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nach einer Audienz, in welcher der Kaiser mit ernsten Worten die Ausschreitungen der landwirtschaftlichen Agitation beklagte, die wahrheitsgemäße Behauptung des Kaisers einfach in Abrede gestellt. Der Rückzug der Berliner maßgebenden Kreise vor der agrarischen Agitation Hal also dazu geführt, das sieghafte Hoch gefühl der Bündler bis zum Ungeschick und bis zur anmaßenden Unehrerbiettgkeit zu steigern. Im Lande hat man das Gefühl, daß man in Berlin gegenüber diesen ostelbischen Herrschaften und ihrer Begehrlich keit nicht die erforderliche Festigkeit besitzt. Es ist an der Zeit, daß man der Nation Zuversicht wieder- giebt, daß die leitenden Kreise phantastische Pläne an der Schwelle abweisen". 8 Der Fischbedarf für die kaiserlich- Hoftafel entstammt zum größten Teil dem ungefähr 2000 Morgen großen Seddinsee im Kreise Zauch-Beizig. Er ist einer der fischreichsten «een der Mark Bran denburg. Unter seinen Bewohnern findet sich neben edleren Fischen, wie Karpfen, Hechten, Schleien, Barsen, auch der allergewöhnlichste Marktfisch, der Stint, der hier in großen Mengen gefangen wird. In einem abgegrenzten Teile des Sees wird eine besondere Karpfenzucht betrieben. Die Uf r des Sees sind überaus romantisch, stark bewaldet oder von Hügelketten umgeben. Die schmucken Dölfer Wildenbruch, Frähsdorf, KähnSdorf und Seddin ziehen sich am See entlang, und au seinem Ausläufer liegt, wie ein echtes Waldidyll, die Oberförsterei Kuners dorf. Der Seddinsee mit seinem Fischreichtum ge hörte bis vor Kucz-m der Bauernschaft von Seddin, die ihn an einen Fischer verpachtete. Jetzt Hai letz terer den ganzen See käuflich erworben, betreibt ein blühendes Fischereigeschäft und ist, auch ohne Bestal lung und Diplom, ein echter Hoflieferant geworden. 8 Von emem empfindlichen Verlust ist in Ber lin am Sonnabend abend der Reichsiagsabgeordnete v. H. betroffen worden. Derselbe hatte nach einem „Alte Herren-Diner", das vom Gesamtausschuß des allgemeinenVerbandes alterKorpsstudenten veranstaltet worden war, noch mehrere der „vornehmsten" Wein- und Bierhäuser besucht. Zum Schluß will Herr v. H. in einer Droschke umhergefahren sein. Als er dann nach Hause kam, bemerkte er, daß sein Hochele ganter Winterpaletot gegen einen anderen vertauscht war und daß ihm sein Leder-Portefeuille, welch-s er im Innern seiner Weste trug, mtt dem Inhalt von ca. 2000 M. in Hundertmarkscheinen in Verlust geraten war. In dem Portefeuille befanden sich außerdem verschiedene Legitimationspapiere des v. H. u. a. als Reichstagsabgeordneter. Der Verlierer sichert dem ehrlichen Finder eine Belohnung von 300 M. zu. Z Eine sensationelle Verhaftung erfolgte am Sonnabend nachmittag im Berliner Kriminalge- richte zu Moabit. Die Gräfin P. war, wie gemeldet wird, vor den Untersuchungsrichter geladen, um in einer Strafsache wegen Meineids vernommen zu werden. Es ist der Gräfin zur Last gelegt, in einem Zivilprozeß wissentlich falsch geschworen zu Haven, daß sie in keinem näheren Verhältnisse zu einem Doktor gestanden habe, der sich jetzt in Süddeutsch land aufhält. Die Vernehmung durch den Landge- richtSrat v. Makomaski fiel derartig belastend aus, daß die Gräfin P. auf der Stelle verhaftet und trotz aller Bitten sofort in's Untersuchungsgefängnis ab geführt wurde. Sonntag vormittag wurden mehrere Belastungszeugen durch den Untersuchungsrichter ver nommen, wrlche den wissentlichen Meineid deutlich nachwiesen. Auch der Doktor, welcher der Anstiftung zum Meineid verdächtig ist, soll jetzt in Hast genom men werden. Z Wegen Betrugs ist der Bauunternehmer Rother aus Weitzensee bei Berlin verhaftet worden. Er Margarethe. Original-Noman von M. Widdern. