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Handes und des Deutschnationalen Handlungsgchil- fenverbandes über die Erzielung einer Interessenge meinschaft beider Verbände jüngst eingetreten sind. Nachdrücklich wird dabei betont, daß der Leipziger Verband seine strikte Neutralität gegenüber Politik find Religion aufrecht erhalte, rind daß auch das neue Gebilde unpolitisch bleiben müßte. Die Ueber- kinstimmung beider Verbände in bezug auf die sozial politischen Ziele und die Notwendigkeit des Zusam menschlusses der Gehilfen gegenüber dem immer stär ker werdenden Widerstande der Unternehmer auf so zialpolitischem Gebiete hätten zu der Erkenntnis ge führt, die gegenseitige Befehdung einzustellen und die vereinte Kraft auf die Durchführung der sozialpoli tischen Forderung zu richten. Ob dies geschehen könne pnd wie es zu geschehen habe, erörterte die eingesetzte Kommission; die Generalversammlung des Verbandes habe das Schlußwort zu sprechen. Falls die Ver handlungen zu einer Interessengemeinschaft führten, Mürben sich die beiden Verbände auf einer mittleren Linie treffen, auf der die ganze Haudlungsgehilfen- hewegung marschieren müsse, auf der jedoch von Par teipolitik nicht die Rede sein könne. — (Der nächste Ablösungstransport nach Ostasien) in Stärke von etwa 65 Offizieren, 40 Deckoffizieren (und 1000 Mann wird mit dem Dampfer des Nord deutschen Llohd „Rhein" zur Beförderung gelangen. Der Dampfer soll am 25. April von Bremerhaven fabgehen und am 7. Juni in Tsingtau eintreffen. Der selbe Dampfer wird dann am 17. Juni mit dem heim- kehrenden Truppentransport die Rückreise antreten, von welcher er am 31. Juli wieder in Bremerhaven zu erwarten ist. Ausland. Wien. (Eine fast unglaubliche Meldung) bringt die Wiener „Reichspost" aus Favoriten. Bei einem Balle der Gastwirte-Vereinigung soll sich die Regi- Mentsmusik des kaiserlich-königlichen 72. Infanterie regiments geweigert haben, die Nationalhymne „Gott (erhalte" zu spielen. Das Regiment ist ein ungarisches Und liegt in Preßburg. Mit Recht fordert die „Reichs post" rasche Aufklärung. Denn daß der magyarische Chauvinismus derart schon die Armee angefressen habe, möchte man im Interesse der Gesamtmonarchie lieber nicht glauben. Aus Nah und Fern. Lichtenstein, den 20. Februar 1908. *— Eine Winterlnndschaft in schönstem Weiß präsentierte sich heute früh den erstaunten Blicken. Frau Holle war in der Nacht recht fleißig gewesen, ihr gleich taten es am Morgen die Schneeschaufler. Wie lange wird sich der Schnee seines Daseins er freuen? *— Aenderung der Fernsprechgebühren- Drdnung Zu denjenigen Korporationen, die zur geplanten Aenderung der Fernsprechgebühren Stel lung genommen haben, ist jetzt auch die Leipziger Handelskammer getreten. Sie hat ihren Standpunkt in einer an das Ministerium des Innern, an das Reichspostamt und den Deutschen Handelstag gerich teten Entschließung niedergelegt. Diese lautet: Die Handelskammer erblickt in der Beseitigung des Pau- schalgebührensystems nach den in der Denkschrift des Reichspostamtes wegen Aenderung der Fernsprechge bührenordnung enthaltenen Vorschlägen eine unan gemessene Verteuerung, sowie eine lästige Erschwerung und Beschränkung des für Handel und Industrie not wendigen Fernsprechverkehrs und spricht sich daher gegen diese verkehrsfeindliche Maßregel aus. Sie gibt gleichzeitig der Ueberzeugung Ausdruck, daß es ohne grundsätzliche Aenderung des jetzigen Gebühren systems gelingen wird, einen Ausgleich zwischen der Belastung der Pauschalgebühren- und der Grund gebührenanschlüsse herbeizuführen und die mit dem Pauschalgebührensystem verbundenen Betriebs