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— Bad Elster, 6. Juni. Die ungewöhn lich starke Vermehrung der Krähen im Vogtlande, welche für daS Elfterer Revier bereits zur Aussetzung einer Fangprämie von 50 Pf. pro Kopf geführt hat, wird nicht allein den Landleuten, sondern auch den Stadtbewohnern lästig. Die schwarzkitteligen Räuber suchen nämlich die Taubenschläge heim und entführen die jungen Tauben. Aus einem Gehöft, welches nach einer Seite an eine Wiese grenzt, wurden am Sonntag innerhalb einer Stunde drei junge Tauben von Kiähen aus dem Neste geholt, auf der Wiese zerrissen und verzehrt, bevor es gelang, die frechen Räuber zu verscheuchen. — Treuen, 6. Juni. Bei dem am Sonn abend stattgefundenen Gnvitter schlug der Blitz an der Rodewisch-Treuener Straße in etwa 15 Tclegra- phenstangen und zersplitterte diese. — Bernsdorf bei Chemnitz, 6. Juni. Am Dienstag abend ereignete sich hier der seltene Fall einer Drillingsgeburt (1 Knabe und 2 Mädchen) und zwar bei einer armen, mit Kindern schon reich gesegneten Webersfamilie hiesigen Ortes. — Borna, 6. Juni. Ein größeres Fisch sterben wurde während der Pfingstfeiertage im Wyhra- Flusse beobachtet. Auf der Strecke zwischen Borna und Witznitz trieben mehrere Zentner toter Fische an der Oberfläche des Flusses. Der Grund dieser Er scheinung Hal noch nicht ermittelt werden können. — Grimma, 4. Juni. Ein braver und tapferer Kämpfer aus dem letzten Feldzuge, dessen Name sür immer in der Geschichte des 107. Infan terie-Regiments einen ehrenvollen Platz einnehmen wird, wurde in diesen Tagen hier zur letzten Ruhe bestattet. Kar! Julius Hermann Thörmer war wäh rend des französischen Krieges Fahnenträger beim 1. Bataillon des 107. Regiments und trug die Fahne am 18. August 1870 bei der Erstürmung von St. Privat an der Seite des Regiments-Kommandeurs in das brennende Dorf. Am 1. September, in der Schlacht bei Sedan, fiel Thörmer, schwer verwundet, mit der Fahne in der Hand. Sein Name wurde dadurch geehrt, daß er auf einem an den Schaft der Fahne deS 1. Bataillons des 107. Regiments ange brachten goldenen Ring eingraviert und auch in oie Geschichte des Regiments eingetragen wurde. Auch bei der B-erdiqung Thöimer's fand seine tapfere und mutvolle Haltung während des Feldzugs die gebührende Anerkennung. Thörmer war vor einigen Tagen nach Grimma gekommen, um hier in der ozon- re'.chen Luft Genesung von einem Herzleiden zu suchen, aber unerwartet schnell ereilte ihn schon nach wenigen Tagen der Tod, dem er so oft furchtlos in blutiger Schlacht w's Auge g-schaut hatte. Das 107. Re giment in Leipzig hatte zur Beerdigung eine Abord nung entsendet, die einen Lorbeerkranz am Grabe niederlegte. Die beiden Leipziger Militärvereine „Kameradschaft" und „DeutscherKriegerverein", denen der Verstorbene als Mitglied angehörte, hatten Fah- nendepuiationen entsendet und ließen durch diese edsu- falls Kränze an Thörmer's Grab niederlegen. — Waldheim, 6. Juni. Einem uralten Brauch, dem „Polterabend", ist hier durch folgende Bekanntmachung des Stadtrates der Garaus gemacht worden: „Als ern grober Unfug ist es zu bezeichnen, wenn, wie dies des Oeftereu geschieht, an dem Bor abende des Hochzeitstages vor dem Hause der Braut Töpfe, Flaschen und anveres Geschirr hingeworfen und zerschlugen werden. Es ist damit nicht nur eins Verunreinigung der Straße, sondern auch eine Ver kehrsstörung und ost auch eine Beschädigung des be treffenden Hauses verbunden, weshalb dieser Unfug hierdll! ch verboten wnd. Uebertretnngen dieses Ver botes werden und zwar, wenn dies durch Kinder geschieht, sn deren Eltern oder Erziehern, auf Grund von 8 366 des R-ichsstraf-Gesetzbuches unnachsicht lich bestraft werben." — So ändern sich die An schauungen! Je mehr früher durch Zerwerfen von altem Geschirr vor dem Hause der Braut gepoltert oder wie der ProvinzauSdruck lautet „gerumpelt" wurde, desto mehr war voraussichtlich die junge Ehe vom Glück begünstigt, denn viele Scherben bringen viel Glück, sagte man allgemein damals. — Freiberg, 6. Juni. Wiederum ist ein räuberischer Ueberfall in der weiteren Umgebung unserer Stadt verübt worden. Der von Frankenstein kommende Koch eines hiesigen Hotels wurde in der Nacht zum Mittwoch von einem Fremden um eine Gabe angesprochen. Als der Bettelnde 20 Pfennige erhalten hatte, versetzte er plötzlich dem Geber einige Schläge ins Gesicht. Der Angegriffene wehrte sich energisch und bekam im Handgemenge sein Messer zu fassen, mit dem er sich verteidigend dem Strolch in die Backe stach. Der Angreifer blutete und küß hierauf ab, und man machte sich beiderseits aus dem Staube. — Blasewitz, 6. Juni. Ja der Kießling- schen Badeanstalt hier entleibte sich am Dienstag ein hier zugereister junger Mann. Er entkleidete sich, angeblich um zu baden, stieg dann auf den sogen. Sprungturm und schoß sich daselbst eine Kugel durch den Kopf. Er hatte sich dabei so gestellt, daß er rückwärts in den Strom fallen mußte. Der Leich nam ist noch nicht aufgefunden, wahrscheinlich ist er von dem ziemlich hohen Wasser mit sortgenommen worden. Der junge Mensch war von allen Mitteln entblößt, außer einem Versatzschein hatte er noch 5 Pf. bei sich. Neben seinen Kleidern lag ein Stück Papier mit der Aufschrift: Paul Wolf, Küfer tm Viktoria-Hotel in Chemnitz. 8 Berlin, 7. Juni. Ein 3^/sjähriges Kind, welches mit seiner erkrankten, etwas älteren Schwester allein in der Wohnung hatte bleiben müssen, ist in jämmerlicher Weise verbrannt. Das Kind war vor dem Weggehen ins Bett gelegt worden, ist aber auf gestanden, hat die Küchenthür geöffnet und in der Küche mit Streichhölzchen gespielt, wodurch sein wei ßes Kattun-Kleidchen in Brand geraten ist. Man fand das Kleine unter einer Nähmaschine halb ver kohlt vor. 8 Berlin, 7. Juni. Das „Berliner Tage blatt" berichtet aus Graz: AuS Stry rmark kommen fortwährend Nachrichten über eine gestern verspürte Erderschütterung. In Trofaiach wurde um 2 Uhr 9 Min. zwei Meilen im Umkreis ein kurzer, starker Erdstoß in der Richtung von Westen nach Osten wahrgevommen; um 4 Uhr erfolgte eine wellenför mige Erderschütterung, die vier Sekunden andaucrte; in Seegraben bemerkte man 3 Uhr 55 Min. einen kurzen heftigen Erdstoß, in Sankt Kathrein 3 Uhr 45 Min. ein heftiges Schwanken des Erdbodens. 8 In den bekannten Klagen über Verschleppungen der Prozesse lesen wir in der Köln. Ztg.: „Die Termine konnten oft erst nach Monaten anberaumt werden, und daraus ergaben sich aus j-der von den Anwälten beantragten Vertagung weitläufige Verzögerungen der schließlichen Entscheidungen. Infolge der viel fachen Klagen über solche Verschleppungen wurde mehrseitig von den Gerichten auch den Rechtsanwäl ten die Schuld zugemessen, die niehr Prozeßsachen übernahmen, als sie gleichzeitig zu erledigen vermoch ten. Infolgedessen kam man zu dem Ausweg, daß der Gerichtsvorsitzende in einzelnen Fällen direkt die Parteien benachrichtigte, daß die Vertagung der mündlichen Verhandlung auf ausdrücklichen Wunsch der Anwälte erfolgt sei. Diese Benachrichtigung hat in der Rechtsanwaltschaft vielfach Widerspruch ge funden und böses Blut gemacht. Man bestritt dem Gerichtsvorsitzenden sowohl dis Möglichkeit, sich ein Urteil über die Veriagungsgründe zu bilden, wie das Recht, sich dermaßen in das Verhältnis zwischen Anwalt und Partei einzumischen. Jetzt hat, wie wir erfahren, der Justizministcr Schönstedt an der Hand eines EinzelfalleS die Gerichte angewiesen, nicht mehr solche direkte Benachrichtigungen an die Parteien er gehen zu lassen". 