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „O, das freut mich sehr — und was — macht die Kleine", wollte das junge Mädchen noch frage» — wurde aber von dem Doktor unterbrochen, der vielleicht ahnte, was kommen sollte und die Antwort unbedingt nicht hören mochte. „Nun, Augustin, wie gefällt es Dir in Deiner neuen Stellung?" fragte er deshalb und dann setzte er noch rasch hinzu: „Ich habe sehr viel Gutes von Deinem Chef sprechen hören. Bankier Herrmann soll ein wirklich nobler Charakter sein und seine Beamten in einer so liebens würdigen Weise behandeln, daß sie wirklich ihres gleichen sucht — ich hoffe, Du bist nun doch end lich zufriedengestellt." „Ganz und gar", erwiderte Augustin, „meine Stellung ist eine sehr angenehme — und was das Gehalt anbetrifft — oder richtiger meine Einkünfte, so — nun, Vetter, sie kommen dem Deinen ziemlich gleich und wenn es darauf ankäme, so könnte ich damit alle Tage einen Hausstand gründen." „Mir wäre das Fundament nicht fest genug", sagte Herder ruhig, indem er sich erhob. „Meine Zeit ist da, Fräulein. — Du begleitest mich doch, Augustin", setzte er fast befehlend hinzu, indem er sich wieder von Margarethen fort an seinen Ver wandten wendete. Aber Augustin blieb ruhig auf seinem Platze. „Ich nehme an, daS gnädige Fräulein würde ein so schnelles Aufbrechen meinerseits für eine Un hat Bauhandwrrker um etwa 50,000 Mk. geschädigt, da er nie zahlte und sie durch Versprechungen zu einer weiteren Arbeitsleistung nötigte. Als er be drängt wurde, erklärte er: „Verklagt mich doch; wenn Ihr nur einen Pfennig bekommt, will ich noch 100 Mark zugeben." Z Kürzlich hat die Berliner Stadtverwal tung die Herstellung verschiedener Druckarbeiten, die bisher von Gebr. Grunert für 54 00V Mk. geliefert wurden, der Firma S. L W. Löwenthal übertragen, die nur 40 000 Mk. verlangte. Diese Unterbietung wurde von den Gebr. Grunert als unlauterer Wett bewerb bezeichnet. Auch riesen sie das Ehrengericht der Berliner Buchdruckereibesitzer an, welches folgen den Schiedsspruch gefällt: „Nach den eingehenden Erhebungen und vorgenommenen genauen Berech nungen ist das Ehrengericht zu der Ansicht gelangt, daß die von der Firma S. L W. Löwenthal abge gebene Offerte, betreffs Druck des Gemeindeblattcs und der dazu gehörigen Gemeindearbeiten mit den Grundsätzen einer vorsichtigen und soliden Geschäftsführung nicht vereinbar ist, und spricht die Firma S. L W. Löwenthal daher auf Grund des 8 43 des Bundesstatuts der unanständigen Konkur renz für schuldig." Nichtsdestoweniger hat die frei sinnige Berliner Stadtverwaltung die Druckarbeiten dem unlauteren Korkarrenten übertragen! 8 Halle a. S., 19. Febr. Der Nachmittags- schnellzug von Guben stieß im hiesigen Bahnhose auf den noch unbesetzten Kasseler Zug. Durch den Zusammenstoß wurden zwei Personenwagen zertrüm mert und die Maschine beschädigt. Bou den Passa gieren wurden einer verletzt. 8 Gegenwärtig graffiert in einzelnen Teilen Thüringens eine Krankheit unter den Ziegen, derbe- reiis gegen hundert Stück zum Opfer gefallen find. Die verendeten Ziegen haben g:oße Mengen Wasser im Leibe, und die Leber ist bereits in Zersetzung übergegangen. Bisher ist die Ursache der Krankheit noch nicht erkannt worden. Auch unter denimVogt- lande eingefühlten Schweizer Ziegen herrscht die Seuche. 8 Eisleben, 18. Febr. Gestern und vor gestern wurden hier wieder einige scharfe Erdstöße verspürt. Die Anwohner der betreffenden Gegend schweben in größter Augst. 8 Zur Eröffnung des Nordostseekanals werden alle deutschen Fürsten und alle seefahrenden Nationen im Auftrage des Kaisers Entladungen zu der im großen Stile zu veranstaltenden Eröffnungsfeier erhalten. 