schwierigkeiten zu beheben. Sie befürwortet zu die sem Zwecke die Ermächtigung des Reichspostamtes, in Fällen dauernder Ueberlastung eines Anschlusses die Einrichtung eines weiteren Anschlusses von dein betreffenden Teilnehmer zu verlangen. Die Kammer begrüßt die in der Denkschrift vorgesehene Einfüh rung einer Gebührenstufe von 75 Pfennig im Fern verkehr für Gespräche auf Entfernungen von 100 bis 200 Kilometer und spricht die Erwartung aus, daß diese Verkehrsverbesserung unbeschadet der im Orts verkehr in Aussicht stehenden Aenderungen baldigst durchgeführt werde. * — Fünf Sonnabende. Der Februar weist diesmal zwei nicht alljährliche Erscheinungen auf. Er hat nicht nur einen 29. Tag, sondern auch, was vielleicht den allerwenigsten bisher ausgefallen ist, er hat auch fünf Sonnabende, trotzdem er der kür zeste Monat des Jahres ist. Der 29. Februar kehrt ja alle vier Jahre, also in einem Schaltjahre wieder. Der Fall aber, daß der Monat Februar fünf Sonn abende zählt, tritt nur aller 28 Jahre ein, wenn der 1. Februar auf einen Sonnabend fällt. * — Der Verein der Saalinhabcr im König reich Snchsen beschloß an den Landtag eine Ein gabe zu richten, in der um Aenderung der unzeitge mäßen Fassung der Bestimmungen über die Sonn tagsruhe dergestalt ersucht werden soll, daß die „stille Zeit" vor Ostern auf höchstens eine Woche, oder wie in Preußen auf nur 4 Tage verkürzt werden soll. * — Ein Vorstoß gegen die Einheitssteno- graphic. Von Berlin aus richtet der Vorstand des Stenographenverbandes Stolze-Schrey (Max Bäckler) an das sächsische Kultusministerium das Ersuchen: „Für den stenographischen Unterricht an den höheren Lehranstalten des Königreichs neben dem Gabels- bergerschen Systeme das stenographische Einigungs system Stolze-Schrey zuzulassen, und, wenn sich nach vergleichender Beobachtung der Lehrerfolge die Ueberlegenheit des Systems Stolze-Schrey heraus stellt, das Gabelsbergersche System durch dieses zu ersetzen". — Diese Eingabe ist so unzeitgemäß wie nur möglich, denn gegenwärtig treffen die deutschen Regierungen, wie unsere Leser wissen, Vorbereitun gen, um eine einheitliche deutsche Stenographie zu schaffen. Da sollte die Regierung des Königreichs Sachsen, das schon seit 35 Jahren im glücklichen Be sitz einer Einheitsstenographie ist, diese aufgeben und dem stenographischen Systemkampf auch die Pforten der sächsischen höheren Schulen öffnen? Man darf Wohl als sicher annehmen, daß das sächsische Kultus ministerium die obige Eingabe auf sich beruhen lassen wird, zum mindesten bis die Ergebnisse der amt lichen Stenographiekonferenz vorliegen. * — Soldaten. Eine Abteilung des dritten Ula- nen-Regiments Nr. 21, die zu der am 21. dieses Monats stattfindenden Winterfelddienstübung zwischen dem 133. und 134. Infanterie-Regiment dem Zwickauer Regiment zugeteilt ist, kam gegen Vü11 Uhr vormittags durch unsere Stadt, die Jugend natür lich hinterher, bis sie dem lustigen Trabe der schneid digen Reiter nicht mehr zu folgen vermochte. *— Die fünfte Große allgemeine Kanin- chen-AuSstellnng des Kaninchenzüchtervereins Lich- tenstein-Callnberg findet am 23. und 24. Februar im Krystall-Palast statt. Wie uns von zuständiger Seite mitgeteilt wird, hat die Ausstellung noch nie einen so großen Umfang gehabt wie diesmal, sind doch für den Katalog bereits 327 Nummern aus ganz Sachsen angemeldet. Auch aus Oesterreich sind Kochbücher über die Zubereitung des Kaninchen fleisches zum Verkauf ausgestellt. Alle Interessenten der Kaninchenzucht machen wir schon heute auf diese Ausstellung aufmerksam. s. Bernsdorf. (Das gestrige Maskenfest) im Fröhlich'schen Gasthofe