcox au. Er wüuschc, die Assistentin, Fräulein Angelika Heffner, zn sprechen. Angelika must erst geholt werden. Es dauert dem glücklichen Jeffrey viel zn lange. Endlich hört er ihre Schritte, das Schlieben der Tür und nun ihre Stimme: „Frank?" „Nein, nur Sidney!" lacht er. „Fräulein Heffner, Frank wird Sic in einer Viertelstnnde besuchen, um Ihnen einen letzten Einblick in seine schwarze Bräutigamsseele zu verschaffen. Ich möchte Sic darauf vorbereiten. Sitzen Sie ganz fest aus dem Stuhl?" „Einen Augenblick", hastet Angelika hervor. Sie greift nach einem Stuhl, zieht ihu heran und sinkt auf ihn nieder. »Ich sitze", sagt sie ans enger Kehle. „Frank Hai sich heute morgen mit Dorrit verlobt." Angelikas Hand legt sich unwillkürlich vor die Laut öffnung des Hörers. Ihr ist, als ob der Mann dort drü ben den jubelnden Schlag ihres Herzens hören müsste. „Sic haben gehört?" fragt Sidney Jeffrey. »Jo ja „Und was sagen Sie?" „Was — was — soll ich sagen —"? Ihre Stimme versagt. „Mir geht es wie Ihnen", sagt er. „Dann ist cs gm." „Wir werden nun weiter unsere Pflicht tun, Ange lika. Dazu gehört zunächst, dast Sic cs dem Frank nicht zu leicht machen. Er must endlich cinschcu lernen, was für ein Verbrecher er ist; sonst gibt cs gleich wieder Schwie rigkeiten in seiner Ehe." Er lacht. „Können Sie nicht ei» wenig weinen?" „Mit Willen? Ich weist nicht." „Vielleicht, weil Sic glücklich sind, Angelika?" „Vielleicht." „Fräulein Angelika, Sie sind ja heute abend »rein Gast. Ich denke, wir haben viel miteinander zu bespreche». Dem heimliche» Brautpaar werde ich zur Feier des Tages eine Opernlogc bestellen. Einverstanden?" Angelika niust sich überwinden. „Ja." Um zehn Uhr abends ordnet Sidney Jeffrey zum vcrständnisfrohen Erstaunen des Hauspcrsonals plötzlich die grosse Beleuchtung seines Hauses au. Die festliche Glücksstiimuuug Angelikas und Sidneys breitet sich über alle Nämne und alle Herzen ans. „Lassen wir es also dabei", sagt Sidney abschliessend zu ihr, „du bleibst bis zum Ende deiner übernommenen Verpflichtungen bei Wilcox. Dorrit und Frank heiraten inzwischen. Dann fährst du zu deiner Mutter, und ich begleite dich, weil ich zu der Zeit dringend in Deutschland zu tun habe. Ist es dir so recht?" „Ja, Sidney." Er nimmt ihre Hand zwischen die seinen nnd lächelt: „Ich habe eine unbeschreibliche Sehnsucht nach Deutschland!" * Um elf Uhr rufen Dorrit und Frauk bei Sidney Jeffrey an. Sidney reicht Angelika den Mithörcr hinüber. Die Stimmen der beiden jnngcn Menschen verheddern sich in lustigem Uebcrcifer. „Frank ist unausstehlich!" ist der erste, klar verständ liche Satz Dorrits. „Wer hat für ein heimlich verlobtes Brautpaar das Wort zu führen, Vater? Der Bräutigam oder die Braut?" ruft Frank. „Es kommt darauf an, um was es sich handelt", ant worte! Sidney. „Um die Liebe!" erklärt Dorrit triumphierend. „Daun hat die Braut das Wort", entscheidet Sidney. „Nein, es geht um Geschäftliches!" behauptet Frank. „Daun der Bräutigam." Dorrit greift schneller zu als Frank: „Wir haben beschlossen, den Ehevertrag Grant- Jeffrey —" „Jeffrey—Graut!" verbessert Frauk. „Jedenfalls: deu uus betreffenden Ehcvcrtrag nicht anzucrkenncn!" Sidney Jeffrey tut erschrocken: „Was habt ihr beschlossen?" Frank, rede du mal ver nünftig!" „Ja, Vater, wir können euren geschäftlichen Ehever trag mit dem besten Willen nicht erfüllen, weil wir aus Liebe heiraten müssen. Das haben wir soeben auch der Firma Houston William mitgetcilt." „Kinder, habt ihr euch diesen ernsten Schritt auch reif lich überlegt?" fragt Sidney. „Ja!" rufen die beiden wie aus einem Munde. „Wir auch —" flüstert Sidney Angelika zn. „Hast du gehört, Frank?" klingt Dorrits Stimme leise, aber vernehmlich, in das Hans Jeffrey hinein. „Ja, Dorrit", antwortet Sidney Jeffrey lachend. Die beiden Jeffreys hängen hüben und drüben behut sam die Hörer ein. Ende