8 Im Reichshüllentheater zu K ö l n tritt gegen wärtig eins russische Sängerin mit einer größeren russischen Trupps auf. Jh-en Leistungen entsp'echend findet sie allseitig reichen Beifall und wird wiederholt hsrvorgerufen. Damit kann sich aber eine unter den Zuschauern befindliche vorlaute Gesellschaft eitler Franzosen nicht begnügen; sie will um jeden Preis Aufsehen erregen und iu echt französischffchauspiele- rischer Begier die Aufmerksamkeit auf sich selber ziehen; und so bringt ihr geradezu tolles Benehmen einen Mißton in die wohlverdienten und reichgespen- dcten Beifallsbezeugungen der anständigen Zuschauer. In Frankreich Pflegt man so plumpe und heraus fordernde Taktlosigkeit nut entsprechender Münze zu bezahlen; hier sollte diesmal eine der vornehmeren Denkart zusagendere Sühne eintreten: Die abermals hervorgerufene russische Künstlerin erschien nochmals auf der Bühne und sang unter tosendem Beifall — — Die Wacht am Rhein! Bei diesem moralischen Sturzbad verstummten die Franzosen und ihre langen Gesichter verkündeten, daß sie diesen Aktschluß nicht erwartet hatten. 8 In einem Wagen zweiter Klasse des gegen 3/410 Uhr von Köthen in Dessau einlaufsnden art halten," erwiderte er, indem er einen bittenden Blick in das Gesicht des jungen Mädchens warf. Wir tragen alle einen Dämon in unserer Brust und dieser Dämon zwingt uns, zu Zeiten Worte zu sprechen, die ganz und gar in keinem Einklänge mit unserem Denken stehen, auch Grethe beherrschte er im Moment derart, daß sie auf die stumme Frage in den Augen ihres neuestgckommenen Gastes freund lich erwiderte: „Ganz gewiß würde ich das!" Und doch wußte sie ganz genau, daß sie eine ganze andere Antwort hätte geben müssen und wie diese direkte Bestätigung von Augustins Wünschen, auch noch unter vier Augen mit ihr zu plaudern, eine Beleidigung für den Mann sein mußte, dem sie Herz und Hand versprochen. „Aber hat er mich heule nicht auch gekränkt?" versuchte sie ihr Gewissen zu beruhigen. „Ich bin ja nur ein irdisch Wesen, habe Fehler und Gebrechen wie alles, was auf Erden geboren, warum sollte ich mir nicht die kleine Re vanche gestatten?" Es war zum erstenmal, daß Margarethe sich der artigen Gedanken hingab. Aber wenn sie sich inner lich auch ihrer schämte, so that sie doch nichts, um die aufsteigende Erbitterung gegen sie im Herzen des geliebten Mannes wieder zu besänftigen — sie ließ ihn ruhig gehen, ja, heute begleitete sie ihn nicht ein mal, wie sie es in den letzten Tagen immer gethan, bis an die Gartenthür, und als er sein Auge finster und forschend in das junge Gesichtchen senkte, da zeigte sich plötzlich ein ganz neuer Zug darin — ein Zug von Trotz und Stolz. Ein tiefer Atemzug hob die Brust des Doktors, oder war es ein Seufzer, mit dem er eine neue traurige Erfahrung beklagte? ZugeS fand ein Schaffner beim Oeffnev die Leichen eines junges Paare« vor. Beide hatten, der junge Mann in der rechten, das Mädchen in der linken Schläfe, eine frische Schußwunde, aus der Blut hervorquoll. Der junge Selbstmörder hielt einen Revolver in der Hand, mit dem er offenbar erst daS Mädchen erschossen und dann sich den Tod gegeben hatte. Aus den bei den Leichen gefundenen Papieren ging hervor, daß der junge Mann ein gewisser Walther Klotz, Sohn des Restaurateurs Klotz in Dessau, das etwa 18- bis 20jährige Mädchen eine gewisse Marie Eggert aus Leipzig ist. Wie auS einem bei dem jungen Mann gefundenen Briefe er sichtlich ist, hat unglückliche Liebe die Beiden in den Tod getrieben. Bet dem Mädchen fand sich eine Visitenkarte mit den Worten: „Ich gehe freiwillig in den Tod." Von anderer Seite wird noch be richtet: Mit Bestimmtheit hat sich die Persönlichkeit des jungen Mädchens noch nicht feststellen lassen. Aus den bei der Leiche Vorgefundenen Papieren läßt sich vermuten, daß das Mädchen mit der unverehe lichten Gruneberg aus Halle oder Leipzig identisch ist. Bis zur Rekognitw« werden die Leichen in der Halle des Friedhofs III untergebracht. 