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und fuhr fort, ihn mit Säbelhieben zu traktieren. Nach zwei Tagen war der Unglückliche gestorben. 8 Die Zahl der in Berlin verübten und noch nicht aufgeklärten Mordthaten beläuft sich allein für die letzten drei Jahre auf nicht weniger als 13. — Der preußische Kultusminister hat cs abgelehnt, die Feuerbestattung gutzuheißen. Zur Be gründung sagt er, daß die Feuerbestattung nicht im Einklang steht mit dem durch Jahrtausende geheilig ten christlichen Gebrauch der Beerdigung. Es könne nicht die Aufgabe der Kirche sein, diesen im christ lichen Volksleben tief eingewurzelten Gebrauch zu lockern oder durchbrechen zu helfen. — Eugen Rich ter hat wieder einmal etwas entdeckt. In seiner „Freis. Zeitung" erhebt er sich gewaltig, er donnert gegen das „Selbstherrschertum des Fürsten Bismarck", um schließlich zu fordern, daß man gegen den ersten Kanzler „wegen mißbräuchlicher Verwendung des Welfenfonds die Anklage erhebe", weil diese Gelder nur zur Sicherung des Staats gegen welfische Um triebe verwendet werden durften. Das Defizit des Direktors einer Retchsbanknedenstelle habe aber auch dann noch mit welfischen Umtrieben nichts zu thun, wenn der Direktor der Schwiegervater eines Mi nisters sei. 8 Bei der Einweihung der Kaiser Friedrich- Kirche in Berlin wurde ein Chorgesang borge- tragen: „Wenn der Herr ein Kreuze schickt, laßt es uns geduldig tragen." Die Geschichte dieses Gesanges ist rührend. Der Dichter (?) war ein 13jähriger Knabe, Feodor v. Willich, der an der selben Krankheit litt wie Kaiser Friedrich, dem der jugendliche Dichter es widmete. Der Kaiser war von der Widmung so gerührt, daß er die Dichtung dem Hofkapsllmeister Radecks zur Komposition über gab. Feodor erlag gleich dem Kaiser Friedrich der unheilbaren Krankheit. — Dec Gimpelfang wird an der Börse ganz regelrecht betrieben. Nachdem in der letzten Zeit die Kurse auf eine Höhe getrieben worden waren, die durch nichts gerechtfertigt war, tritt jetzt rascher Fall ein. Die Papiere find hoch an den Mann gebracht, nun mag oas spekulierende Publikum sehen, wo eS bleibt. Die „Voss. Ztg " gesteht offen ein: „Unsere Banken haben nicht nur alle zweifelhaften Posten abgeschrisben, sie Habec. reiche offene und versteckte Reserven gelegt und sind auf Grund großer Gewinne in der Lage, für das Jahr 1895 um zwei bis drei Prozent — ja, wenn sie wollen — um noch mehr Prozent höhere Divi denden zu verteilen. ... Es wird wieder einer län geren Schonzeit bedürfen, ehe sich die neuen Gimpel wieder fangen lassen werden, es ist viel Vertrauen begraben worden." — Seit 1890 sind 60000 Polen aus Rußland in Deutschland eingewandert und im mer noch folgt neuer Nachschub. Auf dem deutsozia len Parteitage in Erfurt wurde deshalb beschlossen, für eine Sperrung der russischen Grenze gegen pol nische Einwanderer, wie sie unter Bismarck bestand, sinzutreten. 8 Das Schreiben, in dem der franzosenfreund liche Dr. Haas seinen Wählern im „Lorrain" mit teilt, daß er sein Reichstagsmandat niederlege, ent hält folgenden Passus: Liebe Mitbürger! In letz ter Zeit haben sich in unserem Lande bedauerliche Schwächen kundgegeben. Ich habe die Ueberzeugung, daß Sie in Lothringen nur einem selbständigen Manne auftragen werden, Sie im Reichstage zu vertreten, der gewillt ist, der Sachs des Rechtes und der Gerechtigkeit nicht auszuweiche» und, die Drohun gen sowohl wie Versprechungen unbeachtend, ohne Gnade und Barmherzigkeit gegen das Regime der Unterdrückung und der Willkür, das allen Völker rechten zum Hohn noch nach fünfundzwanzig Jahren Annexion auf Elsaß-Lothringen lastet, protestieren »Illi I!!!! I i III!!Ii!!I!Ii!!II» ! Alliierte. Original-Roman von Gustav Lange. (Nachdruck verbann.) (Fortsetzung.) Ueberhäuft von den Dankesworten der kranken Frau verließ Geheimsekretär Giraldo endlich die Wohnung des flüchtigen