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— Freiberg, 17. Juli. Line unmensch liche Mutter wurde Ende voriger Woche in der Per son einer io der hiesigen Pfarrgasse wohnenden Hand arbeitersehefrau zur Haft gebracht. Den Mitbe wohnern des betreffenden HauseS war es schon län gere Zeit ausgefallen, daß die Zwillinge der verhaf teten Arbeitersfrau fortgesetzt schrieen, sie gelangten infolgedessen zu der Ansicht, daß die Mutter den Kindern die nötige Nahrung vorenthalte. In dieser Vermutung wurde» die Nachbarn bestärkt, als sie sich selbst um die Kinderchen kümmerten und ihnen Nahrung reichten. Die armen Kleinen nahmen das Dargebotene in gieriger Hast und verhielten sich da- rauf vollkommen ruhig. Leider wiederholte sich das Geschrei bald, ohne daß seitens der Mutter etwas dagegen geschah. Schließlich erstatteten die Mctbe- wohner Anzeige bel der Polizei. Bevor aber die ärztliche Untersuchung der Zwillinge stattfinden konnte, meldete man deren Tod. Die gerichtliche Sektion scheint nun thatsächlich ergeben zu haben, daß der Tod der Kinder durch mangelhafte Ernährung her beigeführt wurde. — Pirna, 16. Juli. Ein mit gefährlichen Mißhandlungen verbundener Ueberfall wurde in vor vergangener Nacht auf den hiesigen Stadtwachlmetster Funke verübt. Als er morgens gegen */s2 Uhr in seine in der oberen Burgstraße gelegene Wohnung zurückkehren und an dem mit einem großen, gewölb ten EingangSthore versehenen Nebenhause Vorbeigehen wollte, stürzte ein dort verborgen gewesener Mann hervor und warf den überraschten Beamten, noch ehe derselbe sich zur Wehr setzen konnte, mit großer Ge walt auf die Straße nieder, worauf er auf ihn kniete und mit zwei Anderen, die sich ebenfalls ver borgen hatten, furchtbar auf ihneinhieb. Funke hat am Kopfe, an der Stirn und im Gesicht zahlreiche blutige Verletzungen. Die Hilferufe des Mißhandel ten find ungehölt verhallt. Als Schritte vernehm bar wurden, haben die Thäter die Flucht ergriffen. Die Urheber des Ueberfalles, bei dem es sich zweifel los um einen Racheakt handelt, sind bereits in zwei bei der Bahnmeisterei Pirna beschäftigt gewesenen Srrcckcnarbeitern, sowie einem hiesigen Bierkutscher ermittelt und verhaftet worden. Nach einer späteren Meldung geben die Verletzungen de» Ueberfallenen zu schlimmeren Befürchtungen keinen Anlaß. — Eine erschreckliche Komödie hatein 15jähriges Milchmädchen inBlasewitz m Szene gesetzt. Am Sonntag abend hörten Bewohner eines Hauses der Dobritzerstraße ein vom Boden kommendes Heulen und Jammern. Die Leute forschten nach der Ur sache und bemerkten zu ihrem Entsetzen, daß die Laute aus einem großen in einem Bodsnverschlag liegenden Sacke kamen. Sofort wurde Polizei herbeigeholt und der Sack geöffnet und siehe da, aus demselben wurde zum größten Erstaunen der Anwesenden das vermißte Milchmädchen gezogen. Das Mädchen wurde mit auf die Polizei genommen und gab hier an, daß sie am Nachmittag von einem feinen Mann mit schwarzem Vollbart auf einer Promenadenbank be täubt worben sei und von dieser Zeit von dem Bor gefallenen nichts mehr wisse. An diesen Angaben wurde jedoch gezweifelt. Sie gab denn auch nach längerem Zögern zu, sich den fraglichen Sack ange eignet, in oenselben sich hineingesieckt und selbst von innen zugenäht za haben, nachdem sie vorher in den fremden Bodenverschlag eingestiegen war. Das Mädchen hatte vom kassierten Milchgeld 1 Mark verthan, was eine Auseinandersetzung mit der Mutter zur Folge hatte. Dadurch hat sich das Mädchen jedenfalls zu der Komödie verführen lassen. — Plauen, 18. Juli, lieber das Ende eines Liebesdramas wird aus Hamburg gemeldet: Die zu Bett gegangen und so lärmten denn die drei zu rückgebliebenen Männer, der Wirt» Ulo und Christian Svend, ungestört weiter: keiner bemerkte den neuen Ankömmling, der am Thürpfosten lehnte. „Nun, Svend, macht, öaß Ihr