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durchtobten schon lange die Straßen der Hauptstadt Mid die Gauen Portugals und dem politischen Fana tismus folgte nun die grausige Tat! Die Königin sah den Gatten und den ältesten Sohn unter den Kugeln der Mordgesellen verröcheln, während der zweite Sohn schwer, aber wahrscheinlich nicht lebensgefährlich ver wundet wurde. Klerikalismus, Reaktion und Libera lismus heißen die Aushängeschilder für die Kämpfe in Portugal, deren Ziel aber nach wie vor der reine nackte materielle Besitz der Macht und die Versorgung der Parteigänger mit Aemtcrn und Pfründen geblie ben ist. Kann man sich anßerhalb Portugals an sich schon kaum für diesen politischen Kampf um die besten Fut- terstcllen, für einen solchen Kampf, der unter fal scher Flagge — angeblich im Namen der Freiheit — geführt wird, irgendwie erwärmen, so wird man sich mit Ekel von einer Partei abwenden, deren extremste Fanatiker eine politische .Heldentat zu vollbringen meinen, wenn sie ein paar wehrlose Männer, die Po litisch vielleicht geirrt haben, denen aber nie ein Ver brechen hat vorgeworsen werden können, aus offener Straße niederknallen, angesichts der ersten Frau des Landes feige abschießen. Die Opposition mag schein heilig noch so sehr von den Mördern abrücken, sie Wird diese Brüderschaft nicht los, sie ist schuld an dem Künigsmorde. Bezeichnend ist, daß wie in Spanien so auch in Portugal in jeder Politischen Bewegung immer wie der das dynastische Prütendenteutum eine Rolle spielt. In den letzten kritischen Monaten ist dort mehrfach wieder der Name des Don Miguel aus der Neben linie des Hauses Braganza genannt worden. Es ist aber wohl zu seiner Ehre anzunehmen, daß er mit diesem fürchterlichen Königsmord nichts zu tun hat. Der ermordete König Karlos I. ist 1889 zur Regierung gekommen und am 28. September 1863 in Lissabon geboren. Er ist durch die Heirat seiner Tante mit dem Prinzen Georg von Sachsen (nachmaligen Königs) ein Vetter König Friedrich Augusts von Sach sen. Daher ist gerade am sächsischer! Königshofe die Trauer über das furchtbare Verhängnis, was die nächsten Verwandten betroffen hat, sehr groß. In herzlichen Worten drückte der König der so jäh ver witweten Königin Amalie sein Beileid telegraphisch aus. Und neben Kaiser Wilhelm sanden auch alle übrigen Fürstenhöfe Beileidstelegramme. Der Thronfolger — der zugleich mit dem Vater Ermordete —, Prinz Ludwig Philipp, Herzog von Branganza, ist am 21. März 1887 in Lissabon geboren. Er ist also nicht einmal 21 Jahre alt geworden, während sein Vater ein Alter von mehr als 44 Jahren erreicht hat. Der zweite Sohn ist der — bei dein Mordanfall verwundete — am 15. November 1889 geborene Prinz Manuel, Jnfant Don Portugal und Herzog von Beja, der mit 18 Jahren also noch nicht mündig ist. Für ihn hat seine Wut-, ter die Regentschaft ergriffen. Zu dem scheußlichen Attentat liegen noch fol gende Meldungen vor: Paris, 2. Febr. Ueber das Attentat in Lissa bon werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Der Anschlag wurde um 5 Uhr 10 Minuten abends verübt. Der offene Landauer, dessen Hintersitz das Königspaar und dessen Vordersitz die beiden Prinzen einnahmen, fuhr wie gewöhnlich im schwachen Trabe. Die Atten täter begannen ein förmliches Schnellfeuer aus aller nächster Nähe. Der König sprang ans, sank aber so fort zurück. Der Kronprinz fiel vornüber und lag mit dem Gesicht aus den Knien der Leiche des Königs. Die Königin stieß einen furchtbaren Schrei aus, schnellte empor .und suchte mit ihrem Leib uud