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Leiche >var ganz entsetzlich abgemagert und vollständig skelettiert. Das Kinn war durch eine vernachlässigte eitrige Wunde gespalten. Nach der Aussage der Sach verständigen zeigte sich unter der Kopfhaut eine Blut unterlaufung, auf der rechten Seite ein neuer Rippen- bruch, ferner Spuren eines wuchtigen Stockhiebes an dem rechten Unterschenkel, eine frische Kontusion an der linken Hand, am rechten Bein und eine Haut- Verletzung in der Gegend der linken Kniescheibe, ferner vier alte rechtsseitige Rippenbrüche. Sanitätsrat Dr. Schmilinski sprach den Verdacht aus, daß die Rippen brüche dem Kinde durch Fußtritte beigebracht sein dürften. Das Urteil lautete auf zwei Jahre Gefängnis und sofortige Verhaftung. t Die Entlarvung des Dia m ante n- machers. Lemoine, der Alchimist, hat ausgespielt. Am Freitag erkannte, wie ans Paris gemeldet wird, der Diamantenhändler Haan in einigen Steinen, die rn Wernhers Gegenwart angeblich fabriziert waren, Diamanten wieder, die er durch die Vermittelung des Juweliers Bourdier an Frau Lemoine verkauft hat. Haan hatte noch ihr Gewicht in Erinnerung, und es stimmte bei der Nachprüfung genau. Damit ist Le moines Schwindel erwiesen. t Wütende Eber. Während einer in der Nähe von Harlem abgehaltenen Saujagd wurde der Guts besitzer Matthieu von einem leicht verwundeten Keiler, der auf die Jagdgesellschaft losging, aufgespießt und so schwer am Unterleib verwundet, daß er starb. Zwei Jagdkollegen, die dem Gutsbesitzer zu Hilfe kommen wollten, wurden ebenfalls schwer verletzt. Einer von ihnen, der Holzhändler Henri, schwebt in Le bensgefahr. s Große Erbschaft. Georgine Smythe, einer Gasthausmagd in Boston, ist eine Erbschaft in der Höhe von 200 000 Dollar zugefallen. Ihr Rechtsan walt hat in einem Prozesse den Nachweis geführt, daß die Magd die Nachkommin des englischen Königs Georg 4. ans dessen heimlicher Ehe mit der Witwe Fitzherbcrt sei. Bekanntlich ließ der König später diese Verbindung auf das entschiedenste in Abrede stellen, als er die Hilfe des englischen Parlaments bedurfte, um seine ins Ungeheure gehende Schulden last zu decken. i F l e i s ch v o n M e n s ch e n le i ch e n a l s N ah - rungsmittel. Scheußliche Fälle von Leichen schändungen sind in der Stadt Decla (Provinz Mur cia, Spanien) entdeckt worden. Den Kirchhofsbe suchern war es schon seit längerer Zeit ausgefallen, daß viele Gräber das Aussehen hatten, als ob sie von unkundiger Hand nochmals aufgegraben und dann wieder zugeschüttet wären. Die abergläubischen Leute wagte» es aber nicht, der Sache auf den Grund zil gehen. Erst als die Behörden von dieser Wahrneh mung erfuhren, wurde der Kirchhof überwacht und uun bald ein scheußliches Verbrechen entdeckt. Ein gewisser Antonio Ortega wurde dabei ertappt, als er ei» Grab aufwühlte, die Leiche heraushob und ihr das Fleisch von den Knochen löste. Er legte das Ge ständnis ab, vo» dieser Nahrung gelebt zu haben. Scheinbar hat er das Menschenfleisch auch weitcrver- kauft, den» man fand in seiner Wohnung zahlreiche Töpfe, die eingesalzene menschliche Weichteile ent hielte». Nach Ansicht der Polizei ist Ortega geistes krank. Letzte Telegramme. < Hochwasser. Braunschweig, 30. Jan. Das Tauwetter und der anhaltende Regen haben im Harz ein rapides Steigen der Flüsse zur Folge gehabt. Die Eismassen der Bode haben sich gelöst und sind bis zu dem Ort Tanne