heimkommt," schrie Grausen, d sn Angeredeten freundschaftlich puffend, „Eure Frau Eheliebste wird schon ein saures Gesicht ziehen über Euer Ausbleiben und bas Kind soll ja krank sein." „Ah, den Unsinn glaube, wer sonst will," knurrte Svend, „es war ja ganz gesund, als ich fortging; weshalb sollte es denn gleich sterben?" „Na, trinkt nur noch einen Schluck Sodawasser," mahnte Grausen, „das schlägt Euren Rausch nieder." „Meinen Rausch?" fuhr Christian erbost in die Höhe, „wer sagt, daß ich einen solchen habe? Ich bin mehr bei Sinnen vielleicht als Ihr!" „Kommt nur, Svend," fiel hier auch Ulo ein, „ich führe Euch nach Hause, damit Eure Frau —" „Himmel und Hölle", Christian's Faust schlug dröhnend auf den Tisch, „was soll es mit der Lena, meint Ihr, ich stände so unter ihrem Pantoffel, daß ich sogleich tanzte, wenn sie pfeift?" Eine schwere Hand legte sich wuchtig auf die Schultern des Trunkenboldes und eine tiefe, drohende Stimme drang an sein Ohr: „Geht sofort nach Hause, Christian Svend, denn Euer Kind lebt nicht mehr". Und Klaus Harms blickte finster wie ehemals auf die Zechgenoffen, die wild aufschreiend zurück- taumelten. „Klaus Harms! Er ist es! Er kommt wieder". Alle drei waren erdfahl geworden, ihre Knie? 34jährige Stickerin Ida Sch. aus Plauen ist am vergangenen Sonntag nachmittag im P-troleumhafen zu Harburg aufgefunden worden. Man erfährt hierzu Folgendes: Die Ida Sch. in Plauen lernte vor mehreren Jahren einen jungen Mann kennen, der jetzt beim Harburger Pionier-Bataillon seiner Mili tärpflicht genügt. Das Verhältnis war auch nicht ohne Folgen, weshalb das Mädchen auf Verehelichung drang. Der jetzige Pionier war dazu anfänglich nicht abgeneigt; als aber im vorigen Jahre das Kind starb, und er außerdem in Harburg ein anderes Verhältnis angeknüpft hatte, schrieb er der Sch. ab. Es erfolgte ein erregter Briefwechsel, in Verlauf dessen das Mädchen schrieb, es wolle nach Harburg kommen, welchen Plan sie auch am Sonnabend aus führte. Die Nacht zum Sonntag schlief sie in einem Harburger Gasthofe und suchte am Sonntag morgen den ungetreuen früheren Geliebten auf, mit dem sie eine ernste Auseinandersetzung hatte. Der Pionier riet ihr zum Schluß, sie möge seinen Vater in Hu sum (Holstein) aufjuchen, der etwas für sie thun werde. Die Unglückliche fuhr darauf nach Hamburg, kehrte aber mit dem nächsten Dampfer nach Harburg zurück. Auf dem Dampfschiffswege begegnete sie dem früheren Bräutigam, der seine jetzige Geliebte am Arme führte. Dieser Anblick schein: sie so er griffen zu haben, daß sie kurze Zeil darauf, in einem Augenblick, als sie sich unbeobachtet wußte, den Tod im Harburger Petroleumhafen suchte uns fand. — Zittau, 17. Juli. Ein erschütternder Unglückssall ereignete sich hier am Dienstag nach mittag. Die Gattin des um diese Zeit in Dresden weilenden Herrn Hauptmanns Postel war mit ihrem Sohn in einem zweirädrigen Wagen ausgefahren und hatte ein junges Pferd vorgespannt, das sonst als Reitpferd diente. Auf dem abschüssigen Töpfer berg scheute nun das Pferd und ging mit oem Wagen durch. Derselbe prallte am Ende der Straße an einen Baum an, sodaß die Insassen herausgeschleu dert wurden. Der fünfjährige Knabe war sofort eine Leiche, während Frau Hauptmann Postel zwar schwere Verletzungen, Schädelbruch und Verletzung der Wirbelsäule erhielt und bewußtlos liegen blieb, doch nicht gerade in Lebensgefahr schwebt. Dec te legraphisch benachrichtigte Gatte traf am Abend des Unglückstages noch in Zittau ein. 8 Berlin, 18. I ili. Anläßlich der Festlich keiten zur Eröffnung der Delagvabahn hat der Prä sident der südafrikanischen Republik, Krüger, folgen des Kibeltelegramm erhalten: Wilhelm an Präsi dent Krüger m Delagoabal. Es gereicht mir zu be sonderem Verdienst, Ihnen an diesem Tage meine Grüße an Bord meines Kriegsschiffes „Condor" zu übersenden, zur Zeit, da