gestaltete sich zu einem vollen Karnevals-Erfolge. Wohl an 200 Masken waren zn einem tollen Reigen erschienen, und die Zuschauer drängten sich in solcher Zahl, daß der lustige Prinz darüber seine Freude haben konnte. Den ersten Her renpreis erhielt die Maske „Knecht Rupprecht" (Herr Milchhändler Eichhorn-Lichtenstein) in Gestalt eines silbernen Kruges. Von den Damen wurden Prämiiert die „Fischerin" (Fräulein Furner-Hermsdorf), sie er hielt eine Fruchtschale, während die „Brieftaube" (Fräulein Tippner-Niederlungwitz; eine Butterglocke als Preis in Empfang nehmen konnte. Den Herren- Trostpreis (eine Flasche Wein) heimste Herr Richter aus Hohenstein ein. Dem Griesgram war an die sem Abend die Tür versperrt und nur der Freude Einlaß gegeben. Man sah die sonderbarsten Pärchen durch den Saal schweben. Hier hatte ein Affe ein Wäschermadel im Arm, dort.hupft ein ehrsamer Kreuz ritter mit einer reizenden Brieftaube und da gar ein Schornsteinfeger mit einer Schwiegermutter. Ein Harlekin, ein Clown macht seine Scherze. Man lacht und scherzt und neckt sich und knüpft manch zartes Band an. Man trinkt und singt und ist guter Dinge. Und dann erfolgt die Demaskierung. Die Masken fallen. Erstaunte Gesichter schauen sich an. Mancher ist erfreut. Manch einer weniger. Aber ein jeder schickt sich in sein Los, und das Fest nahm seinen wei teren Verlauf, bis die frühe Morgenstunde Schluß ge bot. Aber die schöne Erinnerung an den frohver- lcbten Abend bleibt. Mülsen St. Facob. (660 Mark Spargelder) konnten an 13 Konfirmanden aus gezahlt werden durch die hiesige Filiale des Dresdener Vereins zur Konfirmandcn-Aussteuer, der seit 19 Jahren fegens-; reich hier wirkt. Bockwa (Diebstahl.) Sonntag Abend wurde in das Wagendepot der Zwickauer Elektrischen Straßen bahn eingebrochen. Der Dieb hat eine Kassette mit 180 Mark gestohlen, die später, mit einem Schlüssel geöffnet und bis auf 60 Pfennige entleert, in einer Scheune in Bockwa aufgesunden wurde. Der Täter ist noch nicht ermittelt. Frankenberg. (Verhaftet.) Unter dem dringen den Verdacht durch Gewalttätigkeiten den Tod der unverehelichten aus Hainichen stammenden 38jährigen Dienstmagd Emilie Roeßger (bei Gutsbesitzer Hau- ! bold im benachbarten Dittersbach in Diensten); her- § beigeführt zu haben, wurde der 15jährige Knecht Gcb- > Hardt verhaftet und dem Frankenberger Amtsgericht ! zugeführt. Falkenstein. (Feuer.) Gestern abend wurde die sogenannte alte Schule, in der bis jetzt Stickerei be- Trugschlüsse! Roman von Constantin Harro. (9 (Nachdruck verboten.) „Ja, davon kann Mama nicht lassen!" rief Polly mit ärgerlichen Mienen. „Solcher Trubel ist für Mama Lebenslust. Aber was sagst Du eigentlich zu Günther? Seit ihn der Onkel ein wenig unter seine Fittige nimmt, bessert er sich zusehends. Mich borgt er schon garnicht mehr an". Hedwig lachte. „Die Borgerei war auch wohl nur Spaß, Polly. ! Günther freute sich, Dir glänzende Zinsen zahlen! zu können. Er wußte recht gut, daß Du Dein Taschen- i geld nicht vernaschtest, wie die anderen glaubten, sondern —" „Na, sei nur still! Daß ich der armen, blinden Frau, die bei Rosalie Köhler wohnt, ab und zu ein paar Märker hintrage, ist doch noch keine Haupt- und Staatsaktion! Rosalie ist gut zu der Blinden. Sie hat ihr ein Stübchen gegeben, in dem sie ganz ruhig und allein sitzen kann". „Weißt Du, daß Fräulein Ernesti, meine frühere Klavierlehrerin, auch in dem Hause wohnt? Ach, und Fräulein Ernesti hat eine wunderschöne Schtve- ster, die Traute heißt". „Wo hast Du das Fräulein gesehen?" forschte Hedwig amüsiert. „Rosalie zeigte sie mir, als wir am Fenster stan den. Sic ging auf