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stoßenden freien Platze und befahl Paradeaufstellung in einem nach Norden zu geöffneten Viereck, dessen östliche Seite durch Kürassiere, die südliche durch Infanterie und die westliche durch Husaren und Ar tillerie gebildet wurde. Nach Beendigung der Pa radeaufstellung traf der Fürst ein, der, mittlerweile durch den Flügeladjutanten benachrichtigt, in der Uniform seines Kürassier-Regiments im offenen Wagen auf dem Paradeplatze von den Truppen mit präsen tiertem Gewehr und klingendem Spiel empfangen wurde. Der Kaiser richtete namens der Armee eine Ansprache an den Fürsten und übergab ihm einen goldenen Ehrenpallasch. Darauf ritt der Kaiser mit dem Fürsten die Front der Truppen ab. Alsdann erfolgte der Vorbeimarsch vor dem Fürsten. Nach demselben begab sich der Fürst zum Empfang des Kaisers nach dem Schlosse, wohin der Kaiser an der Spitz: der Kürassier-Schwadron folgte, um dem Ab bringen der Standarte beizuwohnen. Nachdem die Schwadron nochmals vor dem Fürsten defiliert war, stieg der Kaiser vom Pferde, begab sich mit dem Fürsten in's Schloß und folgte der Einladung zur Mittagstafel. Vor dem Eingang des Schlosses waren Ehrenposten der Kürassiere aufgestellt. Die Truppen waren in die Quartiere abgerückt; die Batterie stand auf dem Paradeplatze. Bei dem Toast auf den Fürsten wurden Salutschüsse abgegeben. Das Schloß, der Bahnhof, das Postamt uad die Villen sind beflaggt. Be! der Uebergabs des Ehrenpallasches an den Fürsten Bismarck erwähnte der Kaiser, es sei das Kürassier- Regiment erschienen, dessen Chef dec Fürst sei, dem der Kaiser anläßlich seiner Thaten hiermit eine Gabe überreiche. Er Habs k ine bessere finden können, als ein Schwert, als Waffe der Germanen, als ein Sym bol, ein nie versagendes Mittel. Das Wappen El- saß-LwhringenS sei darauf eingraviert« Daran wollen Durchlaucht den Dank erblicken für die in der Ge schichte verzeichneten Thaten, die vor 25 Jahren ihren Abschluß gesunden haben. Ihr aber, Kameraden, ruft: „Se. Durchlaucht Fürst Bismarck, Herzog v. Lauendurg, Harrah!" Bei der Mittagstafel über reichte der Kaiser dem Fürsten als Geschenk ein Pet schaft vom Schreibtisch Kaiser Wilhelms I. Im Ge folge des Kaisers auf der Ruse nach Friedrichsruh befanden sich der Knegsmimster, der Stellvertreter des kommandierenden Admirals, die drei Kabinetts- chsfL, der Oberhof- und Hausmarschall und das Aller höchst« Hauptquartier. Z Friedrichsruh, 26. März. Bei der Tafel hielt Se. Majestät dec Kaiser folgende An sprache: Der 80. Geburtstag Ew. Durchlaucht fällt in das 25. Jahr des Bestehens des Reiches. Die Glückwünsche des Heeres, geweiht durch die Erinne rung an die gewaltigen Kämpfe, konnte Ich Ihnen soeben angesichts der Truppen aussprechen. Nicht an den groß?« Staatsmann, sondern an den Offizier richten sich heute Meine heißen Wünsch?. Und da sind es drei Sprüche, die für den heutigen Tag von beson derer Bedeutung Mir erscheinen: Erstens Ew. Durchl. Konfirmationsspruch: „Was Ihr thut, thut Jhr dem Herrn und nicht dem Menschen", weist auf das un erschütterliche Gottvertrauen hin, womit Ew. Durchl. Ihre gewaltige Arbeit ansgeführt, und wslch-s auch das Heer niemals verleugnet hat. Dec zweite Spruch „Dennoch" war der Ausspruch jenes tapferen Grafen Mansfeld, als er sich kühn, das Schwert in stahl bewehrter Faust, dem übermächtigen Feinde gegen überstellte. Ew Durchlaucht haben denselben des Öfteren wahrgemacht, zumal in jener Zeit schwer wiegender Entschlüsse für Meinen hochseiigen Herrn Großvater, als Sie Ihn mit stolzem Hinweis auf sein Offizieckocps au leine Portepee erinnerten. Den dritten Spruch „Fpoütoiuur aMicko" schrieb Mein englisches Dragonerregiment in stolzem Selbstbewußt- sein auf seine Standarte, nachdem es, des Feinde» Viereck niederreitend, seine Feldzeichen erobert. Die ser kann als Antwort