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von 9 Monaten. Frankenberger hat einer gering fügigen Ursache halber mit dem Mester zugestochen. — Plauen i. V., 30. Juni. Unter Bezug nahme auf die mehrfach erwähnte Verhaftung einer Falschmünzer-Bande in Plauen und Eger, sei, da anzunehmen ist, daß bereits falsches Geld auLgegeben worden ist und kursiert, daraufaufmerksam gemacht, daß die falschen deutschen Münzen, Zehnmarkstücke, die Jahreszahl 1872 tragen und das Bild des Königs Johann zeigen. Die Geldstücke sind von Bronze- blech, äußerlich an beiden Seiten schwach vergoldet und nur durch den Gewichtsunterschied von echten zu unterscheiden. — Welche Vorsicht auch bei kleinen Wunden geboten ist, beweist nachstehender Fall. In Rei ch e n b a ch war dieser Tage ein Ackerer mit Aus streuen von Chilisalpetcr beschäftigt, obschon er eine kleine Wunde am Finger hatte, die er nicht weiter beachtete. Er zog sich eine Blutvergiftung zu, die innerhalb weniger Tage den Tod zur Folge hatte. Möge dieser Fall den Landwirten zur Lehre dienen. — Zwei frühere Einwohner Zschopaus haben in freundlichem Gedenken an die do-t verlebte Zeit H:rrn Bürgermeister Kretzschmar daselbst eine größere Summe mit der Bestimmung übergeben, daß der Stadtrat über die Verwendung bestimmen möge. Der Ertrag ist dem Krankenhausbaufonds überwiesen worden. — Marienberg, 30. Juni- Seit einigen Tagen ist der ca. 40 Jahre alte Bürgerschullehrer Robert Gerlach hier unter Mitnahme einer größeren Summe von Kasscugeldern flüchtig geworden. Ger lach war gleichzeitig stellvertretender Kommandant der hiesigen Feuerwehr, sowie Administrator des hiesigen Waisenhauses; in letzter Eigenschaft hatte er auch das Vermögen des betreffenden JostitmeL zu verwalten. Das große Vertrauen, welches in ihn nach ca. 20jühriger Thätigkeit als sehr beliebter Lehrer gesetzt wurde, hat er aber schnöde mißbraucht, denn er hat die seit einigen Jahren eingegangenen Kapi talzinsen und Feidpachtgelder der Waisenhaus-Kasse unterschlagen, hat auch einige Tuge vor seiner Flucht von mehreren hiesigen und auswärtigen Freunden sehr beträchtliche Summen geborgt, die natürlich mit auf die Reise gingen. Seine Flucht wurde dadurch begünstigt, daß er sich wegen einer Verletzung im Gesicht von dem Schuldirektocat "beurlauben ließ. Der Flüchtige, welcher allein als Lehrer ein Jahces- gehalt von 2500 Mark bezog, hat feine Frau und vier unerzogene Kinder in hilfloser Lage zurück- gelassen. — Freiberg, 30. Juni. Heute Morgen wurde das vor nicht allzulanger Zeit neu erbaute Mühlgebäude des Herrn Pfeifer in Wsgefarth voll ständig durch Feuer zerstört. — Nossen, 29. Juni. Ueber die hiesige Gegend entlud sich gestern mittag ein Gwitter, wo bei der Blitz den ledigen Wirtschaftsgehilfen Ernst Dachsel irr Niedereula traf und sofort Lötete. D., welcher lahm ging und mithin nur lcuigsaM vorwärts kam/ war auf dem Wege vom Felde nach der Wohnung, wobei ihn das Schicksal wenige Schritte vor semsm Ziele ereilte. — Markranstädt, 30. Juni. Auf dem der Aktiendampftauchwarenzurichterei und Färberei, früher Louis Walthers Nachfolger gehörigen vorherigen Ar- meuhausplatze in der Leipzigerstraße sanden Arbeiter beim Graben einer Grube in geringer Tiefe eine An zahl Gerippe. Die dabei gefundene Reiterpistote mit Fsuerschloß, sowie die mit Hörnern unv der Zahl 16 versehenen Knöpfe aus Messing und verschiedene andere Fandstücke, legen den Schluß nahe, daß man es hier mit einem Massengrabe aus dem Jahrs 1813 zu thun hat, das französischen Gefallenen bei der Liebe rmd Lebem» Roman von H, v. Ziegler. (Nachdruck Verbote».) (Fortsetzung.) „Ja, armer Harms," nickte der finstere Manu, „so sagte auch ich, wenn ich oft in dunkler Nacht dahinstürmte durchs