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mahl in Aussicht genommen, an dem sich der Kaiser Wilhelm 11., König Albert und die anderen zur Feier erscheinenden höchsten Personen beteiligen. Das mächtige Gebäude geht mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen. Von großartigster Wirkung im Innern ist die Kuppelhalle, deren einzig schöne Fensterglasmalereien in vier Bildern den Norden, Süden, Westen und Osten Deutschlands vergegen wärtigen. Wunderbar ausgeführt ist die die ganze Zimmerflucht des Südflügels einnehmende Präsi- dentenwohnung, an deren dekorativer Ausstattung die hervorragendsten Künstler mit thätig sind. Der Saal für Hoch- und Landesverratsverhandlungen befindet sich über dem Eingang vor der Hauptfront. Sämtliche Säle sind einfach gehalten, nur die Thüren und Portale sind mit reichem künstlerischen Schmuck versehen worden. — Hohenstein, 22. Juli. Schlicht, aber um so würdiger verlief die gestrige Feier der Wieder eröffnung des Bades Hohenstein. Zwar verbarg vormittags und auch in den ersten Nachmittagsstun den die Sonne ihr Antlitz, aber wahrscheinlich nur um ebenfalls Festroilette anzulegen und um zur rech ten Stunde um so freundlicher dreinschauen zu können in die festliche Versammlung, die sich von nah und fern in überaus großer Zahl im Bade eingefunden hatte. Der große Concertgarten war thatsächlich überfüllt und auch die schönen, Kühlung spendenden Räume wurden vielfach ausgesucht, um der Eröffnung unseres Bades beiwohnen zu können. Auch die Kur anstalt hat sich unter den besten Auspizien geöffnet. In den letzten Tagen hat eine größere Anzahl Kur gäste Einzug gehalten und noch mehr haben ihr Ein treffen für die nächsten Tage in Aussicht gestellt, so daß auch nach dieser Seite hin sich das Beste für unser Bad hoffen läßt. — Meerane, 20. Juli. Bei dem gestrigen Gewitter hat es in der Seiferitzer Pflege geschloßt. Die Schloßen sollen die Größe von Tauben-Eiern erreicht haben. — Freiberg, 19. Juli. Recht fatale Er innerungen kuüpsen sich für ein Stubenmädchen auf einem großen Gute tu der Umgebung unserer Stadt an den letzten Jahrmarkt. Das Stubenmädchen, welches schon eine Reihe von Jabren bei der Herr schaft bedienstet ist, will am 1. August den Dienst verlassen, um zu heiraten. Aus diesem Grunde hatte das Mädchen auch einen recht großen „Jahr markt" erwartet. Sie war nicht wenig erstaunt, als sie nm ein Paar Brauthandschuhe erhielt. In ihrem Zorne hierüber warf sie die Handschuhe ins Feuer. Als nun die Dame des Hauses fragte, wie das Mädchen mit dem Jahrmarkisgeschenk zufrieden sei, sagte dasselbe, daß es die Handschuhe verbrannt habe. Das Gesicht der Schönen wurde aber bedenk lich lang, als die Hausfrau die Mitteilung machte, daß in jedem Handschuh ein — 50-Markschsin ver steckt gewesen sei! — Grimma. Seit Mitte voriger Woche ist die Ernte im vollen Gang. Leider ist der Ertrag, was den Roggen betrifft, nicht zufriedenstellend, und die anderen Halmfrüchte ergeben auch nur eine Mittelernte. — Klingenthal. Wenn im „V. A." be richtet wird, daß sich in Görlitz ein Mann aus Freundschaft und Nächstenliebe der Operation einer Hautverpflanzung unterzogen habe, so kann ein gleicher Fall auch von hier gemeldet werden. Eine Frau hatte sich durch einen Spirituskocher dermaßen an den Oberschenkeln verbrannt, daß ihr nur geholfen werden konnte, wenn frische Haut von fremden mensch lichen Körpern auf dis wunden Stellen übertragen wurde. Es fanden sich nun auch acht wackere junge Männer, Welchs die schmerzhafte Operation an sich vollziehen ließen. Die Haut wurde in mehreren Liebe »md Leben. Roman von H. v. Ziegler. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Die junge Frau verließ bei diesen Worte» die Küche und schritt nach ihrem Kämmerlein; hier an- zelangt schob sie hastig den Riegel vor, warf sich auf die Knie und ließ den heftig strömenden Thränen freien Lauf. „Klaus", flüsterte sie und schrak dann zurück vor dem Ton der eigenen Stimme, „er lebt, ich bin nicht ganz verlassen, da er, mein Freund, nicht ge storben ist! O, Allmächtiger, wie soll ich Dir danken —" Arme junge Frau! Glaubte sieden« noch immer, daß dies süße schmerzliche Sehnen tief in dem pochen de« Herzen Freundschaft war? Oder wußte sie, daß die letztere schon längst einem ganz anderen Ge fühle Platz gemacht — der Liebe? — Trotz allem Zanken und Reden Christians legte Lena zu dem Feste die Trauerkleider nicht ab; ruhig und freundlich erklärte sie ihm, daß sie seinen Wunsch erfüllt habe und mit ihm gehen werde, aber nun auch darauf bestehe, das schwarze Kleid anbe- halten zu dürfen. Brummend wandte sich der Bauer ab, ihren klaren Blick vermochte er nicht zu ertragen, aber ihm fehlten diesmal die rohen Worte der Erwiderung. Wüster Lärm scholl ihnen von der Diele des Festhauses entgegen, als sie dasselbe betraten; Lachen und Plaudern, einzelne Töne der Geigen und Flöten, Klirren von Gläsern und Flaschen schwirrten durch einander. Draußen war es heiß und hier in dem überfüllten Raume herrschte eine schwüle, dicke Luft, Streifen dem Oberarme entnommen und direkt auf die kranken Stellen übertragen, wo sie alsbald fest wuchs. Die hochherzigen Samariter haben jetzt das beglückende Bewußtsein, zur Rettung eines Menschen lebens beigetragen zu haben. Z Berlin. Seit dem Attentat auf den Po lizeioberst Krause sind jetzt vierzehn Tage verflossen, ohne daß es der Polizei bisher gelungen ist, den Urheber des Bubenstücks zu ermitteln. So verschmitzt und raffiniert die „Hvllenkiste" konstruiert war, mit eben so vieler Umsicht haben der oder die Urheber derselben es verstanden, jede ihrer Spuren von vorn herein zu verwischen. Nur zwei greifbare Momente waren geeignet, auf die Spur zu führen: die Kiste selbst und die Person, welche sie auf dem Postamt zu Fürstenwalde eingeliefert hat. Die Vermutung, daß diese Person ein junges Mädchen in Männer kleidung war, hat sich bis zur Gewißheit verstärkt. In der Personalbeschreibung dieses Mädchens war der einzige markante Umstand der, daß es karzge- schRttenes, dunkelblondes Haar hatte, welches im Nacken unsauber, wie von unkundiger Hand geschnit ten war. Auf Grund dieser Angabe, erging an einem Tage der letzten Woche an sämtliche Polizei reviere Berlins der Befehl, alle Mädchen im Alter von 18 bis 22 Jahren mit dunkelblondem, kurzge schnittenem Kopfhaar in ganz Berlin sofort festzu- stellen. Daß dies keine kleine Aufgabe war, läßt sich denken, aber sie wurde von den rund hundert Poli zeirevieren, die Berlin jetzt zählt, in kürzester Zeit erledigt. Von den also ermittelten Blondinen waren die meisten natürlich völlig unverdächtig, nur dieje nigen, deren Verhältnisse der Polizei aus irgend einem Grunde nicht klar erschienen, wurden behufs Aufklärung auf dm Polizsibureaus vernommen. Auch Verhaftungen wurden bei dieser Gelegenheit vorgenommen, doch steht keine derselben mit Lem Attentatsversuch in Verbindung. Z Die auf Grund einer früheren Anordnung des preußischen Eisenbahnmimsters seit 1891 ange stellten Versuche, das russische Petroleum zu Leucht- zweckcn zu verwenden, haben zwar im allgemeinen za befriedigenden Ergebnisse» bisher nicht geführt, es erscheint jedoch mit Rücksicht auf die Lage des Petrolsummarktes angezeigt, dieser Frage auch für die Folge besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Nach dem Minister vorliegenden Mitteilungen sollen in neuerer Zeit Versuche mit Mischungen von rus sischem und amerikanischem Petroleum günstige Re sultate ergeben haben, und insbesondere eine Misch ung von gleichen Teilen russischen und amerikanischen