8 Karlsbad, 18. Febr. Im Keller des „Vindobona" genannten und in der Franz Josef- straße gelegenen Haufes ist gestern eine mächtige heiße Heilquelle aufgebrochen. ** Bern, 18 Febr. Dis furchtbare Kälte dauert an. Der Zugersee ist zugefroren, desgleichen zum Teile die Rhone in Wallis, was seit Menschen- qedenten nicht vorgekommen ist. Die Züge vom Mont Cenis und aus Frankreich erlitten wegen neuer Schneefälle gewaltige Verspätungen, einzelne blieben sogar gänzlich aus. ** Aus Wren. Der Tod des Erzherzogs, Feldmarschalls Albrecht, hat in Wien große Teil nahme hervvrgerufen, seine große Wohlthätigkeit und sein soldatisch einfaches Wesen hatten ihn recht be liebt gemacht, zudem war er der einzige österreichische General, an dessen Namen sich noch Vie Erinnerung an eine große Waffenthat knüpfte. Sein Sieg in der Schlacht bei Custozza im Feldzuge von 1866 gegen die Italiener ist eine hervorragende Feldherrn- leistung. Erzherzog Albrecht, am 3. August 1817 geboren, war Ser älteste Sohn des berühmten Erz herzogs Karl, der Napoleon I. bei Aspern aufs Haupt schlug. Der Prinz trat früh in die Armee ein und zeichnete sich 1848 in Italien bei Mortara und Novara aus. 1866 hatte er das Oberkommando in Italien und wurde nach Königgrätz zum General- 6n-ost6k aller österreichischen Armeen ernannt. Er kam aber nicht mehr dazu, Preußen gegenüber zu kommandieren. Als Generalinspckteur der Armee war der Erzherzog bis in seine letzten Lebensjahre thätig. Vermählt war er mit der Prinzessin Hildegard von Bay-rv, die ihn im Tode voranging. Seine Tochter Maria Theresia ist mit dem Herzog Philipp von Württemberg vermählt. Die Beisetzung, zu welcher Kaiser Franz Joseph erwartet wird, erfolgt unter großen militärischen Ehren; der deutsche Kaiser, der König von Sachsen u. a. haben Beileidstelegramme gesandt. Der Lieblings-Aufenthalt des Erzherzogs war Arco in Südtirol, wo auch der Tod erfolgte. ** Nus Wien: Zum Hmfchsiden des Erzher zogs Albrecht wird gemeldet, daß der Tod ohne längeren Kawpf erfolgte. Die Züge des Verewigten sind deshalb auch fast gar nicht verändert. Kaiser Franz Joseph ist nach Wien zurückgekehrt. Er be merkt zu dem Trauerfall: „Sein Tod ist ein großer Verlust für Oesterreich, denn er ist ein großer Feld herr gewesen". Der Erbe des erzherzoglichen Fidei- kommffsars ist der Neffe des Verstorbenen, Erzherzog Friedrich. Zum großen Gatsbesitze des Erzherzogs Dann aber verneigte er sich kühl — kaum gegen Augustin gewandt, der sich mit triumphierendem Lächeln auf seinen Stuhl zurücklehnte, und verließ, ohne Margarethens Hand zu ergreifen, den Garten. Er wußte, daß ihm zwei Paar Augen folgten, aber ganz gewiß ahnte er nicht, mit wie qualvollen Gefühlen ihm die der Geliebten nachsahen, ahnte er nicht, daß die kleine holde Menschenblume, die er an seine Brust stecken wollte, ihm am liebsten nachgeeilt wäre, ein verzeihendes Wort zu erflehen. — Aber nein, so lächerlich konnte sie sich vor ihrem Gaste nicht machen, um keinen Preis. Augustin wußte ja nicht, in welch' nahen Beziehungen sie zu Johannes Herder stand. Aber die Thränen waren ihr doch in ine Augen ge stiegen und um sie zu verbergen, bückte sie sich, als gelte es, irgend etwas, das am Boden lag, aufzuheben. Es fehlte Augustin nicht an einem gewissen Scharfblick, und so blieb ihm die tiefe innere Er regung Margarethens durchaus nicht verborgen. „Sie dürfen sich durch die seltsame Art meines Vetters nicht gar zu sehr gekränkt fühlen", sagte Augustin zu Grethe in teilnehmendem Ton, während doch ein Zug von Neid um seine Lippen bemerkbar wurde. „Ich sagte Ihnen ja wohl schon in D. bei einer ähnlichen Gelegenheit, Johannes ist nun ein mal durch und durch Sonderling, wenn nicht noch etwas Schlimmeres, und wird es Zeit seines Leben« bleiben". Und dann setzte er mit einem Seufzer hinzu: „Sein armer Heimgegangener Engel wußte ein Liedchen dazu zu singen". „Meinen Sie die Gattin deS Doktors?" fragte Margarethe hier, anscheinend auf daS Lebhafteste interessiert. Und als Augustin bejahend den blonden