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den 22. Juni, vormittags 7 Uhr Flottenmanöver. Nachmittag» von 4 Uh« ab Abreise der Gäste. An Bord S. M. Aacht „Hohenzollern" werden außer dem Kaiserpaar und dessen Gefolge, in dem sich auch der Marinemaler Saltzmann befindet, die folgenden kaiserlichen Prinzen wohnen: der Kronprinz, Prinz Eitel Friedrich, Prinz Adalbert und Prinz August Wilhelm. An Bord de» „Kaiseradler" wohnen nur der Prinzregent von Bayern, der König von Sachsen, der Großherzvg von Baden und de« Großfürst Alexis von Rußland. 8 Bei den K i e l e r Festlichkeiten wird Italien» Kriegsmarine am stärksten vertreten sein. Unter dem Oberbefehl des Herzogs Thomas von Genua werden bekanntlich neun Kriegsschiffe, darunterdie neuesten und kriegstüchtigsten Typen der italienischen Flotte, ihre Flagge entfalten, um den Vertretern der Mächte ein Bild von der an Mächtigkeit der Panzerung und Armie rung, sowie an Schnelligkeit der Bewegung den größ ten und weh> Haftesten Fahrzeugen anderer Marinen ebenbürtigen Seemacht Italiens zu geben. Ent sprechend der veränderten Machtstellung, welche Jia- lien in neuerer Zeit unter den Mittelmserländern einnimmt, hat die dort seit dem Ende der siebziger Jahre eben im Zuge befindliche Reform der mari timen Wehrkraft hauptsächlich das Ziel verfolgt, in die bis dahin überwiegend für die Defensive bestimmte Flotte ein Element der Offensive einzuführen. 8 Zu der nunmehr beendeten Session des deut schen Kolonialrats ist Folgendes noch nachzutragcn. Von besonderem Nutzen für sie erwies sich die An wesenheit des Gouverneurs von W ßmann, der durch seine Sachkenntnis und große Erfahrung viele wert volle Aufklärungen gab und wesentlich dazu beitrug, daß man so schnell die Beratung beenden konnte. Wohlthuend berührten auch seine Erklärungen über die Strafrechtspflege gegenüber den Eingeborenen, die er ohne Schwäche, aber durchaus in humanen Sinnen gehandhabt wissen wollte. Bei der Frage, ob man in ostafrikanischen Schulen von Staatswegen muhamcdanische Lehrer anstellen sollte, stand Wiß mann auf d- m Standpunkte, daß es weder dem An sehen der christlichen Religion, noch dem Ansehen der Regierung entsprechen würde, den muhamedamschen Religionsunterricht staatlich zu fördern. Wie bekannt, hat dementsprechend der Kolonialrat Beschluß gefaßt. Auch daß der Ausschuß für die Landfrage in Oft- afrika j-tzi schon seine Beratungen beendigen und seinen Bericht unmittelbar nach Schluß des Kolo- nialrates abfasscn konnte, ist somit dem sachverstän digen und in vielen Punkten klärend wirkenden Ein greifen des Herrn von Wißmann zuzuschreiben. Im Ganzen' stand der Gouverneur durchaus auf dem Standpunkt der Komission und nur in wenigen Punk ten wurden aus seinen Wunsch Aenderungen vorge nommen. Einer der wesentlichen Gesichtspunkte ist dabei der, daß die Eingeborenen in ihren Rechten gegen ungerechtfertigte Uebergrisfe und Vergewaltig ungen durch Weiße geschützt werden müssen. Ange nehm berührte bei den Mitgliedern des Kolonialrates, daß Fürst Hohenlohe-Langenburg, der seitherige Präsident des deutschen Kolonialverein», in Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg einen Nachfolger gefunden hat, der nicht nur den kolonialen Bestre bungen ein lebhaftes Interesse entgegsnbringt, sondern auch seinen Aufenthalt in Ostafrika zu gründlicher Unterrichtung über die dortigen Verhältnisse benützt hat, wodurch er in die Lage versetzt wurde, wieder holt in sächgemäßester und nützlichster Weise in die Beratungen einzugreifen. Z Breslau, 14 Juni. Wie der Breslauer „Generalanzeiger" meldet, wurden in Neisse am 12. d. M. bei einer Schießübung des oberschlesischen In fanterie. Regiments auf dem Wilhelmsplatz zwei Mann der ersten Kompanie durch einen scharfen Schuß töt- lich verletzt; Beide sind heute gestorben. Z A n t o n t e n h ü t t e i. Schl., 14. Juni. Ein letzter Versuch, die Leichen der noch vermißten Berg leute in der „Gottes Segen-Grube" durch Eindrin gen in die brennende Grube durch einen Seitenschacht zu bergen, ist mißglückt. Die Förderung der Kohlen ist wieder ausgenommen worden. ß Als Ursache der Katastrophe in der Grube „Gottes-Segen" zu Antonie «Hütte wurde der Durchbruch von Feuer und Gasen aus dem Brand- flötz „Antonie" festgestellt. In Fachkreisen behauptet man, daß die Opfer der Katastrophe hätten gerettet werden können, wenn der Schacht Seilführung ge habt hätte. ß Aus Aachen wird gemeldet, der Staatsan walt habe gegen das Urteil im Prozeß Mellage die Revision eingelegt. 