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sendeten Beamten wird in der Regel auf 4 Jahre bemessen ; bis jetzt sind im Ganzen 31 deutsche Post beamte nach Konstantinopel versetzt bezw. von dort zurückversetzt worden. ** Man ist oft versucht, die von Zeit zu Zett aufgetauchten Berichte von Ueberfällen durch See» räuber für sogenannte Seegeschichten zu halten; indessen kommen doch Fälle vor, wo es deutlich be wiesen ist, daß auch heute noch in gewissen Gewässern die Seeräuberplage besteht. Das bremische Schiff „Rajah" hat auf der Reise von Cardiff nach Hong kong ein solches Abenteuer gehabt. Die „Rajah" gelangte Ende des vorigen Jahres in die Nähe des Molukkenarchipels, wo sie namentlich inderOmbai- straße viel mit Windstille und sengender Hitze zu thun hatte. Am 1. Januar kam die Lord North- Insel (oder Tobi) in Sicht und das Schiff wollte die etwa 2 Seemeilen große Insel in gewisser Ent- sernung umsegeln, da der Kapitän von dem schlech ten Charakter der Inselbewohner unterrichtet war. Schon hoffte man, von ihnen unb-lästigt zu bleiben, als gegen 10 Uhr morgens erst ein Segelboot, dann wertere Boote, schließlich elf Fahrzeuge erblickt wur den, die sich anschickten, Jagd auf die Rajah zu machen. Die Insassen der Boote hatten mit ihren Kähnen eine lange Linie gebildet, durch die der Kurs der „Rajah" mitten hindurch führt. Der Wind war SW. und das Schiff lief vier Meilen. Der Kapi tän manöverierte sehr geschickt, indem er vom Kurse abwich, den Booten den Wind abschnitt und ihnen so entgmg. Die drei größten Fahrzeuge kamen trotzdem ziemlich nahe heran, sodaß man die bis an die Zähne bewaffneten Mannschaften zählen konnte. Jedes Goot enthält 25 Mann. Schließlich aber mußten die Räuber die Verfolgung aufgeben. Es war ein Glück für die „Rajah", daß dies geschah; hätten sie noch eine Stande die Jagd fortgesetzt, so wäre das Schiff verloren gewesen; denn es trat plötzliche Windstille ein und das Schiff trieb ganz langsam davon. Der Uebermacht der Mannschaften in den Nooren wäre kein langer Widerstand ent« gegenzusetz-n gewesen. ** Im Golf von Fiume wurde vorgestern von Fischern ein 2^/s m langer Delphin gefangen, der das ansehnliche Gewicht von 176 KZ- hatte. ** Amerika. Dis Nordamenkantschs Union Wird durch zwei Kreuzer bei der Nordostseekanalfeier beteiligt sein. — Der Aufstand in Columbia nähert sich jetzt dem Punamakanal, zahlreiche brotlose Arbeiter schließen sich diesen Raubscharen an. Der Krieg wird von beiden Seiten mit ganz brutaler Grausamkeit geführt. Deutscher WksrAstag. Sitzung vom 6 .März. Auf der Tagesordnung stehen die Anträge Ham merstein, Liebermann v. Sonnenberg und Haffe, betr. Einwanderung ausländischer Juden. Abg. Hasse (nat.-lib.): Ich bin kein Anhänger des Antisemitismus, soweit er seine Beweggründe der irreligiösen Unduldsamkeit entnimmt, auch nicht insoweit er die Judenfrage in den Mittelpunkt des gesamte« politischen Lebens stellt. Dagegen kann ich nur bedauern, b-ß nicht die Judsnfrage schon längst vom Standpunkte des gesunden National-Egoismus aus wirtschaftlichen Gründen behandelt worden ist. Auch in Amerika finden Sie eine Bewegung gegen die Chinesen, ebenso in Australien. Dabei halte ich eine solche Bewegung für unberechtigt in Ländern, wo die Bevölkerung der Frcmden-Einwanberung noch bedarf, um sich zu vermehren. Frankreich beispielsweise wird in seiner Bevölkerung eher zurückgehen ohne die Ein wanderung. Das deutsche Volk ist verhältnismäßig am meisten berechtigt zu derartigen Bewegungen, an ¬ gesichts unserer Ueberschüsse an Volkskräften. Die fremde Einwanderung ist daher für die Homogenität unseres Reiches kein Vorteil. Redner empfiehlt dem gemäß den Antrag zur Annahme, die Regierung um eine Novelle zu dem Gesetz vom 1. Jan. 1870 zu