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Wien, Graf Eulenburg, welcher sich nach der im Gefolge des Kaisers mitgemachten Nordlandsreise vor Rückkehr auf seinen Posten bei dem Reichskanz ler in Aussee gemeldet hat, ist von dort am Sonn abend morgen bereits vor Ankunft des Grafen Go- luchowski wieder abgereist. 8 Nach den „B. N. N." ist die Einführung eines neuen Geschützes für die gesamte deutsche Feldartiüerie „in näher« Aussicht gestellt". „Soviel scheine festzustehen, daß es sich nicht um die Ein führung eines Schnellfeuergewehres nach Art der Maxim'schen und Nordenfelt'schen handle, sondern eines Schnellladegeschützes, d. h. eines der bisherigen Gattung mit besonderen Vorrichtungen für schnelleres Laden". 8 Von den 8000 selbständigen Schneidern in Berlin konnten im Jahre 1894 nur 1344 zur Gewerbesteuer herangezogen werden. Die übrigen 6658 Schneidermeister verdienten so wenig, daß sie nicht einmal in die unterste Stufe eingestellt werden konnten. Zwei Drittteile von 5000 selbständigen Berliner Schuhmachermeiftern besitzen nichts als ein ärmliches Handwerkszeug. In Mühen und Sorgen leben diese Leute von einem Tage zum andern. Sie kämpfen einen harten Kampf ums Dasein, der Hunger ist ihr steter Gast. Und wie es so den Schneidern und Schuhmachern geht, so geht es auch der Mehr zahl der anderen Gewerbsmeister. Sie alle sind nichts als Lohnarbeiter der Magazine und Bazare. Mit welchen Mitteln diese die Kleinmeister unter jochen, kennzeichnet folgender verbürgte Fall. Ein Bazar bestellte bei einem Buchbinder zehntausend Stück Notizbücher einer bestimmten Gattung. Als dieselben geliefert werden sollten, beanstandete sie das Warenhaus aus irgend einem Grund und ver weigerte die Abnahme, sodaß nun der Lieferant auf seinen Notizbüchern „festsaß". Nach einiger Zeit fand sich bei ihm ein unternehmender junger Manu ein, der ihm statt des ursprünglichen Preises von 40 Pfennigen 20 Pfennige bot. Der Buchbinder nahm, um nur etwas zu retten, die Offerte an, war jedoch nicht wenig erstaunt, als er als bald in den Schaufenstern des betreffenden Warenhauses seine Notizbücher mit einem Preise von 25 Pfennigen ausgezeichnet fand. Der unter nehmende Jüngling war lediglich em Agent jenes Bazars gewesen, der auf solchem Wege in die Lage kam, handwerksmäßig hergesiellrs Waren nicht nur billiger, als alle Konkurrenten, sondern auch mit Gewinn unter dem Herstellungspreise verkaufen zu können. — Solch frevelhafter Schwindel wird getrieben. Tagtäglich könnten solche Fälle aufge- zählt werden. Die Polizei ist machtlos dagegen, das ehrliche Handwerk aber wird immer mehr in den Abgrund der Lohnsklaverei gestürzt, aus der es kein Entrinnen mehr giebt. Wie viele Handwerker- Existenzen ruiniert z. B der Bauschwindel. Von die sen Zuständen wird der Staat so sehr berühr», daß er ernstlich eine Besserung anstreben sollte. Der Staat ist der kräftigste, der die zahlreichsten selb ständigen Existenzen umfaßt. Der selbständige Bürger befindet sich mit den Seinen Wohler, er ist kauf- und steusrkräftiger als der Bazar-Tagelöhner. Schon der Trieb der Selbsterhaltung sollte deshalb den Staat veranlassen, überall da einzuzreifen, wo den einzelnen Existenzen die Vernichtung droht. 8 Erfurt, 5. Aug. Die 12. Jahresversamm lung des Verbandes deutscher HandelsgärLner ist heute Vormittag eröffnet worben. Es sind etwa 100 Delegierte versammelt. Die Tagesordnung umfaßt eine Reihe wichtiger Punkte, hauptsächlich aus dw gesetzgeberische Thätigkeit les Reichstages, soweit die herrische HandelSgärtnerei in Frage kommt. I« Liebe und Treue. Erzählung von Th. Hempel. (Nachdruck verboten.; (Fortsetzung.) Frau Sehrwald hatte für jeden Kranken eine Erquickung, für jeden Hungernden eine kräftige Speise, für die Alten eine nahrhafte Suppe. Dazu war dis Frau Mutter bald die