gelten auf alles, was Ew. Durchlaucht Feinde und Neider sagen oder thun können. Wir aber, die mit Freude Ew. Durchlaucht als Kameraden und Standesgenossen bewundernd feiern, in bewegtem Dank gegen Gott, der Sie unter unserem glorreichen alten Kaiser so Herrliches voll bringen ließ, stimmen ein in den Ruf, den alle Deutschen von der schneebedeckten Alpe bis ru den Schären des Belt, wo die Brandung donnernd tost, aus glühendem Herzen ausrufen: Fürst Bismarck, Herzog von Lauenburg, lebe hoch, hurrah!" — Fürst Bismarck erwiderte: „Erlauben mir Ew. Majestät, Ihnen meinen Dank in wenigen Worten zu Füßen zu legen. Ew. Majestät apvellierten an die Eigen schaft des preußischen Offiziers. Ich kann in An knüpfung daran nur bestätigen, was ich schon vor 10 Jahren bei der Begrüßung der Generäle in Ber lin aussprach. Das beste in mir und meiner Lebens- bethätigung ist immer der preußische Offizier gewesen. Wäre ich der nicht gewesen, ich weiß nicht, ob ich ganz in dieselben richtigen Bahnen verfallen wäre. Aber der Landwehrgffizier des neunten Regiments war für mich der Wegweiser, dec mich anno 48 von Haus aus m die richtigen Bahnen geworfen hat, das heißt in die Bahnen der Anhänglichkeit an unser regierendes Haus im Hinblick auf andere Länder, die diesen Vorteil eines regierenden Haufes über haupt nicht besaßen. Kurz und gut, ich bin über 48 hinweggekommen mit intensiverer Anhänglichkeit an unser Könighaus, als ich vielleicht i» meiner agrarischen Unwissenheit vor 48 auch nur gedacht hätte: begeistert und hingebend. Ich bin in dieser Richtung geblieben, so lange meine Thäligkeit bean sprucht wurde, darin wurde ich überzeugt, daß außer halb der dynastischen Anhänglichkeit in Deutschland überhaupt kein Heil ist. Wir brauchen bloß aus Frankreich zu >ehen, seitdem dort die Dynastie weg ist. Wo soll der Sammelpunkt Herkommen, für den Ralliement geblasen wird? Das ist immer streitig. Halten wir fest, was wir haben. Wir haben in Deutschland nicht ein einheitliches Kaiser tum, aber unsere Fürsten und regierenden Herren, die uns angestammt, an denen schon die römischen Schriftsteller die Anhänglichkeit der Germanen in einer Weise gerühmt haben, die wir heule kaum mehr verstehen. Im Sinne der germanischen Anhänglich, keit an die Siammesfürstm bitte ich mit mir auf bas Wohl meines gnädigen Herrn anzustoßen. Se. Majestät der Kaiser und König lebe hoch!" 8 Friedrichsruh, 26. März. Der Kaiser hat den Professor Schweninger zum Geheimen Me dizinalrat ernannt und Dr. Chrysander den Kranen orden verliehen. ZFriedrichsruh.26. März. Dis Kaiserin ließ dem Fürsten Bismarck durch den Kronprinzen ein herrliches Rofenbouquet mebst Glückwunsch über reichen, was der Kronprinz mit den schlichten Worten: „von der Mama" that. ** Madrid, 26. März. Zwei zwanzigjährige hübsche Arbeiterinnen einer hiesigen Zigarren-Fabrik duellierten sich wegen eines Mannes mit scharf ge schliffenen Navajas-Messern. Beide wurden derart verwundet, daß sie nach wenigen Stunden starben. Deutsches Reichstag» Sitzung vom 26. März. Eingegangen ist ein Schreiben des Abg. Dr. Bürklm, worin dieser anzeigt, daß er sein Amt als 2. Vizepräsident mederlegt. Bei dem Etat des Reichsschatzamtes befürwortet Abg. Dr. Bachem (Centr.) einen Antrag, daß die Mittel der Reichsbank m weiterem Umfange als bis- Fürsten Bismarck auS GypS in künstlerisch vollendeter Weise hergestellt worden und wird dieselbe auf dem AugustuSplatze vor dem neuen Theater aufgestellt. Die Enthüllung wird in der Nacht vom Sonntag zum Montag punkt 12 Uhr erfolgen. Der Augustus- Platz wird dabei durch elektrische Scheinwerfer erhellt. — Chemnitz, 26. März. Eine geistliche Musikauisührung des Chemnitzer Sängerbundes fin det am künftigen Sonntag von abend 8 Uhr ab in der St. Jakobikirche statt. Es wirken in derselben außer dem genannten Bunde noch mit: die Concert- sängerin