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bis zu welcher Zeit sie sich offenbar wärmen wollten, zu Fuße nach Ansbach wandern zu wollen. Der Portier war hierdurch von seinem Mißtrauen nicht geheilt, er holte einen Gendarmen herbei. Obwohl dieser von dem Raubanfall auf den Briefträger Breit feld nichts wußte, erweckte das scheue Wesen der Beiden, die sich Saupe und Kleinschmidt nannten, und ihreLegitimationSlosigkeit bei ihm den Berdachl, sie müßten irgend etwas begangen haben, und er gab dieser seiner Vermutung unverhohlen Ausdruck. Endlich legten die Beiden ein Geständnis ab. Sie erklärten, den Raubanfall seit lange geplant, ohne freilich es auf die Ermordung Breitfelds abgesehen zu haben. Nach der That seien sie noch selbigen Tages 30 kni marschiert und dann bet grimmiger Kälte durchs Vogtland aus dem westlichen Teil Böhmens nach Bayern gewandert, die Nächte in der Regel in den Wartesälen der Bahnhöfe zubringend. Werner hat infolge der Kälte erfrorene und aufge- brochene Füße, Schmidt 3 durchbissene Fmgsr. — Zwickau, 20. Febr. Seit Jahren wird die Zwickauer Mulde, namentlich oberhalb Zwickaus im Gebirge, durch Einführung chemischer und mecha nischer Stoffe sehr durch die Großindustrie verun reinigt, daß alles organische Leben in derselben mehr und mehr erstirbt. Wegen der durch diese, die wirt schaftlichen und gewerblichen Verhältnisse arg schädi genden Muldeoverunretnigung wird gegenwärtig von verschiedenen Seiten um staatlichen Schutz gebeten. — Gersdorf, 22. Febr. Heute morgen in der zweiten Stunde wurden wir durch Feuerlärm geweckt. Es brannte beim Gartenguts- und Fuhr werksbesitzer Roßner an der Lichtensteinerstraße. Scheune, Stallungen und das vom Bruder des Be sitzers bewohnte Seitengebäude fielen dem Elemente zum Opfer. Dank der erschienenen Wehren mit ihren Spritzen, von denen die Ortsspritze zuerst am Platze war, wurde wenigstens das Wohnhaus gerettet; leider fanden auch 2 Pferde in den Flammen ihren Tod. — Oelsnitz i. E., 22. Fcbr. Gestern früh wurde der steckbrieflich verfolgte ehemalige Bergar beiter Carl Ernst Pöschmann aus Adorf bei Chem nitz, in Hohndorf heimlich aufhaltend, ermittelt und festgenommen. Derselbe hat in letzlerer Zeit meh rere Einbruchsdiebstähle in unserer Gegend ausgeführt. — Auf dem Oelsnitz-Lugauer Kommu nikationswege innerhalb Oelsnitzer Rittergutsflur sind kürzlich 10 Stück Bäume umgebrochen worden. Demjenigen, welcher über den Thäter dergestalt An zeige zu erstatten vermag, daß zu einer Bestrafung desselben zu gelangen ist, wird von der R-tterguls- herrschast Oelsnitz eine Belohnung von 10 Mark zugesichert. — In Freiberg ward dieser Tage ein Mann zu Grabe getragen, in dem die deutsche Wissenschaft einen ihrer berufensten Vertreter betrauert: Bergrat Professor Moritz Ferdinand Gätzschmann, der 1800 in Leipzig geboren war. 1829 wurde er Maschinen bausekretär und damit zugleich Assessor in allen säch sischen Bergämtern in Maschinenbauangelegenheiten. Von 1834 an übernahm er den Vortrag über Berg baukunde an der Freiberger Akademie, erhielt im Jahre 1836 den Pcofeffortitel und im Jahre 1862 in An erkennung seiner außerordentlichen Verdienste den Bergratstitel. Diese Professur hat er bis Schluß des Lehrjahres 1870/71 inne gehabt. Gätzschmann zeich nete sich bei seiner eminenten wissenschaftlichen Be gabung durch außerordentliche gründliche Kenntnis und durch eine ebenso gründliche Behandlung seiner Wissenschaft aus. — Naunhof, 21. Febr. Beim Abbruch des früher Kupferschen Gutes stießen die Arbeiter auf eine große Anzahl Silbermünzen ans dem 15., 16. und 17. Jahrhundert. Die dem Baumeister Oeh michen als Grundeigentümer gehörigen 65 Silber münzen dürften gewiß das Interesse der Münzen sammler erregen. — Meißen, 20. Febr. Das „Meiß. Tgbl". schreibt: Das Schlittenveloziped, welches schon feit längerer Zeit erfunden ist, scheint hier noch wenig bekannt zu sein, denn als dieser Tage ein