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auch mit Rettungsringen Versuche, den jungen Mann zu bergen, aber vergeblich. Nachdem derselbe glück lich die Albertbrücke Passiert, stiegen am Terrassen ufer zwei Männer in einen Kahn und holten den dem Tode nahegestandenen Fahrgast ein. — Die im Sommer 1896 inDresden statt findende Ausstellung des sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes, auf die wir schon mehrfach ausmerk, sam gemacht haben, dürfte eine solche Ausdehnung annehmen, daß wirklich ein beachtlicher Nutzen für das Gewerbe sowohl wie für die Aussteller erzielt wird. Jetzt hat der Vorstand deS Vorortes des Verbandes sächsischer Geweibe- und Hanvwerkervereine sich bereit erklärt, Lokalkonulees in dem ganzen König reich Sachsen ins Leben zu rufen, um das Unter nehmen zu fördern. Er ging dabei von der Ansicht aus, daß für eine Ausstellung des sächsischen Hand werks und Kunstgewerbes die Gewerbe- und Hand werkervereine zu wirken in erster Linie berufen seien. Es ergeht daher von ihm an sämtliche Verbandsvereine die Aufforderung, die Angelegenheit im Verein zur Sprache zu bringen, damit für die Bildung von Lokalkomitees geeignete Persönlichkeiten gefunden wer den, die für die Beschickung Ker Ausstellung wirken. Die Anmeldungen der Aussteller müssen binnen kür zester Frist bewirkt werden. — Eine arge Enttäuschung widerfuhr kürzlich einem in Leipzig wohnenden 46jährigen Manne auf dem Standesamt I. Derselbe hatte vor Kurzem die Bekanntschaft einer 25jährigcn Kellnerin gemacht, Welche sich gegenwärtig in Wurzen aufhäit. Der Mann beschloß, die Maid zu freien. Er hatte sich derselben als Geschäftsreisender vorgestellt (er hatte nämlich im vergangenen Winter so mancher Küchen fee mit seiner kräftigen Baßstimme zu erkennen ge geben, daß er „Hasenfelle" kaufe!) und eS gelang ihm auch, der Kellnerin das Jawort zu entlocken. Kürzlich kam dieselbe von ihrem Wohnorts Wurzen nach Leipzig und da« Brautpaar begab sich auf das Standesamt zum Zwecke des Aufgebots. Im Warte zimmer nun wandte sich die Kellnerin an ihren Bräutigam mit dem Ersuchen, ihr doch ihre Papiere nochmals auszuhändigen, damit sie Nachsehen könne, ob dieselben auch vollständig feien. Nachdem der Bräutigam ihrem Wunsche entsprochen hatte, verließ sie auf einige Augenblicke, wie sie sagte, das Warte zimmer. Als der sanftmütige Bräutigam längere Zett auf die Rückkunft gewartet hatte, begab auch er sich hinaus, um nach dem Verbleib der Brant zu forschen. Ec fand dieselbe auch auf dem Vorsaal stehend. Aus seine Frage, was denn das eigentlich zu bedeuten habe, erwiderte die Braut: „Ich will mir die Sache doch noch einige Wochen überlegen!" Sprach's und verschwand vor den Augen des keines Wortes mächtigen Exbräutigamö. — Wie in mehreren großen Städten des Deut schen Reiches, so hat sich auch in Chemnitz eins Vereinigung von Männern gebildet, welche, bezweckt, die Lustschiffahrt in Sachsen zu fördern und auch damit der Wissenschaft Dienste zu leisten. Dis Ver einigung hat zunächst durch Herrn Richard Feller in Leipzig einen Ballon von solch' großen Dimensionen neu anfertigen lassen, wie ein solcher hier wohl noch nicht gesehen worden ist. Dieser Ballou faßt 1500 odm Leuchtgas, ist also 14/e Mal größer wie die früheren von Herrn Feller benutzten Ballons. Vier Personen können mit diesem Ballon bcquem mehrere Stunden in die Lüfte getragen werden. Das Kgl. meteorologische Institut in Chemnitz, vertreten durch Herrn Professor Dr. Schreiber, hat dem auf soli dester Basis gegründeten Unternehmen seine Sympa thien entgegengebracht, und wahrscheinlich werden sich bei den Auffahrten hin und wieder die Herren Be amten dieses Instituts beteiligen, um sich dabei No- Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. (Nachdruck Vorboten. (Fortsetzung.) Diese Schranke wirklicher