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WMlMsMW Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich KeWD-Anzeiger sm Kohnkes, Kkütz, Demskrs, Kasims, St. ßgidien, Keimichsort, NmienN n. MW Awtsvlatt für den Stadtrat M Lichtenstein. M——— —— ——— — —— 5» 3. Iahrqa n g. — —' — ——— Nr. 93. »«»"M"'«' Freitag, den 24. April "KKMA?" 19V3. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierleljährlicher Bezugspreis I Mk. 25 Pfg., durch die Post bezogen 1 Mk. 50 Pf. — Einzelne Nummer 1k/ Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 6, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. Inserate werden die fünfgespnltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. — Jin „Amtlichen Teil" wird die zweispaltige Seile oder deren Raummit 30 Pfennigen berechnet. Für auswärtige Inserenten kostet die ügespaltene Zeile 15 Pfennige. — NmmmSbV WS Sm MckM. ust. Berlin, 22. April 1S03. (Nachdruck verboten.) Als der Reichstag heute seine Sitzung begann, konnte man sich leicht der Hoffnung hingeben, daß die Verhandlung nicht durch ebenso eintönige Reden ansgefüllt würde, wie der gestrige Tag. Denn ohne jede Erörterung wurden die drei ersten Punkte der Tagesordnung erledigt. Bei der Beratung des Phos phorgesetzes aber gingen diese Hoffnungen wieder in die Brüche. Wieder die alten Bemühungen der Reichsboten, sich bei ihren Wählern als große Sozial politiker ins rechte Licht zu setzen. Ihre Reden, fast ohne Ausnahme, trieften förmlich von Selbst losigkeit. Nur der Abgeordnete Schaettgen (Ztr.), ein süddeutscher Zündwarenfabrikant, machte in mehr als einstündiger Rede den unglücklichen Versuch, die einseitigen Interessen der Fabrikanten zu vertreten. Durch die Menge der Argumente und die Länge seiner Beweisführung erreichte er aber gerade das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt hatte. Herr Oertel (kons.) bekannte selbst, daß er ursprünglich ein Freund der Entschädigung gewesen, jetzt aber — und nicht zum kleinsten Teil durch die Ausführungen Schaettgens — von einem Saulus zu einem Paulus bekehrt worden sei. Er vertrat dann mit aller Ent schiedenheit den auch vom Grafen Posadowsky dar gelegten Standpunkt, daß an eine Entschädigung der Fabrikanten nicht zu denken sei. Daß die So zialdemokraten von einer Entschädigung nichts wissen wollen, ist ja bei ihrer prinzipiellen Stellung zu der Frage selbstverständlich. Interessant war hingegen die Forderung des Abgeordneten Cramer (sozd.), der eine Entschädigung an die von der Phosphor nekrose betroffenen Arbeiter verlangte. Es sind sür die Gewährung einer Entschädigung demnach — da sich auch Pauli-Oberbarnim (Rp.) dagegen aussprach — nur das Zentrum und die Freisinnigen, die Aus sicht auf eine Annahme des Antrages Wiemer also ziemlich gering. Wenn man die soziale Bedeutung des Entwurfs in Betracht zieht, so kann man, ohne Rücksicht auf seine eigene Parteistellung, nur dem Abgeordneten Oertel beistimmen, der mit allem Nach druck darauf drang, den Antrag Pichler abzulehnen. Dieser Antrag wünschte eine Aussetzung der Bera tung, bis vom Reichskanzler neue Erhebungen über Erkrankungen an Phosphornekrose angesetzt wären. Die schädlichen Wirkungen einer dauernden Beschäf tigung mit einem so scharfen Gifte wie Phosphor sind von medizinischen Autoritäten so zweifellos und unanfechtbar nachgewiesen, daß es nur im Interesse der Dolkshygiene liegen kann, wenn das Gesetz so bald wie möglich verabschiedet wird. Dieser Auf fassung konnte sich das Haus denn auch nicht ver schließen und lehnte mit erdrückender Mehrheit den Antrag Pichler ab. Da sich auch die Abgeordneten Münchferber (nl.) und Schrader (frs. Vgg.) namens ihrer Parteien gegen die Gewährung einer Entschä digung aussprachen, sand das Gesetz in der Kom missionsfassung, di? nur in einigen unwesentlichen Punkten von dem Regierungsentwurf abweicht, An nahme. Das äußere Bild der Sitzung