8 Aachen, 14. Juni. Die Alexianergenossen« schäft hat nunmehr der Regierung Mariaberg zum Kauf angeboten. Die gestrige Frohnleichnamspro- zession verlief ohne Zwischenfall, nachdem die Alexia- ner von der Beteiligung ausgeschlossen waren. Zum Direktor von Mariaberg wurde Dr. Gottlob, Arzt an der Merziger Irrenanstalt, telegraphisch berufen. 8 H a m b u r g , 12. Juni. Im nahen Tümp ling wurde der ArbeiterJosefHofmann von einemKnecht des Ritterguts und einem aus Bayern stammenden Bahnarbeiter auf das Empörendste zu Tode mißhan delt. Die Veranlassung soll ganz nichtig gewesen sein, die nämlich, daß Hofmann in der Tümplircher Schenke in einem Anzuge erschienen sei, derben bei den Raufbolden nicht festtäglich und für ihre Gesell schaft nicht fein genug gewesen wäre. Darüber kam eL zu Anzüglichkeiten und Schimpfreden und zuletzt zu Thätlichkeiten, sodaß der Wirt die Friedensstörer aus der Stube verwies. Draußen richteten nun der Knecht und der Bahnarbeiter den Hofmann auf das Entsetzlichste zu; sie stachen ihn mit Messern, hieben mit Knütteln auf ihn ein, warfen ihn in den Bach, um ihn zu ertränken, und versuchten dann noch ihn aufzuhängen. Erst als sich H. gar nicht mehr regte, weil er bewußtlos zusammengebrochen war, ließen ihn die Unmenschen in Ruhe. H. wurde dann nach Hause geschafft und ärztlicher Behandlung übergeben; aber es war nicht mehr zu helfen. Am Freitag früh 3 Uhr starb er, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Die Mordbuben find verhaftet. H. hin terläßt eine Witwe mit mehreren unversorgten Kindern. ß Hamburg, 14. Juni. Die beiden in der Berliner und Hamburger Sportwelt bekannten Ge schäftsleute Kirchmann und Teodor Leander haben umfangreiche zweifelhafte Geldgeschäfte und Wechsel betrügereien ausgesührt, durch welche eine Anzahl höherer Personen bei der zu erwartenden Gerichts verhandlung blosgestellt werden dürfte. Kirchmann ist geflüchtet, Leander wurde verhaftet. Bisher wur- den Wechselverbindlichkeiten in Höhe von 30060 M. festgestellt. 8 Große Hagelwetter haben im unteren Werra thai und oberen Eichsfels gewütet. Die Feldfluren in Wahlhausen, Lindewerra, Gerbershausen. Frette rode, Bornhagen und Ellershausen sind größtenteils verwüstet worden. ** Triest, 14. Juni. In Novigno hatte sich in einem Wohnhanse eine große Anzahl Leidtragender zu einem Be gräbnis ciugefnnden, als die Decke in dem betreffenden Raum einstürzte nnd unter ihren Trümmern die Leidtragenden begrub. 14 derselben wurden getötet, 27 tödtlich und gegen 89 verletzt. ** San Francisco, 14. Juni. Ein Privatbrief eines Matrosen von dem amerikanischen Kreuzer „Charleston" teilt mit, daß am 12. Mai das japanische Torpedoboot Nr. 16 bei den Fischer-Inseln scheiterte. Von der aus 14 Mann bestehenden Besatzung sei nur ein Mann gerettet. ** In Neu - Mexiko haben mehrere Banden halbverhungerter Apachen die San-Carlos Reserva tion verlassen und die Ansiedlungen der Weißen in den Grafschaften Grant und Socorre angefallen. Infolgedessen flüchteten, die Bergwerksarbeiter und Ansiedler in die größeren Ortschaften. Später fand man dis verstümmelten Leichen zweier Männer und einer Frau, die den Wilden zum Opfer gefallen waren. ** Auf der Insel Kuba steht es für die Spa nier außerordentlich schlecht. Wenn die Madrider Regierung erklärt, sie fei unbedingt entschlossen, den Aufstand mit allen Mitteln zu unterdrücken, so be weist das noch lange nicht, daß die Erreichung des Zieles ihr unter allen Umständen gelingen muß. Aus Kuba wird verbreitet, die ganze Bevölkerung sei in Hellem Aufstande, spanische Soldaten seien ihres Lebens nicht siche«, wenn sie nicht in genügender Zahl aufträten. Und den spanischen Truppen wohnt offenbar nicht die rechte soldatische Tapferkeit inne, sonst müßten sie, die heute schon über 40600 Mann stark sind, bald genug der Rebellion den Garaus gemacht haben. 