Volltext Seite (XML)
führte» sie nach Bar-le-duc und freuen uns heute r och über diese« köstlichen Spliß.* — Die Schwalben rüsten sich zum Wegzuge, Ihre großen gemeinsamen Flugübungen erstrecken sich immer weiter, und zu Hunderten, zu Tausenden vereinigen sie sich an be stimmten Orten, die ihnen von Alters her als Sammelplätze gedient haben. In wenigen Tagen dürften die ersten Züge Deutschland bereits verlassen. Das sicherste Zeichen hierfür ist die aus dem Norden kommende Mitteilung, daß man dort große Schwalbenzüge beobachtet hat, die von Dänemark und Norwegen her übers Meer Deutschlands Küsten zuflogen. Diesen Zügen schließen sich dann die hiesigen Schwärme an, sodaß sie dann gleich einer Wolke, zu Hunderttausendcn ver einigt, den südlichen Ländern zueilen. — Dresden, 5. Sept. Am großen National- festtage, am vergangenen Sonntage, zog allgemeine - Freude auch in die Räum- des hiesigen Siechen- l Hauses, Löbtaunstraße, ein: eine große Anzahl ! Kranker, unter ihnen einige Mitkämpfer im F-lvzuge 1870/71, denen der Gebrauch der Füße versagt war, wurden vormittags ffs10 in si-ben, van den Fuhr werksbesitzern Herren Herrfurth, Göhler, Damm, Brenner und Jank bcreitwilligst zur Verfügung ge stellten Omnibussen durch verschiedene festlich ge schmückte Straßen der Stadt, über die Carolabrücke, beim Großen Garten und an den Neubauten des Böhmischen Bahnhofes vorüber gefahren, wobei mancher Ausruf des Staunens und der Bewunde rung seitens derjenigen Kranken, die jahrelang die Anstalt nicht verlassen Hutten, über die sich ihnen zeigenden großartigen baulichen Veränderungen der Stadt zu hören war. D-ese de» Kranken zum Sedan- tage gebotene Ausfahrt, die vom herrlichsten Wetter begünstigt war und etwa 2 Stunden Zeit in Anspruch nahm, erweckte unter den Sachen dankbare Em pfindungen für den ihrer mit steter Fürsorge bedach ten Verwalter der Anstalt, Herrn Stadtrat Lingke. Eine gleiche Freude wurde am Dienstag denjenigen Insassen des Siechenbauses zu teil, denen das Gehen nicht schwer fiel. Unter Führung des Obe.Pflege personals versammelten sich diese Kranken nachmit tags in der Billa Cmstautia in Cotta, nm dort ein kleines Fest zu feiern, dessen Kosten durch die Zinsen der Döpmann-Snftung bestritten werden. Den Kran ken wurde Kaffee und Kuchen, Bier und Zigarre», abends Wurst mit Brot verabreicht, ein MusMor spielte lustige Weisen auf und alles vereinigte sich, um die armen Kranken -inen recht genußreichen Nach mittag verleben zu lassen. Dieses Fest, welches sich der Teilnahme verschiedener Gönner und Freunds der Anstalt, sowie der Töchter des verewigten Stif ters Herrn Döpmann erfreute, machte einen tiefen Eindruck auf die Kranken, die dem anwesenden Ver walter, Herrn StadtraL Lingke, ihren heißen Dank durch Worte und Händedruck bekundeten. — Die ersten Franzosen in Leipzig. Es war am 18. Okk. 1806, zwei Tage nach der Dop pelschlacht von Jena und Auerstedt, als der fran zösische Marschall Davvust an der Spitze von 12000 Mann in Leipzig erschien, und sich zunächst von der Stadt 36000 Stab feines Osfiz'ertuch und 300000 Stab ordinäres Tuch, sowie 150000 Paar Schuhe aaSbat, und zur Li-ferung dieser Forderung 24 Stun den Frist bewilligte. Gleichzeitig legte der Marschall Beschlag auf die in der Stadt vorhandenen englischen Waren, die der Rat schließlich mit sieben Millionen Frks. wieder einlösen mußte. In seiner Not wendete sich der Rat durch öffentlichen Anschlag an die Ein wohnerschaft mit der Bitte, allen Anordnungen, die seinerseits erfolgen würden, die geschwindeste und be reitwilligste Unterstützung zu Teil werden zu lassen. Jeder französische Soldat hatte von seinen Quartier- Wirten zum Frühstück ein Butterbrod und ein Glas Schnaps, zum Mitlag-ssen Suppe, Fleisch und Ge müse, eins halbe Flasche Wein und eine Kanne Bier und zum Abendbrot eine Suppe oder Gemüse mit Fleisch und Brot