treue Beraterin für das ganze Dorf. Daß sie eine so sehr „gemeine" Frau sei, war der höchste Lobfpruch, den man ihr spendete, mit dem mau im Volksmunde ausdrücken wollte, daß sie freundlich und gut mit jedermann verkehrte. Ihre und ihres Sohnes Vorliebe für die Gartenpflege gab ein neues Band mit den Leuten; wer nur vorüber- ging, hatte seine Freude daran, wie alles so schön grünte und blühte und folgte gern der freundlichen Einladung, als Gast einzutreten. Es war ein glückliches Leben im Pfarrhause; ein Wunsch nur blieb der Mutter unerfüllt: daß ihr Sohn einmal daran denken möchte, sich eine junge Frau Pfarrerin zu suchen. Erwähnen mochte sie nichts, aber es machte ihr Sorge. Wenn sie heim gerufen ward — sie kam in das Alter, in welchem der Gedanke nahe tritt: vielleicht ist das Ziel mir nicht ferne — dann stand ihr Johannes ganz allein. Aber sie wußte, das Grübeln half nichts; so warf sie ihre Sorge auf den Herrn, er wußte am besten, was zum Frieden diente, und hatte väterliches Er barmen zu aller Zeit für seine schwachen Kinder. Das Dorf, in welchem Johannes als Geistlicher lebte, lag in geringer Entfernung von einer mittelgroßen Provinzialftadt; er suchte sie mitunter auf, nicht um 8 Breslau, 5. Aug. Im Vorwerk Kreuz- krug kamen bet dem Brande eines Familtenhauses vier Frauen und ein Kind in den Flammen um; vier andere Frauen wurden verletzt; viel Vieh ver brannte. § Die „Augsburger Abendzeitung" ist zu der Erklärung ermächtigt, daß die Blättermeldung von der bevorstehenden Abkommandierung preußischer Of fiziere zum Eintritt in die bayerische Armee und von einem engeren Anschluß des bayerischen Kontingents erfunden sei. 8 Wie Baywns Ludwig II. sein Vermögen in Lustschlössern verschwendet, so legte der König von Belgien seinen Reichtum in einem Luftschlosse an, denn viel mehr Bedeutung hat der Kongostaat sitzt noch nicht. In der königlichen Kasse trat dadurch so große Ebbe ein, daß die herrlichen Besitzungen in den Ardennen verkauft werden müssen. Das Land sträubt sich, den kostspieligen Kongostaat auf seine Rechnung zu übernehmen. * * Gent, 5. Aug. Der internationale Kongreß der Arbeiter der Trxiilbranchs ist hier zusammenge treten. Deutschland ist durch 10, England durch 30 Delegierte vertreten. Der Kongreß wird vier Tage dauern. Die Regierung hat einen Beamten des Arbeitsministeriums zum Kongreß entsendet. * * Rom, 5. Aug. Ein neuer Ausbruch des Vesuvs hat stattgefunden. Die aus drei neuen Oefs- nungen Hervorst:ömends Lava hat die umliegenden Ortschaften schwer heimgesucht. — Auf dem Bahn hof Peschiera entzündete sich ein Wagen mit Glas- ballonö, die Salpetersäure enthielten. Infolge der heftigen Dämpfe starben der Bahnhofsvorsteher und zwei Arbeiter, außerdem befinden sich drei Soldaten in Lebensgefahr. * * Eine diebische Gräfin. In Florenz wurde die 16jährige Gräfin Arlotti wegen zahlreicher Dieb stähle zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Den Erlös ihrer Diebstähle schenkte sie stets ihrem Ge liebten. * * DieStadtFrascati in der Provinz Rom erfreut sich eines Junggesillenvereins. Vor einigen Tagen versammelten sich die Mitglieder, um gegen den Luxus und die Launen der Mädchen der Stadt zu Felde zu ziehen; man beschloß, alle putziüchtigcn Damen zu „boykottieren" und ungeheiratet zu lassen. Nieser Beschluß wurde gedruckt und öffentlich ange schlagen. Darauf zogen die entrüsteten Mädchen zum Klubhruse ihrer Feinde, rissen die Manifeste los, drangen in dis Klubräume ein und brachten den anwesenden Junggesellen durch Prügel dis Grund regeln d-s Umganges mit Damen bei. * * B u d a p s st, 3. Aug. Der Klünpsstsr Schuh macher Karl Guter hat, wie bereits kurz gemeldet, seine in g-segneten Umständen befindliche Gattin und seins fünf Kmder in geradezu bestialischer Weise mit einer Hslzhacks und mit