Gebirge, weil es kernen Men schen auf Erden gab, der ein gutes Wort zu mir gesprochen, mich aus meiner Einsamkeit gerissen hätte. Vater und Mutter haben sie mir begraben, als ich noch ein Kind war, da stieß mich das Leben auf rauhe, lichtlose Pfade. Ich kam zu einem bitterbösen Brodherrn, dessen Peitsche eine blutige Schrift auf meinen Rücken schrieb. Zähneknirschend ertrug ich eine lange Zeit diese unmenschliche Behandlung, mit keinem Worte widersprach ich, bis es dann endlich auch mit meiner Geduld zu Ende ging. Eines Tages ward meinem Herrn Hafer ge stohlen und sein Verdacht fiel auf mich; trotz meiner wahrheitsgetreuen Versicherung, ich wisse nichts von der Sache, schlug er mich halbtot. Ich kroch blutend und stöhnend in einen dunklen Winkel, mein Plan war reif und als es dunkelte, floh ich — nachdem ich vorher — den Schafstall angezündet!" „Harms," schrie das junge Mädchen bestürzt auf. „Allmächtiger Himmel, das — konntet Ihr thun?" Er nickte nur finster, um seinen Mund prägte sich ein bitterer Zug. „Ja wohl, Jungfer Lene, ich that's — und beim Scheine der aufleuchtenden Feuersäule fühlte ich eine Retirade nach der Schlacht bei Leipzig gegraben worden ist. Die noch sehr gut erhaltenen Schädel-, Becken-, Arm und Beinknschen sind gesammelt und wieder beerdigt worden. 8 Berlin, 1. Juli. Wie ein Montagsblatt meldet, ist nur durch Zufall und die Aufmerksamkeit eines Postbeamten ein Attentat gegen den Komman deur der Berliner Schutzmanuschaft, Polizei-Oberst Krause, verhütet worden. In der Nacht zum Sonn tag war auf dem Haupipaketpostamte in der Oranien burger Straße eine etwa 5 Kilo schwere Kiste ange- kommen, welche mit anscheinend verstellter Hand schrift die Adresse des Polizeiobersten im Polizeiprä sidium unv als Absender den Namm Thomas trug. Ein im Nachtdienst beschäftigter Postbeamter hörte aus der Kiste ein leises, aber deulich wahrnehmbares Ticken herausdringen und kam bei längerem Hin- horchen zu der Ueberzeugung- daß in dem Pakete eine gehende Uhr verpackt sein müsse. Nach einer anderen Version war der Beamte durch den Geruch einer aus der Kists dringenden Flüssigkeit aufmerksam ge worden. Bei einem Schmeckversuche stellte sich nun heraus, daß die Flüssigkeit Benzin war. Die Sache wurde um so ausfälliger, als die Kiste den Vermerk „Leichtverderbliche Nahrungsmittel" trug. Man wurde auf der Post unruhig. Die Polizei wurde benach richtigt und die Kiste gestern Morgen auf der Ab teilung für politische Polizei geöffnet, wobei sich hsrausstsllte, daß sie ein« Höllenmaschine enthielt. Im Innern befanden sich drei Flaschen mit je Liter Benzin gefüllt. Die Mündung eines mit fünf Patronen geladenen Revolvers war gegen die Fla schen gerichtet. Der Revolver stand mit einer Wecker uhr m Verbindung, welche auf ftsU Uhr gestellt war. Um fts11 Uhr, einer Zeit, wo der Pslizei- obsrst ans seinem Burcau zu sei» pflegt, sollte sich die Waffe entladen und dmch die Zertrümmerung der Flaschen eine Explosion herbeiführen. An ein anarchistisches Attentat glaubt man nicht, sondern man nimmt an, daß es sich um den Racheakt eines entlass»men Schutzmanns, der sich von dem Polizei- obersten benachteiligt glaubte, handelt. Man vermutet in dem Verbrecher einen sogen. Probisteu, einer der Leute, die vorläufig probeweise Dienst bei der Schutz« Mannschaft thun. Polizei-Oberst Krause stammt übrigens aus dem UntNssfiziersstande. Er wurde im Jahre 1866 auf dem Schlachtfelde wegen bewie sener Tapferkeit vom Feldwebel zum Offizier befördert. Z Berlin, 1. Jali. Dis Kiste, welche die Höllenmaschine enthielt, war 25 Pfund schwer. Da der Polizeioberst Krause um fts11 Uhr vormittags, auf welche Zeit der Wecker gestellt war, auf dem Büreau anwesend ist, so war augenscheinlich ein Attentat gegen ihn beabsichtigt. Dis Polizei befindet sich bereits in rührigster Thätigkeit, ohne bisher dem Thaler auf der Spur zu sei». Es handelt sich zweifellos um einen Racheakt. 