und eine Kanne Bier zu erhalten. Bei Davousis Abzüge blteb ein starke französische Besatzung unter dem General Macon zurück, der jedoch schon am 27. Okt. mit dem Tode abging und mit großen Feierlichkeiten in der noch jetzt vorhan denen sog. „Ratsgruft" beigesetzt wurde. Sein Nach folger, General Reno, verfügte über die landesherr lichen Kassen, als wären sie sein Eigentum. Die bald nachher erklärte Neutraiiiät Sachsens und seine nach dem Posener Frieden vollzogene BundeSgevossen- schast Frankreichs befreite die Leipziger nicht von den französischen Gewaltmaßregeln. Man ließ das Flöß holz wegnehmen und verkaufen, die Thomaskirche in ein Magazin umwandeln und veu Reilstall, wo bis her die Kriegsgefangenen untergebracht gewesen waren, sowie Schimmels Gut, den Petersschießgraben, das ?I»6o äo ropk>8 und andere Priaatbesitzungen, ohne die Eigentümer zu fragen, als Mllitäilazarette cin- rtchten. — Offene Stellen für Militäranwärter. Das Kgl. Amtsgericht zu Crimmitschau sucht Lohnschreiber, Schreiblohn wird gewährt für u. Bogen 40 Pfg. resp. L Bogen 80 Psg. nnd steht ein Monatsverdienst von 40 bis 50 MO in Anssicht. Nach Ablauf von 5 Jahren wird 25'1„Al- tersznlage gewährt, auch ist nach Bestehen der vorgeschriebe nen Prüfung die Einrückung in die Klasse der Expeditions beamten möglich. — Kürzlich wurde gemeldet, daß auf der Linie Zwickau- Oelsnitz in der Nähe der Station Rodewisch ein Güterzug infolge massenhaften Auftretens von Schnecken auf den Schienen stehen bleiben mußte. Als Pendant hierzu wird ans Wels in Oberösterreich berichtet, daß Krautwürmer (die Raupen des Kohlweißling) dasselbe „Kunststück" am 28. Angnst fer- tiggebracht haben. Als der Zug zwischen der Haltestelle Breitwiesen und der Station Haiding (Oberösterreich) sich befand, ebendort, wo die große Steigung besteht, ging der Zug ausfallend langsamer, die Maschine konnte den Zug kaum mehr in Bewegung halten, sie fing z» pusten an, als wäre Etwas daran geschehen oder als hätte sie wenig Wasser, dann noch einmal ein starkes Pusten, und der Zug stand einen Augenblick. Es bedurfte der größten Arbeit der Maschine, den Zug wieder in Bewegung zu setzen und ihn in die Station zu führen. Auf die Frage an das Zugper sonal, was die Ursache der Vorfalls sei, wurde aus die leib lichen Ueberreste Tausender und Abertausender Krautwürmer Hingelviesen, die an der Maschine klebten. Die Krautwürmer dürften Abends die durch die Sonne erwärmten Schienen als Nuhepunkt nach ihrem zerstörenden Wirken ausersehen haben. Unmassen von Würmern wurden von den Rädern der Maschine zerdrückt, wodurch sich eine schleimigfette Masse bildete, die ein Weitergrcifen der Räder verhinderte und deren Rutschen hervorbrachte. — Der sozialdemokratisch« Reichs- und Land- tagsabgev'dne!e I. Seffert, de: am deutsch.franzö sischen Feldzug leilgenommen, hatte als Vorsitzender des Konsumvereins in S ch ed e w i tz be! Zwickau den Antrag gestellt, das Hauptgeschäft, sowie sämt liche Vukaufsgeschäüe am 2. September zu Ehren des S-dantageS zu schließen. Der Antrag wurde angenommen. Ein Teil der „Genossen" ist hierüber entrüstet und hat bstchwss-n, ews Parteivsrsawmiung einzuberufen, in der chr Abgeordneter aufgefordert werden soll, seine Aemter niederzulegen. Auch wird geplant, „Genossen Seifert" aus der Partei aus- zuschließsn. — Wurzen, 3. Sept. Mtt dem 1. d. M. sind zwei Geschäftsstellen, bei welchen unentgeltlich Arbeit für gediente Soldaten im Bezirke der Königl. AmtShaaptmamsichast Grimma nachgewiesen wird, eröffnet worden. Zur Erleichterung für Arbeitgeber und Arbeitsuchende werden aber auch alle Vorstände der 34 Militär- und Krikgerverenie der Amlshaupt- mannfchaft als Annahmestellen für Aufträge thätig sein. Der Segen dieser Einrichtung soll bereits den Ende September d. I. zur Entlassung gelangenden Reservisten zugute kommen. — Strehla, 3. Sept. Von