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Berg, und Christliebe» zu verdanken ist. Heuer ver- anstaltet der Verein in der AdventSzeit eine Aus. stellung von Pyramiden oder Laufleuchtern, die hier fast in allen Häusern anzutreffen find und zu Weih nachten einen Schmuck der Zimmer bilden. — Roßwein, 25. Nov. Eine schlichte, seltene Feier vollzog sich am gestrigen Totensonntag in un serem Gotteshaus. Umgeben von seinen beiden er- Wachsenen Töchtern und einem dritten Zeugen hatte sich ein in den 60er Jahren stehender hiesiger Herr, welcher jüdischer Geburt und jüdischen Glaubens war, eingefunden, um sich taufen zu lassen und damit zum christlichen Glauben überzutreten. ES dürfte gerade der Fall, daß sich ein Mann im Greisenalter noch zu einem andern Glauben bekehren läßt, sehr selten vorkomme». H B erlin, 26. Nov. Es darf als sicher an genommen werden, daß der Kaiser den Reichstag am 3. Dezember in Person eröffnen wird. 8 Hier werden Damen in und außer dem Hause frisiert. Diese Ueberschrift befindet sich an einer großen Anzahl von Berliner Häusern, ohne ir gendwelche Bedenken zu erregen. Höchstens könnte man die Logik anzweifeln, daß „hier" auch außer dem Hause frisiert wird. Seit einiger Zeit prangt aber ein Plakat dieses Inhalts auch am alten Reichs- tagsgebäude, und das ist eine Pietätlosigkeit, gegen welche von geeigneter Stelle eingeschritten werden müßte. Das Haus, in welchem sich die denkwürdig sten historischen Ereignisse abgespielt haben, ist bei- nahe zu einer Krämerbude herabgesunken. 8 Der Kaiser hat genehmigt, daß am 18. Ja nuar 1896, dem 25jährigen Gedenktage der Prokla mierung des Deutschen Reiches, in allen höheren, mittleren und niederen Schulen des Landes eine all gemeine Schulfeier veranstaltet wird. Diese Feier soll darin bestehen, daß an allen bezeichneten Schulen der Unterricht ausfällt, an den höheren Schulen, Seminaren und Präparandenanstaltcn in den einzel nen Klassen in geeigneten Ansprachen die Bedeutung des Tages den Schülern in zu H^ze« dringender Weise vorgeführt und daran eine gemeinsame, aus Gesang und Deklamation bestehende patriotische Schulfeier für alle Schüler angeschlossen wird. 8 Die „Berl. Böis.-Ztg." schreibt: In der Reihe der historischen Gedenktage spielt der 23. November eine nicht unwesentliche Rolle. Jenen namentlich, welche meinen, das Deutsche Reich habe sich in seiner heutigen Gestalt gleichsam von selbst entwickelt, ist das Studium der Ereignisse, Strömungen und Schwie rigkeiten, die am 23. d. vor 25 Jahren ihren Abschluß fanden, dringend zu empfehlen. Es galt, das Deut sche Reich zu schaffen, und wie wir wissen, fehlte es nicht an Plänen, den Einzelstaaten energisch vor Augen zu führen, daß sie auf Preußens Macht an gewiesen seien und sich zu fügen hätten. Das hätte verhängnisvoll werden können, hätte uns die Vor sehung nicht in Bismarck das staatsmännische Genie geschenkt, das durch die Mäßigung im Fordern und Opferfreudigkeit im Bieten alle Befürchtungen be seitigt hätte, die der Sondergeist zeitigte. Den Aus schlag gab Bismarcks Darstellung dem Könige von Bayern gegenüber, daß es ihm doch leichter sein müsse, gewisse Rechte, die in der Macht Preußens ihre Begründung finden, dem deutschen Kaiser einzu räumen, als dem benachbarten Könige von Preußen. Baden und Hessen hatten bereits ihre Zustimmung gegeben, die Verfassung des Norddeutschen Bundes anzunehmen, nun gab auch Gayern, dem in manchen Punkten eine bevorzugte Stellung eingeräumt wurde, nach, und am 23. November 1870 wurde der Ver. trag über seinen Eintritt in den Bund unterzeichnet. Damit wardas Werkder Einigung Deutschlands geschaf- sen.Bismarckatmetaufundsagte: „Dasistein Ereignis." Auf den Wogen des Lebens» Roman aus dem Englischen von A. Nicola. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Eine weiche wohlklingende Männerstimme er widerte: Führe ihn herein, Carter". Zu einem Andern drinnen sprechend, fuhr er fort: „Sie haben die ganze Angelegenheit schlecht gehandhabt. Ich kann Ihnen nichts wieder anvertrauen". Als Mordaunt etutrat, ging eine weibliche Ge stalt schnell hinaus. Mitten im Zimmer, Holmarks Zettel in der Hand haltend, stand ein hübscher Mann von viel leicht sünfunddreißig Jahren, dessen hohe, kräftige Gestalt Kraft und Geschmeidigkeit verriet. Seinem Aeußern nach mußte er sicherlich den höheren Gesell schaftskreisen angehören; nur ein widriges Geschick konnte ihn zum Geheimpolizisten gemacht haben. „Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, ob Sie Mr. Delaware sind", hob der Eintretende an, „denn ich sehe Mr. Holmarks Schreiben in Ihrer Hand". Der junge Mann verneigte sich leicht, indem er erwiderte: „Bitte, Mr. Mordaunt, nehmen Sie Platz, dann wollen wir sehen, was sich in Ihrer Sache thun läßt. Mein Chef übergiebt mir dieselbe vollständig. Um was handelt es sich?" „Um einen Mord", antwortete Mordaunt. Der Geheimpolizist richtete seine dunkeln, klugen Augen einen Augenblick lang fest auf des älteren Mannes Züge, und sagte, das Notizbuch aus der Tasche ziehend: ES giebt immer noch Leute, welche eine weise Miene annehmen, wenn sie die durch nichts zu erhärtende Be- hauptung wagen, der Altreichskanzler sei in der aus- wärtigen Politik groß, aber in der inneren Politik habe er Fehler gemacht. Man vergißt dabei eben leichten Herzens, daß der erste Schritt der inneren Politik die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches war und zwar zur Zufriedenheit aller Teile. Bis- marck äußerte damals nachdrücklich, daß ihm daran lag, alle mit der Sache innerlich zufrieden zu machen. „Was sind Verträge, wenn man muß!" rief er auS, und Busch verewigte dies zutreffende Wort. Jetzt, nach 25 Jahren würdigen wir es erst, wie groß und weit vorausblickend Bismarck war, als er das Reich unter Garantien seines Bestandes schuf, die seinem Geiste wie seinem Gemüte gleicher Weise entsprangen. 8 Der Andrang seelustiger Knaben zum Eintritt in die SchiffSjungen-Abteilung der Kaiserlichen Ma- rine hat sich in den letzten Jahren, besonders aus den süddeutschen Bundesstaaten, dermaßen gesteigert, daß in der Regel Hunderte von Eintrittsgesuchen nicht berücksichtigt werden können. Da die Einstel lungsbedingungen besonders im Binnenlands weniger oder gar nicht bekannt sind, bringen wir dieselben in nachstehendem in gedrängter Kürze zur allgemeinen Kenntnis: Der einzustellende Junge soll in der Regel 16 Jahre alt sein, darf jedoch das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Nur bei großer Körperstärke ist die Einstellung bereits im Alter vom vollendeten 15. Jahre ab gestattet. Der Einzustel lende muß eine Größe von mindestens 1,47 m und einen Brustumfang von mindestens 0,73 m, nachdem AuSatmen gemessen, besitzen. Nach Ablauf von zwei Jahren werden die Schiffsjungen, sofern sie auf einem der Schulschiffe der „Moltke"-Klasse die genügende seemännische Ausbildung erlangt haben, zu Matrosen ernannt, in die Matrosen-Division eingestellt und vereidigt. Die weitere Beförderung ist von der Füh rung und Befähigung jedes Einzelnen abhängig. Wer die Aufnahme in die Schiffsjungen-Abteilung wünscht, hat sich persönlich bei dem Kommandeur des Land wehrbezirks seiner Heimat (oder, wer dazu Gelegen heit hat, persönlich bei dem Kommando der Schiffs jungen-Abteilung in Friedrichsort bei Kiel) zu mel den. An Papieren sind erforderlich: 1) Geburtsschein, 2) schriftliche, von der Ortsbehärde bescheinigte Ein willigung des Vaters oder Vormundes. Jstdievor- geschriebene milttärärztliche Untersuchung, sowie eine Prüfung im Lesen, Schreiben und Rechnen günstig ausgefallen, so werden die von dem Bezirkskommando