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Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich GtsWs-AnztM für Hahndorf, Nüdlitz, Kerasdorf, Kisdorf, A Ezidiea, Hn»nch»rt, Marit««««. Mülsen Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. Rr. 63. Sonnabend, dm 16. März 1895. Mtser Blau erscheint täglich Nutzer Soun« MS Hesttags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf7^ Einzelne Nummer 1« Pfennige. iLsstellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 17S, alle Kaiser!. Postanstalteu, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalters Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. ZjMWsversLeigerMg. Das im Grundbswe auf den Namen des Strumpfwirkers Johannes Sigis mund Kühurich eingetragene Grundstück, Gsrteugut, Folium 29 des Grund buches, Parzellen 32 a, 32 b, 35, 218, 218 a, 219 b und 226 a des Flurbuchs für Rüsdorf, bestehend aus Wohngebäude und Scheune, Kat. Nr. 34, Garten, Feld und Wirse, 3 bu 18 s a umfassend, mit 144.si Steuereinheiten belegt und ortsgerichilich auf 11,413 Mk. geschätzt, wovon 5275 Mk. auf die Gebäude ent fallen, soll ohne das bereits abgeichnsbene Steuckohlenabbaurecht im hiesigen Amtsgerichtsgebäude zwangsweise versteigert werden und ist Dou«erst«g, der 48. April S8k>3, vormittags 9 Uhr als Anmeldetermin, ferner Sonnabend, der 4. Mai 4883, vormittags 9 Uhr als Bersteigerungstermin, sowie Donnerstag, der 46. Mai 48N3, vormittags 9 Uhr als Termin z« Verkündung des Berteilungsplans anberaumt worden. Die Realderechtigten werden aufgefordert, die auf dem Grundstücke lastenden Rückstände an wicderkehrenden Leistungen» sowie Kostenforderungen, spätestens im Anmeldeteimme anzumelden. Eine Uebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisses t»nn nach dem Anmeldeteimirie in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts eingesehen werden. Lichtenstein, am 9. März 1895. Kömgliches Amtsgericht. Ass. Zimmermann. TaseSgeschßchrs. * — Lichtenstein, 15 März. Gestern vor mittag hat sich die Handarbeitersehefrau F. hier mit einem Rasiermesser durch Halsaufschneiden ent leibt. Jedenfalls ist der Selbstmord in Abwesenheit ihres Mannes, welcher zu dieser Zeit mehrere Ein käufe machte, erfolgt. Schwermut wegen unheilbarer Krankheit (Magenkrebs) mag die Ursache zu dieser bedauernswerten That gewesen sein. — Als vorzügliches Mittel gegen die Jnfluenza- ansteckung empfiehlt Herr Harry Furniß in der „Times" auf Grund eigener Erfahrung den Ge brauch von Schnupftabak Herr Furniß schreibt, daß er sich durch Tabakschnupfen in Gegenden, in denen die Influenza (pidemsich herrschte, vor Ansteckung be wahrt habe, und daß Freunde, denen er den Rat ge geben habe, seinem Beispiel zu folge», und die diesem Rat nachgekommen seien, ohne Ausnahme gleichfalls von der gefürchteten Krankheit serschont geblieben seien. Er geht so weit, daß er auf Reisen in Hotels bei Tisch stets einen mit Schnupftabak gefüllten Teller vor sich stellt, und behauptet, daß ihm diese Vorsichts maßregel gestattete, ungestraft neben und gegenüber Personen zu sitzen, die von der Influenza geplagt sind. * — Hohndorf, 12. März. Am heutigen Tage wurden von dem Trichinenschauer Hrn. Jakobi bei einem hiesigen Bankfleischer bei zwei von aus wärts eingeführten Landschweinen Trichinen in großer Menge vorgefunden. Das betreffende Fleisch wurde polizeilich mit Beschlag belegt und dem Caviller über geben. Dis Schweine sind in der landwirtschaft lichen Versicherung versichert, so daß dem Besitzer kein weiterer Schaden hierdurch entsteht. * — St. Egidicn, 13. Minz, Ein eigen artiges Jubiläum feierte um 