12000 Manu gehen jetzt nach Kuba, 40000 Mann sollen eventuell im August, nach Schluß de« kubanischen Regenzeit, dorthin folge», und werden auch wohl folgen müssen. Dann wäre die spanische Armee auf genau hunderttausend Mann gestiegen und solche Truppen bietet man nicht für eine Rebel lion aui, da muß schon eine Erhebung der Geiamt- bevölkerung eingetreten sein. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Herr Cleve land, veröffentlicht eine Erklärung, worin er die Bürger der nordamerikanischen Union auffordert, sich in die kubanischen Angelegenheiten nicht einzumischen. Auffordern kann der Präsident oft genug, aber ob seine Aufforderung respektiert wird, ist eine andere Sache. Es »iebt eine ganze Anzahl von schwerreichen Iankee's, welche die Losreißung Kuba's von Spanien als ein sehr lohnendes Geschäft betrachten. Denn ob im Falle eines Gelingens der Revolution Kuba selbständige Republik wird oder aber die Ausnahme in den Verband der nordamerikanischen Union nach sucht, Herren dec Insel mit ihren kostbaren Tabak plantagen werden doch die Iankee'S. Und darum lohnt es sich schon, ein paar Millionen springen zu lassen. Ganz und gar undenkbar hätte der Aufstand so lange andauern können, wenn die erbitterten Gegner der spanischen Herrschaft nicht von Nord amerika aus reichlich mit Geld, Waffen und Munition unterstützt worden wären. Selbst ganze Dampfer mit amerikanischen Freibeutern haben aus Kuba zu landen vermocht, da die Aufmerksamkeit der ameri kanischen Wachschiffe nicht die größte zu sein scheint. Spanien erleidet durch diesen Bürgerkrieg, denn ein solcher ist der Aufstand schon geworden, einen kolossalen Schaden, selbst im Falle eines Sieges. Die Kriegs kosten rücken schon ungemein bedenklich in hohe Mil lionenziffern hinein. Die Kieler Feier. Die Tage der feierlichen Eröffnung des Nord ostseekanals, des größten Bauwerkes, welches das neue deutsche Reich seit seiner Errichtung hat auS- führen lassen, sind herangekommen, im ersten deut schen Kriegshafen, dem von Kiel, sind .schon Fahr zeuge befreundeter Nationen erschienen, andere find auf dem Wege dorthin, und der offizielle Beginn der Festlichkeiten wird ein aus Schiffen aller seefahren der Nationen der Erde gebildetes Geschwader zusam menfinden, wie es in diesem Umfange und dieser Großartigkeit sehr selten zu schauen ist. Es handelt sich um eine Kundgebung zu Ehren des deutschen Geistes und der deutschen Technik, welche den Kanal bau trotz aller vorhandenen Schwierigkeiten, unter Ueberwältigung eines jeden Hemmnisses erfolgreich fertig gestellt haben. Deutschland kann stolz sein auf dies Bauwerk, welches zugleich die Machtstellung des Reiches kennzeichnet. Denken wir nur 30 Jahre zu rück! Wer hätte damals wohl ernstlich an die Her stellung eines solchen Bauwerkes denken wollen? Heute ist vollbracht, was damals noch als ein schö ner Traum erscheinen mochte. Und wir haben es heute nicht allein mit einem Werk zur Erhöhung der Verteidigungskraft des Vaterlandes zu thun, der Ka nal soll auch der Friedens-Schifffahrt, Handel und Wandel dienen und seine Thore werden den Fahr zeugen aller Nationen geöffnet sein. Als ein Friedens werk erscheint somit der Nordostseekanal, und zu einer Friedcnsfeier um den deutschen Kaiser und die deut schen Fürsten haben die fremden Nationen sich ver eint. Mag der glückliche Stern, unter welchem die Kanaleröffnung erfolgt, immerfort leuchten über dem ganzen großen deutschen Werk! Ein glücklicher Stern leuchtet über der Eröff nungsfeier des Nordostseekanals, so kann man mit Recht sagen! Wir sind über die Periode der Beun ruhigung hinweg, in welcher jede politische Streit frage ihre schattenden