Sie dis Vollendung der Eisenbahnverbindung der Hauptstadt Ihres Staates mit dem Ozean feiern. Ich beglückwünsche Sie und die südafrikanische Republik, deren günstige Entwicke lung jederzeit meiner Sympathie sicher ist, zu der erfolgreichen Vollendung der Delagoa-Eisenbahn, und ich hoff:', baß oiese neue Lmie eine solche Fülle günsti gen Gedeihens in sich trägt, sich als em mächtiger Faktor in der großen Veckehrsentwickelung erweisen und daß sie zu gleicher Zeit den Verbindungen mit Deutschland zu Gute kommen wird, als ein Mittel, die Baade zwischen den beiden Länder noch fester zu ziehen. Gegeben an Bord meiner Dicht „Hohen- zollern", 14. Juli 1895. Wilhelmi, 11." Präsident Krüger erwiderte: „Herzlichen Dank dem Kaiser für seine Grüße und die freundlichen Worts und Wünsche für das Gedeihen des Staates, an dessen Spitze ich die Ehre habe zu stehen. Die Verbindung mit der See ist feit Jahren von der Republik be trieben worden, sie ist jetzt zu Stande gekommen durch den mächtigen Beistand des deutschen Kapitals und schlotterten, ihre Augen starrten auf den längst Ver gessenen. Doch Lessen starke Faust riß den ihm zu nächst sitzenden Christian Svend in d:e Höhe: „Elender Feigling, fort nach Hause zu Deinem Weibe und zur Leiche Deines Kindes!" -l- * Und wieder verging Woche um Woche. Schon wogten die Äehrsn in üppiger Fülle auf den Fel dern, Rosen und Nelken dufteten berauschend und sommerliche Hitz: lag über der Erde, nur die arme Lena schritt noch immer wie träumend umher; sie konnte es ja nicht fassen, daß das süße, kleine Wesen, welches sonst tändelnd und fröhlich um sie her ge hüpft, nun schon wochenlang im Grabe ruhte. Wie oft fuhr sie in die Höhe, weil fie meinte, die stolpernden Schrittchen, das kindlich frohe Lachen Kathr's zu vernehmen, aber dann versank sie von neuem in ihre gewohnte Apathie. Kein Wettern und Zanken ihres Mannes weckte sie daraus und meistens sagte fie nur ernsthaft: „Christian, fo denke doch an das Kind! Es hört droben im Himmel Deine bösen Worte". Ihre Stimme war eintönig, schleppend, der Blick trübe und um den Mund zuckte innerer Gram. Alle Tage wanderte sie hinaus auf den Friedhof, um den kleinen, grünen Hügel zu pflegen und hier allein ward ihr wohler um's Herz, hier Plau derte sie mit ihrem Kinde, streichelte in Gedanken sein Blondköpfchen und küßte die rosigen Lippen. Nur gegen ihren Gatten empfand sie seit jener Schreckensnacht einen unüberwindlichen Abscheu; hatte er doch verweigert, auf ihre erste flehende Botschaft heimzukehren. Und als er endlich mit leichenblasser der deutschen Industrie. Daß wir die Sympathie Eurer Majestät besitzen, ist eine Thatsache, die ich heute mit der größten Befriedigung an Eurer M. S. „Condor" erfahren, ein Schiff, das in seiner weißen Farbe nur den Ausdruck der so wahrhaft freundlichen Beziehung repräsentiert, die zwischen unseren beiden Ländern besteht. S. I. P. Krüger." 8 Ueber „Trost im Leiden der vermeintlichen Millionenerbin" schreibt ein Berliner Blatt: Fräulein Hulda Baer, die Millionenerbin a. D., jucht ihren Trost jetzt vorzugsweise in den Retour marken, welche den an sie gerichteten Heiratsanträgen beigelegen haben, deren Zahl sich auf mehrere Hundert beläuft. Es ist allen Ernstes dem Fräulein Baer der Vorschlag gemacht worden, diese Briefe, welche einen interessanten Beitrag zur Charakteristik der Heiraten tin cis siöolo bilden, zwecks Veröffent lichung zu verkaufen; Hulda Baer aber hat sich des schnöden Handels bisher geweigert. Unter den Hei- ratskandidaien befindet sich ein österreichischer Offi zier, ein Rittergutsbesitzer und viele Leute mit guter Bildung. Zufrieden, daß die Millionenerbschaft ihre Erledigung gefunden hat, sind besonders die Rixdorfer Briefträger, welche die Last der Heiratsanträqe nim mer bewältigen zu können glaubten. Im Nebligen geht das Gerücht, daß