Frl. Helene Müller, der Concertsänger Herr Gustav Fickert, Herr Concertmeister Kolkmeyer und Herr Organist Blumtritt. Die Leitung liegt in den Händen des Herrn Kapellmeister Pohle. Das Or chester stellt die städtische Kapelle. — Falkenstein, 25. März. Der im 80. Lebensjahre stehende Webermeister Christian Knüpfer aus Ellefeld, welcher bereits seit mehreren Jahren des Augenlichts fast völlig beraubt war, halte sich in einer Leipziger Klinik einer Operation unterzogen. Die Operation wurde glücklich uusgeführt undKnüpfer l.af gerade au seinem 80. Geburtstage vollständig sehend wieder in Ellefeld ein. — Schönberg am Kapellenberg. In voriger Woche wurde hier der 79jährige herrschaftliche Wald heger Reinel zur letzten Ruhe bestattet. Derselbe war früher bei Ausübung seines Dienstes zugleich ein eifriger Vertilger der in unseren Waldungen häufig vorkommenden Kreuzottern, welchen er in der Reg°l kurzer Hand den Kopf wegschnitt. Trotz großer Geschicklichkeit hierin hatte er doch einmal das Un glück, von einer Otter heftig gebissen zu werden. Schnell angewandten Gegenmitteln (Genuß starker Spirituosen) hatte er damals die Erhaltung seines Lebens zu danken. Nach einem Zeiträume von über 10 Jahren aber zeigten sich die Symptome der Blut vergiftung durch Auftreten von allerhand Geschwüren aufs Neue und diese führten auch schließlich den Tod des alten wackeren Mannes herbei. — Eichigt. Am Sonntag früh ist auf hie siger Flur von den Herren H. und E. eine Kreuz otter getötet worden. — Im weitverzweigten Gebiete sämtlicher Erz gebirgsvereine wird zur Feier deö 80. Ge burtstages des Fürsten Bismarck Montag den 1. April, eine imposante Höhenbeleuchtung veranstaltet werden. Der Zwickauer Eczgebirgsverein beabsich tigt zur gedachten Zeit auf der weithin sichtbaren Plattform des Turmes der Alberthöhe auf dem Wind berg einen Strahlenkranz von 60—70 Wachsfackeln aufflammen zu lassen und hofft dadurch eine mäch tige Wirkung in der Ferne zu erzielen. Z Berlin, 26. März. Der Kaiser ist heute früh 8 Uhr 20 Minuten in Begleitung des Kron prinzen nach Friedrichsruh gereist. Der Kaiser traf mittags 12 Uhr auf dem Eisenbahnübergange bei Aumühle westlich von Friedrichsruh ein, stieg zu Pferde und begab sich nach dem ungefähr 500 Meter südlich von Friedrichsruh gelegenen Kreuzungspunkt der Chaussee Aumühle, Wartenbeck und Friedrichs- ruh, wo unter dem Befehl des Kommandeurs des Kürassier Regiments v. S.chdiitz eine Schwadron des Regiments, dessen Chef Fürst Bismarck ist, mit dem Trompeterkorps und der Standarte, eine Kompanie des Infanterie-Regiments Nr. 76 mit der Regiments- musik, den Spielleuten und der Fahne des betreffenden Bataillons, eine Schwadron des Husaren-Regiments Nr. 15 mit dem TromptterkorpS und »er Standarte und eine Batterie des Holsteinischen Feldartillerie- Regiments Nr. 24 in etatsmäßiger Friedensstärke bereit standen. Der Kaiser setzte sich an die Spitze der Truppen, führte dieselben nach dem etwa 200 Meter von dem Schlosse entfernten, an den Park an- Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. (Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Es zuckte um seine Lippen, ein Ausdruck tiefer Rührung lag auf dem dunklen Mannesgesichte, dem die Jahre wenig angehabt hatten, nur in das dichte schwarze Haar drängten sich Silberfäden. Er war in die Laube getreten und hatte sich neben ihr gesetzt, dann faßte er ihre Hand und in freundlichem Ton — sie ahnte nicht, welche unsäg liche Mühe eL ihm kostete, die tiefe Erregung zu be kämpfen, die sich seines ganzen inneren Menschen be mächtigt hatte, sagte er: „Es hat mir aufrichtig wehe gethan, Sie so schwer geprüft wieder zu finden! — Von dem Tode Ihres Gatten," setzte er hinzu, als sie auch jetzt kein Wort erwiderte — sie konnte nicht sprechen — „bin ich zwar, wenn auch nur formell, von Gottfrieden benachrichtigt worden, mit der