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Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich VeschSsts-AuMer flr Hchnd«f, Mich, Kmsdnf, Msdsrf, ASM», Kmrichssrt, Meritu»»Mülft«. Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. Nr. L24. Nerusprechsiea« Rk. 7. Donnerstag, den 26. September FerttspktÄstell« Nr. 7. 1895. Mtse» Blatt erscheint täglich sautzcr Soun- Mw festtags) abends für den felgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 26 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — 'Herstellungen nehmen autzer der Expedition in Lichtenstein. Markt 179, alle Kaisen. PostanfiÄten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalt«' Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Nnnahnre der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. MM? Bekanntmachung. Wegen Reinigung der hiesigen Amtslokalitäten bleiben solche Freitag und Sonnabend, de« S7. u«d S8. September I8SS geschlossen und können an diesen Tagen nur dringliche Geschäfte erledigt werden. König!. Amtsgericht Lichtenstein, am 24. Sept. 1895. Geyler. Bolksvivlisthek Mittwoch und Sonnabend von ^12 bis Uhr. Sparkaffen-ExPeditronstaHe in Lichtenstein: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. LKgesgrschLchre. *—- Lichtenstein. In dis Quittungskarte für die JvvaliditätS- und Altersversicherung des von ihm beschäftigten Gesellen B. hatte der Schlosser A. vier Marken nicht etngeklebt, obwohl er bei den wöchentlichen Lohnzahlungen dis von B. zu leistenden Anterlbei- träge von je 15 Pf. abgezogen hatte. Aus diesem Thatbestande war A. wegen Unterschlagung jener zurückgehaltenen Beträge zur Strafe verurteilt wor den. In der Revisiossinstanz wurde der Angeklagte vom Reichsgericht freigesprochen, das ausführte: Zwar hat der Angeklagte gegen die Vorschriften des Jnvaliditätsgesetzes gehandelt, derselbe war auch dem B. gegenüber durch Jnnebehalt des Lohnes verpflich tet, die Marken einzukleben oder den abgezogenen Lohn dem B. auszuzahlen. Dagegen liegt keine Handlung vor, wodurch das Eigentum an den nicht ausgezahlten Lohnbeträgen auf B. übergegangen wäre. Damit fällt aber der Thatbestand einer gegen B. verübten Unterschlagung. Das Verhalten des An geklagten berechtigte nach ß 143 des Gesetzes den Vorstand der Versicherungsgesellschaft zur Festsetzung einer Ordnungsstrafe. Dagegen erfüllte es nicht die Voraussetzungen irgend einer strafbaren Handlung. Der Angeklagte war daher freizusprechen. — Schwindelhafte Zeitungsanzeigen können als Betrug bestraft werden. Das erfuhr zu seinem Scha den am eigenen Leibe der Berliner Kaufmann Kom men. Dieser hatte in einem Anzeigenblatt Frankfurt a. M.'s verschiedene Gegenstände für 1 M. 45 Pf. zum Verkaufe angepriesen und dabei bemerkt: Es sei das sine Gelegenheit, wie sie nie im Leben wie derkehre; er löse seine sämtlichen Filialen in der Provinz auf, um ein Fabrikgeschäft zu übernehmen, und deshalb verkaufe er alles um den vierten Teil des wirklichen Wertes. Der dortige Verein der De« tailisten, der auch de» Reklameschwindel lebhaft be kämpft, ließ sich nun eine Anzahl der Gegenstände schicken, und es ergab sich, daß dieselben mit 1 M. 45 Pf. sämtlich noch viel zu hoch bezahlt waren. Ein „feines Herrenhemd" war aus allergcwöhnlichstem Stoffe und höchstens 1 M. 20 Pf. wert; eins „dicke Wollhose für Herren" war aus Baumwolle und in den Geschäften für 75 Pf. zu haben; von den fa mosen Handtüchern konnte man ein ganzes Dutzend zu dem Preise liefern, das hier für ein halbes Dtzd. gefordert wurde usw. Das waren die Waren, die zum vierten Teile ihres wirklichen Wertes angeprie- sen wurden. Die Filialgeschäfte in der Provinz waren selbstverständlich auch nicht aufgelöst worden, aus dem einfachen Grunde, weil der Mann gar keine