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— Glauchau. In vielen Familien gehen jetzt Reliquien aus dem letzten Kriege von Hand zu Hand, namentlich die Liebeszeichen, welche der Vater, der Bruder oder Verwandte aus weiter Ferne vom Schlachtfelde mitgebracht. Centimes-Stücke, verrostete Waffen, Patronen des Zündnadel- uno Chassepot- Gewehres, Granatsplitter usw. Schreiber dieses be sitzt z. B. noch ein paar rotwollener Epaulettes der französischen Liniensoldaten, auf welchen die das Regiment bezeichnenden Zahlen: „44o cis 1,, 4s, 69. 3710 stehen. Ein gefangener Franzose verehrte sie ihm, weil die doutons, Knöpfe, schon alle für Zi garren verbraucht waren. Die kostbarsten Reliquien sind aber in den meisten Familien die gesammelten Feldpostbriefe, vergilbte Blätter, welche uns die große Zeit noch lebhaft vor Augen führen. Mancher Mutter, mancher Braut find freilich nur Reliquien geblieben, denn diejenigen, welche sie ihnen gesandt, ruhen in fremder Erde — seit 25 Jahren. — Annaberg, 8. Aug. Zur 25jährigen Gedächtnisfeier der Ehrentage des Krieges von 1870/71 findet in unserer Stabt auf Anregung des König!. Bezirkskommandos hierselbst für die Bunkes- militärvereine Kirchevparade und 12 Uhr mittags auf dem Marktplätze für die Militärvereine des ge samten amtshauptmannschaftichen Bezirkes Appell statt, wobei der Bezirkskommandeur eine Ansprache halten wird. — Gestern abend fanden sich in Grün städte! bei Schwarzenberg 15 Störche ein, blieben über Nacht auf dortigem Kirchturm und zogen heute früh wieder ab. — Eine edle Handlung begingen dieser Tage mehrere Bewohner Cöllns bei Meißen. Der Ge- richtsvollzieher sollte seines Amtes walten und den Haushalt eines Arbeiters versteigern; die Pflicht ge bot ihm dies; er mußte, da die Mittel zur Deckung der Schuld fehlten, seiner Instruktion gemäß han deln. Die Sachen kamen unter den Hammer und wurden von Nachbarn erstanden. Dieselben über ließen darauf die ganze Habe dem früheren Besitzer umer der Bedingung des Rückkaufs in kleinen Raten. — Herrnhut. Den zur hiesigen Gemeinde gehörigen Geschwistern Eugen Theodor Reichelt aus Aue erkrankte bei ihrem Besuch im großelterlichen Hause, vor ihrer Ansiedelung nach Berlin, das ein zige Kind an Diphtheritis und verstarb trotz sorg samster Pflege am vergangenen Sonnabend morgen. Und eine halbe Stunde später endete ein Gehirv- und Herzschlag das Leben des Vaters an der Leiche seines Töchterleins. Reichelt war 1865 in Silo, Südafrika, geboren. 1869 brachten ihn seine Eltern nach Herrnhut und 1875 nach Niesky in die herrn- hutlsche Knabenanstalt. 1882—84 lernte er auf dem Komptoir der Handlung Abraham Dürninger & Co. in Herrnhut. Dann arbeitete er ein Jahr praktisch in der hiesigen Bleich- und Appreturanstalt und be suchte von 1386—89 zur weiteren Ausbildung als Bleichtechniker das Polytechnikum in Chemnitz. Da rauf folgte ein halbjähriger Aufenthalt ia England zu demselben Zweck. 1890—94 war er technischer Leiter der Bleich- und Appreturanstalt von A. Dür ninger L Co. und seit 1894 technischer Direktor einer Fabrik in Aue. Im Begriff, im Dienst seines Hauses nach Berlin überzusiedeln, starb er hier im Alter von 30^/2 Jahren. 8 Berlin, 8. Aug. Kaiser Wilhelm hat an läßlich der jetzigen Kciegsjubiläumsfeiern eine ganze Anzahl noch lebender Führer aus jener großen Zeit mit Glückwunschtelegrammen beehrt. 8 Die Absicht einiger deutscher Krieger vereine, die in Frankreich befindlichen Gräber deutscher Soldaten anläßlich der jetzigen Gedenktage des großen Krieges zu besuchen, harte, wie in meh- Erkämpftes Glück. Novelle von Th. Hempel. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die Geheimrätin erschien noch einmal als Gast in der zukünftigen Heimat der Tochter, um die Woh nung des jungen Paares einzurichten; ihrer beleidig ten Stimmung, daß man ihrer und ihrer Tochter Wünschen nicht Rechnung getragen, macht sie durch Seufzer und Klagen Luft. Sie fand die Handwerker höchst ungeschickt, die Malerei der Decken nicht nach modernem Stil, dieThüren wenig geeignet, die kost bar gewebten Portiören darüber anzubringen. Als die Kommerzienrätin ihr freundlich versicherte, daß sie sich hier auch ohne Portieren sehr glücklich ge fühlt, bekam sie nur ein bedauerndes Achselzucken zur Antwort. Die umfangreichen Wäscheschränke aus Eichen holz mit reichen Schnitzereien, welche in einer Kammer standen, erhielten im Innern Spitzenverzierungen, aber die aus den Kisten entnommenen Wäschevorräte vermochten nicht, sie bis zur Hälfte anzufüllen. Die Geheimrätin setzte ausführlich auseinander, daß eS nicht mehr an der Zeit sei, sich so reichlich mit Wäsche zu versehen, welche nur gelb werde vom Liegen, da gegen vermochten die Kleiderschränke und Kästen die eleganten Kleider und alle dazu gehörenden Gegen stände kaum zu fassen. Nicht ohne schwere Opfer hatte die Geheimrätin diesen Luxus ermöglicht, mit welchem ihre Tochter dem wohlhabenden KaufmannS- hause und der neuen Heimat imponieren sollte. Ganz in der Stille verkaufte sie einen wertvollen Schmuck, reren Blättern berichtet ward, dem Bezirk-Präsiden ten von Metz zu der Mahnung Anlaß gegeben, bei derarngen Besuchen jede Demonstration zu vermeiden; namentlich wurde das Mitführen von Fahnen und Insignien verboten, damit peinliche Vorkommnisse vermieden würden. Diese Mahnung war sehr am Platze, wenn der Gedanke der betreffenden Krieger vereine überhaupt ausgeführt werden soll. ES würde uns aber — bemerkt hierzu die „National-Zeitung" — das Richtigste zu sein scheinen, wenn die Regie rung dies untersagte. So wenig Deutschland sich um unberechtigte Empfindlichkeiten der Franzosen zu kümmern braucht, so wenig steht es dem Sieger an, berechtigte Empfindungen derselben zu verletzen, und hierzu ist eine Uebertragung der Gedenkfeier der deutschen Erfolge auf französischen Boden allerdings angethan. Wenn dadurch unangenehme Zwischen fälle entständen, würden wir das Recht nicht auf unserer Seite haben. — Wir fügen hier folgende Mitteilung der „Magdeb. Ztg." aus Erfurt an: „Zwei hiesige Bürger, Mitkämpfer der Schlacht bei Wörth, hatten die Kawpfgefilde in Elsaß-Lothringen aufgesucht und waren schließlich auch nach Nancy gefahren. Schon auf dem Bahnhofe waren die Rei senden, denen sich noch ein gemütlicher Leipziger beige sellt hatte, mit argwöhnischen Augen beobachtet wor den. In der Stadt selbst trat ein Gendarm an sie heran und fragte nach ihren Legitimationen. Da keiner der Ausflügler einen paßähnlichsn Ausweis bei sich trug, so mußten sie dem Gendarmen zum Maire folgen, der den Deutschen den „freundschaftlichen" Rat erteilte, schleunigst aus Nancy wieder zu ver schwinden. Hauptsächlich richtete der Beamte seine Mahnung an die beiden „Prussiens"; der „Saxon" aus Leipzig schien ihm ungefährlich zu sein. Auf der Straße batten sich bereits Leute angesammelt, welche die Deutschen mit kineLwegs freundlichen Blicken musterten. Die Ausflügler waren zuletzt glücklich, als sie ungeschoren wieder abfahren konnten. ß Die Ansprache, welche der Herzog von Sach sen-Meiningen am 6. August gelegentlich der Jubel feier des 32. Inf. Reqts. vom Altan des Residenz schlosses aus an die 520 Kriegsveteranen und das Regiment hielt, hat folgenden Wortlaut: „Kamera den! Heute vor 25 Jahren, und zwar zu dieser Stunde, erhielt das Regiment 32 die Feuertaufe bei Wörth. Ihr jungen Leute, laßt Euch von den zu unserer Freude hier versammelten Veteranen erzäh len, mit welchem Todesmute das Regiment vort unter Führung seines tapferen Obersten v. Förster kämpfte, und ganz besonders, mit welcher Kaltblütig keit es die französischen Kürassier- und Lanciersregi- menter abwies, durch welche es ganz plötzlich wütend angegriffen wurde. Doch Wörth ist nicht der einzige