8 Berlin, 1. Juli. Die Spuren drs Atten- tatsveZuchss gegen den Polizeioberst Krause führen nach -Frankfurt a. O. Man vermutet den Racheakt eines MiUtäranwärters, der probeweise als Schutz mann angestellr worden war, dann aber als unge eignet entlassen wurde. Z Trier, 1. Juli. Ja dem Eifeldorfe Ober kail wütet seit Sonnabend nachts eine Feuersbrunst; 31 Wohnhäuser und 47 Wirtschaftsgebäude wurden eingeäschert. Mehrere Personen sind verletzt. Viel Bichverlust ist zu vsrzsichnen. 8 S t u h l w e i ß e u b u r g, 1. Juli. Bei einem Besuche des hiesigen Dampfbades dmch Landleuts öffnete der führende Oekonom Pal den Dampfhahn, infolged-sicn 25 Personen verbrüht wurden. Gegen Pal ist Untersuchung wegen Mordsverdachts eings- leitet wvrdsn. wilde Befriedigung im Herzen, denn man hatte mich ja trotz meiner vollständigen Unschuld zwch schlimmer wie einen Hund behandelt. Ich war eben wahn sinnig vor Wut!" „Erzählt weiter," bat Lena, fast gegen ihren Willen von seiner Erzählung gefesselt. „Dann bin ich ein Fischer geworden, wie noch heute. Draußen auf dem Meere fühlte ich mich freier, das Herz ging mir auf beim Heukes des Sturmes und dem Tosen der Brandung — nur fern von den Menschen wollte ich sein, die mich verachte ten oder mißhandelten. Und so lernte ich die Sprache des Meeres verstehen, das Rauschen in den Wipfeln der Tannen und Föhren, ich kenne die lichten Wolken, welche am Himmelszelte fliegen und kein Vogelschrei ist mir fremd. Lena — ich war beinahe glücklich — bis ich Euch kennen lernte!" „Was meint Ihr damit, Klaus Harms?" fragte sie besangen, sie wagte nicht, emporzublicken. „Lena," er bog sich vor und sein Atem streifte fast ihre Wange, „solltet Ihr denn niemals geahnt haben — daß Ihr meinen Frieden geraubt — daß Euer Bild drinnen in meinem Herz lebt?" „Klaus Harms," auch ihre Stimme schwankte, „habt Erbarmen, ich — ich darf" . . . „Und ich glaubte, meine Augen hätten deutlich gesprochen," murmelte er enttäuscht, „o Lena, Gott helfe mir, aber einmal muß das Wort über meine Lippen — ich liebe Euch — liebe Euch bis zum Wahnsinn —" Da war's heraus, das folgenschwere, inhalts volle Wort und sie erschraken beide vor demselben; 8 Eine nette Erziehung scheint ein Bewohner von Auma i. Th. zu üben. Ein Knabe war in die gerade stark angeschwollene Auma gestürzt. Ein Mädchen von zwölf Jahren, das den Unfall bemerkte, hatte Geistesgegenwart genug, sich sofort in das Wasser zu wagen und da« Kind mit eigener Lebens gefahr zu retten. Glücklicherweise war auch sofort ein Arzt zur Stelle, welchem die erforderliche Wieder belebung gelang. Die brave Lebensretterin aber er hielt zum Danke für ihre selbstverleugnende That vom eigenen Vater Schläge, weil sie bei dem Net- tungswecke ihr — Kleid verdorben hatte. 8 F r a n k f u r t a. M., 28. Juni. Die auf fällige Geschichte eines Lotterietreffers beschäftigte heute die Zivilkammer. Am Nachmittag des 14. Februar zwischen 3 und 4 Uhr kam ein Einwohner von Niederrad, namens Kinzig, in die W. Meier'sche Losehandlung auf der Zeil und verlangte die Nummer 68,907 der Trierer Domlotterie. Die Verkäuferin legte ihm ähnliche Nummern vor, die jedoch zurück gewiesen wurden. Schließlich nahm das Fräulein das verlangte Los aus dem Ecker und verkaufte es dem Manne süc 5 Mark. Kinzig hatte schon Tags vorher in demselben Laden Lose gekauft und suchte, wie aus der Beweiserhebung erhellte, für das letzt gekaufte Los Mitspieler. Der Losehändler verlangte nun auf dem Klagewege die Herausgabe des Loses, auf das ein Gewinn von M. 40,000 (oder M. 10,000 für das Vierteilos) gefallen war, unter der Behaup tung, Kinzig habe durch die Nachmittagszeitungen bereits Kenntnis von der Gewinn-Nummer gehabt, auch sei die Nachricht von dem Treffer in einem Konkurrenz-Geschäft in der Fahrgasse bereits ange schlagen gewesen. Die Beweiserhebung siel nicht zu Ungunsteu des Beklagten aus, und der Losehändler wurde mit seiner Klage abgewicssn. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, daß nach dm Inten tionen der Parteien in vorliegendem Falle das Vsr- tragsverhältnis dahin aufzufassen sei, daß auch der Losehändler, der, als die Ziehung bereits ergangen war, noch Lose verkaufte, für dis Vergangenheit das Risiko laufen wollte, auch etwa schon gezogene Loss zu verkaufen. 8 Mannheim, 1. Juli. Wie die „Badische Landeszeriung" meldet, hielt der Gcoßherzog von Gaden bei dem gestern in Reilingen stattgehabten Gamwrbandsftste des Militärgaues Schwetzingen eius Rede. Nach einem Rückblicks auf dis seit Entstehung des Reiches nunmehr vergangenen 25 Jahre schloß der Großhsrzog: „Manches ist wohl geschaffen, aber viel ist noch übrig zu thun. Aber keins Kraft, keine Macht ohne Anstrengung und Hingebung, und diese Hingebung ist nur daun möglich, wenn ein festes Ganze geschaffen ist, das dazu beiträgt, das Ge schaffene zu erhalten. Dafür muffen wir Opfer bringen, denn Großes können wir nicht schaffen, ohne Opfer zu bringen, ohne alles hinzugeöen, wenn es Not thnt. Ich weiß sehr gut, daß Sie meine Worte richtig verstehen; Sie alle sind Soldaten ge wesen und wissen, was es heißt, sich hinzugebeu mit ganzer Liebs, ganzer Treue. Sie wissen, was es heißt, auch Blut herzugeben, wenn es nötig wird, ohne zu fragen warum. Der Gehorsam ist blind, ein bewußter, weil der Soldat mir ganzem Bewußt sein sich dieser Pflicht hingeben muß. Nur dann vermögen wir Großes zu leisten, und ist jederzeit Großes geleistet worden auf dieser Grundlage. Er halten wir diese Grundlage, thun wir alles, was nötig ist, um sie zu erhalten, und vermeiden wir das, was heute schon so viel verdorben hat. Ich berühre das nur kurz, aber ich kann es nicht um gehen; das Parteileben hat vieles in Deutschland verdorben. Das Parieiinteresse steht manchmal viel höher als das Interesse des Reiches. Die rechte ein langes, banges Schweigen solgte demselben, das erst Klaus mit den Worten unterbrach: „Lena, um des Himmels willen, zürnt mir nicht, daß ich dies kühne Wort über meine Lippen brachte. Sprecht nur eine Silbe, daß Ihr mir vergeben wollt". Er vermochte ihr schönes Gesicht kaum mehr in der Dämmerung zu erkennen, nur der Klang ihrer Stimme klang an sein Ohr. „O Klaus, weshalb fragt Ihr mich dies? Ich wollte, ich läge drunten unterm grünen Rasen, um Euch nicht antworten zu müssen auf dies Wort". Sein Antlitz ward fahl, er atmete schwer; wie hatte er denken können, daß dies Mädchen ihn lieben, und sein eigen werden könne! „Klaus", hauchte sie abermals, „weshalb habt Ihr Euch und mich elend gemacht durch dieseFrage?" „So könnt Ihr mich denn nie lieben?" fragte er tonlos; ihm schien es, als müsse im nächsten Moment ein Schwertstreich auf ihn herniedersaufen. „Nein", klang es leise, schmerzlich zurück und in ihrer Stimme kämpften Thränen. Heftig erschrocken stand der finstere Mann eins Weile, er fühlte, wie eine heiße Blutwelle ihm ins Antlitz schoß, dann sprach er noch einmal. „Lena — Mädchen, so weist Ihr mich von Euch? Ihr verstoßt eine Menschsnseele, denn ohne Euch gehe ich elend zu Grunde!" Dröhnend klang der Wogenlärm des Trollhätta zu ihnen herüber, sonst blieb es still, totenstill. Lena, noch ein letztes Wort, um Gottes Barm herzigkeit willen — könnt Ihr mich wirklich nicht lieben, oder ist es nur das Gerede der Menschen, welches Euch von mir abstößt?"