Filialen besaß. Der Detailistenverein übergab die Sache der Staatsanwaltschaft, diese erhob Anklage, und der Kaufmann wurde sowohl vom Frankfurter Schöffengericht, wie von der Strafkammer als Be- rufungsinstanz wegen versuchten Betruges zu 250 M. Geldstrafe verurteilt. — Vor 25 Jahren. Ei» Gegenstück zur Ka tastrophe von Oederan. Es ist gewiß ein merkwür diger Zufall, daß sich vor 25 Jahren an dem näm lichen Tage und zu der nämlichen Stunde, wo sich jetzt die Eisenbahn-Katastrophe bei Oederan zutrug, ganz dasselbe Unglück für einen Militärzug ereignete. Damals war es ein französischer Militärzug und die Katastrophe ereignete sich bei Tours. Die Zei tungen berichteten aus TourS, 20. September 1870 Folgendes: „Dos Tagesgespräch bildet heute ein betrübendes Eisenbahnunglück, das 11 Tote und 23 Verwundete gekostet hat. Ein von Domdan in der Nacht über Bendüms kommender Eisenbahnzug, der die letzten Pariser Flüchtlinge mit sich führte, stand auf dem Bahnhofe von Plsssis-les-Tours, wo sich die Eisenbahn nach Nantes abzweigt. Auf dieser Bahn kam Plötzlich mit vollem Dampfe ein Militär zug angefahren und lief auf den stehenden Zug auf, den er teilweise zertrümmerte. Unter den Getöteten befindet sich Herr Duval vom „Journal des Döbats", unter den Verwundeten seine Frau. Wenn Herr Thiers (der sich eben auf dem Wege nach Tours befand, um der Nebenregierung Bericht über seine Vermittelungsbemühmigm in London zu erstatten) pünktlich gewesen wäre, so hätte er sich auf dem ver unglückten Zuge befunden, er traf aber erst heute morgen zwischen 5 und KUH« hier ein, um von hier seine Rundreise nach den neutralen Hauptstädten fortzusetzen." — Durch eine Rettungsmedaille selbst gerettet! Dieser eigentümlicheVorfall hat sich im Kriegs 1870/71 zugetragen und ist in dem Michaelis-Programm des Jnsterburger Gymnasium vom Jahre 1871 sozusagen urkundlich beglaubigt. Die betr. Stelle lautet da selbst folgendermaßen: „Ferdinand Meyer, Leut nant, Sohn des (Jnsterburger) Amtmanns gleiche» Namens (Schüler des Jnsterburger Gymnasiums von Michaeli 1862 bis Michaeli 1867). Derselbe hatte sich durch den langen anstrengenden Vorpostendienst bei Metz ein sehr heftiges gastrisches Fieber zuge- zogen und lag krank und kraftlos in Noisseville, wo er durch die Besonnenheit und Treue seines Burschen gerettet wurde. Darauf in das Lazarett St. Barbe gebracht und nach 14 Tage» genesen, rückte er mit seinem Regiment nach Mezieres, wo er, noch ange griffen von der furchtbaren, eben überstandenen Krank heit, mit eigener Lebensgefahr ein Ljähriges franzö sisches Kind, das in dis Sarmonne gestürzt war, rettete. Ueberrascht und hocherfreut drängten sich die Bewohner herbei und dankten dem Retter des Kindes mit herzlichen Worten sogleich und später durch Verleihung des Ehrenbürgerrechts von Mezieres. Von Sr. Majestät unserm Könige und Kaiser wegen seiner edlen That mit der Rettungsmedaille belohnt, verdankte er dieser seine eigene Rettung. Denn die Kugel, die ihn am 19. Januar 1871 bei St. Quen tin traf, wurde durch die Rettungsmedaille, die er trug, abgcschwächt und verursachte nur eine leichte Verwundung und eine heftige Kontusion. In der Schlacht selbst fand er noch Gelegenheit, sich so aus- zuzeichnen, daß ihm das Eiserne Kreuz verliehen wurde." — Herr F. Meyer ist Kaufmann und Prä sident der deutschen Kolonie in Riga. — Die Ostseeküsten heben sich seit Jahr tausenden noch jetzt fortwährend. Aus der Natur- forscherversammlung in Lübeck wies Professor Credner aus Greifswald darauf hin, wie sich die Klippen an den finnischen Küsten immer mehr und mehr aus dem Meere heben. Schon im vorigen Jahrhundert angebrachte Marken an den Felsmasse» zeigen, daß die Hebung im Jahre ein Zentimeter beträgt, und zwar handelt es sich, wie