Ruhmestitel des Regiments! Ich erinnere nur an Sedan, Orleans, Chateaudun, Poupry, B-auqeny, Le Wans! Wenn Ich in Schlachten und Gefechten das Regiment in ruhmvoller Aktion sah, legte Ich Mir wohl die Frage vor: Was ist es, das den deutschen Krieger so todesverachtend unaufhaltsam vorwärts stürmen läßt? Ist es die Begeisterung allein, die Begeisterung, die Uns Alle beseelte, als Wir gegen den Friedensstörer in's Feld zogen? Ge wiß nicht allein; denn ein halbes Jahr voller Ent behrungen, Strapazen und Kampfe hält Begeisterung kaum vor. Nein, ganz hauptsächlich die Pflichttreue war's, die Pflichttreue, die dem deutschen Krieger eigen. Sie bürgt auch für ferneres Gelingen. Da mals aber errang sie Erfolge, welche die Weltgeschichte kaum ein zweites Mal aufzuweisen har. Die herr lichste Frucht aber der unvergleichlichen Siege war die Wiederaufrlchtung des langersehnten deutschen Kaiserreiches. Kameraden! Das Kaiserreich laßt uns in Pflichttreue hochhalten, daran festhalten bis ein altes Erbstück in ihrer Familie, und vervollständigte durch den Erlös ihres Kindes Garderobe, tief gerührt von der eigenen Opferfreudigkeit. Im Frühlingsblühen hatte der Sohn zum ersten mal die Braut in das Elternhaus geführt, nun schmücken des Herbstes letzte Blumen zum herzlichen Willkommen dis Wohnung des jungen Ehepaares. Draußen fegte der Wind, die dürren Blätter rascheln durch die Straßen, innen ist alles festlich geschmückt, und die behagliche, wohnliche Einrichtung hell erleuchtet. Der Theetisch steht in Bereitschaft, das Wasser singt im glänzenden Kessel sein eintöniges Lied, das doch so einladend klingt für den, der durchfroren und ermüdet von langer Reise anlangt im freundlichen Hafen des eigenen Daheim. Mit der herzlichsten Freude begrüßen die Eltern ihre Kinder, kein Mißton stört heute das Wiedersehen. Melitta eilt fröhlich von Zimmer zu Zimmer und findet alles vortrefflich, und die Mutter verscheucht alle die Sorgen und hofft, daß die junge Frau ihrem Gatten das innere Glück in sein Haus zu bringen und es zu wahren ver stehen wird. Einige Wochen darnach führt der junge Ehemann seine Frau zum Wagen, um sie den bekannten Fa milien vorzustellen; sie kann sich sehen lassen, dies Gefühl hat sie wohl selbst, als sie in der eleganten Toilette sich in die Polster des Wagens lehnt. Der Kommerzienrat steht neben seiner Frau am Fenster, und beide beobachten das junge Paar. „Wie sich die Zeit ändert," meinte er, „weißt Du noch, wie wir die ersten Besuche abstatteten, mit genauer Instruktion von de, Mutte, versehen, wen wir aufsuchen sollen und wen übergehen." zum letzte« Blutstropfen! Das ist sicherlich auch Euer Wille! Darum stimmt ein in den Ruf: Hoch Kaiser und Reich! Hurrah!" Z Der Ehrentag der deutschen Kavallerie, der Tag der Schlacht bei Mars-la-Tour, an welchem hervorragend die beiden Kavallerie-Regi menter der Seydlitz Kürassiere und der Tressenfeld- Ulanen vor 25 Jahren unvergängliche Lorbeeren um ihre Standarten gewunden haben, wird in diesem Jahre von den beiden genannten Regimentern am 15. und 16. Aug. in würdiger Weise in Salzwedel ge feiert werden. Da es unmöglich ist, jedem einzelnen der Tapferen eine besondre Einladung zugehen zu lassen, so ist auch ohne spezielle Aufforderung den Regimentern jeder Kriegskamerad aus den glor reichen Tagen zur Teilnahme an der Feier will kommen. Die sich etwa Beteiligenden wollen sich bis zum 15. Aug. vormittags in Salzwedel einfin den. Am Morgen deS 16. Aug. wird auf dem großen Exerzierplätze bei Salzwedel die „eiserne Brigade Bredow" an den ehemaligen Kameraden vorbeidefilieren. 