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Aus Stadt und Land Lichtenstein, 13. März. * -— Ortskrankenkaffe zu Lichtenstein. Bei der gestern abend im Ratskellersaale stattgefundenen Wahl von 22 Vertretern der Arbeitnehmer wurden folgende Herren gewählt: Paul Schubert, Färber; Wilhelm Bär, Hausmann; Ernst Schleicher, Weber; Paul Ende, Glaser; Hermann Vogel, Weber; Rich. Laal, Weber; Moritz Rössel, Weber; Paul Nötzold, Wirker; Wilhelm Räpsch, Böttger; Paul Jäckel, Färber; Albert Zech, Silberarbeiter; Louis Kunze, Wirker; Robert Lippmann, Geschäftsführer; Hugo Laal, Silberarbeiter; Hermann Ficker, Weber; Oswald Gelfert, Färber; Ernst Mann, Färber; Karl Baldauf, Tischler; Ernst Scheibner, Hausmann ; Emil Lippold, Weber; Ernst Hüttenrauch, Wirker und Hermann Hosmann, Wirker. * — Mondfinsternisse. Dies Jahr finden zwei Mondfinsternisse statt, welche bei uns sichtbar sein werden. Die erste ereignet sich in der Nacht vom 11. zum 12. April, die zweite am 6. Oktober spät nachmittags. Die erste beginnt abend 11,34 Uhr und endet 2,52 Uhr nach Mitternacht. * — M L,O««,ONO 4 /z0/oige, zu 1V3v/g rück zahlbare, hypothekarische Anleihe der Hoecherl- bräu Aktiengesellschaft in Culm a W Wie aus der in unserer heutigen Nummer veröffentlichten Bekanntmachung ersichtlich ist, gelangt am Montag, den 16. Mürz d. I., der noch in Höhe von M. 910,000 zur Verfügung stehende Betrag obiger An leihe zum Kurse von lOO^o/g zur Zeichnung und werden bereits jetzt Anmeldungen hierauf am hiesigen Platze von derLichtenstein-Callnberg VankFiliale Sarfert u. Co. entgegengenommen. Aus der Be kanntmachung entnehmen wir, daß unterm 25. Febr. d. I. der für die Anleihe verpfändete Grund und Boden nebst den darauf stehenden Baulichkeiten von sachverständiger Seite auf M. 1,048,601,60, ferner das Zubehör auf M. 640,700.— geschätzt worden sind, so daß sich also der Gesamt-Taxwert der ver pfändeten Objekte aus M. 1,689,301.60 beläuft. Das Aktienkapital beträgt 2 Millionen M. und sind laut letzter Bilanz für obige Hypothekverpflichtung von einer Million M. reichlich 3 Millionen M. Aktiv- werte vorhanden. Auf die 2 Millionen Aktien werden zuletzt 5°/^ Dividende verteilt. Der letztjäh rige Absatz der auf eins Produktion von 100,000 Hektoliter eingerichteten Brauerei betrug 66,378 Hek toliter. Die betreffenden Schuldverschreibungen können hiernach als ein vorzügliches Anlagepapier betrachtet werden, so daß unter weiterer Berücksich tigung des billigen Zeichnungspreises und des Be gehrs nach guten, fest verzinslichen Wertpapieren ein voller Zeichnungserfolg wohl zu erwarten steht. * — Sachfenstiftung, unentgeltlicher Arbeits nachweis für gediente Soldaten. Um einen rascheren Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herbei zuführen, ist eine „Zentrale der Sachsen- stiftung" in Dresden-Löbtau, Linden straße 36, errichtet worden, für den persönlichen Ver kehr geöffnet Wochentags nachmittags von 2—3^2 Uhr, Montags von 12—2 Uhr und Sonntags vor mittags von 11—1 Uhr. Stellungsuchende ehemalige Soldaten, für die eine Geschäftsstelle der Stiftung schwer zu erreichen ist, können sich persönlich oder schriftlich, unter Vorlegung bez. Einsendung ihrer Militürpapiere und sonstigen Zeugnisse direkt an diese Zentrale wenden. Bei dieser Gelegenheit machen wir die Arbeitgeber auf die Vermittelungs tätigkeit der Sachsenstiftung aufs neue aufmerksam, durch die sie völlig kostenlos zu tüchtigen, an mili tärische Zucht gewöhnten Arbeitskräften gelangen können. Geschäftsstellen befinden sich an jedem Sitz einer Amtshauptmannschaft und in allen Garnisonen. Als Adresse genügt: „An die Sachsenstiftung zu . . * — Ein für Radfahrer