der Straße, und wir konnten sie ganz genau betrachten. Braunes Haar hat sie, das Gold überflimmert, und ihre Augen sind blau wie der tiefe Sonncnhimmel. Soll ich Dir nun noch von stolz geschwungenen Lippen erzählen? Vom lieblichen Oval ihres Gesichts? Kathie's Schönheit tut mir weh, Hedwig ; aber dieses holde Mädchen be- > wunderte ich ohne eine Spur von Neid. Kennst I Du sie?" „Nein! Doch warum bist Du nicht mehr die Schülerin des älteren Fräulein Ernesti?" „Mama fand meine Fortschritte bei ihr gleich Null! Allzu viel habe ich wirklich nicht gelernt. Uebrigens sagt man hier im Hause, Onkel Hermann sei mal — vor undenklichen Zeiten natürlich — mit der ältesten Ernesti verlobt gewesen". „So? Davon weiß ich kein Wort!" sprach Hedwig mit bebenden Lippen. „Hat er seine frühere Verlobte jetzt wiedergesehen?" „Wer kann das wissen?" meinte Polly. „Geld könnten sie bei Ernesti's gerade gebrauchen", spottet Mama. „Mama ärgert sich auch, daß Kommerzienrat Greifenlwgen die Damen zu ihrem Zauberfeste ein- geladeu hat, uud Onkel will doch zu Greifenhagens gehen. Ja, sichst Du, Kindchen, hier im Hause ist auch nicht alles eitel Gold und Sonnenschein. Wenn ich Dich nicht hätte, Hedel, ich würd' noch me lancholisch!" Lachend stolpert sie aus dem Gemach. Frau Ernesti rief triumphierend: „Nun kann ich endlich auch etwas für Euch tun, darf nicht immer und immer wieder Entsagung predigen". Die Frauen arbeiteten an dem runden Tisch vor dem Tisch. Traute saß mit glühenden Wangen ihrer Mutter gegenüber nutz starrte in den Sonnenschein draußen. Matilde nähte, während ihre Finger zitter ten, an einem Alltagskleide, das manche Schäden aufwies. „Wo nimmst Du zu dem Greifenhagenschen Feste unsere Toilette her, Mutter?" fragte plötzlich Tilde kalt und scharf. Die Mutter sah ihre Aelteste erstaunt an. In diesem Ton sprach das Mädchen selten. „Tilde, ich begreife Dich nicht!" rief sie vorwurfs voll. „Deinetwegen schickte meine Jugendfreundin Anna die Einladung, ja sie schreibt sogar noch herz liche Worte dazu ... Du aber sitzest wie ein Stock. Mehr noch: Du verspottest mich!" „Das tat ich nicht, Mutter!" entgegnete Matilde) ernst. „Aber wenn Du wüßtest, wie zuwider dieses) vergebliche Hervorzerren der Vergangenheit mir ist. Du hättest Erbarmen mit mir und ließest mich unbe helligt den Weg gehen, den ich nun einmal crq wählt habe". Frau Ernesti hatte eine heftige Entgegnung auf den Lippen, doch sie schwieg. Sie sah jetzt sogar be drückt aus. Traute aber sprang vom Stuhle empor, lief zN ihrer Mutter, kniete vor ihr nieder und bat mit ver zücktem Augenaufschlag und gefalteten Händen: „Mich läßt Du gehen, Mutter! Ich will nichts, nichts zum Feste haben! Ich will Tag und Nacht nähen, will die Einfachste dort sein! Nur laß mich hin! Bitte, bitte!" „Das ist selbstverständlich, Traute!" versprach Frau Ernesti, ihr schönes Kind auf die Stirn küssend. „Ein weißes Fähnchen für Dich wird zu beschaffen sein. Was brauchst Du auch sonst? Du hast Deine goldene Jugend". „Gut, gehe mit Traute, aber mich lasse daheim", sagte Matilde erleichtert. Traute küßte die Hände ihrer Mutter und sprang freudestrahlend empor. „Dort treffe ich mein Glück!" rief sie begeistert.- „Und nicht zum ersten Mal!" Matilde lachte spöttisch. „Es wird Dir ergehen wie mir!" meinte sie mah nend. „Auch ich war jung und gewann die Neigung eines reichen, jungen Mannes. Aber solche Herrchen haben Eltern, die ihren Söhnen Frauen aussuchen. Warum solltest Du nicht dort eine Eroberung machen?. Du bist schön und temperamentvoll . . . aber heiraten, wird Dich keiner der Elegants, die in jener Sphärk das Szepter führen". .