8 Zur dringenden Warnung sei folgender Fall mitgeieilt: Der Bierfahrer Eugen Wiegand aus Hünefeld wurde vor einigen Tagen von einer Fliege in das Gesicht gestochen. Trotzdem ärztliche Hilfe zugezogen wurde, trat Blutvergiftung ein, worauf der schwerleivende Mann, bei seinen 32 Jahren, bis her ein Bild strotzender Gesundheit, in das Kranken haus zu Fulda gebracht wurde. Doch auch hie, kannte er nicht mehr gerettet werden; unter großen Qualen ist Wiegand' an dem giftigen Fliegenstich gestorben. Z Braunschweig, 10. Aug. Der Prinzregeut hat angeordnet, daß der diesjährige 2. September als Landes festtag begangen werde. In allen Kirchen des Herzogstums findet eine Dankfeier mit Tedeum statt. Für den Morgen und den Vorabend des Festtags ist volles Glockengeläut an geordnet. Sämmtliche Schulen bleiben am 2. September geschlossen. * * Paris, 9 Aug. Ueber die Verunglückung des englischen Schiffes „Catterchun" wird weite, gemeldet, daß der zweite Leutnant sich durch Schwim men gerettet hat. Er erzählte, das Schiff sei nach drei Minuten gesunken. Die Pass agiere, welche meist schliefen, hatten keine Zeit, aufs Deck zu flüch ten. Unter den Umgekommenen befinden sich vier Maschinisten und zehn europäische Reisende, darunter drei Camen, außerdem vierzig Chinesen. * * Bulgarien, dessen Thron so stark ins Wanken geraten ist, daß sich wohl so leicht niemand finden würde, dec sich darauf setzen möchte, auch dem Prinzen Ferdinand fehlt es noch immer an dem erforderlichen Mut dazu, soll zu einem Königreiche proklamiert werden. Die Nachricht klingt wie eine grausame Ironie und ist selbstverständlich in der vorliegenden Form geradezu unsinnig. Wer soll proklamieren und wer soll proklamiert werden, Fer dinand hütet sich zu kommen, noch mehr aber dürfte er davor erbeben, ohne Rücksichtnahme auf Rußland, Bulgarien für unabhängig zu erklären und sich zum unabhängigen König aufzuspielen, wer das von Ferdinand dem Koburger glauben kann, der weiß nicht, daß dieser Prinz noch immer den besseren Teil der Tapferkeit, die Vorsicht, beobachtete. Aber selbst wenn er wollte, er könnte solch einen Schritt gar nicht thun, nachdem er sich und seiner Regierung die Sympathien ganz Europas so vollständig verscherzt hat. Im Gegenteil werden diejenigen mehr Recht behalten, die da meinen, daß die Tage der bulga rischen Regierung und die ihres Fürsten gezählt sind. * * Brest, 11. Aug. Der französische Lugger „Charlotte" traf gestern früh auf dem Meere die 41 Personen, welche sich auf dem bei Quessant ge» „Ach ja," fiel die Frau ein, „und ich erst zu meinem Schrecken eine genaue Musterung meines Anzuges aushalteu mußte, ehe wir fortdurften, aber ich war recht fröhlich, als der Mutter scharfes Auge befriedigt auf mir ruhte, und ich ein lobendes Wort erhielt über die Wahl meiner Toilette; gehobenen Hauptes ging ich an Deiner Seite, Du lieber Mann, wie stolz durste ich sein, in Dir mein Glück und meinen Halt für das ganze Leben gefunden zu haben!" Zärtlich, wie in den ersten Tagen ihrer jungen Ehe, schlang der Kommerzienrat den Arm um die geliebte Gattin . . . Seit einer Reihe von Wochen ist die junge Frau Bergfeld i» ihrem neuen Wohnort heimisch. Ihre feinen Formen, ihre hübsche Persönlichkeit, sowie ihre elegante Einrichtung tragen ihr viel Lob ein bei den neuen Bekannten, erfüllen sie mit Genugthuung, während ihre häuslichen Pflichten ihr manchen schweren Seufzer entlocken und ihre in geselligen Kreisen so heitere Stimmung trüben. Es sind peinliche Mittagsstunden, wenn zur festgesetzten Zeit der Hausherr mit dem Personal mit gutem Appetit heraufkommt und nichts zu seinem Empfang vorbereitet findet. Kein Tisch ist gedeckt und in der Küche herrscht eine chaotische Verwirrung. Die Herrin hat vergessen, zur rechten Zeit ihre An ordnungen zu treffen, sie macht der Köchin Vorwürfe und diese verteidigt sich ziemlich stürmisch, und endlich kommt nach langem Hoffen und Harren das Essen in ziemlich ungenügender Zubereitung auf den Tisch. Der Herr fühlt wohl durch, wie die jungen Leute Vergleiche anstelle«, zwischen sonst und jetzt, und möchte doch seine geliebte Frau als eine gute, treue Haus-