Volltext Seite (XML)
Namens Ch'doura, eine gute Tagereise von Sassi entfernt, zugebracht. Am nächsten Morgen beim Auf bruch verpackien die Kimeel-Leute Rockstrohs Cara- biner mit der übrigen Ladung in einem „Schaan" — daS sind große, wettoff ne Doppelsäcke aus grobem Schilfgeflrchi, worin die Kolli unterbracht und dann über den Packsattel gelegt und mit Stricken ver schnürt werden — indem sie ihm erklärten, jetzt komme man durch das Gebiet ihrer eigenen Kabyle, und da sei die Waffe nicht von Nöten. Es war ein verhängnisvoller Fehler, den Rockstroh da beging, indem er sich von der Flints trennte, und er hat ein gut Teil der Schuld infolgedessen sich höchst wahrscheinlich selber beizumessen. Den «Schießprügel muß man hier in solchen Fällen stets vor sich am Sattel in Bereitschaft hallen, das genügt schon in den meisten Fällen. — Ich habe beispielsweise, Während ich dies schreibe, meinem guten Smith L Wesson-Revolver neben mir auf dem Tische liegen. — Die marokkanischen Beduinen sind nämlich ein ganz unglaublich feiges Gesindel, und selbst in großer Ueberzahl greifen sie kaum je einen bewaffneten Eu ropäer an. Nur wenn sie Einem ä la Reumann meuchlings von hinten beikommen können, oder ihn, Wie diesmal den Rockst-oh. wehrlos finden, find sie zu fürchten. Bald nach dem Aufbruch der kleinen Karawane von Duar Ch'doura erschien eine Anzahl Beduinen — cs heißt ungefähr ein Dutzend — auf der Bildfläche, zum Teil mit Winchester. Carabinern bewaffnet — ob zu Fuß oder verüten, wird nicht gesagt, doch wahrscheinlich das letztere — und stell ten Rockstrohs Leute, indem sie behaupteten, daß eines der Kameele ihnen vor einiger Zelt gestohlen worden wäre und sie es nun wieder haben wollten. Rockstroh, etwas abseits reitend, hielt den Streit um's Kameel für bare Münze, ritt hinzu, um den selben zu schlichten und erhielt sofort zwei Säbel hiebe über den Kopf, ferner zwei Dolchstiche in die Lenden. Hernach, als er vom Pferde gesu ken, wurde mit Knüppeln auf ihn eingehauen. Er wäre un zweifelhaft auf der Stells gelötet worden, wenn nicht die L ute aus einem naheliegenden Duar, Uled-beni-fu, zu seiner Rettung herbeige-ult und ihn schließlich dm Klauen der Mordbande entr issen hätten. Sre brach ten ihn dann nach ihrem Duar und pflegten ihn allda nach ihrer Art. Diese kann nach unserer An sicht als be/onders zuträglich allerdings nicht bezeich net werden, da man es hier zu Lande für äußerst schädlich hält, auf eine Wunde Wasser zu bringen, also sie zu reinigen. Giwöhnhch wird ein frisch abgezogenes Schaffell als Heumiitel darauf gelegt. Unter anderen hatten die Leute den Kaid (Gouverneur) des Distrikts, Si Hamsa, von dem Vorfalls benachrichtigt, der auch sofort zwei Solda ten aksandte mit dem Bffehl, den Verwundeten nach Saffi zurückzubringen, allwo er am Freitag ankam. Der TranSpoit hatte 24 Stunden gedauert. Rock- stroh'S maurischer Diener hatte sich während des Ueberfalles aus dem staube gemacht, später sich aber wieder bei seinem Herrn im Duar Uled-beni fu eiv- gefundeu. Nach alledem kann kein Zweifel bestehen, daß die ganze Schandthat eine von den Kameel-Ver- mietern mit ihren Spießgesellen vorher abgekartete Sache war; ob auch der Diener irgendwie daran be teiligt ist, läßt sich augenblicklich »och nicht übersehen, sehr unwahricheinl-ch wä-e es gerade nicht, denn Schufte sind sie alle. — OelSnitz i. E., 22. April. Nunmehr ist auch die Gewerkschaft „Deutichland" in Oelsnitz in die Reihe derjenigen Etabiiss ment« getreten, welche elektrische Beleuchtung eingeführt haben. Die in Frage stehende Anlage ist die größte am Piatze und der weiteren Umgebung. „Deut-chland" ist das erste Steinkohlenwei k Sachsens, welches auch die Füllörter ' ^IlI«I»II»I II«I!I!WI7-RH I..i i .. .. _ H' Ult-UrM- Aus der« Walde. Roman von Ai. B r a n d r u h. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Der nächste Tag war ein Sonntag. Wohl oder übel mußte sich der junge Oberförster nun ent schließen, nachdem er vormittag mit der Mutter die Kirche und das Grab des Vaters besucht, den Nach- mittag zu einer förmlichen Bierreise zu benutzen, welche Freund Knigge zur Erheiterung seines Pat chens in Aussicht genommen. Der kleine Rentner setzte dann seinen Stolz darein, den stattlichen Sohn des verstorbenen Wachtmeisters in allen öffentlichen Lokalen des Städtchens als „Herr Oberförster" oor- zustellen. Und wenn die biederen Spießbürger Nakels um vieles tiefer, als Sie es früher vor Curt gelhan, die steifen Oberkörper neigten, leuchteten seine kleinen Augen vor Vergnügen, und er hätte am liebsten ganz öffentlich den jungen Beamten Baron Rosens an die Brust gedrückt. So verging auch dieser Tag in harmloser Hei terkeit, und Curl kam gar Nicht dazu, an sein fernes Lieb zu denken. —Mit dem nächsten Morgen freilich siel es dann wie Zentnerlast auf seine Seele, baß es ja gestern gewesen, wo Anna noch einmal um ihr Glück zu bitten gedacht. „Versp ach sie nicht, ihm zu depeschieren, wenn Vater Ri»ow sich geneigt ge zeigt, das harteTrennungewort zmückzunehmen? Es war aber kein Telegramm gekommen, somit —" Mit angstvoll klopfendem Herzen war der jange Mann an das Fenster getreten und schaute auf den Hof hinaus. Es war die Zeit, in welcher der Briefträger die Morgenpost zu bringen pflegte. Ah — da trat in der Grube zuerst elektrisch beleuchtet. Die bedeu tende Anlage, welche ca. 400,000 Mark kosten dürfte, ist von der Firma Schlickert L Co. in Nürnberg ausgeführt. — Reichenhain, 22. April. Bei dem heute nachmittag über unseren Ort ziehenden Gewitter schlug der Blitz in eine Pappel und tötete eine Kuh im Stalle des Gutsbesitzers Musch. — U-ber den Mörder Kögler wird aus Bern unterm 19. April Folgendes geschrieben: Zufo'ge amtlicher Meldung wurde Josef Kögler, der mut maßliche Urheber des Mordes in der Braienbucht am Thunersee (Kanton Bern), in Aida (Algier) ver haftet. Im Spätsommer wurde ein französischer Tourist, von Beruf Pfarrer, am Hellen Tag an der sehr begangenen, längs dem Bratenberg führenden Straße erschossen und ausgeraubt. Der Mörder konnte in den Wald entfliehen. Die sächsische Staats anwaltschaft ließ im Herbst den schweizerischen Be hörden die Mitteilung zugehen, die Einzelheiten des Raubmörders irr der Bcalenbucht hätten ausfallende A-Hnlichkeit mit einem Raubmorde, der am 24. Juli 1894 in unmittelbarer Nähe der Sommerfrische Oy bin bei Zittau (Sachsen) begangen wurde. An diesem Tage machte die Ehefrau Rauchfuß aus Dresden mit ihrem 17 Jahre alten Sohn und vier andern Personen einen Spaziergang und wählte dazu einen von Sommerfrischlern sehr besuchten Weg. Plötzlich erschien ein Mann und rief,,Gelü oder Leben" und hielt einen Revolver aus den jungen Rauchfuß. Als letzterer mit dem Spazierstock nach dem Raaber schlug, gab dieser auf Rauchfuß und dessen Mutter sechs Revoloerschüsse ab, raubte der Rauchfuß eins goldene Kette und emfloh in den Wald. Der jange Rauch fuß blieb auf oer Stelle tot, die Frau war schwer verwundet. Berdächligt als Thäter wurde Kögler, der bereits am 20. Oktober 1893 zwischen Gablonz und Schwarzbrunn m Böhmen gegen zwei Frauen auf offener Straxe einen ganz ähnlichen Raubmord versuch verüb! hatte. Aach hier schoß er mit dem Revolver, als sich eine der Frauen wehrte. Er floh in den nahen Wald. Am 14. Oktober 1893 sollte dem Kögler in Obersdorf (Böhmen) gestohlenes Geld abgevommen werden, wobei er mehrere Schüsse auf den Gemeindevorsteher abfcuerte. Nach der That floh er in den Wald. Dsr Mord von Thunecsee hatte riesiges Aufsehen erregt. Zs wäre ein Glück, wenn man in Kögler den Thäter hätte. Kögler war der Fremdenlegion in Algier beigetreten und dann desertiert, worauf seine Verhaftung erfolgte. Z Berltn , 23. April. Der Kaiser läßt morgen, an den Todestage