gedrungen, wo sie alles mit sich fortrissen. Die Keller wurden unter Wasser gesetzt, für das Vieh mußten Sicherheitsmaßregeln getroffen werden. Die Mühle ist durch die zu Tal gehenden Eismassen zer stört worden, die in einer Länge von 400 Meter im Chaos 5 Meter hoch aufgetürmt liegen. Die Bode ist aus ihren Usern gedrängt. Das Bodetal ist über flutet. Mannheim, 30. Jan. Rhein und Neckar sind im fortwährenden Steigen begriffen. Ter Rhein ist in der letzten Nacht von 1.78 auf 2.73 Meter, der Neckar von 2.10 auf 3.42 Meter gestiegen Anch vom Oberrhein wird ein anhaltendes Steigen des Was serstandes gemeldet. Zur Marokko Debatte in der französischen Kammer Madrid, 30. Jan. Der „Liberal" sagt in eniem Leitartikel: Delcasses inopportunes Hervortreten hat im Grunde genommen dem Frieden nur genützt, in dem er allen zeigte, wohin seine Methode führt, die absolut veraltet und nur eine schlechte Nachahmung vo» Napoleons Kontinentalsperre ist. Jetzt soll sie dazu dienen, um Deutschland zu vernichten. Tas System ist falsch, weil es undurchführbar ist. Es ist unmöglich, Nationen so zu fesseln. Delcasses Rede hätte daher eigentlich wie eine kalte Dusche auf die kriegerische Stimmung wirken müssen, da sie plötz lich alle auf die Gefahr dieser Politik aufmerksam machte. Der Beifall des ersten Mannes machte da her anch allgemeiner Ernüchterung Platz. Hoffentlich bleibt das Kabinett bei Pichons Versprechungen und läßt sich nicht wieder davon abdrängen. Spanien muß die Lehre daraus ziehen, bezüglich Marokkos in seiner Reserve zu beharren. Ueberfältc. Köln, 30. Jan. Auf de» Eilzug Nummer löö von Straßburg »ach Köln wurde kurz nach dem Ver lassen des Straßburger Hauptbahnhofes auf dem Gü terbahnhof Hausbergen von einer Rotte Burschen mit schweren Steinen geworfen. Eine Reihe vo» Fenstern des Zuges wurden zertrümmert. Der Lokomotivfüh rer und mehrere Reisende sind verletzt worden. Köln, 30. Jan. In Candon ist bei der soge nannte» Billigfeier nachts ein Anschlag auf das ka tholische Pfarrhaus unternommen worden. Als der Pastor, seine Schwester und die Magd sich zur Ruhe begeben wollten, wurden anhaltend Schüsse auf die Schlafzimmer der drei Personen abgegeben, die in die Hinteren Räume flüchteten, aber auch dort vo» de» Mordbuben verfolgt wurden. Insgesamt wurden 17 Fensterscheiben durch Schüsse zertrümmert, ebenso die hölzernen Fensterladen. In den Zimmer» wurde durch die einschlagenden Kugeln große Verwüstung an gerichtet. Die Insassen des Pfarrhauses schwebten bis in die frühen Morgenstunden in großer Lebensge fahr. Dann verschwanden die Attentäter, von denen bisher keine Spur aufzufinden ist. Warschau, 30. Jan. Der Gutsbesitzer Hein rich Werner ist auf seinem Gute Vielina bei Tomas- sow von einer Banditenbande samt Frau und seinems sechsjährigen Sohn getötet worden. Die Banditeu verwundeten die Dienerschaft, beraubten das Wohn haus und entkamen. Eruste Nachrichten. Madrid, 30. Jan. Aus Portugal wird berichtet, daß die Verhängung des Belagerungszustandes un mittelbar bevorstehe. Die portugisischen Republikaner versichern, sie seien ihres schließlichen Sieges gewiß. Doch läßt sich der wahre Stand der Dinge aus den hier eingegangencn Meldungen nicht beurteilen. Ge stern nachmittag kam es in Lissabon wiederholt zu Aufläufen. Einige Ansammlungen von Menschen, die mit Revolvern bewaffnet waren, wurde» vo» der Poizei auseinandergetrieben. Tanger, 