interessanter Fall unterliegt gegenwärtig zur Entscheidung dem Re gierungspräsidenten in Potsdam. Der Chemiker Dr. Grenzfelder bei der königl. Pulverfabrik in Spandau befand sich eines Tages mit seinem Zweirad auf dem Wege zur Arbeitsstätte. Da begnegnete ihm ein auf Patrouillenritt begriffener Polizist, der ihn aufforderte, zu halten und seine Radfahrerkarte vorzuzeigen. Als der Angerufene nicht sogleich abstieg, versperrte der Berittene ihm den Weg und zwang ihn, halt zu machen. Die Radfahrerkarte wurde dann vorgezeigt und in Ordnung befunden, worauf Dr. G. seine Fahrt wieder aufnehmen konnte. Wegen dieses Vorganges hat der letztere Beschwerde beim Regierungspräsidenten erhoben. Er weist darin auf die Konsequenzen hin, die entstehen können, wenn jeder beliebige Sicherheitsbeamte einen Rad fahrer, der sich keinerlei Uebertretung schuldig gemacht, nur deshalb anhalten würde, um sich die Radfahrerlegitimation zeigen zu lassen. Ihm, dem Beschwerdeführer, könne es unter Umständen passieren, daß er auf dem Wege zu seiner Arbeitsstätte in der Pulverfabrik von einem Dutzend ihm begegnenden Polizisten hintereinander zum Haltmachen und Absteigen gezwungen würde. In der Eingabe wird um Beseitigung dieses offen baren Mißstandes gebeten. Die Entscheidung des Regierungspräsidenten steht noch aus. * — St. Cgidien. Die Erdbeben im Vogt lande scheinen noch nicht zum Stillstand gekommen zu sein, denn gestern morgen gegen 5 Uhr 30 Min. wurde auch in hiesiger Gegend an verschiedenen Stellen ein schwacher Erdstoß beobachtet. Die Be wegung schien von Südwest zu kommen und dürfte sich nach Nordost verlaufen haben. Die Bewegung der Erde dauerte ca. 4 Sekunden, wurde aber nur an einzelnen Stellen deutlich wahrgenommen. Ueber einstimmend wird hierzu mitgeteilt, daß um die Zeit des Stoßes ein Geräusch wahrgenommen wurde, als erhebe sich von der Ferne ein heftiger Sturmwind. Auch in Bernsdorf soll dieselbe Erscheinung wahrgenommen worden sein. (M. T.) Dresden. Der seit einigen Tagen verschwun dene kronprinzliche Hausdiener hat sich in München erschossen. Flucht und Selbstmord beruhen lediglich auf privaten Gründen. Leipzig. Am lO. d. M. abends verstarb nach längerem Kranksein im hohen Alter der außer ordentliche Professor in der medizinischen Fakultät unserer Universität, vr. weck., xinl. et jur. Julius Viktor Carus. Mit ihm ist ein Gelehrter heimge gangen, der sich auf verschiedenen Wissenschafts gebieten, als Mediziner, Zoolog und Zootom nam hafte Verdienste erworben hat und der nahezu 50 Jahre als akademischer Lehrer tätig gewesen ist. Am Montag vormittag wurde in Limbach im großen Teiche die Leiche des pensionierten Stadt kassierers Teumer aufgefunden, welcher sich fast 30 Jahre lang durch seine Treue und Gewissenhaftigkeit fo ausgezeichnet hatte, daß ihm ein langer, ruhiger Lebensabend von allen Seiten gewünscht wurde. Der Verstorbene, welcher nur etwa zwei Jahre im Ruhestand lebte, scheint das Opfer einer Nerven überreizung geworden zu sein. Zittau. Ein besonders feierlicher Taufakt wurde am Sonntag nachmittag in der St. Johanneskirche I vollzogen. Vier zur Familie eines hiesigen Gewerbs- I gehilfen gehörige Kinder im Alter von 1—6 Jahren standen gemeinsam vor dem Taufstein und wurden durch Archidiakonus Richter in die christliche Gemein schaft ausgenommen. Die Patenstelle bei den Täuf lingen hatten 16 Kollegen des Kindtaufsvaters über nommen. Hirschfeld. Großes Aufsehen erregte die durch zwei Gendarmen erfolgte Verhaftung des Mühlenbesitzers Bachmann. Wie man hört, soll Bachmann, der früher in Mülsen St. Jakob ansässig war, in den Verdacht der Falschmünzerei gekommen sein, weshalb auch eine Durchsuchung