ersuchen, in welcher der Verlust der Reichsangehöcig- keit (durch Aufenthalt im Auslande) ausgedehnt, so wie andererseits der Erwerb derselben durch Natura lisation erschwert wird. Abg. Rickert (freis. Ver.) lehnt auch den An trag Hasse ab. Staatssekretär v. Bötticher: Der Bundes rat hat sich mit diesen Anträgen noch nicht beschäftigt und ich halte es auch nicht für angebracht, meine persönliche Ansicht hierüber auszusprechen. Ich nehme nur das Wort, um auf die Frage zu antworten, welche der Vorredner bezüglich der Verträge mit dem Auslände an mich gerichtet hat. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß jeder Staut das Recht hat, Aus länder auSzuweisen; es ist das doch auch in dem Gesetz über Erwerb und Verlust der Staats- und Reichsangehörigkeit ausgesprochen. Sofern die vor liegenden Anträge die Absicht haben, die Einwande rung im Sinne der Erwerbung der Bundes- und Staatsangehörigkeit zu verhindern, würden sie an sich zulässig seui. Was die Verträge anlangt, so sprechen dieselben im allgemeinen aus, daß die Ausländer unter demselben Gesetz, mit denselben Rechten wie die Inländer Handel und Gewerbe bei uns betreiben dürfen. Wollten wir also die Ausländer von diesem Recht ausschlreßen, so wäre das mit den Vertragen nicht vereinbar. (Abg. Rickert ruft: Hört, hört!) Aber diese Vorschrift berührt nicht das polizeiliche Ver hältnis der Ausländer zu dem Staats. Der Vertrag mit Rußland stellt dieses beispielsweise ganz zweifels frei; da heißt es in dem betr. Absatz: „Es herrscht jedoch Einverständnis darüber, daß die besonderen Gesetze der kontrahierenden Staaten über Handel und Gewerbe und Polizei nicht berührt werden." Es ist also keinem Staate in Deutschland verwehrt, Aus länder auS irgend welchen polizeilichen Gründen aus- zuweisen. Geht also die Tendenz der Anträge dahin, Ausländern den Gewerbebetrieb bei uns zu unter sagen, so ist das mit den Verträgen nicht vereinbar, geht aber die Tendenz der Anträge, und so fasse ich sie auf, dahin, Ausländer von ver Bundesstaats- unk Reichsaugehöcigkeit auszuschließen, so stehen einer solchen Absicht oie Verträge nicht entgegen. Abg. Dr. Lieber (Centr.): Bei dem Anträge Hammerstein handelt e« sich nur um Untersagung der Einwanderung. Die Untersagung wäre aber vertragswidrig. Als Vertreter einer föderativen Parsei lege ich aber ein besonderes Gewicht auf den Umstand, daß jedes Eingreifen des Reiches im Sinne der Anträge, eine Verletzung des bayrischen Reser- natcechtes einschließen würde. Wir erinnern uns nur zu genau des Tages, an welchem das Jesuiten- gssetz angenommen wurde und der Ruf hier erscholl: „Die Jesuiten sind wir los, wir wünschen den Katho liken gute Reise." Mit unserem Willen wird es nickt geschehen, daß es hier einmal heißt: „Die Juden find Nir los, wir wünschen den Katholiken gute Reise." (Beifall im Centrum.) Abg. Dr. Hermes (freis. Volksp): Man hat gesagt, es seine ein Sünde und Schande, wie die Juden das Volk ausbeuteten. Ich halte es für eine Sünde und Schande, solche simple Redensart hier zu gebrauchen. Präsident v. Levetzow: Eine solche Rede wendung gegen ein Mitglied des Hauses kann ich nicht dulden. Abg. Hermes fortfahrend: Die Juden kön nen es Niemand recht machen. Wenn sie sich laufen lassen, so ist es nicht recht, wenn sie in höhere Stellen kommen, heißt eS, sie drängen sich vor und wenn sie Landwirtschaft treiben, wird gesagt: Der Grundbesitz geht an einen Fremden verloren. Ge« rade in Sachsen, dem gelobten Lande des Antisemi tismus, giebt es nur 9000 Juden gegen 3 Millionen Christen und gerade der Abg. Sachsse müsse doch zugeben, daß überall in Sachsen der Wohlstand zu nimmt. (Lachen rechts). Die Leute, die von Pa rasiten am Mark der deutschen Eiche sprechen, mögen sich Christen nennen, aber der