8 Im Aachener Prozeß Mellage ei klärte Medizinalrat Dr. Gerlach-Münster als seine Über zeugung, daß Forbes geistig schwach ist auch rn der moralisch-ethischen Sphäre. Doch hält er F. s Zu stand nickt für einen solchen, der geeignet ist, ihn zu internieren. Ueber die Befähigung der Alexianer brüder, Irren- und Krankenanstalten, wie diejenige in Mariaberg zu leiten, sprach sich Or. Gerlach da hin aus, daß er zu s-inem Bedauern hier öffentlich den schweren Vorwurf erheben müsse, daß die ärzt liche Leitung in der Anstalt vollständig in den Hin tergrund getreten sei. Es wäre zu wünschen, daß in dieser Sache bald Wandel geschaffen würde. Ueber di- wissenschaftlich- Qualifikation der beiden AvstaltS- ärzte ein Gutachten abzugeben, lehnte Dr. Gerlach ab. Auf einem von dem bisherigen Gutachten ab weichenden Standpunkt steht Geh. Rat Finkelnburg- Bonn. Vor Eröffnung und nach Schluß der Sitzung standen vor dem Justizgebäude Hunderte von Neu gierigen, die an den beiden letzten Tagen die als Zeugen geladenen Klosterbrüder mit höhnischen Zu rufen empfingen. Am Mittwoch abend mußte Bruder Heinrich, auf den es die Menge besonders abgesehen hat, von einem Schatzmannsposten in Schutz genom men werden. Schuljungen warfen ihn sogar mit Steinen. 8 Aachen, 7. Juni. Prozeß Mellage. Der Staatsanwalt beantragte gegen Mellage 360 Mark, gegen Scharre 80 M. und gegen Warnatzsch 200 M. Geldstrafe. Die Anklage wegen der Behauptung, daß im Alexianerkloster Mißhandlungen vorgekommen seien, ließ der Staatsanwalt fallen, weil hierfür der Wahrheitsbeweis erbracht worden sei. Es werde deshalb ein strenges Verfahren gegen die Schuldigen eingeleitet werden. 8 Köln, 7. Juni. Die „Köln. Ztg." meldet aus Mailand: In der Umgegend von Bologna ging gestern abend ein starkes Hagelwetter nieder, welches fast die gesamte Ernte vernichtete. Der Fluß Muzza, dessen Gewässer um 3 w gestiegen sind, zerstörte an verschiedenen Stellen die Provinzialstraße und zahlreiche Wohnhäuser. Der angerichtete Schaden ist bedeutend. Auch in Florenz trat gestern abend ein heftiges Gewitter auf, bei welchem der Blitz an mehreren Stellen zündete. 8 Köln, 7. Juni. Die „Köln. Ztg." berichtet aus Petersburg: Als die in die Kasse der Stadt- hauptmannfchaftniebergelegtenWertpapiereeines früher als Verschwender erklärten Millionärs, nachdem der selbe wieder für verfügungsfähig befunden worden war, erhoben werden sollten, fehlten fällige Koupons im Betrage von 50000 Rubel- Als der Unterschla gung verdächtig wurde der daselbst angestellte Oberst leutnant P. verhaftet. Stadthauptmann General Wahl verschob den Urlaub zu seiner Reise nach Karls bad bis zur Klärung der Angelegenheit. 8 Karlsruhe,?. Juni. Bei Lahr ging ein Wolkenbruch nieder und verursachte großen Schaden. Die Kinzizthalbahn hat den Verkehr wieder ausge nommen. 8 Stuttgart, 7. Juni. Von dem gemel deten Wolkenbruch sind am schwersten die Gemeinden Balingen, Frommer», Lauffen und Dürrwangen heim gesucht worden. Insgesamt sind vierzig Personen ertrunken und dreißig Häuser teils zerstört, teils be schädigt. Schwer betroffen sind auch die Gemeinden Theilfingen, Truchtelfingen und Meßstetten, weniger schwer die Gemeinden Lautlingen, Ebingen und Onst mettingen. Gestern abend traf eine Abteilung Ulmer Pioniere in Balingen ein. Um die Trümmer besei tigen zu können, mußten Notbrücken gebaut werden. Der König telegraphierte an den Oberamtmann in Balingen wie folgt: „Tief erschüttert durch die Schreckenskunde ersuche ich Sie, den so furchtbar heimgesuchten Gemeinden meine innigste Teilnahme kund zu geben, mit der Versicherung, daß, was mensch liche Hilfe vermag, von staatlicher Seite wie von mir gern und schleunigst geschehen soll. Gott bewahre den Bezirk vor weiterem Unglück und stehe den Be troffenen bei. Ich seh- Ihrem weiteren Berichte über die besondere Notlage entgegen." 8 Stuttgart, 7. Juni. Ein amtliches Tele gramm beziffert die Toten im Bezirk Balingen auf 50. Völlig zerstört sind 30 Häuser, teilweise zerstört viel mehr. Sämtliche Brücken außer einer sind weg- gerissen. 