angemeldeten Jungen von der Schiffsjungen-Abtei lung in eine Anwärterliste eingetragen. Das Kom mando der Marineftation der Ostsee hat auf Grund der von der Schiffsjungen-Abteilung vorzulegenden Anwärterliste spätestens Anfang März zu verfügen, welche Jungen eingestellt werden sollen. Die Ein stellung erfolgt Anfang April bei der Schiffsjungen- Abteilung in Friedrichsort, wohin die definitiv an genommenen Jungen durch die Bezirkskommando instradiert werden. Bei dem, wie erwähnt, großen Andrange können wir den auf Einstellung Reflek tierenden nur zu möglichst frühzeitiger Anmeldung raten, zumal da, wie wir hören, im April 1896 nur 220 Jungk« zur Einstellung gelangen werden. 8 Kiel, 24. Nov. Ein heftiger Südostorkan mit starkem Schneefall in der Ostsee hat Verkehrs störungen und Unfälle aus See verursacht. Der dänische Postdampfer „Daneskjold Somsoe" wurde auf der Fahrt von Korsör nach Kiel von dem Un wetter betroffen. Das mit Holz beladene Segel schiff „Max Robert" strandete auf der Fahrt von Memel nach dem Nordoftseekanal bei der Einfahrt in die Kieler Föhrde. Schleppdampfer eilten dem Schiffe zu Hilfe und machten dasselbe wieder flott. „Bevor wir zu den Einzelheiten übergehen, möchte ich Namen und Datum notieren, damit ich weiß, von wem Sie reden. Jedenfalls können Sie mir diese genau angeben?" „Gewiß; doch ich will vorher bemerken, daß ich keine Fra« in meiner Angelegenheit beschäftigt wissen möchte." „Ich kann Ihnen nicht versprechen, keine Frau anzustcllen, da ich eS sehr wahrscheinlich da werde thun müssen, wo nur eine Frau handeln kann. „Das ist mir gleichgültig. Ich kenne nur ein einziges weibliches Wesen, dem ich vertrauen kann und das ich dafür haben will. Sie ist klug, ener gisch, verschwiegen und besitzt einen Mut, der feines Gleichen sucht." „Dieses Weltwunder möchte ich sehen," lächelte Delaware. „Sie lachen, aber ich versichere Sie, daß die Dame —" „Eine Dame! Nein, Mr. Mordaunt, eine Dame kann, was wir „unsaubere Arbeit" nennen, nicht thun!" fiel ihm der Andere in das Wort. „Wer ist sie?" „Eine weitläufige Nichte von mir; das heißt, ihres verstorbenen Vaters erste Frau und nicht ihre Mutter, war meine Schwester. Ja, Olive Vernon ist die rechte Person, sobald Sie weibliche Hilfe brauchen." „Die Dame wird jedenfalls nicht darauf ein gehen, Agentin eines Geheimpolizisten zu sein." „Ich glaube, mich dafür verbürgen zu können," meinte Mordaunt mit Nachdruck; „ich besitze den Schlüssel zu dieser Thür. Verlassen Sie sich darauf." Der Stettiner Dampfer „ASkania" kollidierte vor? der Föhrde mit einem kaiserlichen Kanaldampfer und erlitt Havarie. — Auf dem englischen Kohlendampfer „Highland" ereignete sich in vergangener Nacht ein schwerer Unglücksfall. Ein aus Itzehoe gebürtiger Student der hiesigen Universität wagte sich in ange heitertem Zustande in der stockfinsteren, stürmischen Nacht an Bord des Dampfers. Der junge Mann kam glücklich über die Brücke zwischen dem Lande und dem Schiffe. Kaum hatte er aber das Deck be treten, da glitt er aus und stürzte kopfüber durch die offene Luke in den 25 bis 30 Fuß tiefen Schiffs raum hinab, wo er bewußtlos und blutüberströmt liegen blieb. — Bei der Ausbaggerung deS Han delshafens hat man in der Nähe des Bahnhofs das Wrack eines Fahrzeugs gefunden, das mindestens seit einem Menschenalter unbemerkt auf dem Hafen grunde geruht haben muß. Das unter Muscheln, Seegras und Schlamm verborgene Schiff ist durch Taucher gehoben worden. 8 Das Gymnasium in Plön, welches Kron prinz Wilhelm und Prinz Eitel Fritz von Ostern ab besuchen werden, ist ein königliches und wurde 1704 vom Geheimrat v. Breitenau gestiftet. Es steht seit Ostern 1889 unter Leitung des Direktors A. Fink, der auf eine 24jährige Thätigkeit als Lehrer zurückblickt. Bevor er das Amt als Direktor über nahm, war er Oberlehrer in Meldorf. Die Anstalt hat einen Etat von 44 100 M. Die Schülerzahl, die sich auf 8 Klassen und eine Vorschulklasse ver teilt, ist nur gering und beträgt rund 100. Der Lehrkörper umfaßt 11 Personen: 2 Professoren, 5 Oberlehrer und 4 wissenschaftliche Hilfslehrer; dazu kommt noch 1 Borschullehrer. Die Kreisstadt P!