Anarchisten Solfino. Als er sich wieder draußen in der engen schmutzigen Gasse befand, mußte er sich mehrere Male mit dem Taschentuche über die Augen fahren, er vermochte doch nicht ganz die Thränen der Rührung und des Mitgefühls zurückzudrängen. Erst der Gedanke an die Mission, welche er noch zu erfüllen hatte, gab ihm seine Energie wieder zurück, deren er gerade jetzt in erhöhtem Maße bedurfte, um die schwierige Auf gabe, die zu lösen er sich vorgenommen, zu erfüllen. „Mein Gott, wer hätte dies gedacht, daß der Mensch so weit sinken kann, doch meine Ahnung, sie hat mich nicht betrogen," murmelte Giraldo leis« vor sich hin, als er einige Schritte von dem Häus chen entfernt war. „Aber, ich kann ihn nicht retten, 'ich muß der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen, und wenn er mein eigener Sohn wäre!" 6. Kapitel. Schein und Wirklichkeit. De, durch die Liebe geschärfte Blick einer Gattin oder treusorgende Mutterhände hätten das Heim eine» Mannes nicht behaglicher, mit allem Komfort fast bis zur Ucbersättigung ausstatten können, wie «s diejenigen Räume waren, welche der Vicomte To- nello, der Neffe Serranos, im Palaste seines Onkels bewohnte. Alle Welt mußte den jungen Kavalier wird. Denke» Sie an den von mir angenommenen Wahlspruch: IHs oo quo äois et aävionno qus xourra. Dr. A. Haas. Nancy, den 18. Oktober 1895." Herr Haas ist etwas spat zu der Einsicht gelangt, daß er nicht würdig ist, ein Mandat im deutschen Reichstage auszuüben. Man kann den Franzosen zu diesem neuen Mitbürger gratulieren. 8 Schwindel über Schwindel! Es war im Jahre 1894 am 24. April, da war in der Abendausgabe der „Kreuzzeitung" („Neuen Preußischen Zeitung") in schönem, gesperrten Druck zu lesen: „Danksagung. Mit einer auf meine politische Tätigkeit Bezug neh menden Widmung sind mir „als ein kleines Zeichen dank barer Widmung von deutschen Frauen" vor einigen Tagen prächtige, von Damenhand kunstvoll gearbeitete Gaben über sandt worden. Da es mir trotz des Poststempels Stettin bisher nicht gelungen ist, eine Spur aufzufinden, welche es mir möglich mache» könnte, meinen innigen Dank den Ab senderinnen persönlich abzustatten, so muß ich zu meinem lebhaften Bedauern mich darauf beschränken, es an dieser Stelle zu thun. B e r l i n, den 24. April 1894. Freiherr von Hammerstein." — Jetzt wird nachgcwiesen, daß v. Hammerstein das Geschenk durch sewe jüdische „Freundin" Gaß hat unfertigen und auch durch sie hat in Stettin zur Post geben lassen. Vier Lage später konnte darauf Herr Freiherr von Hamnurstein in der „Kreuzztg." „seinen innigen Dank" den „deutschen Frauen" ab statten, von denen er zu seinem „lebhaften Bedauern" „keine Spur aufzufinden im Stande war." Diese neuesten „Enthüllungen" lassen übrigens keinen Zweifel daran, daß dis Gaß es gewesen ist, die die Sammlung von Briefen Hammersteins teils aus Profitsucht, teils nm sich zu rächen, an demokratische Blätter verkauft hat. Hammerstein würde sicher kein Schriftstück weggegeben haben, deiS ihn so bloßstellt, wie die obigen Enthüllungen cs thun. 8 Dec Verkehr iur Kaiser Wilhelm-Kanal ent spricht noch nicht den allerbescheidensten Erwartungen. Im Monat September hatte der Kanal auf seiner ganzen Strecke die volle schiffbare Tiefe von 8*/s in, ferner ist der Monat September der Monat des regsten Verkehrs zwischen Nord- und Ostsee. Trotz dem bleibt die Frequenz des Monats September von rund 133,500 Reg.-Tons hinter der veranschlag ten Frequeozziffec von 812,500 Reg -Tons im Mo natsdurchschnitt um 679,000 Reg.