solcher „Schlittenradler" mit seinem Vehikel die Straßen der Stadt passierte, erregte das Schlittenveloziped allge meines Aufsehen. Diese Art Beförderungsmaschinen werden ähnlich dem System Rover fabriziert. An Stelle des Vorderrades befindet sich eine feststehende Kufe, und das Hinterrad ist wie beim gewöhnlichen Rover gestaltet, auch mit Pneumatik-Reifen versehen. Durch gute Uebersetzung wird nun das Hinterrad in Bewegung gesetzt und dadurch das Schlitenveloziped auf dem Schnee fortbewegt. Eine praktische Erfin dung ist es nicht, da die Anforderung an die Kraft leistung des Fahrers eine ganz bedeutende ist. Außer dem kann doch kein Mensch bet scharfer Luft und kalter Temperatur ein längeres Fahren aushalten, wenn er nicht seine Gesundheit leichtsinnig aufs Spiel setzen will. 8 Berlin, 22. Febr. Wie das hiesige Po lizeipräsidium feststellte, rührt ein umfangreiches anar chistisches Material, welches jüngst über die preußische Grenze nach Rußland geschmuggelt werden sollte, deswegen ein preußischer Stationsafsistent in Ruß land gefangen gehalten wird, aus der Buchhandlung des „Vorwärts" her. Der Absender sei der Sozial demokrat Bruns und habe angeblich im Auftrage des Reichstagsabgeordneten Fischer gehandelt, der, auf seine Immunität fußend, Aussagen verweigert. 8 Der diesjährige, so überaus schoeereiche Win ter hat der Stadt Berlin, wie dortige Zeitungen Mitteilen, das nette Sümmchen von 780000 Mark für di- Säuberung der Straßen von dem, den Ver kehr hemmenden Schnee gekostet. Jnsgesammt find etwa 30 000 Fuhren Schnee aus dem Innern der Reichshauptstadt herausgebracht worden, sodaß viele Brotlose Beschäftigung und Verdienst gefunden haben. 8 Berlin, 22. Febr. Aus Bremen wird ge meldet, daß der „Norddeutsche Lloyd" acht Taucher in Dienst genommen hat, um das Wrack der „Elbe" suchen zu lassen. Es handelt sich dabei weniger um die Bergung der Leichen, als um die Ausfindung der Postwertsachen. Die Taucher-Arbeiten sollen acht Tage lang dauern. Für die Bergung der Wertsachen, die auf 360000 Mark geschätzt werden, ist eine Prä mie von 10000 Mark gesetzt. Jeder Taucher hat vertragsmäßig täglich neun Mal in die Meerestiefe hmabzusteigen und erhält für jede Fahrt 20 Mark, also Pro Tag 180 Mark. 8 Eine mehr als sensationelle Meldung, wenn sie wahr sein würde, die aber doch wohl aufgebauscht oder entstellt ist, bringt das Berliner Kl. Journal. Sie lautet, wie folgt: „Das Komitee für die Hinter bliebenen der „Elbe"-Verunglückten scheint mit der Verteilung der eingelaufenen Gelder zu langsam und bedächtig vorzugehen. Aus Bremerhaven wird uns der emsitzliche Fall gemeldet, daß dort eine Frau P., die Gattin eines Opfers jener furchtbaren Katastrophe, buchstäblich verhungert ist, nachdem sie sich mehrere Male vergeblich um eine Unterstützung an das Komitee gewandt hatte. Der Unglücklichen wurde keine Hilfe, sondern immer nur die Antwort, die bestimmte Summe sei noch nicht gesammelt, und, wenn dies der Fall, würde das Geld angelegt, und die Zinsen würben dann zur Verteilung an die Hinterbliebenen gelangen." Das erscheint doch wirklich schwer zu glauben. Vom Untergang der „Elbe" wird noch die folgende kleine Geschichte erzählt: „In der schwedischen Stadt Malmö wohnte ein junger Kaufmann, der sich kürzlich mit einer Kopenhagnerin verheiratet hatte. Sein Geschäft ging indeffen nicht gut, und eines Tages sagte er seiner Frau, daß er, wie schon häufig, eine kleine Geschäftsreise unternehmen müsse. In Wirklichkeit reiste er nach Amerika. Seine pekuniären Verhält nisse waren nämlich viel schlechter, als er es wagte seiner Frau einzugestkhen, und da er in Amerika eine Schwester besaß, die ihm eine gute Stelle in Aussicht gestellt hatte, beschloß er, dorthin zu reisen. Er wagte nicht, seiner Frau diesen Plan mitzuteilsn, denn sie würde nie eingewtlligt haben, sich so lange von ihm zu trennen; er dachte, sie solle ihm folgen, wenn er in Amerika sine