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verein, sodann die Herren Geistlichen und Kirchen- Vorstände aus der Ephorie und andere Festteilnehmer. Der Eingang zur Kirche war mit einer Ehrenpforte geschmückt. Die Festpredigt hielt Herr Pastor Bret schneider aus Flemmingen, S.-A., über Apostelge schichte 3, 1—8. Die hierbei gesammelte Kollekte ergab die Summe von 88 Mark 24 Pf. Die Nach versammlung im Gasthof wurde eingeleitet durch Ge sang der Motette „Machet die Thore weit" vom dortigen Gesangverein. Sodann sprach Herr Sup. Pastor prim. Weidauer-Glauchau das Gebet und richtete den Gruß andie Versammlung. Vertreten waren 38 Gemeinden. Eine nochmalige Sammlung ergab 77 Mark 39 Pf., sodaß in Summa 165 Mark 63 Pf. gesammelt wurden, gewiß ein erfreuliches Ergebnis. 8 Halle, 26. Juni. Die Unsitte, die Zähne mit spitzigen Nadeln zu reinigen, ist leider eine recht verbreitete, doch kann sie unter Umständen die schlimmsten Folgen nach sich ziehen. Gestern erst ver schluckte das in dem Hause Steinweg 28 bedienstete Mädchen Grauert beim Reinigen ihrer Zähne eine Stecknadel, Weiche sich im Kehlkopf festigte. Die Nadel hat bis jetzt noch nicht entfernt werden können und man weiß noch nicht, welchen AuSgang der Fall nehmen wird. Z Die im Nordosten Preußens herrschende un gewöhnliche Trockenheit wirkt sehr nachteilig. Ins besondere im Kreise Graudenz herrscht fürchterliche Dürre. In einer Zuschrift an den „Geselligen" heißt es: „Die anhaltende Dürre hat schrecklich auf die Getreidefelder gewirkt. Im Süden des Kreises sind die Sommersrüchte völlig verbrannt. Der Roggen reift mit Macht. Die Könwrbilüung ist gering, denn die Feuchtigkeit fehlt. Auf den sandigen Flächen sind Gräser und Kräuter verbrannt. Alles erscheint in roter Farbe. Die Kartoffeln fangen an gelb zu werden; kommt nicht bald Regen, so ist die Miß ernte uumlsbletbiich. Dir Baums stehen mit ver brannten Spitzen da. Dis Kirschen erscheinen ver trocknet. Nur das GraS der Wiesen hat einen be friedigenden Schnitt gegeben". Z Der N v r d o st s e e - K a n a l wird durch zwei Bauinspektiouen in Holtenau und Brunsbüttel verwaltet werden, denen sowohl die Ueberwachung des Betriebes, wie die Unterhaltung der Baulichkeiten obliegen soll. Die jährlichen Unterhaltungskosten für Böschungen, Brücken, Schleusen usw. werde», wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann L Co. in Oppeln erfahren, auf 2 Millionen M. veranschlagt. ß Dis Schifffahrt durch den Kaiser-Wilhelm- Kanal wird Vit Sem 1. Juli für Schiffe mit einem Tiefgang bis zu 7^4 Meter eröffnet. In diplo matischen Kreisen heißt es nun, so wird angeblich aus zuverlässigster Quelle versichert, Preußen und das Reich besäßen gar kein Recht, aus dem Nord- Ostsee-Kanal Abgaben zu erheben. Dieser Einwand stützt sich aus Verträge, die Dänemark im März 1857 über Abschaffung des Sundzolls abgeschlossen habe. Gegen die von den Machten bewilligten Entschadi- digungsgelder habe sich Dimemark damals verpflichtet, nicht nur die Leuchtfeuer und Wasserwege in gutem Zustande zu erhalten, sondern auch dahin, auf den Wasserstraßen zwischen Nordsee und Ostsee von der Erhebung von Abgaben vollständig abzusehen. — In den Verträgen ist zwar ein DurchgangSzoll von 16 Schilling für je 5 Zentner gestattet worden, dieser Zoll hat aber mit den verwahrten Schifffahrts- abgaben nichts gemein. Dänemark hat seitdem einen Teil seines damaligen Gebietes an Preußen abge treten, konnte dies aber nur mit der auferlsgten internationen Belastung, welche die neue Landes regierung zu respektieren hat. Der Kaiser-WiLhelm- Kanal ist eine Wasserstraße zwischen Nordsee und Gesehntes Glück. Original-Novelle von Marie Wirth. NaÄdruck verboten. (Fortsetzung.) „Zu meinem Rechtsanwalt fahren und dem im vergangenen Sommer gemachten Testament ein Ko dizill geben, in welchem ich die Bestimmungen um stoße, welche