mit ausgebreiteteu Arinen ihre beiden Söhne zu schützen, aber es war zu spät. Nach dem Schnellfeuer der Attentäter sprangen zwei Polizisten auf die Stufen des Wagenschlages, und der Kutscher jagte in wildem Galopp in das offene Arsenal, wo man die Leiche des Königs, das im gewaltigen Bogen aus der getroffc- nach wenigen Minuten in den Armen seiner herz brechend schluchzenden Mutter, die von dem Blute des Königs, das ing gewaltigen Bogen aus der getroffe nen Pulsader vorschoß, auf der eineu Seite ganz übergossen schien. Man suchte nach Aerzten und rief auch welche telephonisch an, es dauerte jedoch lauge Zeit, bis einer gefunden wurde, der den verwundeten Prinzen verband und den Tod des Königs uud des Thronfolgers feststellte. Von der Polizei wurden nach dein Attentat zwei Personen getötet und behauptet, sie hätten zu deu Mördern gehört. Im Publikum wird dies stark bezweifelt. Mau nahm aufs geradewohl Verhaftungen vor und führte die Gefangenen, die jede Schuld leugnen, in das Stadthaus, wohin auch die Lei chen der beiden erschossenen Männer transportiert wurden. Die Polizei behauptet, die Attentäter seien spanische Anarchisten. Der Regierung Paßt diese Les art nicht und sie erklärt, daß das Verbrechen das Werk einer republikanischen uud miguelistischen Ver schwörung sei. Eine Stunde nach dem Königsmorde war die Besatzung auf den Beinen. Sie besetzte die Hauptstraßen der Stadt und unterbrach jeden Verkehr. Das Heer bleibt wahrscheinlich treu, der Diktator Franco behält seine volle Energie und erließ eine Proklamation, die deu Anschlag kurz erzählt und die Thronbesteigung Don Manuels unter der Regent schaft der Königin Amalie verkündet. Die Führer des Heeres und der Marine, Minister und Hofstaa ten leisteten gestern vormittag dem mit verbundenen Gesicht erschienenen neuen König im Thronsaal den Treueid. Die Pairskammer wird eiubcrusen, um dem neuen König zu huldigen. Lissabon, 3. Febr. Der Zustand der Königin ist derartig, daß man um ihren Verstand fürchtet. Sie ist unter dem Eindruck der Katastrophe schwer er krankt. Die Leichen des Königs und des Kronprinzen wurden gestern abend 9 Uhr unter starker Eskorte in das Schloß geschafft, nur die Truppen wären Zeu gen dieses traurigen Zuges. Alle Häuser waren geschlossen, als sei die Stadt ausgestorbcn. Alle Feierlichkeiten sind für eine späteren Zeitpunkt Vorbe halten. Die Beisetzung findet am 10. Februar statt. Zur Aburteilung der Vorgänge in Lissabon ist ein Kriegsgericht eingesetzt worden. ES verlautet, daß zahlreiche Personen, darunter sehr hochstehende, so fort standrechtlich erschossen werden sollen. Aus der Grenzfestuug Badajez wird nach Madrid gemeldet, daß jetzt ganz Portugal im Aufruhr sei. Die Lage des Diktators Franco ist eine verzweifelte. In Oporto kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Truppen und. Ausrührern. Die Republik wurde ausgerufen. Wen« Kuch zur Stunde die herrschende Dynastie noch nicht entwurzelt scheint und eine Rück wirkung ernsterer Art auf Spanien nicht zu erwarten ist, muß doch dem verabscheunngswürdigen Verbre chen in Lissabon auch vom internationalen Stand punkt aus eine allgemeine symptomatische Bedeutung zugeschrieben werden, die ernste Beachtung verdient. uS im teilst» Msü« Sch. Berlin, 1. Februar 1908. Der Reichstag nahm heute die Resolution der Budgetkommission, betreffend die Vergebung der Ar beiten für die Marineverwaltung nnd Regelung der Arbeitsverhältnisse in ihren Betrieben, in nament licher Abstimmung mit 2l3 gegen 67 Stimmen bei einer Enthaltung an, nachdem