Wolken hineinwarf in den Han del und den friedlichen Verkehr, wo die Kriegsbeun- ruhigungen kein Ende nehmen wollten. Europa starrt noch heute in Waffen, die Vermehrung der Heere ist noch nicht zum Abschluß gelangt, und der Gedanke einer Abrüstung wird rundweg von der Hand gewiesen; aber in einer jeden Nation ist auch die Erkenntnis im Laufe der Jahre groß geworden, laß ein künftiger verlorener Krieg gleichbedeutend sein wird mit dem wirtschaftlichen und politischen Ruin des betreffenden Staates, und weniger als je besteht der Wille, ein solches Wagestück ohne Aussicht auf einen Sieg zu unternehmen. Europa ist, wie wir in den letzten Tagen bestätigend erst wieder gehört haben, in zwei große Lager geteilt. Auf der einen Seite steht der noch vom Fürsten Bismarck errichtete mitteleuropäische Friedensbund, den das deutsche Reich, Oesterreich-Ungarn und Italien mit einander abge schlossen haben, und der seiner ganzen Gestalt nach nichts weiter bedeuten soll und auch nichts weiter bedeuten kann, als eine Abwehr eines fremden An griffes. Auf der anderen Seite stehen Frankreich und Rußland, von deren Regierungen wohl der be sonnene Wunsch nach einem dauernden Frieden zu erwarten tst, deren Völker aber Leidenschaften unter stehe», die nicht als förderlich für einen ewigen Völ kerfrieden gelten können. Auch diese beiden Nationen werden in Kiel zu den dortigen Festtagen vertreten, und es wird also wenigstens kern äußerer Riß den Gang der Festlichkeiten unterbrechen. Was in Paris und Frankreich dem französischen Flottenbesuch in Deutschland vorangegangen ist, ist bekannt, es ist unnörig. darauf nochmals ausführ lich zurückzukommen. Aber das mag doch wieder hervorgehoben werden, daß die französischen Volks vertreter zweimal von den Ministern sich haben sagen lassen, daß die Tage von Kiel kerne Aenderung in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich herbeiführsn werden, daß hiervon auch die Wünsche und Hoffnungen des französischen Volkes unberührt bleiben. Der leitende französische Staatsmann Hai auch in der Pa-iser Kammer zum ersten Male gerade heraus von einer „Allianz" zwischen Frankreich und Rußland gesprochen, während frühe« dies Wort stets vermieden wurde. Man braucht nicht diese Wendung zu überschätzen, aber unterschätzen darf man sie noch viel weniger. Bedeutet die „russisch-französische Al lianz" auch kein russisch-franzöfischsL Schutz- und Trutzbünbnis, sie bedeutet doch so viel, daß Frank reich Rußland heute näher steht als früher. Und hieraus ergiebt sich wieder, daß wenn bei uns im deutschen Reiche Jemand die Hoffnung hegte, es könnte ein engeres Verhältnis zwischen Deutschen und Moskowitern angebahnt werden, er diese Hoffnung nur getrost einpacken kann. Da ist auch nichts mehr zu rechnen. Und wenn man annahm, die deutsche Gemahlin des jungen Czarsn Nicolaus könnte diesen mehr nach unserer Seite hinlenken, so hat auch diese Annahme sich als falsch erwiesen. Daß diese Klar stellung gerade zu den Nordostseekanalfeierlichkeiten kommt, ist gut; sie verhütet, daß Liebenswürdigkeiten und Aufmerksamkeiten künftig vermieden werden, die nicht mehr am Platze sind, während doch der fried liche Charakter der ganzen Feier dadurch keinerlei Beeinträchtigung weiter erfährt. Bermischtek. * Reichtum macht nicht glücklich. Einige ameri kanische Millionäre sind jüngst über ihre Ansicht in Betreff der Vorteile, die große Reichtümer ihrem Be sitzer bringen, interviewt worden. Bei den Interviews ist im allgemeinen nicht viel Geistvolles zu Tage ge kommen und man fand wenige originelle Gedanken. Zu den Letzteren gehörte der Ausspruch Pull manns, des Besitzers der Pullmann-Wagen, wel cher erklärte, daß seiner Meinung nach erst diejenigen Leute reich genannt werden können, die mindestens ein Vermögen von zehn Millionen Dollars besitzen. Das ist etwas stark. Mackay, der König von Bonanza, der Goldmine in Kalifornien, zeigte sich sehr erstaunt darüber, daß Jemand nur eine Minute lang in dem Glauben leben könne, der Reichtum habe