Eleonore zu meiner Universalerbin machen. Hernach aber werde ich mich — noch ehe die Elende von ihrem Ausflug zurückgekehrt, auf die Reise begeben. Ja, mein Freund, Sie sehen mich so triumphierend an: Sie Haven volle Veranlassung dazu, mit dem Erfolg Ihres heutigen Unternehmens zufrieden zu sein. Ich gedenke nämlich schon mit dem Sechsuhrzug nach dem Städtchen zu fahren, in welchem meine — Wieste mir gesagt haben — ver witwete Tochter eine Zuflucht gefunden. Und wenn ich auch nicht leugnen kann, daß auf die Ehre Ka millas ein Flecken gefallen, da ihr verstorbener Gatte sich zum Schurken gemacht hat, werbe ich sie doch veranlassen, wieder in mein Haus zurückzukehren. Dann aber will ich auch alles Mögliche thun, um sie vor der Welt zu rehabilitieren." „Brav gesprochen, Gnädigste!" rief der Doktor, und sein großes bartloses Gesicht verzog sich fratzen haft . . . „Nun aber machen Sie sich auch gleich visitenmäßig, damit Sie sich nicht wieder eines anderen besinnen, will ich Sie zum Justizrat begleiten. Mein Wagen steht vor der Thür. Benutzen wir ihn beide." Sie sah ihn lächelnd an. Ehe sie dann aber nach Mantel und Hut klingelte, griff sie nach einer Hand des alten Herrn und sagte: Ostsee auf ehemals dänischem Gebiet: folglich — so wird geschlossen — dürfe» Verkehrsabgaben preu ßischer- oder deutscherseits dort nicht erhoben werden. Die Angelegenheit sei vordem nicht zur Erörterung gekommen; jetzt aber sei die Frage allen Ernstes auf geworfen worden. Es steht zu erwarten, daß dieser Frage recht bald eine offizielle Antwort zu Teil wird; soviel jedoch leuchtet auf den ersten Blick ein, daß Deutschland ein gutes Recht besitzt, Kanalabgaben zu fordern. In dem Vertrage von 1857 ist offen bar nicht an einen mit so großen Opfern Hergestell ten Kanal gedacht, wie der Kaiser-Wilhelm-Kanal ihn herstellt, sondern lediglich an vorhandene Ver kehrsstraßen, deren Instandhaltung dem Besitzer ob liegt, ohne daß er damit das Recht besäße, ^ich durch Erhebung von Zöllen für seine Unkosten schadlos zu halten. Das ist Deutschland aber auch niemals eingefallen. Z Im Lande kaufen! Die amtliche „Berliner Korresp." schreibt: „Das Haus der Abgeordneten hat in seiner Sitzung vom 27. April dieses Jahres bei der Beratung eines Antrages ves Abgeoidneten Gamp beschlossen, die königliche Staatsregierung zu ersuchen, Anordnung zu treffen, daß die Staatsbe triebe beim Ankauf insbesondere von land- und forst wirtschaftlichen Erzeugnissen die inländischen Erzeug nisse bevorzugen, bezw. soweit cS angängig ist, dis Lieferung inländischer Erzeugnisse vorzuschreiben. Dieser Beschluß entspricht den Wünsche» und Be strebungen der königlichen Staats;egicrurig, und der Minister des Innern hat die Regierungspräsidenten angewiesen, die für die Straf-rc. Anstalten erforder lichen Anordnungen in diesem Sinne zu treffen." 8 Die mehrfach verbreitete Nachricht, die Kaiser- reife nach München sei darauf zurückzuführen, daß der Prinzregent sein Erscheinen bei den Hamburger Festlichkeiten abgesagt habe, will bei dem Festmahl die Kaiserin durch einen Senator zu Tisch geführt werden sollte, ist selbstverständlich sme gänzlich un begründete, frivole Erfindung. 8 Straßburg (Elsaß), 25. Juni. Gestern abend kurz nach 9 Uhr flog auf dem Artillerie- Schicßplatz in Hagenau ein Pulverschuppsu in die Lust. Zahlreiche Explosionen erfolgten bis gegen 11 Uhr nachts. Zur ZM der Katastrophe befanden sich über 100 Soldaten in nächster Nähe; viele Leute sollen verletzt sein. In der Nähe des Palverschup- penS befand sich ein zweiter größerer, doch gelang es, diesen gegen die Explosionsgefahr zu schütze«. — Beruhigend lautet eine Drahtmeldrmg von dort vom 26. Juni über das Unglück: Nach neueren Mel dungen aus Hagenau ist die Katastrophe weniger er- heülich, als man zuerst angenommen hat. Es sind nur wenig Verwundungen vorgekommm und