Petroleums auch auf den für amerikanisches Petroleum eingerichteten Lampen gut brenue«. Die Eisenbahn, direktionen sind daher von dem Minister angewiesen worden, soweit dies nicht schon geschehen fein wüte, die Versuche mit der Verwendung russischen Petro leums und insbesondere mit Mischungen russischen und amerikanischen Petroleums fortzusetzen und bei günstigem Ausfall bei den späteren Beschaffungen von Petroleum auch auf die Anschaffung von rus sischem Petroleum je nach der Lage des Preises des selben Bedacht zu nehmen. Z Weißenburg, 22. Juli. Ein 70jähriger Hausweberin Krickwiese wurde von seiner40jährigen leiblichen Tochter, die Plötzlich wahnsinnig geworden war, während des Schlafes ermordet. Die Mörderin zerstückelte alsdann den Luchnam und aß mehrere Tage davon. Z Kiel, 22. Juli. Der schwedische Dampfer „TreUeborg" und der englische Dampfer „Milrose Abbey" kollidierten im Nordostseekanal und erlitten Havarie. „Trellsborg" vermochte die Fahrt nach Hamburg sortzusstzen. 8 Hernösand, 21. Juli. Vorgestern nahm die fast den Atem benahm; Lena, welche seit langer Zeit zum ersten Male wieder unter Menschen ging, meinte ersticken zu müssen in dieser Umgebung. Bald hatten die anderen Frauen sie in ihre Mitte genommen, man setzte ihr Speise und Trank vor, plauderte über dies und jenes und mechanisch that sie alles mit, nur die großen, blauen Augen redete» eine traurige Sprache, die nicht zu dem fröh lichen Feste passen wollte. „Wie elend sieht doch die arme Lena Svend aus," flüsterte die eins der Frauen ihrer Nachbarin zu, „sie kann den Tod des Kindes noch nicht ver gessen." „Glaub's wohl," nickte diese, „dis Kathi war ihr einziges Glück, denn bei dem rohen Manne muß sie sich wohl elend fühlen; werweiß, ob er sie nicht gar schlägt." Kreischende Tanzmusik begann jetzt, die Paare wirbelten in lustigem Tanze dahin und Lena blickte ihnen sinnend nach, jener Zeit gedenkend, da auch sie so gern getanzt. Vorbei — vorüber! Für sie gab's nur noch Schmerz und Leid auf der Welt! Doch sie war schon längst gewohnt, ihre Gefühle in sich zu verbergen und begann freundlich mit einer neben ihr sitzenden Frau über Gänse- und Enten zucht zu reden, bis mit einem Male der Faden des Gesprächs jäh zerriß. Ganz in ihrer Nähe sprachen zwei Bauern von Klans Harms. „O, er ist beinahe ganz gesund," meinte der eine, „er trägt schon keine Binde mehr um den Kopf." „Uebrigens ein ganz gemeines Bubenstück vom Ulo und dem Grausen, ihn so zu überfallen und wie einen Hund niederzuschlagen." Se. Majestät der Kaiser das Abendessen in der Of- fiziersmeffe der „Hohenzollern" ein. Gestern machte Se. Majestät einen längeren Spaziergang an Land. Heute morgen hielt Se. Majestät Gottesdienst ab; Nachmittags findet eine Segelregatta zwischen den Kuttern der „Hohenzollern" und „G.fion" statt. W ** Wien, 22. Juli. Der 5. deutsche Steno graphentag ist hier eröffnet worden. Mehr als 400 Vertreter der verschiedenen Verbände und Vereine Gabelsberger'scher Richtung sind anwesend, ferner Geh. Regterungsrat Häpe, der Vorstand des steno graphischen Instituts zu Dresden Oberregierungsrat Prof. Dr. Krieg, Hofrat Prof. Dr. Zeibig und an dere Mitglieder des Königl. stenographischen Insti tuts zu Dresden. Aus München sind sämtliche Mit glieder der Familie Gabelsberger erschienen, aus Posen der Vorsitzende des deutschen Gabelsberger- schen Stenographen-Verbandes, Domvikar Alteneder. * * Wie bereits mitgeteilt, sind in Brüx in Böhmen eine Rühe von Häusern spurlos von der Erde verschwunden. Es wird darüber jetzt weiter gemeldet: Die Terrainrutschungen sind nunmehr zum Stillstand gekommen. Die Verwüstungen sind furcht bar; jedoch war nur ein Menschenleben zu beklagen: ein Häuer ertrank beim Einbrechen von Wasser in den Annaschacht. Es sind 18 Häuser in