RevolveUchüssen mederge- metzslt. Die Wohnung der unglücklichen Familie glich, als die Gendarmerie dieselbe betrat, einem Blutbads. Im Zimmer lagen die Gehnnteile der furchtbar verstümmelten Leichen herum, an den Wän den und Möbelstücken klebte Blut. Von den in u. - msnschlicher Weise hiuzefchlachteten Opfern sind dis Frau und zwei Kinder auf der Stelle tot geblieben, zwei anders Kinder sind im Laufe des Nachmittags gestorben, ebenso der Mörder, der nach vollendete; That Hand an sich selbst gelegt hatte. Nur eins der Opfer, ein zwölfjähriges Mädchen, lebt noch und hat dis Emzelh-tten der furchtbaren Tragödie der polizei lichen Kommission erzählt. Aber auch dieses Kind ist so schwer v-rletzi, daß es kaum mit dem Leben davon kommen dürfte. Guker befand sich einst in sehr guten Verhältnissen und halte in der Haupt stadt ein großes Geschäft. Bor zwei oder drei Jahren der Geselligkeit willen, deren gab es für sein ge ringes Bedürfnis genug in der Umgebung, sondern weun eine Verpflichtung ihn zu seinem Vorgesetzten führte. Eines Tages war dies der Fall, als er sich zu seiner Ueberraschung auf der Straße beim Namen gerufen hörte; zu seinem Erstaunen begrüßte ihn ein Freund aus der Universitätszeit, feit kurzer Zeit als Lehrer am Gymnasium hier thätig. Sie freuten sich, einander so nahe gerückt zu sein und freund schaftlichen Verkehr pflegen zu können. Karze Zeit danach fand sich der Freund in dem Pfarrhause ein; er bedauerte sehr, daß seine Frau ihn Licht habe begleiten können, sie sei leider seit Jahr und Tag infolge eines schweren Unfalls leidend, doch jetzt bei vorzüglicher Pflege weit kräftiger und nach Ausspruch des Arztes bald volle Genesung zu hoffen. Als Johannes dem Freund deu Besuch erwiderte stellte ihn dieser seine Gattin vor, und sie hatten bald ein anregendes Gesprächsthema gefunden, als die Unterhaltung durch den Emtritt einer zweiten Dams unterbrochen ward. „Unsere liebe Verwandte und treue Pflegerin meiner Frau", stellte sie der Hausherr vor, nachdem er ihr den Namen des Freun des genannt, und bemerkte nun erst, daß die beiden sich kannten, ebenso, daß beide eine gewlffe Verlegen heit nicht sogleich zu überwinden vermochten. „Fräulein Klara, ist es möglich?" fragte der Herr Pastor und gab eine Erklärung ihrer Bezie hungen. Sie teilte ihm mir, daß das Leben im Hause ihre Verwandten immer äußerlicher und glän zender geworden sei, kein Tag ohne Gesellschaft. So habe sie die Aufforderung von den Verwandten knüpfte er mit einer Schauspielerin ein Verhältnis an, auf welches er sein ganzes Geld verwendete. Mit dem Geschäfte, das er ganz vernachlässigte, ging es immer mehr abwärts, und bald war er gezwungen, dasselbe zu verkaufen und sich in Kleinpest eine Werk stätte zu errichten. Auch hier ging es ihm anfangs sehr gut, doch entließ er, da er unverträglich und zänkisch war, alle seine Arbeiter. Allein jedoch ver mochte er den Bestellungen seiner Kunden nicht zu ge nügen, und dieselben blieben allmählich aus. Bald stellte sich Not in der Familie ein und er kontrahierte Schulden auf Schulden. Schon im vorigen Quartal konnte er den Mietszins nicht mehr bezahlen. Der Hauseigentümer pfänsete die Fahrnisse der Familie, und gestern wurde Guker delogiert. Die Familie hauste infolgedessen den gestrigen Tag über in der leeren Küche. Die Stube hatte der Hauseigentümer abgesperrt. Gestern nachts kehrte Guker von einer Reise aus einer oberungarischen Stadt zurück, wo er eine Stelle gesucht hatte. Ein Nachbar Guker's, der sich wegen der Hitze im Hofe aufhicit, hörte noch, wie Guker mit seiner Familie in gemütlicher Weise sprach, ja sogar mit den Kindern scherzte. Nach un gefähr einer Stunde wurde es stiller. Plötzlich er tönten vier aufeinanderfolgende Schüsse. Der Nach bar Gülers verständigte die Gendarmerie, und diese drang in die Wohnung