Volltext Seite (XML)
*— Zum Uebertritt des Prinzen Friedrich von Schönburg-Waldenburg zur katholischen Kirche wird den „Dr. N." auö Teplitz geschrieben: „Die Kurlifte von Teplitz-Schönau verzeichnete unter den am 25. Febr. d. I. angekommenen Fremden den Prinzen Fried rich von Schönburg-Waldenburg, Sekondeleutnant im Königl. Sächsischen Gardereiter-Regiment, und als dessen Absteigequartier das dem Fürsten Clary ge hörige Kurhaus „Herrenhaus". Einen dauernden Aufenthalt hat der Prinz hier jedoch nicht genommen, da er wiederholt abreiste und bis Ende Mai mehr mals auf kurze Zeit zurückkehrte, wie denn überhaupt der vorgegebene Kurgebrauch das „Mittel zum Zwick" gewesen zu sein scheint. Die Annahme des „Schönb. Tagebl.", daß der jugendliche Prinz durch jesuitische Ränke und Überredungen zu jenem unheilvollen Schritt veranlaßt worden sei, gewinnt durch die Zeugenschaft des Fürsten Carlos Clary sehr an Wahrscheinlichkeit, denn der genannte Herr hat nicht nur eine jesuitische Erziehung erhalten und zählt Mitglieder der Gesellschaft Jesu zu seinen Verwand ten, sondern er hat sich bisher den Evangelischen gegenüber als enragierter Ultramontaner gezeigt und steht zum römisch-kaiholischen Klerus in enger Be ziehung. Auch ist es bezeichnend für die Art, in welcher auf den Prinzen eingewirkt wurde, daß dessen tiefgebeugten Eltern, die iha hier vergeblich suchten, von gewisser Seite eine Auskunft über den bekannten Aufenthalt desselben verweigert und so eine Begeg nung mit ihrem Sohne hintertrieben worden sein soll. Daß bei dem Abfall des Prinzen nicht nur die sächsischen, sondern auch die österreichischen Ge setze verletzt und umgangen wurden, dürfte in ab sehbarer Zeit festgestellt werden." — Der Uebertritt des Prinzen ist im Beisein des Fürsten Carlos Clary und des Grafen Günther Stollberg als Zeugen vor- genomme« worden und zwar in einer nicht öffent lichen Klosterkapells durch einen römischen ReligiorS- lehrer, der, obwohl Priester, ein GselsoMraMt nicht versieht. Weiter wird noch mitgeteilt, daß der evan gelische Pfarrer von Teplitz sofort Schritte gegen den Uebertritt gethan hat und noch weitere zu thmi gedenkt. Es wird daher wohl nicht ausbleiben, daß die Ungilligkeitserktärung erfolgen wird. Wir wün sche« dem evangelischen Pfarrer in Teplitz frischen Mut und Gottes Segen. — Zur Warnung! „Die Niederschrift einer Zeitungs-Anzeige fft eine Urkunde", so enischied die Düsseldorfer Strafkammer. Der Ackerer Wilhelm P. aus Homberg schickte an das „Düsseldorfer Bolks- blatt" eins Annonce mit gefälschter Unterschrift. Unter dem anscheinend harmlose» Inhalte der An nonce barg sich eine nur in Homberg verständliche gegen einen dortigen Einwohner gerichtete Beleidi gung. Die Strafkammer verurteilte dm P. wegen Urkundenfälschung zu einer Woche Gefängnisstrafe. — Dresden, 18. Juni. Die Fußiouristen um die Welt, die Herren Gustav Kögel und Fred Thörmer, wurden gestern mittag von dem Prinzen Friedrich August im Königlichen Palais empfangen. Se. Königl. Hoheit unterhielt sich längere Zeit mit den Herren, nahm deren Bilder entgegen und trug sich in das Tagebuch der kühnen Fußgeher em. Eine gleich liebenswürdige Aufnahme fanden die Herren bei Herr« Oberbürgermeister Geh. Fluanzrat Beutler und anderen hervorragenden Persönlichkeiten. Bei einem Besuch auf der Generaldirektion des Königl. Hostheaters zeichneten sich die Herren Gras Seebach, Gemralmnsikdirekwr Schuch, Jntendanzrat Dr. Kop pel-Ellfeld, Oberregisseur Ueberhorst rc. in das Tage buch der Touristen ein. Schließlich wurden die Her ren eingeladsn, die gestrige Aufführung der „Götter dämmerung" zu besuchen. H-uts morgen Huben sie die Reise über Berlin nach Kiel angstreten. Ersehntes Glück. Original-Novelle von Marie Wirth. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Gilbert!! Um Goites Wille«, in diesem Wetter sollst Du auf das Land?" klagte Annette nun. Und mit komischem Entsetzen die Arme hebend, rief das winzige Persönchen: „Na, mit welchem Schnupfen Du da wieder heimkehren wirst! Und wenn es nur mit diesem abgethan wäre? Aus dem Schnupfen aber entsteht nur zu leicht die Grippe — und der Grippe weißt Du — gesellt sich in Neunundneunzig Fällen zu hundert fast immer eine reguläre Lungen entzündung bei. Die aber —" Ein lautes Lachen unterbrach die Worte des Fräuleins. „Nette — Altjüngferchen, find das Reden, die Du an deinen Herkules von Bruder hältst? — Na, na, ich weiß ja aber, wie herzlich gut Du es meinst. Es ist Dir nur nicht möglich, zu begreifen, daß aus dem kleinen Gilbert, den Dir die gute Mutter so oft in den Arm gelegt, ein Mann geworden. Hoffent lich ein ganzer, der weder Wind noch Wetter scheut, wenn es gilt, seiner Pflicht zu genügen. — So Schwesterchen, laß mich eiligst meinen Kaffee trinken. In einer halben Stunde muß ich auf dem Bahnhof sein und habe noch den Handkoffer zu packen." „Bitte, das ist meine Sache," erwiderte Annette jedoch sehr entschieden. „Glaubst Du, ich würde es Deinem jugendlichen Leichtsinn überlassen, ein so wichtiges Geschäft zu verrichten?!" Damit war die kleine Person auch schon aus — Plauen i. B., 17. Juni. Heute nachmit tag kurz nach halb 6 Uhr wurde auf hiesigem oberen Bahnhofe von dem München-Leipziger Schnellzuge ein Streckenarbeiter überfahren und schwer verletzt. Der Verunglückte wurde im Stadtkrankenhause unter gebracht. — Ein tragischer Unglücksfall trug sich am Sonntag in Dahlen zu. Ein etwa 15 Jahre alter Lehrling hatte erfahren, daß sein Vater zum Schützenfeste kommen wollte; um nun einen recht würdigen Empfang zu bereiten, wollte er das Fenster seines im obersten Stockwerk des Hauses gelegenen Zimmers mit Maienzweigen schmücken, bei welchem Beginnen er indeß über den Fenstersims hinaustrat, abstürzte und beide Arme brach. Z Eine falsche Erzherzogin von Oesterreich-Este machte vor einiger Zeit in Berlin durch ihre grandiosen Schwindeleien viel von sich reden. Zur Zeit wird dis Sache in Berlin vor der 2. Strafkam mer des Landgerichts I verhandelt. Da aber die Hauptschwindlerin rechtzeitig flügge geworden ist, so erscheinen auf der Anklagebank nur vier uutergeord- r-ete Werkzeuge der falschen Erzherzogin, die sich wegen Beihilfe zum Betrüge und Hehlerei zu verant worten haben. Die famose Erzherzogin hatte durch die Vorspiegelung, daß sie nach ihrer Großjährigkeit in den Besitz eines fürstlichen Vermögens kommen werde, in Verbindung mit einem aristokratischen Auf treten eine Menge junger reicher Leute an sich gelockt und gewaltig gerupft. Ein Student hatte ihr sein ganzes mütterliches Erbteil im Betrage von 60,000 Mark geopfert und als diese Summe „alle" war, gab der Vater des jungen Mannes noch extra neun- zigtausend Mark her, Alles der „Erzherzogin" zu L ede, dis ihre stete Geldverlegenheit aus angeblichen Intriguen, die von hochgestellter Seite gegen sie ge sponnen würden, erklärte. Nm auf die Dauer die Täuschung wahrscheinlicher zu machen, bediente sie sich als „Anstandsdams" einer „Gräfin Dubery". Die Erzherzogin fuhr ferner: einige Male in Gesell schaft rhrer Anbeter mit angeblichen „Prinzessinnen" nach dem rumänischen Gesandtschafts-Palais. Dort stiegen die Prinzessinnen aus und gingen in das Pa lais. Wenn nun die Eg üpags der Erzherzogin in genügender Entfernung war, traten dlö Prinzessinnen wieder aus dem Palais hinaus. Der erwähnte Sm- dent behauptet sogar: eine dieser kleinen Prinzesstauen habe, als er einmal mit der Erzherzogin am rumä nischen Gesandtschafts-Palais vorüberfuhr, zu dem Fenster des PalaiS hinansges-hen und ihnen zuze- rufen: „Onkel ist nicht zu Hause". Schließlich