war, wie man mit Genugtuung konstatieren konnte, ein wesentlich anderes, günstigeres, als bisher. Das Haus war reichlich beschlußfähig. Die Beteiligung an der Be ratung war sehr rege, sogar so rege, daß die Ver handlung sich wieder bis zu später Abendstunde ausdehnte. Morgen kommt das Krankenversicherunzs- gesetz, eine Vorlage von nicht geringerer sozialer Wich tigkeit, zur Verhandlung. Bei dem großen Gewicht, das die Sozialdemokraten gerade auf dieses Gesetz legen, kann man sich auf eine mehrtägige Debatte gefaßt macheu. Der „Chemn. Allg. Ztg." entnehmen wir fol gendes : Was geht in Sachsen vor? Aus Dreden, 21. April, schreibt uns unser ^.-Gewährsmann: „Es muß schon weit gediehen sein mit der tatsächlich seit einiger Zeit unverkenn baren M i ß st i m m u n g, die sich weiter Kreise der sächsischen Bevölkerung und namentlich der brei testen Schichten der Einwohnerschaft Dresdens be mächtigt hat, wenn die „Dresdner Nach - richte n", neben dem „Vaterland" das führende Organ der konservativen Partei, in ihrer heutigen Ausgabe schreiben, „es hieße die Augen absichtlich vor offenkundigen Tatsachen, auf die man bei jedem Schritt stößt, verschließen, wenn man diese Mißstimmung (zunächst der Dresdner Bevölkerung) leugnen wollte." Ueber die Ursachen dieser „völker- psychologisch" höchst bemerkenswerten Erscheinung heißt es dann, nachdem der gedrückten Lage der all gemeinen Erwerbsverhältnisse, der verfahrenen Staats finanzen nsw. gedacht ist, weiter: „Besonders aber ist die Gemütsstimmung weiter Schichten in letzter Zeit bedrückt worden durch die nachhaltigen Versuche offi ziöser Kreise, auf die Empsin- dungsäußerung der Dresdner Einwohnerschaft bestimmend ein zuwirken. Es muß ausgesprochen werden, daß mit den gedachten Maßnahmen ein nichts weniger als glücklicher Weg betreten worden ist, selbst wenn man zunächst auf einen äußeren Erfolg Hinweisen kann. Diese Auf fassung reicht weit in die Kreise der Bevölkerung hinein, deren staatserhaltende, nationale und mo narchische Gesinnung über allen Zweifel erhaben ist. Es liegt hier ein Mißgriff vor, der als Gewissenszwang empfunden wird." Schließlich fordert das Blatt eine Aussprache zwischen Oberbürgermeister und Stadtverordnetenkollegiumüberdie Stimmung in Dresden. Daß Mißmut und Unlust zur Teilnahme am politischen Leben aber nicht bloß in der Residenz, sondern im ganzen Lande sich bemerkbar machen, das dokumentiert, abgesehen von einer Dresdner Zuschrift an die Berliner „Na- tional-Zeitung", ein Gott sei mit dir, mein Sachsenland!" überschriebener Artikel der „Dresdner Neuesten Nachr.", der u. a. ebenfalls die schlimme Finanzlage und „d Leu n erquicklichen Vorkommnisse der letzten Zeit" für die „Gewitterschwüle" und den „erschreckenden politischen Jndifferentismus" verantwortlich macht. Politische Rundscharr. Deutsches Meich. * Der Kaiser hat angeordnet, daß für das ganze Heer eine neue Litewka aus grauem Tuch ein geführt wird. * Von derPrinzessinLuise von Toscana. In der Wiener Hofgesellschaft kur sieren seit einigen Tagen Erzählungen über die Stellung der ehemaligen Kron prinzen von Sachsen, nach welchen der Kronprinz der Ansicht zuneigt, daß, wenn eine Aus söhnung der Prinzessin mit dem Vaterhaus erfolgt sei, nun auch eine solche mit ihm nicht unmöglich se>n könne. Sein Verharren bei dieser Ansicht selbst im Hinblick auf die Konsequenzen bezüglich der Thronfolge sollen den Konflikt zwischen dem König und dem Kronprinzen und die Einfügung des Passus von der „schon längst im stillen tiefgefallenen Frau" in das bekannte Manifest des Königs hervorgerufen haben. Während der Anwesenheit des Königs Georg in Wien sollen neue wichtige Besprechungen in der Angelegenheit gepflogen und dabei auch verschiedene, vom Wiener Hofe unterbreitete Vorschläge, die den künftigen Wohnort der Prinzessin betreffen, erwogen werden. * Friedensklänge. Gegenüber hetze rischen