Geist des wahren Christentums geht ihnen ab. Die Antisemiten scheinen nicht einmal zu wissen, daß der Stifter ihrer eigenen Religion ein Jude war. (Rufe: Pfui, pfui!) Die deutschen Juden sind eben so gute Patrioten wie die Bekenner anderer Konfessionen. Kaiser Friedrich hat mit Recht die ansemitische Bewegung eine Schmach für Deutschland genannt. (Beifall.) Abg. Dr. v. Langen (kons.): Zu uns kom men die Juden als Hosen verkaufende Jünglinge, um als Bankiers zu enden. Wollten wir, wie Herr Vogtherr wünscht, ruhig abwarten, bis die Juden gänzlich zu Deutschen geworden sind, jo könnte es kommen, daß eher alle Deutschen zu Juden werden. Wir sagen ja nur von der Sorte nicht mehr, wir haben davon schon genug über Verdienst (Heiterkeit). Wir bitten also, nehmen Sie unseren Antrag an. (Beifall.) Von dem Abg. Schmidt Elberfeld und Genossen geht jetzt ein Antrag auf Uebergang zur Tagesord nung ein, derselbe wird befürwortet. Abg. Richter (freis Volksp.): Die Sache fängt wirklich schon an, langweilig zu werden. Man hilft sich auf jener Seite bereits durch antisemitische Mätzchen. Durch die Art und Weise, wie hier de battiert wird, fühlen sich Tausende von deutschen Mitbürgern gekränkt. Abg. Förster (Äntis.) spricht gegen den Ueber gang zur Tagesordnung. Die Antisemiten seien von dem Abg. Hermes in einer geradezu unverantwort lichen, g-üblichen Weise angegriffen worden. Präsident v Levetzow erklärt, diese Wendung gegen ein Mitglied nicht zulassen zu können. Nunmehr wird der Antrag Schmidt auf Ueber gang zur Tagesordnung über dm Liebermann'schen Gcs'tzentwurf angenommen. Ein weiterer Antrag Schm>dt-Elberfe!d und Genossen auf Schluß der De batte über die Anträge Hammerstein und Hasse wird dagegen abgelehnt. Abg. Ählwardt führt aus, seine „speziellen politischen Freunde" (anhaltendes Gelächter) be kämpften die Juden nicht ihrer Religion wegen, son dern aus Rasse. Die Juden seien in der That Raubtiere (lebhaftes Gelächter), an der Thatsache sei rächt zu rütteln. Er erwarte mit Sicherheit, daß allmählich Alle im Hause zu der Ansicht kämen. Seit 800 Jahren feien die Juden in Deutschland, gleich wohl hätten sie sich niemals auf den Kulturboden der Arbeit gestellt, sondern nichts gethan als ge schwindelt. Die Hälfte aller Gesetze könnten wir abschaffen, wenn wir die Juden abschafsten. Abg Richter: Zur Geschäftsordnung! Der Herr Vorredner hat von einem Teil der Bevölkerung gesprochen, als von Raubtieren, Cholerabacillen, Parasiten, Schwindel usw. Wenn auch die Persön lichkeit des Vorredners durch gerichtliches Urteil hin reichend gekennzeichnet ist, jo überschreitet doch das Maß der Schimpffreiheit die Gebräuche des Hauses und die Grundsätze, welche der Präsident des Hau ses noch gestern sei der Beratung des Militäretats verkündet hat. Schlimmer als d-es durch den Vor redner geschehen ist, kann doch der Ton im Hause . . . Präsident v. Levetzow: Was ich zu thun habe, lasse ich mir nicht vorschreiben. Sie haben kein Recht, meine Geschäftsführung zu kritisieren. Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Grethe kannte überhaupt nur eine Freude, nur ein Vergnügen und das war, wenn ihr Augustin einmal gestaltete, die Ihren in B. zu besuchen — er begleitete sie jedoch nie, anfangs entgegen ihren Bitten — später verschwendete sie dieserhalb kein Wort mehr au ihn, ja, es war ihr im Grunde ge nommen recht angenehm, daß sie allein reisen konnte — wie ihr Gatte jetzt war — der rechte echte hoch mütige Geldprotze, paßte er auch nicht mehr in ihre schlichte Heimat, in der sich übrigens auch vieles verändert hatte, wenn sie sie auch immer noch in dem kleinen Häuschen in der Vorstadt zu suchen hatte; der Vater hatte sich pensionieren lassen und ging jetzt ganz in seiner Blumenpflege auf, die Mutter war