-Tons zurück. In Rhederkreisen herrscht kaum noch ein Zweifel, daß eine Erhöhung des Verkehrs im Kaiser Wilhelm- Kanal bei dem jetzigen Tarife nicht zu erwarten ist. 8 Der Parteitag der deutsch-sozialen Reform- Partei, schreibt die „Leipz. Zig.", hat in endlosen Debatten seine Programmberatungen fortgesetzt. So bald man bei einer Programmforderung Miene macht, das Gebiet der allgemeinen Phrasen zu verlassen und zur Formulierung praktisch - con- creter Forderungen überzugehen, ergab sich ein der artiges Durcheinander von Ansichten, daß der beir. Programmpunkt „der Redaktionskommission über wiesen" werden mußte. Die Wiedergabe des Be richts über die endlosen Verhandlungen ist bei so ge stalteter Sachlage wohl zwecklos. 8 Ganz Halle wallfahrtete am Sonntage nach Ämmendorf, wo die Tochter des Zigeuneikönigs Waytosch, wie dieser in den Zeitungen mit viel Ge schrei bekannt gemacht hatte, Hochzeit feiern sollte. Die Eisenbahn mußte sogar Sonderzüge für die Neugierigen einstellen! Von Romantik war bei der Hochzeit aber nichts zu spüren, von Schwindel und Bettelei desto mehr, und die biederen Hallenser ließen sich von dem ungewaschenen Volke denn auch nach Herzenslust ausbeuten. Auf einer Wiese waren eine Anzahl Wagen aufgefahren, in denen Zigeunerfa milien in schmutziger, zerlumpter Kleidung auf un- beneiden, der unstreitig ein Schoßkind des Glückes war. Träger eines altberühmten Namens und durch seine Eltern in den Besitz eines fürstlich zu nennen den Vermögens gelangt, war ihm auch sonst das Glück in allen Dingen hold, und begleitete er schon jetzt, kaum achtundzwanzig Jahre alt, eine angesehene Stellung im Staatsdienste, er hatte sozusagen die Glücksleiter bereits einen beträchtlichen Teil erklommen. Wer aber jetzt am frühen Morgen den Vicomte To- nello beobachten konnte, wie er aufgeregt in seinem Zimmer auf und abschritt, während der Schall der Tritte durch die kostbaren Teppiche gedämpft wurde, oder wie er sich dann wieder wie erschöpft auf de» Divan warf, mit den Händen durch das reiche dunkel- gelockte Haupthaar fahrend, würde in ihm fast den schönen jungen Edelmann, dem sonst die Herzen der Damen schon bei seinem Erscheinen entgegenflogen, und auf dessen kirschroten, von einem sorgfältig ge pflegten schwarzen Schnurrbärtchen beschatteten Lippen fortwährend ein bezauberndes Lächeln schwebte, wo durch eine Reihe blendend weißer Zähne sichtbar wurden, kaum wiedererkannt haben. Keine Spur von dem sonst so gewinnenden G-sichtSauSdrucke mehr, es waren fast die Züge eines Mannes, welcher eine Hölle von Leidenschaften in seinem öusen birgt, die, wenn sie dann erwachen, dem Träger jenes dia bolische Aussehen verleihen. Der Blick der unruhigen, seltsam leuchtenden Augen schossen förmlich Blitze, und immer düsterer legten sich die Schatten über diese hohe weiße Stirne. Der auf silberner Platte auf dem Tische stehende Morgenimbiß, den ein Diener bereits vor einer Viertelstunde hereingebracht, war noch unberührt geblieben. reinen Betten und Lumpen ihr Heim aufgeschlagen hatten. Ueber einem offenen Holzfeuer hing ein großer Kessel, in dem Fleisch und Gemüse ohne be sondere Zubereitung für die zahlreiche braune Ge sellschaft hcrgerichtet wurde. Dazwischendurch be wegten sich die losgekoppelten Pferde der Zigeuner und das überaus neugierige Publikum, das von den Zigeunerkindern unaufhörlich angebettelt wurde. Das Ganze trug ganz den Charkter einer Viehmarkt szene, von all den übrigen angekündigten großartigen Aufführungen keine Spur. Der Festzug beschränkte sich auf ein Musikchor und einigen Wagen, in denen da« Brautpaar und einige Zigeunerfamilie» Platz genommen hatten. Trotzdem wurde für den Zulaß in das Festzelt ein Eintrittsgeld von erst 20 Pfg., und als man merkte, daß sich das Geschäft machte, ein solches von 50 Pfg. erhoben. Von Zeit zu Zeit begaben sich die Zigeuner ins Freie, um sich bewun dern zu lassen, dann kehrten sie in das Zelt zurück und erhoben von denjenigen, die „nicht alle werden" aufs neue Eintritt. Hin und wieder wurde eine Art Tanz aufgeführt, der weiter nichts als einem Herumhüpfen und Herumstampfen der paar Tänzer bestand. Daun wahrsagten die Frauen den Zuschauern, natürlich nicht