des Generalfeldmarschall Grafen v. Mo'tke durch den Fiügel-Avjutanten Oberstleut nant v. Moltke in der Kapelle zu Kreisau einen Kranz niederlegen. Z Am 19. April nachmittags wurde Hofkapell- meister Dr. Lassen in Weimar, welcher gerade die „F.mst"-Probe dirigierte, während dieser Zeit in das Großherzogl. Restdenzschloß befohlen. Hier wurde er von Sr. Majestät dem deutschen Kaiser im Audienzzimmerempfangen, welcher ihn mit den huld vollen Worten begrüßte: „Ich freue Mich, einer der Ersten zu sein, welcher Ihnen zu Ihrem fünfzig jährigen Künstlerjubiläum seine Glückwünsche dar bringt." Darauf überreich-e Se. Majestät dem Ju bilar die König! Preußische große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. 8 G u b e n , 23. April. Ein zehnjähriger Knabe, der mit dem Schneiden von Weiderulen beschäftigt war. halte das offene Master in die Tasche gesteckt. Er fiel plötzlich, wobei ihm das Messer in das Herz drang. Der Tod trat sofort ein. 8 Darmstadt, 23 April. Die Zweite Kam< mer nahm gegen 15 Stimmen die wiederholt von er ja auch eben aus dem Vordergebäude —- eine Minute noch und der alte aber noch kräftige Mann öffnete dis Gartenpforte. Mit vor Erregung zittern der Hand riß der junge Oberförster das Fenster auf. „Haben Sie etwas für Curt Fernow?" rief er dann dem Postboten entgegen. „Em Briefchen!" erwiderte dieser. Gleich da rauf hielt die Rechte Curi's ein zierliches Kouvert, dessen Adresse Anna Rinow's hübsche Handschrift zeigte. Tiefe Blässe hatte sich über das Gesicht des jungen Mannes gebreitet, und ein schwerer Aremzug hob seine Brust, als er auf den Brief der Geliebten schaute. Es währte auch geraume Zeit, ehe er das Kouvert auseinanderriß, welches ihm ja nur Trauriges bringen konnte — er wußte es ja, nach dem, was ihm Anna versprochen . . Und wirklich enthielt das Billet des teuren Mädchens nichts als die Gewiß heit, daß all' seine B-tt-n, sowie das Zureden der Mutter fruchtlos geblieben Das Nähere wollte Anna dem Geliebten per sönlich mitteilen. Sie schrieb, daß sie sich zu diesem Behufe w eder auf dem Bahn hofe in O. einfinken würde, sobald die Stunde ge kommen, in der Curt von Rakel zuröckkehren würde. Lange, lange schon hatte der Oberförster diese wenigen Zeilen gelesen, und noch immer schaute er traurig — ja beinahe fassungslos auf das Briefchen in der Rechten. Da legte sich ein Hand auf seine Schulter, und die Stimme seiner Mutter flüsterte teilnehmende Fragen in das Ogr des verzweifelten Mannes. Curt aber schlang die Arme um den Hals der alten Frau. Thränen im Auge, berichtete er ihr nun, was ihm Aennchens Biief gebracht. der Ersten Kammer und von der Regierung abge lehnte Errichtung einer staatlichen Klassenlotterie an. Der Abgeordnete Metz-Darmstadt beantragte die Re gierung zu ersuchen, gegen die Umsturzoorlage in der jetzt vorliegenden Form, die sie durch die Kommission erhalten, im Bundesrat Stellung zu nehmen, falls solche der Reichstag annehme. Morgen findet wieder eine Verhandlung statt. Z Frankfurt a. M, 23. April. Eine von über lausend Personen besuchte Versammlung nahm nach lehr scharfer Kritik der Umsturzvorlage durch Professor Quidde München, Redakteur Schreiberund Pastor Naumann, welch letzterer besonders wirkungs voll sprach, eine Protestresolution an; ebenso eine gleichzeitig abgehaitene Versammlung der National- liberalen. Z Der 8 deutsche Handwerkertag ist soeben in in Halle a. S. zusammengetreten unter überaus zahlreicher Beteiligung. Zum Vorsitzenden wurde Biehl-München gewählt. Derselbe eröffnete die Ver handlungen mit einem Hoch auf den Kaiser und die Verbündeten Regierungen, in das die Anwesenden be geistert einftimmten. Man beschloß sodann die Ab sendung eines Telegramms an den Kaiser, welches der „allertiefsten Ehrfurcht und Treue, sowie uner schütterlichsten Vertrauens für das Allerhöchste kaiser liche Wohlwollen" Ausdruck