Bildung und Er ziehung, die Schranke gänzlich anderer Lebensgewohn heiten und verfeinerter Lebensbedürfnisse, — und so erwiderte Margarethe denn tu ziemlich freund lichem, aber auch wieder sehr herablassendem Ton, auf den die „kronprinzliche Wäschefrau" ganz gewiß nicht vorbereitet war. Frau Braun dachte, wem es gut genug wäre, unter den Proletariern zu ^wohnen, der wollte auch nur zu ihresgleichen gezählt werden — und zählte auch sie zu ihres Gleichen. ,)Jch danke Ihnen für Ihre freundliche War- nung, gute Frau, trotzdem sie mir gegenüber nicht von nöten; ich bir» so sehr in Kummer und Leid, daß alles, was außerhalb dieses Kummers und dieses Leides steht, gar nicht für mich vorhanden ist!" Und als sie einen mißtrauischen, fragenden Blick der grauen Augen ausfing, setzte sie schnell hinzu: „In nerhalb nur der letzten beiden Monate habe ich Vater und Mutter verloren, bin um mein ganzes Vermögen gekommen und war gezwungen, meinen Mann in das Irrenhaus zu bringen". Sie hatte die letzten Worte mit einem Ausdruck in Ton und Gebärde gesprochen, die den keimenden Zorn in Frau Brauns Seele schnell zu aufrichtiger Teilnahme verwandelt hatte, trotzdem sie durchaus nicht den Eindruck machte, als wenn sie sich viel auf Gefühlsregungen verließe. „Arme, arme kleine Frau!" sagte sie, „aber tizen zu machen. Späterhin ist in Aussicht genom men, über die gesamten Erfahrungen während der Ballonfahrten ein W?rk herauszugeben; auch sollen dem Vaterlande Dienste geleistet werden, wenn die- selben verlangt werden. Am 1. April wird der Ver einigung durch Herrn Richard Feller der neuerbaute Rtesenballon übergeben werden und soll alsdann eine Ausstellung desselben mit dem hierzu notwendigen gesamten Material gegen ein geringes Eintrittsgeld stattfinden. Herr Richard Feller ist von der Verei nigung zum Führer des Ballons engagiert worden; außerdem wird ein hiesiger Herr, der in der Luft- schisfnhn kein Neuling ist und sich der Vereinigung in uneigennützigster Weise zur Verfügung gestellt hat, Herrn Feller während der Auffahrten zur Seite stehen. — Bei einem Balle in Zwickau gerieten während der Tafel durch Hinwegwerfen eines Streich hölzchens plötzlich die Ballkleider einer jungen Dame in Brand. Zwar wurde der Brand sofort unter drückt, doch erlitt die Betroffene schwere Brandwunden an verschiedenen Körperteilen. — Mittweida, 18 März. Am Sonnabend nachmittag zog ein am Freitag besuchsweise aus Regensburg hier angekommener junger Mann in einer hiesigen Restauration plötzlich ein Terzerol aus seiner Tasche und drohte die Kellnerin zu erschießen. Der Wirt sprang sogleich herzu, entwaffnete den Burschen und ließ ihn durch einen Schutzmann arre tieren. Die Waffe war mit vier Patronen scharf geladen, auch trug der junge Mann noch mehrere Patronen in seiner Tasche. An Poftzeistelle wurde nach eingehender Untersuchung die Waffe konfisziert, der junge Mann aber vorläufig nicht in Haft be halten. — Bi im Aus kleiden stach sich die Frau eines in Plag Witz wohnhaften Restaurateurs kürzlich mit einem Korsettstäbchen ins Auge, verletzte die Pu pille und büßte die Sehkraft desselben ein. — Der 11jähcige Sohn eines geachteten Bür gers in Markranstädt, namens Karl Ullmann, ist von einem Spielkameraden durch Treten mit Füßen, Ziehen an den Beinen, sowie durch Schläge geringfügiger Ursache wegen derart mißhandelt wor den, daß er nach 2 Tagen unter großen Schmerzen verstarb. Der Fall ist sofort der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden. — Das über dem Raubmorde von L o s ch w i tz schwebende Dunkel hat sich noch immer nicht gelichtet. Zwar sitzt der vermeintliche Mörder schon längere Zeit hinter Schloß und Riegel, doch hat man sich, wie verlautet, von der Schuld des Gärtners Johne bis jetzt noch nicht überzeuge? können. Auch in Lojch- w'tz selbst neigt man zu