30. Jan. Aus Eingeborenen-Quellen wird mitgeteilt, daß Mnlah Hafid an der Spitze einer bedeutenden Mahalla eine Tagereise von Set tat steht. Nach aus Fe» eingetroffenen Nachrichten wird bestätigt, daß Leute aus Medinn« eintrafen und massenhaft in die Stadt eingedrungen sind. Sie wollen den Pascha wegen seiner vergeblichen Be ziehungen zum Maghzen gefangen nehme». Folgenschwerer Gerüsteinsturz. Halle a. S„ 30. Jan. Infolge des Sturmes ist das Baugerüst der Ammendorfer Papierfabrik ein- gestürzt. Vier Zimmerleute wurden unter den Trüm mern begraben, der Polier war sofort tot, ein Zim mermann starb aus den: Transport ins Krankenhaus, die beiden anderen sind schwer verletzt. Jtalienrcise des Zarcnpaares Roni, 30. Jan. Es bestätigt sich, daß der Zar im Laufe des Monats März nach Italien kommt und daß die Zarin wegen ihres leidenden Zustandes schon vorher hier eintroffen wird. FuttermitteLprets e der Firma Niehus «k Bittner, Lichtenftei» Segen Kaff« ab unserem Laqer. Kleie, 1» Oualitltt Ml. 7^5 per 50 Kilo -xll. Seck. Gers! schrot Krastschrot „ s^s SO „ „ 8,00 SO , Lriumchl „ 8^0 80 . Melaff« „ 4.50 SO , Kokoskuchen .. 8,78 SO . Marktpreise der Gtadt «hemnitz vo« 29. Januar 1918 — p« »o i-«. — Wetze«, fremde Gorte» l2 M. 10 W. bi» ,2 M. SOM . füchsy»«, Rogaro, weder! Sudisch MM« 10 - 9V - 10 - 60 . . 11 . 05 - 1S . 90 - Rogge« preuhi>ch«r 10 - 60 . . 10 . 90 - - hiesiger, - fremder. 10 - 20 ° - 10 - 80 - 11 - 25 . . 11 - so. Gerste, Brau-, fremd« - - fSchstsche, S ° — . . 8. 50. . 11 - s . 25 - 25 - - Futter- 8 - 15 . . 8 . 30 - Hafer, sSchstscher 8 ° 35 . . 8 . SO - - preushcher Erbse«, Koch- 11 . - - - 11 . SO . Erbjeu, Mahl- rmd Futter s. 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Hätte sie mir nicht sagen lassen können, daß sie nicht kommt. Aber so is sie immer. Ein Segen, daß Richard nicht zu Haus is." — 11. Metas neueste Idee war ein Pavillon, den sie in den großen Garten, der ihre Villa umschloß, bauen wollte. Es sollte etwas ganz besonderes werden. Sie schwankte noch zwischen einem chinesischen Kiosk mit vergoldeten Knöpfen, bunten Laternen, Fächern, Va sen und nickenden Pagoden, den Meiner gezeichnet und einem reizenden Borkenhäuschen, das Arnold vor geschlagen hatte. Er wollte es aus ungehauenen Balken zusammensetzen, bunte Glasfenster und Möbel aus Naturholz darin anbringen und vielleicht auch eine Hängematte. Die Skizzen, welche er an, Abend vor Richards Geburtstag entwarf und mit wenigen Pinselstrichen illustrierte, waren so allerliebst, daß Meta jubelnd in die Hände klatschte und Meiner seine chinesische Herrlichkeit sehr beleidigt einpackte. Arnold erklärte sich auf Metas stürmisches Bitten bereit, seine Zeichnungen soweit auszuführen, daß ein intelligen ter Zimmern,eister das Häuschen danach aufsteller, könne) Metas Freude hatte ansteckend gewirkt. Sie waren alle heiterer als feit langer Zeit gewesen. Ulla ging an diesem Wolkenverhaugenen, warmen Frühliugsabend aii ihres Gatten Arm nach Hause. Sie war leichten Herzens und dankte Gott dafür. Unter den hohen Bäumen, wo sie Arnolds Arin wohl ein bischen fester gedrückt hatte, blieb er stehen, hielt sie fest und gab ihr einen herzhafte» Kuß. — „Aber Arnold," sagte sie halb lächelnd, halb erschrocken, „auf der Straße, wenn das nun jemand gesehen hätte!" — „In diesen, Dunkel?" meinte er gut ge launt. „Darauf lasse ich's aukommen, »reine Her zensfrau! Wenn Du noch