gut« Stellung erlangt haben würde. Die junge Frau hat einen reichen Bruder in Kopenhagen. Dieser las eines Tages den Namen seines Schwagers unter den mit der „Elbe" unter gegangenen Passagieren. „Unmöglich," dachte er, „mein Schwager ist in Malmö." Er depeschierte an feine Schwester und erhielt die Antwort, ihr Mann befände sich auf einer Geschäftsreise. Diese Mittei lung erregte seinen Verdacht. Dann kam ein Brief von der Schwester des Kaufmanns in Amerika und alles klärte sich auf. Die junge, schöne Kopenhage nerin war Witwe geworden, und sie hatte nicht ein mal recht Abschied von ihrem Manne genommen. Sie meinte xa, er sei nur einige Tage verreist. 8 Folgender interessanter Fall aus dem Tierleben wird oen „Hamb. Nachr." als verbürgt mitgeteilt, der sich in dem Gute H. in Holstein zugetragen hat. Auf einem Teiche daselbst brütete ein Schwanen- weibÄen auf vier Eiern. Da von der Gutsherrschaft eine Vermehrung der Schwanenfamilie nicht gewünscht wurde, wurden der Frau Schwan die vier Eier aus ihrem Neste weggenommen und ihr dafür zwanzig Enteneier untergeschoben, was sie sich auch ruhig ge fallen ließ. Als der Herr Schwan aber die Fülle der Eier in dem Neste bemerkt hatte, warf er alle Eier bis auf vier Stück hinaus. Die Frau Schwänin brütete nun weiter. Als die zurückgelaffenen vier Eier ausgebrütet waren und sich vier kleine Enten dem Schwanenpaar zeigten, war dasselbe darüber offenbar erstaunt. Es stieß die kleinen Dinger hin und her und umkreiste unruhig das Nest. Das Ende davon war, daß der männliche Schwan, der diese Nachkommenschaft offenbar als die feinige nicht an erkennen wollte, dieselbe tot biß. 8 Wegen entsetzlicher Behandlung seiner Mutter ist in Okonin (Kreis Graudenz) der Besitzer Langau in Untersuchungshaft genommen worden. L. hat seine Mutter, die jetzt verwitwete Frau Blech, längere Zeit in einer Stube gefangen gehalten. Von den Fenstern des Zimmers war eins mit Brettern ver nagelt und nur zu Festtagen und erst auf Bitten der Frau B. wurde eine Reinigung des Aufenthaltsorts vorgenommen. Licht ist ihr niemals verabfolgt wor- den. Seit vorigem Sommer wurde sie schon gefangen gehalten. Ihre Schwiegertochter, Frau L., nannte die 84jährige Greisin nicht anders als „Hexe!" Dem 8. waren einige Stück Vieh gefallen, und nun wurde die alte Frau beschuldigt, das Vieh mit ihrem Blick behext zu haben! Die Schwiegertochter sorgte namentlich alsdann dafür, daß das Vieh dem Blick der „Hexe" entzogen wurde. Auch als einmal das Buttern mißlang, bezichtigte man die alte Frau der Hexerei und schickte einen etwas verwachsenen Enkel (einen Sohn des 8.) zu der Großmutter, welcher ihr zwei Küsse übers Kreuz geben und dadurch den Hexen bann lösen sollte!!! Die bedauernswerte Frau ist durch die grauenhafte Behandlung bet der hinzutre- tenden Altersschwäche körperlich entsetzlich herunter gekommen, und auch ihr Geistes- und Seelenzustand hat gelitten. Endlich kam der Vorfall zur Anzeige und wurde Frau B. nunmehr zu einem Verwandten nach Tusch gebracht. Ueber ihr Vermögen in Höhe von 15000 M. soll sie früher schon zu Gunsten ihres Sohnes 8. verfügt, in letzter Zeit aber beabsichtigt haben, diese Verfügung zu ändern. 8 Postsekretär Städtke in Spandau, der das Geldfaß stahl, ist ein gewissenloser Schurke. Seine Familie hat er in völliger Mittellosigkeit zu rückgelaffen, denn ohne Wissen seiner Frau, die ihm unbegrenztes Vertrauen schenkte, hat er deren Ange brachtes Vermögen, gegen 30000 Mark, gänzlich durchgcbracht. Dabei spielt der Mensch den Bieder mann, stritt als Vorsitzender des Antrsemitenvereins für deutsche Redlichkeit und trägt auch jetzt nach seiner Entlarvung eine freche Stirn zur Schau. 