der Bahn hofsstraße eingestürzt, darunter das Hotel Siegul. Die Bahnhofsstraße liegt in dem vornehmsten Viertel der Stadt und führt zu dem Personenbahnhof der Aussig- Tsplitzer Bahn. Der Bahnhof senkte sich, ebenso die Bahngeleise. Der Verkehr wurds eingestellt. Die Behörde ordnete die Räumung der etwa 100 Häuser des neben dem Bahnhof gelegene« Stadtteils an. In folgedessen herrschte ia der Stadt große Aufregung. Militär u. Feuerwehr helfen bei der Räumung. Bei der Katastrophe ereigneten sich erschütternde Szenen. Die Bewohner der eingsstürzten Häuser rettete« müh sam das Leben. Die Obdachlosen wurden im Schul gebäude untergebracht. Alle Gasrohre sind gebrochen, ebenso ist die Wasserleitung zerstört, die Stadt daher ohne Wasser. Die österreichische Regierung hat den Bergrat Zechner «ach Brüx entsendst, um sich über die Sachlage zu unterrichten und die erforderlichen Vorkehrungen einzuleitsn. Der böhmische Statthal ter hat sich von Teplitz nach Brüx begeben. Die Katastrophe ist dadurch entstanden, daß der im Au-- naschacht gelagerte Schwemmsand in die Grube drang und der unterhalb des Staatsgebiets gelagerte Schwemmsand uachdrückte, infolgedessen sich Hohl räume bildeten, die zum Einsturz der Häuser führten. * * Innsbruck, 21. Juli. Der Zug Salz- Lurq-JiMsbruck zwischen den Stationen St. Johann in Tirol und Kitzebühel wäre beinahe dadurch verun glückt, daß eine Brücks zwischen den letztgenannten Stationen durch einen Wolkenbruch weggsrissen wurde. Zum Glück konnte der vollbesetzte Zug noch ganz kurz vor der betreffenden Brücks zum Stehen ge bracht werden, wodurch unabsehbares Unheil verhin dert wurde. * * Paris, 22. Juli. Der „Figaro" prophezeit, wenn die russophile Bewegung in Bulgarien sich verschärfe, dürfte dis Lage des Prinzen Ferdinand leicht sehr delikat werden. Der Prinz muß jeden falls vor? jetzt ab der Heftigkeit Rechnung tragen, mit der die deutschen Blätter seinen Sturz fördern. Der „Matm" schreibt, vielleicht stehen wir an dem Bombend der Anerkennung des Prinze» Ferdinand durch Rußland. * * Rom, 21. Juli. Heute Nacht 1fts Uhr fand in Höhe der Insel Tino bei Spezia eine Kol- lission zwischen den italienischen Dampfern „Ortygia" und „Maria" statt, welch' letztere 178 Paffagiere an Bord hatte. Die „Maria" sank, 148 Personen sind ertrunken. „Ja, die sitzen nun beide hinter Schloß und Riegel, und wie ich höre, unterliegt es keinem Zwei fel mehr, daß Ulo des alten Stoosens Mörder ist; seine eigene Braut Mietje Gransen hat ihn dem Ge richt angszeigt." „Das Mädchen? Was Ihr sagt!" „Ja, sie hat sich von ihm, als er betrunken war, die ganze Geschichte deutlich erzählen lassen, auch, daß jene im Schnee gefundene Pistole ihm gehörte und hat dann alles eidlich vor Gericht bekannt; nun sitzt er in der Falle." „Eme schöne Braut! Weshalb mag sie ihn wohl gewählt haben?" „Sie erklärte kaltblütig, es sei nur aus Haß gewesen, sie habe ihn aushorchm und dann verderben wollen. Der alte Granseu soll wütend über die Tochter sein, den werden sie aber wohl frei lassen müssen; er war nicht beteiligt an dem Morde". „Und Mietje nimmt wohl den Klaus als Er satz für den Bräutigam? Sis soll ihn unermüdlich und mit einer ganz fettens« Sanftmut pflegen. Uebrigens ist sie schon damals, als man ihn ins Ge fängnis setzte, aus dem väterlichen Hause geflohen, um ihn zu befreien". Sie gingen weiter und Lena setzte sich gedanken voll in einer ziemlich entlegenen Fensternische nieder; sie wußte nicht, weshalb es sich wie ein dumpfer Druck auf ihre Schläfen legte, weshalb ihr Herz klopfte bei dem Gedanken an jenes Mädchen, die den einsamen schwer geprüften Mann liebte. Einst mals hatte sie selbst seine Liebe zurückgewiesen, um jenes Wüstlings willen, der dort drüben im Kreise roher Zechgenoffen lärmte. Aber konnte Klaus