11. d. M. der ehemalige Weber Hermann Just in Hohenstnu. Vor 25 Jahren begann er, da er leidend war und deshalb die We berei nicht betreiben konnte, mit Backwaren, vom Bäckermeister Voigt in Ernstthal, zu hausieren. Die Ortschaften Hermsdorf, B-rnsvorf, Rüsdorf, St. Egi- dicn, Kuhschnappel mit Hüttengrund, und früher auch Lobsdorf, versorgt er seit dieser langen Zeit wöchent lich 3 bis 4 mal mit seiner Ware. Aber auch in anderer Weise macht er sich den Landbewohnern nütz lich, indem er Bedürfnisse aller Art aus der Stadt besorgt. Trotz seines Alters von 63 Jahren wandert er bei Wind und Wetter, immer heiter, zu seinen Kunden. Zu seinem so eigenartigen Jubiläum sah man ihn mit einem neuen Hausierkorbe (welcher mit Guirlavden und seinen Initialen geschmückt, und mit Geschenken feiner Kunden behangen war) fröhlich seins Straße ziehen. — Im Kaufmännischen Verein in Zwickau sprach am Dienstag abend der Dichter Emil Ritters haus über die Geschichte der Freimaurerei. Davon ausgehend, baß die Weltgeschichte ein ewiger Kampf zwischen Guten und Bösen, Licht und Finsternis sei, kennzeichnete er diesen Gegensatz durch geschicht liche Beispiele, beleuchtete den Einfluß, den die Tren nung der Menschen in Nationen, Religionen usw. ausübt, und stellte fest, daß das gemeinsame mo ralische Band die gute That sei, während die -poli tischen und religiösen Zwistigkeiten Unheil stiften. In der guten That komme das reine Menschentum zum Ausdruck, und die Freimaurerei sei ein Welt bund von Männern, die, erhaben über nationale und religiöse Unterschiede, dies reine Menschentum zu pflegen übernähmen. Die Freimaurerei bezwccke die Veredelung des eigenen Selbst, die Erziehung zur Weisheit und die Pflege edelster Humanität ohne Rücksicht auf Nation und Konfession. Christen, Ju den, Mohamedaner, Buddhisten usw., sie alle können in den Frsimaurerbund eintreten; nur unreligiöse Leute, Gottesleugner, gehören nicht in den Bund. Dem reinen Maurertum sind Politik und Konfessions- Wesen fremd; es verehrt Gott als den allmächtigen Bau meister der Welt, erhebt die Secle zum Gebet, gedenkt der Armen und Elenden und strebt der sittlichen Ver vollkommnung des Menschengeschlechts nach. Inder Freimaurerei gilt nicht Rang noch Stand, alle sind gleichberechtigte Brüder, und hier soll das viel miß brauchte Wort „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" zu edelster Anwendung kommen. Speziell wies Red ner auf die Akte des Wohlthuens hin, welche von der Freimaurerei ausgehen, und zählte eine Reihe hervorragender Persönlichkeiten auf, welche mit Leib und Seele dem Bunde der Freimaurer angehört haben: Washington, Friedrich der Große, Göthe usw. Auch Kaiser Wilhelm 1. war mit ganzer Seele Frei Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. ——— (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Kalter Schweiß trat auf ihre Stirne, mit zit ternden Händen packte sie die Papiere wieder in das Kouvert und verschloß es von neuem, dann aber eilte sie auch, die empfangenen Briefe in der Tasche, hinunter zu den Geschwistern; sie waren alle im Krankenzimmer der Mutter, der Arzt machte soeben die Visite und konstatierte eine Veränderung zum Besten — das war doch ein Lichtstrahl in dem großen, schweren Leid, das über die unglückliche Familie ge kommen. Und nun trat Grethe wieder blaß und zitternd in den Kreis der schwarzgekleideten Gestalten. «Ich habe sehr beunruhigende Nachrichten aus der Residenz erhalten", sagte sie, als sich der Doktor empfohlen, und die Zähne schlugen klappernd auf einander: „und ich muß sofort abreisen". Man drängte sich um sie -- man fragte, man