bei ihm vor genommen wurde. B. wurde ans Kgl. Amtsgericht Kirchberg abgeliefert. Crimmitschau. Wegen verbotswidrigen Be suchens der Tanzstunde wurde hier der 17 Jahre alte Bäckerlehrling Jankel vor versammeltem Lehrer kollegium und den sämtlichen Schülern der betreffen den Klasse aus der gewerblichen Fort bildungsschule ausgestoßen. Aus Pirna wird gemeldet, daß der dort ab zuhaltende Gemeindetag abermals verschoben worden ist, und zwar bis in die zweite Hälfte des Juni. In Plauen hat die Bittschrift gegen die Wiederzulassung der Jesuiten bereits über 10000 Unterschriften gefunden. Allerlei. ff Berlin. Nach einer Meldung aus Magde burg ist der Oberstleutnant der Schutztruppe von Grawsrt, der den Rechtsanwalt Aye aus Rendsburg im Duell erschoß, durch Kabinettsordre vom 2. ds. begnadigt worden. ff Auf dem Hamburger Friedhöfe wurden in der Nacht zum Montag vierzig wertvolle Denkmäler vollständig demoliert. Der Kirchenvorstand hat drei hundert Mark Belohnung für die Ergreifung des Täters ausgesetzt. ff Hamburg. Bei einem Vrunenbau in der Elbschloßbrauerei in Nienstetten wurden 2 Arbeiter verschüttet und getötet. ff Düsseldorf. Einem scheußlichen Verbrechen ist man hier auf die Spur gekommen. Seit Rosen montag wurde hier die etwa ^/zjährige Franziska Schatten, die Tochter eines Arbeiters, vermißt, und am Sonnabend wurde die Leiche des Kindes in einem Kanalschacht ermordet aufgefunden. Der Mörder, von dem bislang jede Spur fehlt, hat an dem Kinde zunächst ein geradezu an Bestialität grenzendes Sittlichkeitsverbrechen verübt und es dann durch Hammerschläge auf den Kopf getötet. — Auch in Borbeck ist man jetzt einem vor Jahren verübten Verbrechen auf die Spur gekommen. Im März 1901 wurde in der Nähe des Schloßparkes auf dem Felde eine Kindesleiche aufgefunden. Jetzt hat sich herausgestellt, daß das Kind von dem Vater, einem Arbeiter Hönscheid aus Esseü, ermordet und dann auf das Feld geworfen wurde. Die Eheleute Hön scheid sind beide verhaftet worden. ff Mülheim a. Rh. Während eine hiesige Ehefrau einen kurzen Ausgang machte, holte ihr dreijähriges Söhnchen glühende Kohlen aus dem brennenden Ofen und sammelte diese in der Kleidung seines jüngeren Brüderchens. Das noch nicht 2 Jahre alte Kind verbrannte elendiglich, ehe Hilke zur Stelle war. Das ältere Kind erlitt gleichfalls schwere Brandwunden. ff Im Wissensdrang. Fährt da neulich ein Bäuerlein von Regensburg nach Straubing und studiert während der Fahrt die Vorschriften über den straft des Schicksals. Roman von A. von Gersdorff. (Nachdruck verboten.) (26. Fortsetzung.) Seiner Frau aber hatte er in jener Stunde, die man wohl mit Unrecht die schwerste im Leben eines Menschen zu nennen pflegt, einige wenige schwere Worte gesagt: „Tu alles, was Du kannst — Minna — daß — dereinst — unser Kind Dich mcht eine schlechte Mutter nennt." Auch diese heiligste, liebste Hoffnung hatte Renate begraben, den Vater glücklich und zufrieden machen zu können, ihn bei sich hegen und pflegen zu können, von seinem Geist und Herzen den eigenen Geist, das eigene Herz zu nähren, daran zu üben und besser, wenn nicht glücklicher zu werden, ihm — so Gott wollte — noch die Herzen und Geister geliebler Enkel zuzuführen! Alles begraben. Die Mama allein nach Schloß Roßberg zu nehmen, wie nun wohl das richtigste schien, scheiterte an einer recht sonderbaren Sache: nämlich sowohl Rosalie als auch Wilhelm weigerten sich in höchster Energie, als Frau von Anschar ihren ersten Besuch etwas lange auf Roßberg ausdehnte und durchblicken ließ, wie sie gewillt war, es für immer zu tun. Besonders Rosalie, ihre beste Freundin, die sich in fo herrlicher Einigkeit vorher mit ihr