giebt. Den ersten Punkt Ker Tagesordnung bildete die Stellungnahme zu den Piäuen der R--gierm g bezüglich der Organisation des Handwerks. Es wurde einstimmig eine Resolu tion angenommen, daß die Beschlüsse der bisherigen Handwerkertage aufrecht erhalten werden müßten be züglich der Forderung erner gründlichen Aenderung dec Gewerbeordnung. Auß-r d?u bekannten Forde rungen — wie obligatorische Innungen, Befähigungs nachweis, Handwerkerkammern — verlangt die Re solution werter die gesetzliche Festlegung der Begriffe Handwerk und Fabrik, Beseitigung dsr Militärwerk stätten, Einschränkung der Gefäugmsarbeit, Verbot des Hausierens durch Ausländer, Beschränkung des Hausierens durch Inländer unter Prüfung der B-- dürfnisfrage, Beseitigung der Konsumvereine und des Warenhauses für Offiziere und Beamte, gänz'iches Verbot der Wanderlager, ein Vorzugsrecht für die Forderungen der Bouhandwerker, eine weitere Er schwerung für die Gründung von Aktiengesellschaften, Abänderung der Konkursordnung, Regelung deSSub- missionswesens und Zugängigmachung dsr Reahs- bank für das Handwerk. Die Resolution schließt: „Der Handwerkerlag beschwört die verbündeten Re gierungen, endlich diesen Wünschen mehr als früher Rechnung zu tragen und so da-e deutsche Handwerk vor dem Ruine zu bewahren." Z Die wissenschaftlichen Balonfahrten des deut schen V-reineS zur Förderung der Luftschifffahrt be handelte Herr Berson rn der 7. allgemeinen Ver sammlung der deutschen meteorologischen Gesellschaft, welche im Anschluß an den deutschen Gsogrup^-ntag in Bremen abgehalten wurde. Der Redner hat von den 46 in letzter Zeit von Berlin durcygcführten Luftfahrten selbst 37 Reisen mitgemacht. Für die Erforschung des Luftmeeres ist zuvor in keinem Lande auch nur annähernd so viel geschehen, wie durch dr-s Unternehmen erreicht ist. Die Ballon fahrten finden in diesem Frühjahr ihren vorläufigen Abschluß. Das gesammelte Material wird alsdann sorgfältig bearbeitet. Im Vergleich mit den älteren kühnen Ballonfahrten aus den Jahren 1804, 1850 uno 1860, letztere von Glaisher, die zumal nur zur Sommeiszeit statfanden, wenige Stunden Dauer umfaßten und nur die Erreichung großer Höh n' mit noch unzulänglichen Mitteln erstrebten, sink diese neueren Luftreifen sorgfältigst vorbereitet und unter Berücksichtigung der zuvor gewonnenen Erfahrungen Man sah es der Wachtmeisterin an, wie tief auch sie von der Nachricht des lieben Mädchens be rührt wurde. Aber sie besiegte auch jetzt wieder aus Liebe zu dem Sohne die eigenen Empfindungen und sprach Worte des Trostes in ihn hinein, ohne daß sie jedoch ihren Zweck erreichte. Da kam der guten Frau noch zur rechten Zeit Freund Knigge zur Hilfe. Und was ihre innigen Worte nicht erreicht, das ge lang dem schnurrigen, polternden kleinen Rentner in verhältnismäßig kurzer Zeit. Hätte Förster Rinow alle die Ehrentitel gehört, die ihm jetzt aus dem Munde Knigges zu Teil wur den, er würde sich dieselben sicherlich nicht in den Kalender geschrieben haben. Das Ende vom Liede aber war, daß Knigge dem jungen Oberförster die Mütze auf den Kopf stülpte, Curt dann unter den Arm faßte und ihn nun ohne Aufenthalt nach der Thür zog. „Was wollen wir uns mit so einem Waldefel den schönen Tag verderben, mein Junge!" rief er dabei. „Ich sage Dir, Du bekommst das Mädel doch noch! — Jetzt aber laß uns in den Schützen garten gehen und einen Tropfen trinken, ein Glas Königsberger vom Faß, das einem wie Oel durch den Hals geht!" Damit schob er den sich Sträubenden, ohne ihn recht zur Besinnung kommen zu lassen, auch schon in den Flur, bugsierte ihn dann durch den Garten und endlich auf die Straße. Eine Viertelstunde spä ter aber saßen die Beiden wirklich im Schützengarten hinter ihren Gläsern. Bald gesellien sich noch einige Bekannte des Rentners zu ihnen, und Curt wurde abermals von seinen trüben Gedanken abgezogen. —