8 F ü n f k i r ch e n , 6. Juni. Durch eine zwischen Pir cehely und Simontorrya nachts durch furchtbares Unwetter hervor gerufene Ueberschwemmung entgleiste em Güterzug. fünfzehn Waggons Warden zertrüm mert. Verwundet wurde Niemand. 8 Gera, 6. Juni. Die von halbwüchsigen Burschen geübte Unsitte, mit Knallerbsen zu werfen, hat gestern gegen abend in der Schülerfiraße inso fern ein Opfer gefordert, als eine Frau insolge des überraschend starken Knalls in Ohnmacht fiel. — Der Klavier- und O gelvirtuos Herr Ernst Hientzsch hier hat zur Feier des Geburtstages Seiner Durch laucht des regierenden Fürsten eine Festmotette sür Kinderstimmen komponiert. 8 Oberröblingen am See, 5. Juni. Ein schweres Grubenunglück ereignete sich auf der Braunkohlengrube zu Stedten. Vier rm Tagebau beschäftigte Bergleute durchschritten kurz vor der Frühstück-pause den Tunnel, durch den die Draht seilbahn hindnrchführt, als plötzlich das Seil riß und fünf Lastwagen mit aller Gewalt herniedersausten. Die Leute konnten in drin engen Tunnel nach keiner Seite ausweichen und wurden von den Wagen erfaßt und gräßlich zerquetscht. Drei wurden, der S. Z. zufolge, sofort gelötet, und auch der vierte erlag auf dem Transport nach Halle seinen Leiden. 8 Breslau, 7. Juni. Der Kultusminister Dr. Bosse erlaubte zum ersten Male einer Dame, einer Tochter eines bekannten schlesischen Geistlichen, an einem preußischen Gymnasium das Abiturientev- Examcn abzulegen. Das hiesige Provinzial > Schul- kolttgium hatte das Gesuch der jungen Dame ab gelehnt. 8 Thorn, 7. Juni. Bei der Renovation der russischen Kirche zu Tauroggen stürzte ein 20 Mir. hohes Baugerüst ein, während 2 Klempnermeister und 4 Gesellen auf demselben arbeiteten. Ein Ge- fille schwang sich in ein Fenster der Kirche und rettete sich, die anderen drei stürzten auf das Skraßen- pflaster. Die beiden Meister blieben sofort tot, während der Geselle tötlich verletzt wurde. ßOedenburg, 7. Juni. Ein furchtbarer Wolkenbruch vernichtete die Ortschaft Kobersdorf. Das Wasser drang mst solcher elementarer Gewalt eiv, daß sämtliche Häuser im Nu unterwaschen wur den unv die Bewohner nicht mehr flüchten konnten. Die Zahl der vermißten Personen beträgt über 100; es sind bereits 18 Leichen geborgen. Mehrere Brücken wurden fvrtgesührt. Menschen und Tiere treiben auf den Wogen. Ein Kind in der Wiege wurde in Webbersdorf noch lebend aus den Fluten gerettet. Der Postverkehr ist vollständig unterbrochen. 8 Allmählich lassen sich die unheilschweren Folgen überblicken, Welchs der Zusammenbruch des Abel'schen Bankhauses in S t a r g a r d i. P. für eine große Anzahl von Leuten aller Berufsstände haben dürfte. Auch viele öffentliche und private Kassen haben ihre Geldbestände ganz oder teilweise bei Äbel hinterlegt. Die städtische Sparkasse wird mit 226,000 Mark genannt. Das Amtsgericht ist mit hinterlegten Konkursgeldern, die Darlehnskasse des Handwekkeroereins mit ungefähr 12,500 Mark niedergelegte» Geldern, die Konfirmanden-Aussteuer- kasse mit einer beträchtlichen Summe interessiert. Einzelne Großgrundbesitzer werden mit je 200,000 Mark, 180,000 Mark, Rentiers mit Beträgen von 90- bis 10,000 Mark genannt, und daran schließt sich das Heer der kleinen Leute mit weniger bis zu 100 und 50 Mark herunter. Di« Berliner Börse ist nur in geringem Maße beteiligt, da die Firma, wie sich jetzt erst herausgestellt, dort schon seit längerer Zeit nur einen äußerst beschränkten Kredit genoß. Verwandte Abel's haben sich bereit erklärt, soweit eS angeht, bei der Regulierung mit eigenen Mitteln einzutreten. Die kleinen Forderungen sollen jeden falls befriedigt werden, wegen der größeren hofft man einen Ausgleich zu finden. Man spricht von 10 Prozent, die zu erlangen wären. ** Wien, 6. Juni. Seit einigen Tagen sind im Vorortebezirk Währing Gerüchte verbreitet, daß Kinder von einem Manne mit rotem Bart entführt werden. Als nun heute abend ein Jude im Kaftan