befunden, kündigte nach dem ersten Besuch mit der Schwiegermutter ihres Bruders in Küche, Keller, Vorratsräumen diesem mit hochrotem Angesicht und unnatürlich dumpfer Stimme ihre sofortige und ewige Abreise von Roßberg an, nebst Herausziehung ihres Kapitals, wenn „diese Anschar", dieses herrschsüchtige, unverständige Weib, sich in Roßberg als Herrscherin niederlasse, wie sie es tun wolle. Es sollten dabei noch andere, recht erregende Worte zwischen den Damen gefallen sein. Rosalie konnte sich aber nicht recht besinnen, ob sie wirklich Aehnliches zu ihrer guten Freundin und Wilhelms nun mehriger Schwiegermutter geäußert habe: „Sie haben Ihren engelsguten Mann auch wohl ins Grab geärgert ! llnbeoreiflich, wrederaus dasVerlangen geraten sein kann,mit Ihnen, Verehrteste, das ganze Leben vereint zu sein! Man hat ja nach sechs Wochen genug davon." Entrüstet war Wilhelm. Frau von Anschar reiste eher ab, als sie gewünscht, nach einer etwas erregten Aussprache mit Renaten, die sie in allen Tonarten vor ihrer Schwägerin, als einem herrschsüchtigen und „unverständigen Drachen", warnte und ihr als erste Bedingung zum Glück anempfahl, ihren Mann mit allen Mitteln unter ihre Herrschaft zu bekommen und daun in irgend einer seiner schwächsten Stunden alle Hebel anzusetzen, die Schwägerin aus dem Hause zu bringen. Renate verhielt sich ziemlich gleichmütig und be hielt sich alles vor. Mit kühler Ruhe blickte sie dem Wagen nach, der ihre Mutter der Stadt wieder zuführte. In einem Stift für ältere Damen höherer Be amten nahm Frau von Anschar, die eine recht hübsche Lebensrente der Sorge ihres Mannes verdankte, Wohnung. Da konnte sie wenigstens reden und wurde ehrfurchtsvoll angehört, wenn sie von dem Glück, dem Reichtum, dem himmlischen Schloß ihrer Tochter erzählte, die einen Baron von Lamprecht, der sie an bete, nach langer Weigerung geheiratet habe — und all' ihr Glück ganz allein ihrer vernünftigen Mutter zu danken habe. H * Es war also an jenem dunklen, stürmischen Herbsttage, als Renate Lamprecht mit ihrer Schwägerin in dem Wohnzimmer beisammensaß und sich mit weiblichen Handarbeiten beschäftigte, nämlich nette Schürzen und warme Jacken für die Dorfkinder zu nähen, für das Weihnachtsfest. Da mußte man schon immer früh anfangen. Eben hatte der Sturm angefangen zu rasen, und ab und zu schlug ein schwanker Zweig der alten Linde vor dem Fenster ordentlich wie mahnendes Pochen an die Scheiben, als bäte ein sehr unge duldiger Gast um schnellen Einlaß vor dem Unwetter. Bald darauf wurde auch ^die schwere Haustür geöffnet und vom Sturm gegen die Wand geschlagen, daß alles krachte und die alten Eisenrüstungen längst erschlagener Lamprechts, die in den Ecken der großen Halle standen, so kampfesmutig klirrten, daß die Visiere an den Riesenhelmen niederfielen, als feien die tapferen Rittersleute fertig zum Streite. Erschrocken fuhr Renate von ihrem Schürzen- faume auf, aber Rosalie nähte flink weiter. „Ach, das ist ja bloß Wilhelm. Der hat sich draußen in der Wirtschaft geärgert und dann schmeißt er immer ein bißchen die Türen — das machen doch alle Männer so. Mich wundert dabei bloß, daß die alten klapprigen Renommierdiener in der Halle nicht schon längst mal aus allen Fugen und regelrecht aufeinander losgestürzt sind l" Wilhelm trat ein, nachdem er sich in der Halle noch des alten Regenrockes und der wettermüden Schirmmütze und des mit einem kleinen Spaten ver sehenen Knotenstockes entledigt hatte. Mit den Stiefeln nahm er es nicht genau, und trotz Renatens Bitten brachte er förmlich trotzig meistens die kräftigsten Spuren seines Grund und Bodens mit herein, auf ihren schönen, roten Teppich. (Fortsetzung folgt.)