Guker's ein. Vor der Küchen- tbür lag Gurker mit durchschossener Stirn, in der Rechten den Revolver haltend. Nicht weit von ihm entfernt befand sich eine blutbefleckte Hacke. In der rechten Ecke der Küche lagen furchtbar verstümmelt auf dem Strohsacke die Frau und drei Kinder. In einer anderen Ecke der Küche saß zur Wand gekehrt ein zehnjähriges Mädchen und krallte, vor Schmerz sich krümmend, mit den Fingern beider Hände in den schrecklichen Kopfwunden. In der Nähe lag entseelt das fünfte Kind. Trotz emsiger Nachforschungen sand man kerne schftstliche Aufzeichnung vor; rmr der Re volver und eine Schachtel mit 25 Patronen, von denen 8 Siück fehlten, wurden gefunden. "Bulgarien. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das muß nun auch Fürst Ferdinand an sich erfahren, nachdem all feine Liebesmüh an dem harten Kopf des russischen Bären nutzlos abgsprallt ist und selbst Stambulows Kopf umsonst zum Opfer gebracht ist. Die böse Klemme, in welche er durch Rußlands Absage geraten ist, wird in der ganzen Presse besprochen und allgemein ihm selbst die Schuld zugeschrieben, daß er nun zwischen zwei Stühlen auf dem Boden sitzt. Einige Blätt-r fragen, ob Ferdinand jetzt überhaupt noch nach Sofia zurückkehren werde. Armer Ferdinand! Vielleicht scheint Stambulow doch Recht zu behalten, der dem Fürsten au? die bekannte Anspielung an eine Königskrönung durch Rußlands Gunst mit elnem entschiedenen „Niemals" antwortete und dadurch seinen Bruch mit dem Koburger besiegelte. * * Madrid, 3. Aag.' Pcioattnsldungm aus Cuba zufolge, fordert das gelbe Fieber unter den spanischen Truppen zahlreiche Opfer. Das Fieber tritt epidemisch auf und soll die militärische Lage eine sehr schlimme sein. Marschall Martinez Cam pos ist in Bagamo eingeschlossm und die Rebellen haben ihn von jeder Verbindung mit anderen Truppen teilen abgeschnitten. Fünf Boten von Marschall Martinez Campos sind gefangen und aufgehängt worden. Die „Cazstta von Havanna" veröffentlicht ein Dekret, demzufolge es streng untersagt ist, Kriegs nachrichten zu verbreiten, wenn sie nicht offiziellen Ursprungs fiav. * * Während der Schah von Persien des trockenen Tones satt ist und gern wieder mal Europu sehen möchte, schreit sein Volk nach Brot. In Täb ris kam es zu Aufständen, wobei Soldaten die Ruhs ihrer verstorbene» Mutter, zur Pfleg« ihrer Kousine auf einige Zeit zu ihnen zu kommen, mit wahrer Freude ergriffen, habe allerdings viele spitzige Be merkungen übe« ihre Undankbarkeit hören müssen, aber, was die Hauptsache, Erlaubnis erhalten, fort- zugehe». „Ich glaube recht gut, daß man Sie schmerz lich vermißte, Sie, die Helferin für die ganze Fa milie", entgegnete Johannes, welcher seine Befangen heit schnell überwunden. „Wir glaubten, Du brächtest ein schweres Opfer", fiel die junge Frau ein, „und staunten, als Du so elend aussehend und doch dankbar für unsere Bitte um Hilfs zu uns kamst. Was hast Du geleistet! Dir allein verdanke ich meine Wiederherstellung ; Du sorgtest nicht allein für mich, sondern nahmst auch die Führung der Wirtschaft in Deine Hand und bist dabei aufgeblüht wie ein Röschen im Mai." Dieselbe Bemerkung hatte Johannes bereits in der Stille gemacht. Als er sie nun aussprach, da verdunkelte sich die zarte Rosenfarbe in dem hübschen Gesicht des jungen Mädchens nur noch mehr. „Mich machte dort die Arbeit nicht krank, ich hätte sie mit Freuden auf mich genommen, fondern die Herz- und Lieblosigkeit; man nannte mich eine Verwandte und behandelte mich als die niedrigste Magd, kein freundliches Wort, keinen noch so geringen Beweis von Teilnahme für die arme Verwaiste habe ich gefunden. Schweigend mußte ich sehen, wie auch andere unter diesem Betragen zu leiden hatten." Sie hielt erschrocken inne — in ihrer Erregung hatte sie mehr gesagt, als ihre Absicht gewesen.