ei» Wort sagst, zwingst Du mich, mein Verbrechen auf der Stelle zu wie derholen." — Ulla lachte. „Was ist nur in Dich ge fahren, Arnold? Dn bist ja übermütig wie ein Student; dergleichen schickt sich für einen alten Ehe mann gar nicht mehr." — „Zur Strafe meiner Sünde fängt es auch noch zu regnen an", rief er. „Und ich habe natürlich keinen Regenschirm. Halte meinen Arn, fest, Liebste!" — Im Laufschritt erreichten die Beiden das schützende Dach, als die Regentropfen stärker herunterprasselteu. Das war gestern Abend gewesen Ulla stand am Morgen in ihres Gatten Arbeitszimmer und sah ihm nach, als er mit sicherem, raschem Schritt davoneilte, um rechtzeitig ins Bureau zu kommen. An der Pforte Ivandte er sich noch einmal und grüßte hinaus. Ulla seufzte. Er kam heute wieder nicht vor den, Abend nach Hause — ein langer, einsamer Tag lag vor ihr. Allerdings, John Fowler hatte versprochen, sie ab zuholen. In der Kunsthalle war Frühjahrs-Ansstel lung. Ulla sollte ein Bild für ihn wählen. John Pflegte alljährlich eins oder zivei für seine Samm lung zu erwerben. Schade, daß Arnold uns nicht be gleiten kann, dachte die Frau und begann im Zimmer aufzuräumen. Nur sie durfte die Papiere und Zeich nungen, die massenhaft aus den, Schreibtische und den, großen Tisch inmitten des Zimmers lagen, anrühren und vom Staub befreien. Da lagen auch die Skizzen zu Metas Gartenhaus noch so, wie ste Arnold gestern Abend achtlos hin- geworscn hatte. Ulla nah», die Blätter einzeln auf, um sie zu ordnen. Ein kleines, beschriebenes Blatt siel dabei heraus und flatterte auf den Teppich. Ulla bückte sich und hob es auf. Das war Metas kritzlich« Schrift. Ihre Augen glitten über die zwei Zeilen, die es enthielt: „Erwarte Dich morgen uni drei Uhr Bahnhof Dammtor". Ulla las das Briefchen zum zweite» und dritten Male, dann warf sie es von sich und schlug mit leisem Wehlaut beide Hände vor das tief erblaßte Gesicht. Da hatte sic, wns seit lange wie ein Gespenst die Ruhe von ihrem Lager scheuchte, greifbar, in Wirklichkeit vor sich. Der Beweis war erbracht; auf Kosten ihres Glückes; die ebenso er sehnte, wie gefürchtete Gewißheit war vorhanden. Es war Ulla in, ersten Augenblick nicht möglich, ihre Gedanken zu sammeln, obwohl sie fühlte, daß sie sich um jeden Preis beherrschen und über ihre Lage klar werden müsse. Seltsamer Weise war doch in diesem Augenblick das Leid um Richard ebenso mächtig in ihr als um das eigene auf immer verlorene Glück. Vor Ullas geistigem Auge stand unablässig das Bild der schuldvollen beiden. Sie sah Arnold und Meta greifbar deutlich vor sich, allein in dem Menschenge triebe, wie letztere, die strahlenden Blauaugen zn dein hochgewachseueu Manne emporgeschlagen, an seinem Arme ging. Es war ganz unverfänglich, wenn jemand, der sie kannte, ihnen begegnete. Wer konnte bei so nahen Verwandten Uebles vermuten? Sie waren ganz sicher und konnten sich des sündigen Glückes freuen, wenn sie Seite an Seite, Hand in Hand in den sonnigen Frühlingstag hineinfnhren. Und wenn von Zeit zu Zeit Arnolds Stimme ihr zuzu rufen schien: „Es ist nicht wahr, ich bin unschuldig» Du versündigst Dich an mir!" dann erinnerten die anonymen Briese ihres Gatten an Meta, die er ihr verschwiegen hatte, und zusammenschauernd las sie das Zettelchen zum hundertsten Male. Wie konnte es in die Skizzen geraten sein, wenn es nicht an Arnold gerichtet gewesen wäre? (Fortsetzung folgt.) < ' H