der Zusatzantrag der Sozialdemokraten mit 166 gegen 114 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehut worden war. Darauf wurde der NachtragSetet für 1907 mit deu Forderun gen für den Grafen Zeppelin ohne wesentliche Dis kussion angenommen und dann die zweite Beratung des Etats für das Retchseisenbahnamt fortgesetzt. Der nationalliberale Abgeordnete Wetzel berührte dabei verschiedene schon gestern erörterte Fragen, trat für die Betriebsmittelgemeinschaft ein und schloß mit der Bekundung vollen Vertrauens für das Reichseisen bahnamt. Der Abgeordnete Carstens von der Frei sinnigen Volkspartei erklärte, daß auch er dessen Tä tigkeit würdige, daß er aber doch seinem Bedauern Ausdruck geben müsse über verschiedenes, was nicht geschehen sei. Wenn der Präsident Schulz gesagt habe, daß er für die Verhältnisse der Angestellten und Ar beiter nicht zuständig sei, so habe er es wohl im Ge fühl der Ohnmacht gegenüber der preußischen Eiscn- bahnverwaltnng gesagt. Nach der Verfassung habe das Reichseisenbahnamt die Sicherheit des Ober baus zu beaufsichtigen, die mit den Arbeitcrverhält- nissen in engem Zusammenhänge stehe. In Preußen könnte eine ganze Anzahl von Bahnmeistereien nicht die nötigen Arbeiter erhalten, weil zu schlechte Löhne gezahlt würden, wodurch die Gefahr von Katastrophen hervorgerufeu werde. Präsident Schulz antwortete, daß er die Pflicht der Aufsicht durchaus anerkenne und erfülle, er habe in neuerer Zeit keinen Anlaß zu Ausstellungen gehabt. Ein Eingriff in die Arbei terverhältnisse stehe ihm nach der Verfassung nicht zu, aber den Beschwerden des Vorredners über mangel hafte Zustände an einzelnen Stellen werde er nach gehen. Des weiteren brachte die Debatte die Wieder holung oft gehörter Klagen über Schädigung der thü ringischen Staaten durch den preußischen Eisenbahn* siskus, Wagenmangel und anderes. Nach der An nahme dieses Etats erledigte das Haus uoch eine Reihe von Petitionen und vertagte sich dann bis Montag. Deutsches Reich. Berlin. (Frankreich und die Nordsee-Konven tion.) Die Absicht einer internationalen Verständi gung über die Nordsee-Frage, wie sie zwischen den Regierungen Berlin und London angebahnt worden ist, begegnet auch in der französischen Hauptstadt bereitwilliger Unterstützung. Schon die Mitwirkung des befreundeten englischen Kabinetts sichert diesem diplomatischen Werke von vornherein die Sympathie des Pariser Ministeriums, und auch das deutsche aus wärtige Amt hat durch die Art seines Vorgehens die in Paris vorhandene Geneigtheit zur Mitwirkung an dem Nordsee-Abkommen zu verstärken gewußt. Gegen einen Teil der Abmachungen über die Ostsee, die ebenfalls zwischen den Mächten zur Verhand- Teuer erkauft. Roman von Ida von Con ring. 29. (Nachdruck verboten.) „Ich danke für beides," sagte John kaltblütig. „Was ich mit Ihnen zu reden habe, läßt sich nicht wohl auf offener Straße abmachen — sonst würde ich vorgezogen haben, Ihre Wohnnng nicht zu betreten. Einen Moment, bitte — ich bin gleich zn Ende " Meiner war, dunkle Zoruesröte im Gesicht, ausge- fahren. „Sie sind sehr unvorsichtig mit Ihrer Korrespon denz", fuhr John fort, das verhängnisvolle Zettel chen aus der Brieftasche hervorsuchend, „ich nehme an, daß dieses Brieschen Sie heute ans deu Bahn hof geführt hat?" — „Herr," ries Meiner, außer sich vor Zorn und Beschämung, „wie kommen Sic zu dieser unerhörten Einmischung in meine Privatan gelegenheit und verweigere Ihnen rundweg jede Ant wort und wünsche diese Unterredung nicht fortzu setzen." — „Bitte nochmals, mich ausreden zu