Niemand ist getötet worden. K Schwerin, 26. Juni. Drei junge Leute, welche zur Genera laushcbung gewesen waren, fuhren gestern bei stürmischem Wetter auf dem großen See; das Boot schlug um, die drei Insassen ertranken. Z Köln, 26. Juni. Der „Kölnischen Zeitung" zufolge gingen dem Kaiser anläßlich der Schlußsteinlegung zum Nord- ostseekaual außer vom österreichischen Kaiser, den Königen von Italien nnd Rumänien, sowie anderen befreundeten Herr schern auch vom Kaiser von Rußland Depeschen zu, die in überaus warmen Worten das Gelingen des großen Kanal werks unter Hervorhebung des friedlichen Charakters feierten nnd ihre freudige Teilnahme dem Herrscher bekundeten. § Bier Wochen unschuldig in Untersuchungshaft zugebracht hat der Händler Mühlbach von Roßlau. Er hatte in einer Schankwirtschaft eine größere Summe Geldes gezeigt, über deren rechtmäßigen Er werb er sich nicht auswetsen konnte, und wurde ein gesperrt, weil man ihn im Verdachts hatte, bei einem im Dorfe Buko heim Pastor auszeführten Raube beteiligt gewesen zu sein. Vor kurzem wurde der Verhaftete nach dem Koswrger AMtsgerichtsgefäng- „Aber nun bitte, gestehen Sie mir auch endlich, wer Ihr Berichterstatter gewesen?" „Kann ich nicht, verehrte Frau, kann ich nicht, Ich habe mein Wort verpfändet, hierüber zu schweigen und das breche ich nimmer. Aber, daß es eine treue brave Person gewesen, dis mir von Kamilla erzählte, mögen Sie wissen, — eine Person, der das Glück des Hauses Strahlen am Herzen liegt." Zehn Minuten später saß die Matrone neben dem Medizinalrat in dem kleinen Doktorkoupee und fuhr die elegante Straße hinab, um kurze Zeit am Arm ihres alten Freundes in das Sprechzimmer Jllstizrat Galloni's zu treten. So sehr aber fürchtete der Doktor, Frau von Strahlen könnte doch wieder anderen Sinnes werden, daß er auch hier geduldig ausharrte, bis die alte Dame ihre neuen Bestimmungen in seiner Gegenwart unterschrieben hatte. Aber selbst dann verließ er sie noch nicht. Der vielbeschäftigte Mediziner überant wortete heute auch die interessantesten Patienten seinem Assistenzärzte und wich der Mutter des unglücklichen Patchens nicht von der Seite. Zum ersten Mal, seit Frau Klementine von Strahlen zur Witwe ge worden, nahm er auch das Mittagsefsen bei ihr ein. Nach demselben veranlaßte er die Dame auch noch, Eleonore von Horb schriftlich mit ihrer Abreise be kannt zu machen, ohne dem Fräulein jedoch Ziel und Zweck der Fahrt zu offenbaren. Mehrere Stunden waren vergangen und Frau Klementine hatte sich reisefertig gemacht. Unten aber hielt wieder das kleine Coup-e, in dem der Medizinal rat die Matrone zum Bahnhof begleiten wollte, da ihre eigene Equipage nicht daheim war. Frau von »iS gebracht. Von dort ist er jetzt entlassen worden, weil er nachgewiesen hat, daß er die damals gezeigte Summe schon vor dem erwähnten Einbruch bcsessenhat. * * I» den letztvergangenen Tagen haben im nördlichen Böhmen wieder fürchterliche Gewitter ge wütet, welche mehrere Menschenleben forderten und an Feldern und Gebäuden unermeßlichen Schaden verursachten. In Juffer bei Neusalz schlug der Blitz in die Schulstube, in der 95 Kinder anwesend waren. Eine furchtbare Panik entstand; 25 Kinder wurden betäubt unter den Bänken hervorgezogen, ein Knabe blieb tot, während die übrigen sich nach einiger Zeit erholten. In der Umgebung von Fünfkirchen richtete ein von Hagelschlag begleitetes Gewitter großen Scha den an; der Blitz schlug an zwei Orten ein, 'n den betreffenden Häusern stürzten die Mauern ein, sodaß die Wohnungen geräumt werden mußten. In der Nähe von Fünfkirchen wurden zwei auf dem Felde befindliche Gauern vom Blitze erschlagen. JnKlein- Pecitz bei Przibram traf ein Blitzstrahl das Heger haus, in welchem sechs Personen Zuflucht vor dem Unwetter gesucht hatten. Ein Arbeiter blieb sofort tot, während die anderen mit mehr oder weniger gefährlichen