ver duftete die Erzherzogin noch Amerika. Die betroge nen Anbeter erfuhren, daß die angebliche Erzherzogin die — uneheliche Tochter eines Arbetterssrau Rü dinger aus Stettin sei, die in Wirklichkeit Anna Dub- berstsin heißt. Dis angebliche Gräfin Dubery war die Mutter der Dubbrrste-u, die angeblichen Prinzes sinnen ihre Schwestern und zwar die ältere die ver ehelichte Bertha Louise Marie Lade geb. Dubbersteiu und die jüngere die unverehelichte Elise Rüdinger. Eine angebliche Vorleserin bei der Frau des Ber liner rumänischen Gesandten, F-äulein Schulz, die auch mit herhalten mußte, war in Wirklichkeit die Arbeitersfrau Anna Marie Agnes Herbst geb. Koppel- mmm. Die letztgenannten Personen stehen jetzt vor den Schranken der Berliner Strafkammer. ß Berlin, 19. Juni. Aus Kiel wird ge meldet, daß auf dem Flaggschiff „MarS" gestern ein Diner stattfand, an welchem Prinz Heinrich, der kommandierende Admiral Knorr, sämtliche Stabsof fiziere dec fremdländischen Geschwader und deren Ad jutanten, sowie die hohen Offiziere des deutschen Geschwaders Teilnahmen. Zuerst erschien der fran- dem Gemach. Gilbert aber murmelte unter dem Bärtchen: „Wenn sie mir nur nicht wieder ihre halbe Speisekammer einpackt. Aus Angst davor, daß ich ihr auf den zwei Meilen, die rch noch per Axe zu fahren habe, verhungern könnte". * -je Als Kamilla an diesem Morgen die gewohnte Arbeitsstätte betrat, sah sie so krank und müde aus, daß Annette erschrocken von ihrem Stuhle am Fenster, den sie soeben erst eingenommen, in die Höhe fuhr und, der lieben Gefährtin entgegeneilend, rief: „Um Gotteswillen, was ist geschehen?!" „Nichts, nichts, Fräulein Nettchen", erwiderte die junge Frau und versuchte zu lächeln. Annette aber schüttelte besorgt den Kopf. Und dis blassen Wangen streichelnd, sagte sie: „Sie täuschen mich nicht. Aber ich will auch nicht in Ihre Geheimnisse dringen, Beste. Nur wenn Sie sich körperlich leidend fühlen, sagen Sie es mir. Ich weiß von meinem Vater her noch so manches gute Heilmittel, mit dem ich gegen allerlei Krank heiten zu Felde ziehen kann". „Ich bin nicht körperlich leidend, Fräulein", entgegnete die junge Frau. „Wenn ich aber trotzdem bleich und angegriffen anSsehe, so liegt das wohl daran, weil ich heute Nacht recht wenig geschlafen habe. Erinnerungen quälten mich. —" „O, Kamilla". Annette Wirker schlang ihre Arme um den Hals der jungen Frau. Und tief in die Auge» derselbend sehend, flüsterte sie: „Suchen Sie zu vergessen, was hinter Ihnen liegt! Sie haben ja noch eine Zukunft und — und —" zösische Admiral, welcher mit Trommelschlag und Ehrenpräsentation empfangen wurde. 8 Hamburg, 19. Juni. Die deutschen Bun desfürsten, darunter der König von Sachsen, die Großherzöge von Baden, Hesse», Oldenburg, die deutschen und ausländischen Prinzen, die Bürger meister der Hansastädte und zahlreiche andere hoch- gestellte Persönlichkeiten unternahmen um 2 Uhr, jubelnd begrüßt von einer ungeheuren Menschen menge, begleitet vom Hamburger Senat, eine Fahrt durch die Stadt. Es herrscht unbeschreiblicher Ent husiasmus. Das Wetter ist prachtvoll. 8 Hamburg, 19. Juni. Bei dem großen Festmahl im Rathause erhob sich nach dem vierten Gange Bürgermeister Lehmann und sagte: Kaiser und Reich haben eins der größten Bauwerke ge schaffen. Dadurch, daß Hamburg zum Ausgangspunkt der Feier bestimmt worden sei, sei ihm eine hohe Ehre erwiesen. Ihm liege die Aufgabe ob, die glän zende Versammlung zu begrüßen und auf's herz lichste willkommen zu heißen. Der heutige Tag sei für Hamburg der Denkwürdigste aller Zeiten. Die Eibe, das bedeutungsvollste Organ Hamburgs, habe mit dem Nordostseekanal gleichsam eine zweite Mün dung erhalten. Die internationale Bedeutung des Kanals sei v rbürgt durch die heutige Anwesenheit der Vertreter aller Nationen. Mögen