argem Miß geschick wird die Familie des Schuhmachers Schubert im nahen Cavertitz verfolgt. Vor zwei Jahren hatte Schubert das Unglück, ein B in zu brechen; im Laufe deS vergangenen JahreS brannte sein Hau- nieder; am Montag brach der achtjährige Knabe einen Arm und bald darauf wurde die zwölfjährige Tochter von einem Wagen überfahren und erlitt schwere Verletzungen. — Stolpen, 4. Sept. Gestern mittag ffs12 Uhr rückte eine Kompanie Pioniere hier ein und bezog Quartiere. Vorher ritten da« Karabinier» regiment und nachher das 17. Ulanenregiment mit Trompetenklang durch Stolpen. Heute morgen Uhr verließen uns die Pioniere und marschierten nach Bautzen, ff-8 Uhr erfolgte unter Trommel schlag und Pfeifenklang der Durchmarsch des Zwickauer Infanterie-Regiments Nr. 133, das für die nächsten zehn Tage Quartiere in Groß- und Kleindrebnitz bezieht. — Bischofswerda, 2. Sept. Zu den vielen kleinen freundlichen Erinnerungen aus den 1870er Tagen gehört auch nachstehende: Als das schlesische Armeekorps in den letzten Tagen des Juli und Anfang Augnst seinen Weg durch Sachsen nach Frankreich nahm, erforderte es der technische Betrieb, daß die Züge einen kurzen Aufenthalt an der Station Bischofswerda hatten. Schnell hatten sich Patriotische Bürger gefunden, die ein Erfrischungskomitee bildeten, um den meist recht verdursteten Soldaten Kaffee, Bier, Wein oder auch einen kleinen Imbiß anzubie ten. Zahlreiche auf der Fahrt geschriebene Karten bezeugten die Dankbarkeit der Erquickten. Am 4. Aug. 1870 suhr das 46. Regiment durch, und eine Anzahl junger Osfiziere schrieb auf ein leeres Croquisblatt schnell eine Dankadresse an die kredenzende junge Dame, die der Verfasser mit seinem Namen vr. Adolph Kiysssr unterzeichnete. Jetzt nach 25 Jahren sandte der damalige Linienoffizier, jetzige Stadtbibliothekar zu Köln u. Rh. der betreffenden Dame ein Exem plar seines vor kurzem erschienen Buches „Frieden rm Kriege". (Ec hatte den Namen und die Adresse der Dame sich schon früher durch den Bürgermeister zu verschaffen gewußt. Das ist deutsche Treue, die einer vor 25 Jahren gespendeten Erfrischung so dank bar gedenkt! Z Berlin, 5. Sept. Der Abgeordnete Auer soll in seiner gestrigen Rede auch gesagt haben, ein Zurück von Eliaß-Lothnngen an Frankreich gebe es nun, da der Fehler der Annexion einmal gemacht sei, nicht mehr. Kein Sozialdemokrat werde die Zu stände vor 1870 zurückwünschen. Daß die Emser Dcp-sche gefälscht worden sei, habe Fürst Bismarck selbst zugegeben, allein, da der Krieg unvermeidlich war, so könne er (Auer) ein Verbrechen in der Fäl schung nrcht finden. EL sei selbstverständlich, daß Fürst Bismarck den günstigsten Moment zum Los schiagen wählte. H Berlin, 5. Sept. Die amerikanischen Ve teranen legten gestern auf den Sarkophagen Kaiser Wilhelm's und Kaiser Friedrich's Kränze nieder. Sie besichtigten in Potsdam Sanssouci nnd die übrigen Schlösser, sowie die historische Windmühle und unternahmen einen Dampfer-Ausflug nach Wann see; spät abends kehrten sie in Begleitung der Ber liner Kameraden zurück. Heute findet die Besich tigung des Natignaldenkmals im Viktoria-Parke, des Abends Militär-Covcsrt im Landesausstellungs- Parke statt. 8 Em Kampf un Wasser spielte sich im Land- wshrkanal im Süden von B e r l i n ab. Vom May- bachufer sprang ein schon bejahrter Mann in den Kanal hinab, um sich zu ertränken. Das sah der Schutzmann Paul Woide, der sofort seinen Säbel abschnallte und in voller Uniform dem Lebensmüden nachsprang. Dieser war unterdessen schon ein Stück Weges fortgetrieben und untergegangen. Der Beamte schwamm ihm nach und konnte ihn gerade fassen, als Das Irrlicht von Wildenfels. Original-Roman aus unseren Tagen von G. v. Brüh l. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Es war seltsam, daß diese Statue die Aufmerk samkeit eines Jeden sofort auf sich zog, der in dem Zimmer sich aushielt. Baumann mußte lächeln und schüttelte den Kopf. „Was die Leute nun gleich aus solchen Sachen machen," murmelte er, „soll da der Engel von Gips schuld jein! Und gerade dieser Engel macht mit seinen friedlich lächelnden Zügen einen unbeschreiblich wohl- thuenden Eindruck auf Jeden, der ihn so lange und ruhig anschaut. Ich habe ein so vollendet schönes Gesicht noch kaum je gesehen. Und es sieht in derThatso aus, als schwebe er in der Lust, das macht der Umstand, daß er ohne Konsol, ohne festen Fußhalt an der Wand hängt, nur gehalten von einer eisernen Stange oder Röhre, welche in der Wand befestigt ist, welche man aber von meinem Platze aus nicht sieht —" Baumann fuhr mit der Hand über Stirn und Augen und gähnte. „Na, schlafen darfst Du nicht," setzte er hinzu, „die Müdigkeit muht Du verscheuchen, sie wird auch sogleich überwunden sein, die Pflegt einen nur in der Stunde zu beschleichen, in welcher man einzuschlafen, das Bett aufzusuchen gewöhnt ist ich weiß nicht, wie mir ist," fahr er dann nach einer Pause fort, „um das Licht ist ein leuchtender Dunstkreis und vor meinen Augen auch ist es wie goldiger Dunst — das habe ich doch sonst nicht — Baumann verstummte plötzlich —. Seine Blicke fielen zu dem lebensgroßen Ge mälde des alten verstorbenen Barons hin —. Er sah aus, als trete derselbe aus dem Rahmen heraus, es war so täuschend ähnlich, so lebenswahr, daß, nun Baumann hmsah, es den Anschein hatte, als lebe es wirklich. Eine unüberwindliche Müdigkeit schien sich ganz unbemerkbar des Einsamen zu bemächtigen und ihn mehr und mehr zu besiegen — und es war auch ihm so, als ginge das, was er eben noch im wachen Zustande gesehen, in Traumbilder über, welche ihn umgaukelten —. So fest sich auch Baumann vorgenommen hatte, nicht einschiafen zu wolle», sein Vorsatz schien nun doch von einer Gewalt gebrochen zu werden, welche mächtiger war als sein Wille —. Und wie Hellmuth dem Schlummer nicht wider stehen konnte, wie er langsam zurücksank auf das Polster, so ging es auch jetzt dem Polizeikommissar. Inzwischen war der Staatsanwalt seinem Vor sätze treuer geblieben. Eine Stunde hatte er noch am Schreibtische gesessen und geschrieben, jetzt war er aufgestanden, hatte die Lampe auf einen in der Mitte des großen Zimmers stehenden Tisch gestellt, und ging nun auf dem Teppich auf und nieder, wel cher das Geräusch seiner Schritte dämpfte. Es hörte ihn ohnehin auch Niemand hier im alten Schlösse, denn außer ihm und Baumann be wohnte Niemand dasselbe. EwerS sah nach seiner Uhr — es war spät ge worden, fast Mitternacht, seit zwei Stunden befand sich Baumann in dem grünen Zimmer. Bis jetzt war alles ruhig geblieben. Ewers setzte seinen nächtlichen Spaziergang fort. Plötzlich blieb er stehen und horchte auf. Das war die Glocke, welche schrill, aber nur kurz tönte —. Baumann mußte sie angeschlagen haben! Ja — jetzt drang Lärm an das Ohr des Hor chenden, schwere Tritte —. Ewers ging rasch zu Thür hin und machte sie auf —. Da sah er den durch den Korridor taumelnd daherkommenden Baumann —. Die Thür des grünen Zimmers war ganz offen, und es drang ein Lichtschein in den Korridor. „Nun? Sie haben geläutet, Baumann?" fragte Ewers. „Was ist geschehen? Wie sehen Sie denn aus ?" Baumann war nicht imstande, ein Wort zu sprechen. Sein Gesicht hatte eine aschgraue Farbe und seine Augen waren so eigentümlich stier und glanzlos, wie ein Berauschter sie wohl hat. „Was ist Ihnen?" rief Ewers, „so sprechen Sie doch nur! Sie sehen ja aus wie ein schwer Be trunkener! Haben Sie denn etwa während der Nachtwache eiwas getrunken?" Baumann konnte nur den Kopf schütteln, doch diese Bewegung genügte, um ihm den Rest der Willenskraft oder die Macht, sich aufrecht zu er halten, zu rauben. Er taumelte und wäre auf den Teppich des Zimmers gestürzt, wenn Ewers ihn nicht schnell auf- gefangen hätte. (Fortsetzung folgt.)