Brandwunden davonkamen. Die Kleider Aller waren förmlich zerfitzt, die Zimmerdecke, Fen ster und Thür-n des Hauses zertrümmert, die Zim mergeräte mehr oder weniger beschädigt. Bei Netschelin richtete ein Wolkenbruch an Felbern und Wegen einen auf über 100 000 Gulden geschätzten Scha den an. * * Aus Wien. An Wiener amtlichen Stellen wird die wacedouische Bewegung brSher keineswegs als besorgniserregend aufgefaßt. Von einem Auf stande ist keine Rede, obwohl es an mehreren Punkten Macedomens zu blmigcn Zusammenstößen gekom men ist. * * Trieft, 26. Juni. Wie der „Picolo" aus Florenz meldet, ist der dortige deutsche Konsul seit drei Tagen verschwunden. Er soll sich wegen ungünstiger finanzieller Verhältnisse geflüchtet haben. * * Triest, 26. Juni. Der Lloyd^Dampfer „ThiLbe" ist auf der Fahrt von Madras »ach Co- conado bei Shoal gestrandet. Die Bemannung ist gerettet. Das Schiff gilt für verloren. Es werden Leichtschiffe erwartet, um die ungefähr 300 Tonnen betragende Ladung zu bergen. * * Aus Rom: Die letzte Kammsrsitzung war eins entscheidende, in ihr stand der Antrag zur Be schlußfassung, ob über die von Caralotti gegen den Mimfterpräsidsuten Crispi erhobenen Beschuldigungen beraten werden sollte. Ein Antrag der Regierungs partei verlangte nämlich die Beschlußfassung über diesen Gegenstand auf ein halbes Jahr, d. h. wohl aus immer zu vertagen. Heftig platzten die Geister auf einander und hüben und drüben gewann es aufs neue den Anschein, als sollte wiederum nicht nur mit Worten gekämpft werden. Endlich kam es zur Abstimmung. Der Regierungsantrag gelangte mit 283 gegen 115 Stimmen zur Annahme; diese Majo rität war über Erwarten glänzend. Der Bestand der italien schsn Regierung ist mit der Parlaments- debatts auf ein halbes Jahr garatiert. An stürmischen Szenen fehlte es nach der Abstimmung nicht, deren Ausartung jedoch durch raschen Schluß der Sitzung verhütet wurde. * * Selbstmord auf der Hochzeitsreise beging in Paris die 22jährige Frau M., Tochter des wohl bekannten, vermögenden Fabrikanten K. Am Sonn tag abend, während der Mann mit Geschäftsfreunden in einem Caso saß und seine Frau im Hotel allein war, erschoß sich die tief Unglückliche mit einem Re volver. Sie hatte ihren Eltern mit der „Geldheirat" ein Opfer gebracht, denn sie liebte einen blutarmen Baubeflissenen, doch setzte der gestrenge Vater dem Strahlen wollte grade am Arms ihres Begleiters das Haus verlassen, als plötzlich die Thür des Salons aufgerissen wurde, und eine kleine bucklige Person, deren Gesicht jedoch von wahrhaft rührender Schön heit war, über die Schwelle stürzte. Auch sie war in Hut und Mantel. In der noch behandschuhten Rechten hielt sie einen offenen Grief. „Eleonore!" rief Frau von Strahlen und der Zorn färbte das edle Gesicht der alten Dame. Es fehlte auch nicht viel, so hätte sie in neu erwachter Empörung die Hand gegen das heuchlerische Geschöpf erhoben, das ein so frevelhaftes Spiel mit ihrem unglücklichen Kinde getrieben. Aber schon hatte Eleonore von Horb die weichen Finger der Stiefmutter in die ihren gefaßt. Und die blauen Augen zu der Matrone aufschlagend, rief sie noch ganz außer Atem: „Eben vom Strahlenhof zurückkehrend, finde ich Deinen Brief auf meinem Zimmer .... Was ist denn geschehen, Herzensmütterchen, das Dich so un erwartet auf die Reise treibt? — Du kannst Dir denken, wie ich erschrak, als —" „Du meine Zeilen lasest," setzte Frau von Strahlen hinzu, indem sie mit einem heftigen Ruck ihre Hand aus der Rechten der Stieftochter befreite, die man in W—stein nur „die Pharisäerin" nannte. „Wie viel mehr aber würdest Du Dich noch entsetzt haben," setzte sie dann hinzu, „wenn Du erfahren hättest, daß ich während Deiner heutigen Abwesen heit Gelegenheit gehabt habe, hinter Deine elenden Schliche zu kommen?" „Mama — was soll das heißen?" „Das fragst Du mich — ?" rief Frau von