ön, die nach der letzten Volkszählung 3212 Ein wohner zählte, liegt landschaftlich reizend auf einer Insel zwischen dem großen und kleinen Plöner See. Plön kam 1564 an deu Herzog Johann den Jünge ren von Holstein-Sonderburg; nach seinem Tode wurde es 1622 die Residenz der herzoglichen Linie Holstein-Plön, die mit dem Herzog Friedrich Karl 1761 im Mannesstamms erlosch. Das ehemalige herzogliche Jagdschloß, an das ein Park sich an schließt, wurde 1636 erbaut. Im Schloß ist jetzt eine Kadettenanstalt untergebracht. 8 Bremen , 25. Nov. Rettungsstation Fedder wardersiel meldet: Am 25. November von der auf der Hohenwegsbalje gestrandeten deutschen Tjalg „Martha", Kapitän Jacobs, zwei Personen durch das Rettungsboot der Station gerettet. 8 Der Leutnant der Reserve, Steueraufseher Beymet bei Szittkehmen (Ostpreußen), wurde von der Jnsterburger Strafkammer wegen schwerer Kör perverletzung zu 150 M. Geldstrafe oder 10 Tagen Haft verurteilt. Der Angeklagte ritt am 1. Sept, noch spät abends im scharfen Trabe durch das große Dorf Szittkehmen. Der Besitzer Neumann fürchtete, daß dis auf der Straße befindlichen Per sonen leicht umqerissen werden könnten und rief dem Steuerausseherein „Halt!" zu. Augenblicklich kehrte dieser um, hieb nun auf N. in unbarmherziger Weise mit der Reitpeitsche ein und drängte ihn zuletzt in einen mit Wasser gefüllten Graben. B. sprengte nun davon, kehrte jedoch plötzlich zurück und schlug noch einmal auf N. los. Diesem gelang es nun, dem B. die Peitsche aus der Hand zu winden uud ihm vom Pferde herunterzuziehen. Nun bearbeitete N. den Steueraufseher mit dessen eigener Peitsche gründlich. Der Gerichtshof erklärte zwar auch den Besitzer N. der schweren Körperverletzung schuldig, sprach ihn jedoch in Anbetracht der näheren Umstände von Strafe und Kosten frei. Als Grund für seine Handlungs weise gab Beymet an, daß „seine amtliche Stellung in dieser Gegend sehr schwer sei, und er daher ge- Delaware sah ihn eine Weile an, daun sagte er: „Nun, so bringen Sie die Dame morgen Abend hier her und dann wollen wir uns eingehender mit der Sache beschäftigen; Ihre Auseinandersetzung be darf dann keiner Wiederholung, und ich bin gleich zeitig imstande, selbst zu beurteilen, ob Ihre Nichte wirklich die geeignete Persönlichkeit für eine Arbeit ist. Erfahrungen sind mir nicht von großer Wich tigkeit; ein scharfer, kluger Frauenkopf sammelt solche schnell. Sind Sie damit einverstanden, Mr. Mordaunt?" „Vollkommen," antwortete dieser, während er sich erhob; morgen abend also sehen wir uns wieder." Damit verabschiedete er sich und Anbrey Dela ware begab sich — belustigt über die seltsame Laune des alten Herrn — zu seinem Chef, um ihm von der Unterredung Mitteilung zu machen. So war Olive zu dem Brief gekommen, der sie in so großes Erstaunen gesetzt hatte. Mordaunt erwartete nun am Abend, nachdem er den Geheim polizisten aufgesucht hatte, voll Ungeduld seine Nichte. Olive gehörte zu den wenigen Frauen, die in geschäftlichen Dingen stets pünktlich sind »nd mit dem Glockenschlag sieben zog sie an der Hausschelle. „Miß Vernon," meldete der Diener uud öffnete weit die breite Flügelthür. „Sei mir willkommen, mein Kind, und habe Dank, daß Du so pünktlich bist," sagte der alte Herr, indem er sie auf die Stirn küßte; und dann einen Schritt zurücktretend, fügte er in seiner hastigen, launenhaften Weise hinzu: „Du bist schöner gewor den, als ich erwartet habe. Du bist das Ebenbild Deiner Mutter, gerade so, wie der arme Sidney eS