Aeußerungen der panslavistischen Blätter fährt die „Kölnische Zeitung" auf Grund augen scheinlich von Berlin aus inspirierter Meldung fort, zu versichern, die leitenden Kreise an der Donau sowohl wie an der Neva seien von dem Gedanken durchdrungen, daß ihre Interessen am besten gewahrt werden, wenn die beiden Mächte in enger Fühlung zusammen vorgehen, um einen Ausbruch von Feind seligkeiten auf dem Balkan zu verhüten. Ruß land habe i n O st a s i e n große Aufgaben zu lösen und stehe außerdem einer Bewegung weiter Kreise gegen die Herrschaft der Bureaukratie gegenüber, welche die größte Aufmerksamkeit der Negierung ei fordert. Der Zar sei von aufrichtiger (!) Friedens liebe beseelt, desgleichen herrsche im russischen Volke ausgesprochene Abneigung gegen einen Krieg. Beide Staaten wollen außerdem den Frieden, nicht aus Vorliebe für einander, sondern aus den allein maßgebenden Gründen eigener poli tischer Interessen. *Das Kapitel der Staatsan gehörigkeit dürste in nächster Zeit eine sämt liche deutsche Bundesstaaten angehende gesetzgeberische Revision erfahren. Aus den Materien, Vie durch das zu erwartende Gesetz über die Staatsangehörig keit im einzelnen zu regeln sein werden, hebt die „Nat.-Lib. Korr." u. a. folgendes hervor: Einem Ausländer, dem in einem deutschen Staate die Naturalisation versagt wird, ist es nicht verwehrt, den Versuch der Reihe nach bei allen übrigen Staaten zu wiederholen. Auf diese Weise können unter Umständen die größeren Einzel staaten in die Lage kommen, sich durch Bückeburg oder Reuß einen Staatsbürger aufdrängen zu lassen, den ihre Behörden zurückgewiesen hatten. Eine Aenderung dieses status quo bei der Neu gestaltung des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit dürfte sich als unumgänglich erweisen. Was das Recht der Ausweisung betrifft, so wird das selbe nach wie vor von den Einzelstaaten als ihr Reservat in Anspruch genommen. * Unendlich kleinliche Gesinnung verrät der Erlaß eines polnischen Propstes, in dem er ausführt: Gelegentlich habe er zu seinem größten Er staunen bemerkt, daß seine katholischen Schulkinder angehalten wurden, mit evangelischen Mitschülern gemeinsame Gebete zu verrichten, insbesondere das Vaterunser mit dem nichtkatholischen Schluß, was nach den Satzungen der heiligen katholischen Kirche streng verboten sei. Er rufe die Staatsbehörde an, „dem Uebel" entgegenzutreten. Das Vaterunser stammt bekanntlich nicht von den Reformatoren, sondern aus der Bergpredigt Christi (Ev. St. Matthäi 6, D. 9 bis 13) und wenn auch in der katholischen Kirche der Schluß nicht mit gebetet zu werden pflegt, so ist doch kaum anzu nehmen, daß durch ihn das Seelenheil katholischer Kinder gefährdet werden könnte. Oder sollte das „Nichtkatholische" von dem Beschwerdeführer etwa in dem deutschen Vaterunser gefunden werden, gleich wie sein Amtsbruder in Witaschütz seinerzeit in dem deutschen Gebet eine Sünde entdeckt hat? Leider ist nicht bekannt geworden, welche Antwort dem Propst auf seine Beschwerde erteilt worden ist. * Das bayrische Ministerium des Innern hat auf eine Anfrage von beteiligter Seite entschieden, daß der Standesbeamte in Aeschach bei Lindau, wo hin die Villa Toskana gehört, zur Beurkundung der Geburt des von der Prinzessin zu erwartenden Kindes nicht zuständig sei. Voraussichtlich wird für die Beurkundung der Entbindung vom Dresdner Hofe Sorge getragen werden. * Die Nachricht, daß der Mörder des russischen Konsuls Schtscherbina, der Albanese Ibrahim, bereits zum Tode verurteilt sei, ist falsch. Ibrahim wird mit seinem Mitschuldigen, einem albanesischen Gemüsehändler aus Mitrowitza, erst am Sonnabend nach Usküb gebracht und hier erst vor Gericht ge stellt werden. Die Anklage lautet, der Gemüse händler habe in Mitrowitza öffentlich erklärt, der russische Konsul hätte schon längst getötet werden sollen, aber „wir sind nicht mehr die alten Albanesen /