Hulda Baer, als sie noch aussichiereiche Erbin der Millionen war, ihre Hand einem Stephansjünger versprochen habe. Die Erbin a. D. dementiert aber alle diese Mitteilungen, indem sie mit ihrem Bräutigam, dem Gärtner Handt, am 19. d. M. endgiltig Hochzeit macht. § Die Frage der Militärdienstzeit der Volkö- schullehrer ist jetzt in einem den Wünschen der Lehrer günstigen Sinne entschieden worden. Nach dem „Rh. K." kann es al« ausgemacht angesehen werden, daß vom nächsten Jahre ab den VockSschullchrern die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zuge- Üanden wird. Indessen ist es unmöglich, diese Be stimmung auf Knall und Fall durchzusühren. Das verbietet sich schon mit Rücksicht auf den alsdann zweif-lloS eintretenden Lehrermangel, und so dürfte das Jahr 1893 herankommsn, bevor die in der Kabinetts ordre vom 27. Januar 1895 angedeuteten Z'ele in vollem Umfange erreicht werden. Bezüglich der Frage, ob und mDMveit die Schulverwaltungen der einzel nen Bundesstaaten materielle Beihilfen gewähren sollen, um den zum einjährig-freiwilligen Dienst be rechtigten Bolksschullehrern die thatiachliche Ableistung eines Dienstjahres als Einjährig-Freiwillige zu er möglichen, herrscht volle Einmütigkeit darüber, daß diese Frage nur in einer einheitlichen Weise ent schieden werden könne und dürfe, wenn nicht schwere Unzuträglichkeitsn Platz greifen sollen. Materiell ist diese Angelegenheit aber noch in der Schwebe. Uebrigens hat das preußische Kciegsmmisterium, wenn der „Vorm." recht unterrichtet ist, bestimmt, daß bei Heranziehung der bereits angestellten Lehrer in die sem Jahre noch nach den bisherigen Bestimmungen zu verfahren ist. Z Während der K a i s e r m a n ö v e r wird em großes Kavallerie-Nacht Manöver geplant. Es wird sich, wie der „Ostsse-Ztg." geschrieben wird, dabei um wichtige Versuche handeln, die besonders zeigen sollen, ob die Verwendung von Reiterei in größeren Verbänden auch außerhalb der Straßen in der Nacht möglich ist, und zu welchen Erfolgen wohl die Kavallerie es in dieser Hinsicht bringen kann, weiter, wie sie in der Finsternis zu lecken sei usw. Bei früheren Manöoern sind derartige Kavallerie manöver bei Nacht nicht abgehalteu worden; man hielt sie für unmöglich. Jetzt sollen aber u. a. auch große Attacken geritten werben, doch kann dabei von Reiterangriffen in starker Gangart natürlich nicht die Rede sein. Miene und schlotternden Knien gekommen und schluch zend neben der kleinen Lerche zu Boden gefallen war, da hatte sie sich von ihm gewandt, ohne ein einziges Wort über die Lippen zu bringen. Bis man den Sarg hinaustrug, durfte Niemand die Tote berühren, als die blaffe, thränenlose Mutter, welche sorgsam die Blumen ordnete und jede Fliege abwehrte. „Sie schläft," flüsterte sie mit herzzerreißendem Ausdruck, „ich warte, bis sie erwacht." Aber Kathi erwachte nicht mehr. Als man den Sarg schließen wollte, warf sich Lena jammernd darüber und'wollte sich nicht entfernen von dem einzigen Kinde, bis eine wohlthätige Ohnmacht sie umgab. Als sie daraus erwachte, war das Gemach leer und die ganze entsetzliche Größe der sie erwartenden Einsamkeit Überfitt sie. Christian hatte sich nach dem Begräbnis ins Wirtshaus begeben, „um sich zu trösten," doch an sein einsames Weib dachte er nicht. Ihre zitternden Finger langten nach der Bibel, aber sie vermochte vor Thränen nicht einen einzigen Buchstaben zu lesen; vor ihren Augen flimmerte es, ihr Herz zuckte in unendlicher Qual und nur die bleichen Lippen stammelten wieder und wieder: „Hilf mir, mein Gott, verlaß mich nicht!" Ach, wie oft, wie unendlich oft hatte sie seit jener Stunde die Worte wiederholt, doch noch hallten sie nicht im Herzen wider; sie fand keine Thräne, öde, trostlos blieb's im Herzen und sie fragte sich oftmals in stiller Nacht: „Soll eS denn immer so bleiben?" (Fortsetzung folgt.)