las sen. Ich kenne die ganze traurige Angelegenheit, Herr Meiner, und bin entschlossen, Sie aus der Welt zu schaffen. Der betreffende Gatte ist mein Freund. Sie werden also, ohne weitere Auseinandersetzung, die für uns beide nur peinlich sein dürfte, verstehen, Weshalb ich, einmal im Besitze des Geheimnisses, nie mals dulden kann und werde, daß ein gewissenloser Rone aus der Torheit einer Dame, die meinem Freunde so nahe steht, Vorteil zieht." „Sollte Fran Meta Ihnen für diese Einmischung Dank wissen — ich glaube es kaum." — „Bitte, nen ¬ nen Sie keinen Namen! Ich bitte Sie also jetzt, und das ist der Zweck meines Besuches, mir das Ver spreche» auf Ehrenwort zu geben, daß Sie unter einem Passenden Vorwande den Verkehr im Hause meines Freundes abbrechen und die Dame nicht Wie dersehen wollen." — „Ich weiß nicht, sind Sie toll, oder bin ich's," rief Meiner, der immer erregter wurde, je mehr Johns eiskalte Ruhe ihn aus der Fassung brachte. „Mit welchem Rechte maßen Sie sich an, ein solches Versprechen von mir zu verlangen? Ich denke gar- nicht daran, es Ihnen zu geben. Eine Frau, die sich nicht selber zu schützen weiß, gleicht herrenlosem ! Gute, Herr Fowler! Wenigstens ist der glückliche Finder doch wohl nur dem Gatten Rechenschaft schul dig. Mag Richard Pfeiffer seine Ehre rein waschen, wenn er sie für geschädigt hält. Ich werde ihm Rede stehen — einein Dritten aber unter keinen Umstän den." — „Ich habe Sie schon einmal gebeten, den Namen meines Freundes nicht auf Ihre Lippen zn nehmen, nnd wiederhole diesen Wunsch." John ließ langsam seine Handschuhe durch die Finger gleiten. „Ich hoffe, Sic in Güte zu bcwcgeu, Hamburg für immer zu verlassen, nnd gestatte mir, Ihnen dafür einen Ersatz zu bieten. Wollen Sie mir erlauben, Ihren Zentaurenkampf unter Bedin gungen, die Sie selber bestimmen mögen, zu erwer ben? Ich biete jeden Preis dafür, jeden." „Herr, wofür halten Sie mich?" rief Meiner mit wutzittcrnder Stimme. „Lieber würde ich die Arbeit mit eigener Hand in Stücke schlagen, als sie in Ihrem Besitz wissen. Sie unterstehen sich, mir Geld anzubie« teu, damit ich Ihnen den Weg sreigebe? Nun uni» nimmermehr wird das geschehen. Von jetzt an kenne ich keine Rücksicht mehr — die Frau ist bis heute vor der Oeffentlichkeit noch nicht kompromittiert, es wird mir ein Kleines sein, sie über alle Schranken zu treiben. Sie sollen Grund haben, in der Seele Ihres Freundes diese Stunde zu bereuen, das will ich Ihnen versprechen." — „Schuft," sagte John mit eiserner Ruhe. „Ich frage zum letzten Male, wollen Sie die Stadt verlassen?" fragte John weiter. — „Unter kei nen Umständen." „Dann werde ich Sie dazu zwingen!" — „Un^ wie gedenken Sie das zu machen?" — „So zum Beispiel," sagte John, sein Gegenüber blitzschnell mit dem Handschuh ins Gesicht schlagend. Der tödlich Be leidigte taumelte zurück und griff nach dem dolch artigen Messer, das geöffnet auf dem Tische lag. John sah ihm mit festen Blicken in die Augen. „Er ledigen Sie die Angelegenheit, wie es unter Gentlemen Sitte ist, Herr Meiner! Meinen Zweck Hosse ich er reicht zu haben. Falle ich, sind Sie in Hamburg un möglich; umgekehrt liegt die Sache ja noch einfacher. Ich erwarte noch heute die Erklärung, ob Sie ab reisen werden, um Ihnen dann sofort einen Blanko- Scheck zu übersenden, oder den Besuch Ihrer Zeugen, denen ich die meinigen nennen werde. Sie haben wohl die Wahl, Herr Meiner! Leben Sie wohl." Und John ging mit seinem ruhigen, um keines Haares breite beschleunigten Schritt zur Tür hinaus. ,» (Fortsetzung folgt.) . *