ich, seit ich ihr vor einigen Jahren meine Käthe genommen, auf gespann tem Fuße lebe. Unter welchen Umständen Augustin starb, schrieb sie mir nicht. Als ich dann vor einigen Tagen hier eintraf, um eine mir übertragene Pro fessur an der hiesigen Universität zu übernehmen, erfuhr ich jedoch bald zu meinem Schrecken von dem fürchterlichen Geschick Ihres Gatten. Selbstverständ lich erkundigte ich mich auch sofort nach Ihnen. Aber niemand wußte mir zu sagen, wohin Sie gegangen, da die einzige Person, der Geschäftsführer Herr Leo pold Werner, die um Ihr neues Domizil wußte, in das Ausland gegangen, und schon beabsichtigte ich, in einem polizeilichen Meldebureau Nachfrage zu halten, da sah ich Sie hier — wie betroffen ich war, können Sie sich denken," fuhr er fort, immer in diesem ruhigen freundlichen Ton, der ihr nun end lich auch das geistige Gleichgewicht wiedergab. „An fangs konnte ich mich in den Gedanken gar nicht finden, und mein Freund mußte mir wiederholt seine Versicherung geben, ich habe in Ihnen wirklich die Witwe meines Vetters gefunden — ich glaubte immer noch nur an eine Ashnlichkeit — und dann — „Und dann," unterbrach sie ihn und ihre Stimme bebte — „und dann suchten Sie das Los der Un glücklichen denkbar zu verbessern. O, Johannes, wie soll ich Ihnen danken — und doch, das Opfer er drückt mich fast." Eine Wolke hatte sich über sein Antlitz gebreitet, es war, als wenn er hastig auffahren wollte, sich dann aber wieder eines Besseren besann. Er hatte einen Blick gethan in die Augen Margarethens und die traurige Lichtlosigkeit in ihnen ließ ihn schnell Zorn und Erregung niederkämpfen, einem so großen Unglück gegenüber mußte doch jede Empfindlichkeit schwinden. „Margarethe, Sie vergessen ganz, daß ich der nächste Verwandte Ihres Gatten bin — und daß Sie ein Recht dazu haben, von mir zu verlangen, was ich freiwillig gethan habe. Ich brachte auch kein Opfer, denn meine äußere Lage ist eine glückliche — sprechen wir also darüber nicht mehr; es giebt für unS überdies so viel wichtigere Themata . . . Daß ich meine Käthe, seitdem sie schulpflichtig ist, bei mir habe, sagte ich Ihnen ja wohl schon?" „Wenigstens beiläufig, und ich freue mich dessen von ganzem Herzen," sagte Margarethe. „Ich erfüllte ja auch nur eine Pflicht", erwiderte er, „was kann das Kind für die Schuld der Mutter? Und es ist mein Kind, Margarete, bas ein Recht besaß, Vaterliebe und Vaterzärtlichkeit zu fordern — um so mehr — als — keine zweite Mutter ihm zur Seite steht." Warum zuckte es plötzlich um Margarethens Lippen? Sie hatte immer gedacht, er würde sich doch wieder vermählen; freute es sie so, daß es nicht ge schehen? Johannes hatte wohl bemerkt, was in ihr vorging, und es leuchtete freudig in seinem Blick, aber er sagte kein Wort, das auch nur im Entfern testen hätte verraten können, was er nun seinerseits dachte, er faßte auch nicht ihre Hand, sondern ruhig, in gleichgültigem Tone erzählte er ihr von den reichen Talenten seines Kindes, von seinen kleinen Charak tereigentümlichkeiten, bis sich das Gespräch wieder in andere Bahnen lenkte und Margarethe nun der El lern Tod erwähnte und der vielfachen Veränderungen in der Familie, die diesem Ereignis vorausgegangen — ganz von selbst kam man da auch auf den alten guten Direktor zu sprechen, der den Eltern schon fünf Jahre früher in das Jenseits vorauSgegangcn, nachdem er wenige Tage vorher sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum gefeiert, und nun erfuhr Margarethe zum erstenmal, daß Johannes Herder den Direktor in seiner letzten Krankheit gepflegt, daß das Verhält nis der beiden Männer zu einander mit der Zeit wieder ein sehr freundliches geworden und auch bis zuletzt geblieben war. So in lebhaftem Gespräch reihte sich Minute an Minute, Schwester Agathe kam mittlerweile auch zurück; sie war eigentlich lange fortgeblieben. Mar-