sich alle an den Kanal geknüpfte Hoffnungen erfüllen. Redner gedenkt der Kaiserin noch besonders und verliest ein von ihr gesendetes herzliches Begrüßungsielegramm. Er schließt mü einem Hoch auf den Kaiser und seine erhabenen Verbündeten. Sofort erwiderte der Kaiser: Er sei tief ergriffen von den Worten des Herrn Bürgermeisters und dem Empfang in Hamburg, der Geist desselben sei kein gemachter gewesen, er gleiche einer daher brausenden Windsbraut. Er könne sich nicht anmaßeu, diese Begeisterung für seine Person in Anspruch zu nehmen, sie sei der Pulsschlag des deutschen Volkes, welches glücklich ist über die Wieder- ausrichtung des Reiches. Sem Herz fei angesichts des vollendeten Werkes erfüllt von dankbarer Erin nerung an Kaiser Wilhelm I. und dessen großen Sohn. Das vollendete Werk vereinige zwei Meere zum Segen und für den Frieden des Volkes, zugleich sei es ern Sinnbild des Friedens für alle Völker. Alle Völker wünschen den Frieden, den wollen auch wir aufrichtig halten. Dies ist auch der Wunsch Hamburgs. Der Kaiser schließt mit einem Hoch auf letzteres. 8 Die KaiftrtasA in Hamburg. DaS Menu der am Mittwoch abend in Hamburg stattgehabten Kaisertafel war Folgendes: Bouillon-Haidsieck; Tim bales-Madeira; GtenchuLie-RüdesheiMer; Rehrückeu- Queans-Guern; PLfleteu-Chabean D'Iquem; Hum mer--Ramsthaler Auslese; Geflügel-Livville; PoitS- verts Gemüse Pommery; Butter und Käse— Portwein von 1830; Eiscreme — Chateau Lafitte (dic Flasche zu 35 Mark); Nachtisch — TischwemSmith-Lafitte. — Das genügt! 8 Hamburg, 19. Juni. Die kaiserlichen Prinzen haben sich nebst ihren Gouverneuren an Bord der „Grille" eingeschifft, welche die Prinzen in Bruns hausen an Bors der Dacht „Hohenzollern" bringt. Z Noble Hamburger. Ein brillantes Ge schenk ist seitens der Angehörigen einer Anzahl von Hamburger Pattizierfarnilien dem dortigen Senat überreich: worden. Zu Anfang dieses Jahrhunderts war der berühmte Silberfchatz der Stadt, dessen sich der Senat bei Festmahlen gelegentlich fürstlicher Be suche zu bedienen pflegte, eingeschmolzen worden. Unter den Nachkommen der alten Hamburgischen Senatoren war deshalb schon seit längerer Zeit die Idee angeregt worden, der Stadt einen neuen Silber schatz zu schenken, und diese Idee ist, Dank der Be- Annette senkte für einen Moment verlegen den Kopf. Durfte sie sage» — aussprechen, was dem geliebten Bruder als inniger Wunsch im Herzen lag? Aber sie hatte sich ja schon gestern abend vorge nommen, Gilbert behilflich zu sei», das Glück zu er reichen, nach dem er sich sehnte. Wenigstens war sie entschlossen gewesen, die Ideen und Absichten Kamillas auszuforschen, ehe der Architekt selbst die entscheidende Frage that. — So hab sich denn auch die Stirn des alternden Mädchens. Und die dunklen Haare ihres Schützlings kosend, flüsterte Annette: „Ja, ja, Sie haben noch eineZukunft — wenn Sie nur wollen, auch an der Seite eines Mannes, der Sie aus aufrichtigem Herzen liebt". — Und ohne den leisen Schrei zu beachten, der sich nach ihren Worten den Lippen Kamillas entrang — ohne einen Blick in das Gesicht der jungen Frau zu thun, auf dem sich plötzlich der Ausdruck namenlosen Schmerzes bemerkbar machte, begann die Putzmacherin jetzt mit fliegendem Atem von den Beobachtungen zu berichten, die sie in den letzten Monden an ihrem Bruder gemacht. Dann aber wußte sie nicht Worte genug zu fin den, um Kamilla von dem Wert des Architekten zu überzeugen. Endlich, als sie alles gesagt, was sie sagen konnte, die Auserwählte Gilberts zu verge wissern, daß es ein Glück ohne Grenzen für sie sei, welches mit seinem Lieben auf sie kommen mußte, schöpfte Annette Atem. Ihre Arme von der regungslosen Gestalt der schönen Frau lösend, blickte sie nun auch wieder zu dem Antlitz derselben in die Höhe. „Herr mein