dieser Ansicht, da der junge Mensch, welcher etwas schwachsinnig sein soll, noch niemals jemandem etwas zu Leide gethan hat. Der selbe loll auch nicht aus Loschwitz entflohen sein, son dern sich regelrecht auf die Wanderschaft begeben und sich auch vorschriftsmäßig aus dem Gemeindeamt ab- gemeloet haben. Dies soll, wie man sich weiterer- zählt, infolge eines Versehens nicht gleich bekannt geworden sein. Johne hat, wie jetzt festgsstellt wor den ist, Loschwitz erst am Begräbmslage der ermor deten Fran Kobrzinowski verlassen und ist dann einige Tags später beim Betteln in Großenhain ver haftet worden. Er soll übrigens ziemlich vermögende Verwandte haben. Hoffentlich gelingt es den Behör den, recht bald Licht in die Sache zu bringen, da durch den Raubmord der Frau Kobrzinowskl auch der Mord an dem Pferdebahnschaffner Jäckel wieder in den Vordergrund getreten ist und man allgemein glaubt, drß beide Morde von ein und derselben Per son ausgeführt worden sind. Die baldige Entdeckung des Mörders wäre namentlich im Interesse der beiden das ist ja schrecklich! — im Jrrenhause?!" Sie schüttelt- sich und dann setzte sie leise hinzu: „Dann kann ich Ihnen nachfühlen, was Sie empfinden, Frau, denn mein erster Mann ist auch im Jrrenhause ge storben! O, und er war ein so guter Mensch!" Sie fuhr sich mit dem Schürzenzipfel über die Augen, in denen jetzt zwei große Thränen standen, dem An denken eines lieben Toten geweiht. Margarethen aber war es, als wenn mit einem Male die Schran ken niedergerissen, die sie noch vor wenigen Minuten zwischen sich und der einfachen Frau aus dem Volke gesehen; der Gedanke, sie hat gelitten, ^oaL du jetzt leidest, legte ein starkes Trittbrett über die Kluft von hoch und niedrig, von wissend und unwissend, und sich rasch erhebend, reichte sie, vom Impuls des Augenblicks geleitet, der weinenden Frau ihre Rechte. Einen Moment lang blickte Frau Braun beinahe erschrocken auf die kleine schneeige Hand, die wie ein Lilienblatt in ihrer braunen, hartgearbeiteten lag, dann zuckte es wie Wetterleuchten durch das große, grobgefügte Gesicht: „Hab' schon gedacht, die arm selige Waschfrau ist Ihnen zu gering! Frauchen, nun, es ist gut, daß ich Ihnen unrecht that, sehr gut für Sie. Nun aber will ich auch nicht länger stören, mein Alter wird ohnedies auch schon da sein und mit ihm die andern, da gilt es, das Abendbrot zu ver teilen. Gute Nacht, liebe Frau, und träumen Sie etwas recht Schönes in dieser ersten Nacht." Schon halb im Gehen, setzte sie noch hinzu: „Zu fürchten brauchen Sie sich nicht, unser Korridor ist der sicherste, wir haben nämlich hier die meisten Mannsleute — und was für welche; na, ich sage Ihnen, da müßte schon eine ganze Räuberbande kommen!" von zahlreichen Sommerfrischlern gern ausgesuchten Orte Loschwitz und Weißer Hirsch sehr erwünscht. — Aus Meißen, woher schon so manches „Ungeheuerliche" berichtet worden ist, wird gemeldet: In einem inmitten der Stadt gelegenen Privatqarten fand man dieser Tage unter dem Schnee eine Rosen knospe, die sich im Laufe der Winterwochen unter der warmen Hülle bis zum Aufbrechen voll ent wickelt hatte. 8 Berlin, 18. März. Eine Irrsinnige, die als ungefährlich in Privatpflege gegeben war, hat sich am Sonnabend aus dem vierten Stockwerk in den Hof hinabgcstürzt, wo sie regungslos liegen blieb. Kurz darauf ist sie unter den Händen deS Arztes an den erlittenen inneren Knochenbrüchen und inneren Verletzungen gestorben. 8 Als neueste Version über den diesjährigen B-such der Kaiserfamilie in Abazzia meldet ein Pri- vat-Tclegramm über Wien, daß die Kaiserin Auguste Viktoria mit ihren Kindern am 3. April bestimmt in Abazzia einteeffen und der Kaiser später nach folgen werde. Der Aufenthalt ist für drei Wochen vorgesehen. Das Kaiserpaar wird von Abazzia aus auf einer ihm vom Kaiser Franz Josef zur Verfügung gestellten Dacht einen Ausflug nach Venedig unter nehmen uns daselbst mit dem italienischen Königs paar zuiammentreffen. 