umsonst. Das Ganze war eine Bettelei und Brandschatzung des neugierigen Publikums, wie man es sich toller nicht vorstellen kann. Am Montag fand Fortsetzung des Festes statt, auch dazu hatte sich ein zahlreiches Publikum eingefunden, das ebenfalls nach Möglich keit gcbrandschatzt wurde. Recht originell nahm sich eine Bekanntmachung des Hochzeitsvaters im „Ge neralanzeiger" aus, sie lautet: „Achtung! Infolge des gewaltigen MenschenandrangeS war es gestern nicht möglich, die Hochzeit unserer Tochter nach unse ren Sitten und Gebräuchen ausführen zu können. Für die uns erwresem große Ehre besten Dank. Ammcndorf-Radewell I. Waytosch und Frau." — Das war dre vielbesprochene Hochzeit einer Zi geuner-Prinzessin. 8 Zeulenroda. Die von der Polizeiver waltung jüngst angeordnete sachverständige Revision der hiesigen Fleischereien soll, wie das „Zeul. Tgbl." vernimmt, nicht gerade ein sehr erfreuliches Bild über die Zustünde und Einrichtungen in denselben ergeben haben. Von den vorhandenen 26 Fleischereien sind nur drei in ordnungsmäßigem Zu stande befunden worden, während in 23 Schlacht- betrieben zum Teil sehr bedeutende Ordnungswidrig keiten festgestellt wurden. 8 Hannover, 23. Okt. Heute vormittag ivurde auf belebter Straße gegen einen Geschäfts- bieuer der chemischen Fabrik König und Ebell ein Ueberfall verübt. Der Diener wollte in das Reichs- bankgsbäude eintreten, als ein Fremder mit einer eisernen Stange einen Schlag gegen den Kopf des Dieners führte, ihn aber nicht schwer verletzte. Auf die Hilferufe des Angegriffenen wurde der Attentäter von Bankbeamten festgenommen. 8 Wie dem „Berl. Tgbl." ausM in d en i. W. gemeldet wird,haben52VrundbesitzerinBarkhausenbeim dortigen Amtsgericht ihren Austritt aus der evan gelischen Landeskirche angemeldet, weil die Kirchen behörde trotz eines Protestes die Bildung einer eigenen evangelischen Kirchengemeinde in Barkhausen geneh migt hat. Barkhausen war von jeher nach Minden eingepfarrt. 8 Die Eisenbahn-Betriebsinspektion zu Inster burg macht bekannt: Personenzug Nr. 132, von Insterburg bis Allcnstein gehend, mußte abends i/zIO Uhr nach erfolgter Abfahrt von dem Bahnhof Korschen vor dem westlichen Ausfahrtssignal halten, weil die Ausfahrt noch nicht freigegeben war. Eine Reserve-Lokomotive, welche auf demselben Geleise War er wirklich der vielbeneidete Vicomte To- nello, dessen Lebenshimmcl nach der Meinung aller, die ihn kannten, kein Wölkchen trüote? Der junge Mann blieb jetzt vor einem der hohen in Goldrahmen gefaßten Pfeilerspiegel stehen, in wel chem sein eigenes Ich mit natürlicher Deutlichkeit ihm entgegenleuchtete. Er erschrak fast über fein Aussehen. „Warum zögere ich noch, meinem elenden Dasein durch eine Kugel ein Ende zu machen, wie so mancher jener vom Spielteufel erfaßten Unglückseligen, welche gleich mir in der Lasterhöhle all ihr Hab und Gut verloren". Sein Blick schweifte von dem Spiegel hinweg nach jenem Teile des Zimmers, wo eine kostbare Waffensammlung in geschmackvoller Gruppierung die Wand bedeckte. Doch der Anblick der kostbaren Waffen, die ehedem sein Stolz gewesen und die er mit sehr bedeutenden Kosten erworben, ließ ihn leicht erschaudern, er fand nicht den Mut dazu, sondern klammerte sich mit verletzten Hoffnung an ein Leben, welches für ihn schlimmer, als der Tod war. Welche Verkettung von Umständen hatte einen so jähen Wechsel im Leben dieses Mannes hervor gerufen, sodaß ihm dasselbe nur noch als Qual er schien, er aber trotzdem nicht einmal den traurigen Mut fand, demselben ein Ende zu machen, sondern es vorzog, sein Verhängnis gleich Zentnergewichten mit sich herumzuschleppen? Früh verwaist, war er unter der Obhut seines Onkels Serrano und dessen Gattin ausgewachsen. Ein gewisser Hang zum Leichtsinn, zu exzentrischen Neigungen machte sich schon frühzeitig bei ihm be merkbar, indes die strenge Zucht des Onkels und