die ungleichmäßige Hebung beweist, um tektonische Verschiebungen. Hebungs erscheinungen auf der einen Seite, im Süden Zer störung von Land und Wiederaufbau sind die Züge, die die gegenwärtige Entwickelung der Ostsee zeigen. Die ganze Küste von Hinterpommern in ihrer ein förmigen Art verdankt dieser Landaufschwemmung ihre Entstehung. Sv verändert sich fort und fort auch gegenwärtig das Gecken der Osttee. Der zweite Vortrag auf der Naturforscherversammlung war der des Prof. Wilhelm Ostwald-Leipzig: Die Ueber- windung des wissenschaftlichen Materialismus. Atome und die zwischen ihuen wirkenden Kräfte werden als die letzten Realitäten angesehen, aus denen die einzelnen Erscheinungen bestehen. Man kann diese Auffassung der Naturerscheinungen den wissenschaft lichen Materialismus nennen. Die so allgemein angenommene Auffassung ist unhaltbar. Diese me chanische Weltanschauung erfüllt nicht ihren Zweck, tritt mit allgemein bekannten und anerkannten Wahr heiten in Widerspruch und muß deshalb aufgegeben und womöglich durch eine andere bessere ersetzt werden. Im ersten Teile seines Vortrages weist der Redner die Fehler der mechanistischen Auffassung der Natur nach, dis aus der Verallgemeinerung der Ga- lileischen Lehre von der Schwerkraft und des New- tonschen Gravitationsgesetzes entstand. Eine Bestä tigung aber der aus dieser Theorie fließenden Folgerung, daß alle nicht mechanischen Vorgänge, wie die der Wärme, der Strahlung, der Elektrizität, des Magnetismus, des Chemismus tatsächlich mechanische seien, ist in keinem Falle erbracht worden. In keinem einzigen dieser Fälle ist es gelungen, die thatsächliche» Verhältnisse durch ein entsprechendes mechanisches System so darzustellen, daß kein Rest übrig blieb. Am deutlichsten trete jener Irrtum gegenüber der folgenden Thatsache in die Erscheinung. Die mecha nischen Gleichungen haben alle die Eigenschaft, daß sie die Vertauschung des Zeichens der Zeitgröße gestatten, d. h. die mechanischen Vorgänge können ebensogut vorwärts wie rückwärts verlaufen. In einer rein mechanischen Welt gebe es kein Früher oder Später im Sinne unserer Welt. Die thatsäch liche Nichtumkehrbarkeit der wirklichen Naturerschei nungen beweise also das Vorhandensein von Vor gängen, welche durch mechanische Gleichungen nicht darstellbar sind. Damit wäre der wissenschaftliche Materialismus zu verwerfen. — Der Handels- und Gewerbckammer ist eine Mitteilung über den für die Zeit vom 31. August bis 2. Oktober dieses Jahres angesetzten internatio nalen Wettstreit für Lebensmittel und hygienische Produkte in Amsterdam, welcher in der Form einer Ausstellung auftritt, zugegaogen. Darnach soll dieses Unternehmen ohne genügende Vorbereitung, ohne Gewähr für die Tüchtigkeit ihrer in Antwerpen un bekannten Unternehmer und ohne Garantiefonds und dergleichen ins Leben gerufen worden sein. Interes senten seien hierauf aufmerksam gemacht. — Vom 1. Oktober ab werden auf den Bahn höfen Leipzig, Altenburg, Gößnitz, Crimmitschau, Werdau, Reichenbach, Netzschkau und Plauen Auto maten zum Verkauf von Bahnsteigkarten aufgestellt. Dienstmännern und Gasthofshausdiener» wird der Zutritt zu den Bahnsteigen auch dann nicht gestattet, wenn sie im Besitze von Bahnsteigkarten sind. Nur wenn sie Reisenden das Gepäck an den Zug bringen, können sie gegen Lösung einer Bahnsteigkarte zuge lassen werden. — Dresden, 24. Sept. Das „Dresdner Journal" meldet: Der Bahnwärter Wolf, durch dessen verhängnisvolles Signal das schwere Eisen bahnunglück bei Oederan herbeigesührt wurde, ist am Sonntag durch die König!. Staatsanwaltschaft Frei berg verhaftet worden. — Wegen eines Betrugsversuchs wurde am Sonn abend ein 30jähriger Bäcker und Cigarrenmscher aus Dresden, der in Polizeikreisen als Bauernfänger ge-