8 Hildesheim, 15. März. Eine Bestie in Menschengestalt wurde dieser Tage vom hiesigen Schwurgericht unschädlich gemacht. Der Dachdecker Leise aus Salzdetfurth hatte das voreheliche Kind seiner Frau durch unsagbare rohe Behandlung und Entziehung der Lebensmittel ermordet und wurde deshalb zum Tode verurteilt. Damit ist aber das Sündenregister dieses Unmenschen noch nicht abge- geschlvssen. Vor z-hn Jahren hat L., wie erst jetzt bekannt wird, feinen eigenen zehnjährigen Sohn durch fortgesetzte Brutalitäten zum Selbstmorde getrieben. Auch hierbei wurde ein Mordverdacht gegen L laut. Endlich ist vor Jahresfrist noch ein anderes Kind des L. verschwunden, und alle behördlichen Nach suchungen nach dem Verbleib desselben sind erfolg los geblieben. Jetzt hat man aber die Kleidungs stücke des verschwundenen Kindes aufgefunden, so daß die Wahrscheinlichkeit immer mehr Platz greift, daß auch dieses Kind ein Opfer seines Vaters, dieses Scheusals in Menschengestalt, geworden ist. § Danzig, 18. März. Bon einem verschol lenen Fischerboote wurden die Ruder treibend auf gefunden. Es erscheint zweifellos, daß das Bost ge kentert ist und beide Fischer ihren Tod in den Wellen gefunden haben. 8 Gnefen, 18. März. Wegen Soldaten- Mißhandlungen sind ein Vizefeldwebel und zwei Ser geanten vom Infanterie-Regiment Nr. 47 in Unter suchungshaft genommen worben. ** Brüssel, 18. März. In Fleurus explo dierte gestern vor der Wohnung des Direktors der Zuckerfabrik eine Dynamrtpatrone. Die Fenster wur den total zerstört und die Möbel umgewvrfen. Die Polizei nahm bei mehreren verdächtigen Personen Haussuchungen vor und entdeckte noch mehrere Dy namitpatronen. Das Gericht von Charleroi fährt in der Untersuchung fort. ** Paris, 18. März. Das Verschwinden wichtiger strategischer Karten aus dem KciegSmini- sterium hält die Staatsanwaltschaft in Atem. Die Untersuchung wird geheim geführt. Am Mittwoch wurden die Verhandlungen in der Angelegenheit be gonnen. ** Aus Rom: Der Papst hielt am Montag ein Konsistorium ab. Eine größere Zahl von Bischöfen ist ernannt. Wunderbarerweise war die erste Nacht in diesem Hause, unter einem Dach mit so viel Armut und gesellschaftlicher Unbedeutendheit, auch die erste, welche Margarethe seit Monaten wieder ruhig schlafend verbrachte. Freilich, Thränen hingen in den langen seidenen Wimpern, als sie, noch das letzte Wort eines innigen Gebetes auf den Lippen, die Augen schloß. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie endlich wieder erwachte, Wohl nur von einem schüchternen Klopfen an der Thür. Sie rieb sich verwundert die Augen, ein Traum hatte sie so aus dauernd in der früher gewohnten Umgebung festge- halten, daß sie sich nun gar nicht in die neuen Um gebungen finden konnte; endlich, das Klopfen an der Thür hatte sich wiederholt, stand alles, alles wieder in schrecklicher Klarheit vor ihrer Seele. Mit einem schmerzlichen Seufzer war sie nun aber auch aus dem Bette, huschte in ihre Morgenkleider und eilte, dem Einlaß Begehrenden zu öffnen; sie wußte, es war Lieschen, die ihr das Frühstück vom Bäcker holen und in der Küche Feuer anmachen wollte. „Ich habe schon gedacht, Ihnen wäre etwas zu gestoßen", sagte die Kleine. „Aber haben wir es denn schon so spät ?" Mar garethe sah nach der Uhr: „Es ist ja erst sieben!" „Schon sieben!" sagte die Kleine. Sie dachte nicht daran, daß die schöne junge Frau, die sie be dienen wollte, bisher in einer Sphäre gelebt, in der man den halben Tag zur Nacht und die Nacht zum Tage macht. — Grethe aber fand eS für überflüssig, daS Kind von ihren bisherigen Gewohnheiten zu un terhalten! um so überflüssiger, al» sie ja nun auch mit diesen Gewohnheiten brechen mußte und wollte,