alt geworden und der Kinderkreis um sie herum aus einandergesprengt. Hermann, der Aekteste, hatte wirklich Jura stu diert und war vor Kurzem als Kreisrichter in einer kleinenStadtanderOder angestellt worden. Ferdinand, der Theologe, war noch Kandidat in einem vorneh men Hause — eine Pfarre hatte sich noch nicht für ihn gefunden, und Hänschen, aus dem mit der Zeit ein recht langer Hans geworden, wollte auch schon in nächster Zeit sein Abiturtentenexamen machen, er gedachte, das Baufach zu studieren. Die drei jüngeren Schwestern hatten sich ver heiratet — jedoch alle, trotzdem sie sich zu wirtlichen Schönheiten entwickelt, kaum standesgemäße Partien gemacht. Die älteste heiratete einen Postsekretär, die zweite einen Bankbeamten und die dritte einen Elementarlehrer; aber sie hatten brave, tüchtige Männer und lebten glücklich und zufrieden, trotzdem sie, wenn Grethe einmal nach B kam, immer wie Aschenbrödel neben der eleganten Schwester aussahen. Und es fiel keiner ein, die „Restdenrlerin", wie sie Grethe nannten, ob ihrer prachtvollen Roben, ihrer teuren Spitzen und Brillanten zu beneiden — schon, weil sie die einzige von ihnen war, deren Ehe kinderlos geblieben, trotzdem auch sie keinen glühen deren Wunsch gekannt hatte, als daß es auch ihr vergönnt gewesen wäre, so ein kleines holdes Wesen auf ihren Armen zu wiegen. Uebrigens kam den Kleinen der Schwestern der Umstand, daß Grethe ohne Familie war, sehr zu statten; wer weiß, ob die junge Frau, wenn sie Kinder im Hause gehabt, so vorsorglich daran ge dacht hätte, die der Schwestern zu erfreuen. Von allen Türmen der Residenz schlug es die fünfte Nachmittagsstunde und auch in dem reizenden Gemach, in dem wir Margarethe wieder gefunden, zeigte die elegante Stutzuhr auf fünf. Mit einem leisen schmerzlichen Seufzer legte die junge Frau ihre Stickerei aus der Hand — es war ja die Zeit, in der man das Diner — (Augustin hatte den Aus. druck „Mittagessen" vollständig verbannt) — einzu nehmen Pflegte — es wurde nicht unter ihren Augen zubereitet, wie es daheim geschehen, ihr Gatte fand das zu gewöhnlich: Die Frau Gräfin S. und die Baronin B-, die Excellenz G., sie alle dachten ja nicht daran, in die Küche zu gehen, warum sollte er seiner Frau nicht auch eine Wirtschafterin halten können? Und als Margarethe einmal den Einwurf wagte, ihr Benehmen dem Gatten gegenüber war immer ein ängstliches — zu bescheidenes gewesen, die Gründe, welche sie an den Altar geführt, bedrückten sie im mer noch - es gingen bet dieser Art, Haus zu hal ten, Unsummen verloren, hatte er nur leichtfertig mit der Achsel gezuckt: „Kind, Du kannst nun ein mal nie das arme Beamtentöchterlein verleugnen. Gewöhne Dich doch endlich daran, daß Du als meine Gattin nicht bei jeder Ausgabe zu rechnen brauchst, Du bist jetzt die Frau eines reichen Mannes; ver giß das nicht, w'umio." „Uber, Augustin, ein Brunnen läßt sich ans- schöpfen! Du müßtest ein Krösus sein, wenn Dich der Luxus, den wir treiben, die Übervorteilung all derer, die uns dienstbar sind, nicht schließlich ruinieren sollten". Da war er heftig aufgefahren und sie hatte den heiteren, lebensfrohen, leichtsinnigen Mann in einem Zorn und in einer Rücksichtslosigkeit gesehen, die ihr für immer den Mund schloß, innerlich aber war sie darum in nicht geringer Sorge. Eine Festivität folgte der anderen, Diners, Soupers und Dejeuners wurden in ihrem Hause veranstaltet, bei denen sie nicht ein mal die Zahl der Gänge zu bestimmen hatte und welche die teuersten Weine, den köstlichsten Cham pagner in Strömen fließen sahen. Es entging ihrem aufmerksamen Auge auch nicht, daß der Gatte Tau sende noch in anderer Weise verschwendete, wie er entgegen den Pflichten deS Ehemannes jedes auf strebende „Talent", wenn eS schön und jung und