8 Bochum, 22. Febr. Dem „Bochumer An zeiger" zufolge ging gestern abend 8 Uhr ein großer Falschmünzerprozeß, welcher vor dem Bochumer Schwurgericht verhandelt wurde, zu Ende. Der Hauptschuldige ist zu fünf Jahren Zuchthaus ver urteilt worden, während die Uebrigen eine Gesamt strafe von 14 Jahren Zuchthaus bis zu 6 Jahren Gefängnis herab erhielten. Die Verurteilten wur den überwiesen, 50 und 5-Markscheine nachgemacht zu haben. Es waren über 100 Zeugen in dem Pro- zeß geladen. 8 8 aibach , 22. Febr. Die Frau eine« Regie rungsbeamten sprang m den 8aibachfluß, weil ihr Sohn ein schlechtes Schulzeugnis brachie. Der 15- jährige Realschüler Em.l Meden, Sohn eines Advoka- ten,erschoßsich gleichfalls eines schlechten Schulzeugnisses halber. ** Triest, 22 Febr. Vergangene Nacht ver haftete die Polizei eme Frau Ottilie Staglio wegen Mitschuld der Teilnahme an den verbrecherischen Operationen der in Budapest verhafteten internatio nalen Einbrecherbande. Deutscher Keichstag. Sitzung vom 22. Februar, Die Beratung der Tabaksteueroorlage wird fort gesetzt. Abg. Bassermann (nl.): Ein Teil meiner Freunde und ich selbst sind nicht der Ansicht, daß wer die Mtlitärvorlage bewilligt hat, nun auch die Tabakfabrikatsteuer annehmen müsse. Schon bei Be ratung der Militärvorlage wurde darauf hingewiesen, daß deren Kosten event. durch höhere Matrikularbei- träge zu decken seien. Die vorliegende Steuer wider spreche vor allem der Zusage, daß jene Kosten auf die leistungsfähigeren Schultern gelegt werden sollten. Wie die Steuer geplant ist, wird sie hauptsächlich den ärmeren Teil des Tabak konsumierenden Publi kums, sowie die kleinen Produzenten und Arbeiter treffen. Zur Deckung der Kosten der Mtlitärvorlage bedarf es gar nicht der Tabakfabrikatsteuer. Weshalb beschreitet man nicht den Weg der direkten Reichs steuer? Die Annahme der Vorlage würde einen starken Konsumrückgang zur Folge haben, denn eine Mehrbelastung von 30 Mill. Mk. kann das rauchende Publikum nicht tragen. Die Vorlage würde auch eine Monopolisierung des Tabakhandels in wenig Hände zur Folge haben und so dec Einführung des Monopols Vorschub leisten. Dann steht der Vor lage das Bedenken entgegen, daß die Fabrikatsteuer sich beliebig emporschrauben lasse, sodaß daS Tabak gewerbe doch nicht zur Ruhe kommen würde. Es würden umfangreiche Arbeiterentlassungen stattfinden müssen, was um so bedenklicher wäre, als es beiden jetzigen Verhältnissen sehr schwer sein würde, die Entlassenen irgend wo anders unterzubringen. Den großen Betrieben würde die Steuer nichts schaden, um so mehr aber den kleinen. Wird die Vorlage Gesetz, so wird eine Reihe von Existenzen sofort auf hören und das wäre um so bedauerlicher, als gerade innerhalb der Tabakindustrie ein ununterbrochener Aufstieg der Existenzen von unten nach oben, vom Arbeiter zum hausindustriellen Unternehmer statt findet. Die Fabrikatsteuer wird unseren Tabakbau ebenso gewiß schädigen, wie es gewiß ist, daß der Verbrauchsrückgang hauptsächlich den inländischen Tabak treffen würde. Zu befürchten ist auch, daß auf Kosten unseres inländischen Rauchtabaks der Verbrauch von Cigaretten und von fremdländischem Rauchtabak in kleinen Pfeifen zunehmen wird. Zur Erzielung von Mehreinnahmen aus dem Tabak halte ich nur den Weg einer Zollerhöhung für geeignet. Auf diesem Boden bin ich mitzuwirken bereit. Abg. Dr. Schädler (Cmtr.): Das Centrum hat, wie bereits bemerkt, die Reichseinkommensteuer und die Reichserbschaftssteuer abgelehnt. Bezüglich der Einkommensteuer bin ich derselben Ansicht; was aber die Reichserbschaftssteuer anbelangt, so weiß ich noch nicht, ob man nicht trotz aller föderativen Bedenken zu einer solchen Steuer schreiten könnte. Graf Holstein hat das Bier erwähnt, aber da hat schon der Herr Staatssekretär mit Recht betont, daß alsdann die süddeutschen Staaten höhere Aversen zahlen müßten, und das ist dasselbe, als wenn sie höhere Matrikularbeiträge zahlen müßten. Was die Vorlage anlangt, so ist auch der Teil meiner Freunde, der der Tabakssteuervorlage freundlich gegenübersteht, der Ansicht, daß sie sich auf diese vorliegende Form der Steuer nicht festlegeu lassen wollen, aber sie