beschwor sie, doch zu sagen, was geschehen. „Nur jetzt noch nicht! Mir selbst ist ja auch noch nichts klar — man verlangt nur meine Rückkehr!" Sie war aus dem Krankenzimmer in das Wohn zimmer getreten. „Warum", sagte nun kopfschüttelnd Bruder Ferdinand, „hat Dir denn nicht Augustin geschrieben? So sprich Dich aus, Grethe: seit wann hältst Du eS denn sür nötig, vor Deinen Geschwistern Geheimnisse zu haben?" Und nun zog sie mit einem tiefen Seufzer die Briefe aus der Tasche, schweigend reichte sie dieselben dem Bruder. Er hatte sie mit voller Aufmerksamkeit durchge- lese», trotz der fragenden Blicke der Geschwister; aber auch er war blaß geworden, sehr blaß, und seine Stimme zitterte, als er in teilnehmendem Ton erwiderte: „Ja, ja, Du mußt sofort zurück, armes Kind, denn" — er schüttelte den Kopf: — „der Schwerpunkt des ganzen Sermons da", sagte er, indem er auf Röschens Schreiben deutete, „liegt meiner Ansicht nach in den Worten: und der Herr kam ihm so seltsam vor, er grüßte immerfort, sodaß ihn die Leute ganz verwundert ansahen". O, Gott — und gerade diese Worte hatte Grethe beinahe vollständig übersehen; für sie galt nur der Umstand, daß er abgercist war und jetzt so viele Leute kamen, die nach ihrem Gatten fragten und Worte dabei sprachen, die das brave, anhängliche Mädchen nicht wiederholen mochte. Der Kandidat wechselte einen raschen Blick mit den ihn umgebenden Geschwistern — sie hatten alle das klarste Verständnis für seine Worte und sie alle fühlten sich erschüttert bis in die Seele — selbst Haps war noch bleicher geworden, als ihn die Trauer um den lieben, lieben Vater schon gemacht. „Ferdinand, spanne mich nicht auf die Folter, sage doch, was meinst Du?" Die arme, verzweifelte junge Frau blickte flehend in das Antlitz des Bruders. Er mußte ihr will fahren und doch wurde es ihm so schwer; da kam ihm der ältere Bruder zu Hilfe: „Ja, sage ihr alles", meinte Hermann ernst. „Alles, was wir nach diesem Schreiben befürchten müssen". „Unsere arme Schwester muß vorbereitet die Rückreise avtreten", fuhr Hermann fort; „besser, wir sagen ihr hier das Schlimmste, als daß sie es aus dem Munde von Mietlingen erfährt". Der Kandidat seufzte. „Grethchen, liebes Schwesterchen", begann er dann liebevoll und legte seinen Arm um ihre Taille; „wir haben schon seit Jahren für Deinen Gatten gefürchtet; diese Ver schwendungssucht, diese grenzenlose Ueberschätzung seiner sozialen Stellung —!" „Ferdinand!" Die Augen der unglücklichen jungen Frau hatten sich weit geöffnet, in rotem, grellem Licht sah auch sie nun die Wahrheit!" „Heiliger Gott, erbarme Dich — das — ist das Fürchterlichste!" Die Schwestern drängten sich an sie, sie herzten, sie küßten sie und Hans flüsterte teilnehmend in ihr Ohr: „Aber, Grethchen, liebes Grethchen, auch der artiges ist ja heilbar!" „Ja, ja!" sie sah verstört in sein Gesicht, „aber in diesem Falle nicht! Mein Gott, mein Gott", — und nun rang sie die Hände — „und jetzt weiß ich auch, er ist schon lange krank. Und dabei denken zu müssen, daß er in diesem Zustande verreist!" Fassungslos lag sie an der Brust des Bruders, der ihr Trostesworte zuflüsterte — Worte, an die er selbst nicht glaubte. Größenwahnsinn, der sich durch Jahre vorbereitet, ist selten heilbar. „O, ihn traf das Entsetzlichste, aber gar nicht unvorbereitet, er hatte schon vor fünf Jahren gesagt, nachdem er einmal acht Tage in der Residenz bei den Geschwi stern zugebracht: „Augustin kommt mir zu seltsam vor, ich fürchte sehr diese Manie, ein vornehmer Mann sein zu wollen, artet über kurz oder lang in Größenwahnfinn aus", und mit dieser Ansicht stand