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nicht teurer, als anderwärts. Da der Lilienstein, als höchster Punkt der Sächsischen Schweiz, eine einzig dastehende Rundsicht bietet, ist der Besuch dieses herrlichen Aussichtspunktes bestens zu empfehlen. — Ueber die angebliche Ergreifung des wirk lichen Mörders der vor Kurzem inLoschwitz ver storbenen Privata Kobrzinowski durcheilt ein Artikel die sächsische Presse, der sich keineswegs mit den That- sachen deckt. Der Sachverhalt ist folgender: An die Staatsanwaltschaft zu Dresden waren 2 anonyme Briefe gelangt, deren Absender Aufklärungen über den rätselhaften Mord zusichert. Wie cs gekommen, weiß Niemand, kurz, es wurde plötzlich der Gärtner P. in Loschwitz verhaftet, da man in ihm den Schrei- der der beiden Briefe vermutete. Schon nach wenigen Stunden wurde der Mann wieder in Freiheit gesetzt und geht schon fett ziemlich einer Woche wieder seinem ehrlichen Gewerbe nach. Der Verhaftete konnte den Nachweis führen, daß er der Schreiber der Briefe nicht sei. Auch die andere kolportierte Nachricht, daß der vorübergehend verhaftete Gärtner P. mit dem des Mordes wirklich verdächtigen und noch in Ge fangenschaft gehaltenen John bet der Ermordeten früher im Garren derselben gearbeitet, hat sich als vollständig grundlos erwiesen. Ob je die Wahrheit an das Tageslicht kommen wird, ist fraglich. Der angebliche Mörder liegt seit Wochen schwer krank an der Tuberkulose darnieder. Sein Zustand soll zu den schlimmsten Bedenken Anlaß geben. Nach wie vor leugnet derselbe die ihm zugesagte That. In den Kreisen der Loschwitzer Bevölkerung, welche den in> haftierten John näher kennen, glaubt man nicht da ran, daß der gutmütige, geistig etwas beschränkte Mann die grausige That vollführt haben könnte. Neuerdings hat auch die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den bedauernswerten Mann ein gestellt. — Eine englische Familie, aus sechs Personen bestehend, hatte sich dieser Tage in einem Meißener Gartenrestaurant häuslich niedergelassen. Sie ver zehrte hier das mitgebrachte Frühstück und trank dazu ein Glas Kulmbacher. Als das Glas geleert war, füllte man es höchst eigenhändig an der Was serleitung wieder voll und stillte so bei einer Zeche von 20 Pf. Hunger und Durst. — Großes Unglück ist über eine Familie in Leisnig hereingebrochen. Vor ca. sechs Wochen wurde die Frau des Möbelpolierers Griesbach wahn sinnig und mußte dem Krankenhause übergeben werden. Kurze Zeit darauf verschluckte der vierjährige Knabe genannter Familie eine Bohne, welche seinen Tod herbeiführte und aus Verzweiflung darüber nahm sich der Vater durch Ertrinken in der Mulde das Leben, aus welcher sein Leichnam am Sonnabend gezogen wurde. Fünf unversorgte Kinder, von denen das älteste zwölf Jahre zählt, beweinen ihre Eltern. — Eine eigenartige Ermittelung hat jüngst e n Lehrer in Oschatz bei sechsjährigen Kindern, die gerade in der untersten Schulklasse eintraten, ange« , stellt. Er wollte seststellen, ob sie die Dinge, deren Namen ihnen geläufig waren, in Wirklichkeit auch kannten und was sie von ihnen wußten. Das hatte das überraschende Ergebnis, daß von den aus gefragten Kindern 14 Pivz. noch nie Sterne gesehen hatten, 45 Proz. noch nie auf dem Lande waren, 20 Proz. nicht wußten, daß die Milch von der Kuh und 50 Proz., daß das Holz von dem Baume kommt. Z Wieder eine neue Maschine. Man liest in einem Berliner Blatt: Manoline nennt sich eine neue Setzmaschine, die augenblicklich in einer Berliner Druckerei aufgestellt ist. In nächster Zeit wird dieses Kunstwerk auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden. Es ist wirklich etwas Wunderbares und Geheimnisvolles, diesen „eisernen Verloren und Gewonnen. Novelle von C. Martin. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Der Baron schüttelte den Kopf. Marie und Henriette, die eben vom Tisch aufstanden und sich entfernten, lange nachschauend, sprach er endlich mit einem Seufzer: „Es sollte wohl so sein, liebes Fräulein, aber wir leben in einer an Enttäuschungen reichenWelt. Oder glauben Sie nicht, daß von zehn Ehen nur zwei vielleicht aus Liebe geschloßen werden? Was für Gründe giebt es, um sich ins Ehejoch zu spannen!" „Jammervoll, wenn eS so ist!" brauste Mela auf. „Warum lähmen die Verhältnisse so oft die Kraft des Weibes, daß es nicht den Mut behält, sich allein durchs Leben zu schlagen!" „Wer so schön ist und so gut, wie Sie, Fräu lein von Rosen", sagte der Baron leise zu seiner Nachbarin, „hat aber auch die Pflicht, glücklich zu machen". Lauter fuhr er fort: „Muß es nicht er hebend sein, einen Unglücklichen, der lange Jahre in Finsternis schmachtete, dem Lichte wieder zuzuführen, ihm das Leben im Sonnenglanz der Liebe zu zeigen?" Mela sah erstaunt auf, wie erregt der Baron war. „Ich habe kein Verständnis für solche Sama riterliebe", antwortete sie kühl und erhob sich. Man verbrachte die Abende angenehm mit Mu sik und Vorlesen. Melanie war der Mittelpunkt des kleinen Kreises, denn auch die beiden jungen Leute sahen mit Bewunderung auf sie. Der Baron hütete sich wohl, Mela etwas von seinen Gefühlen Setzer" mit einer Schnelligkeit und Sicherheit arbeiten zu sehen, die allerdings an das Geisterhalte streift. Während der die Setzmaschine bedienende Setzer auf einer Klaviatur, wie man sie in ähnlicher Weise bei den Schreibmaschinen sieht, herunterspielt, kommt auf der anderen Seite schon die gesetzte Zeile, ausge schlossen, wie es ein Setzer nicht besser machen kann, heraus; während der Setzer weitersetzt, tüimt sich vor dem bewundernden Auge des Beschauers Zeile auf Zeile auf mit einer Schnelligkeit, die durch die Hand des Setzers niemals auch nur annähernd ge leistet werden kann. — Und was fangen die Setzer an, wenn nun auch für sie die Maschine arbeitet? Das wäre wohl des Nachdenkens wert! § Die bekannte Prioalkloge des Rechtsanwalts Dr. Hans Blum gegen den früheren Redakteur des „Vorwärts", Pötzsch, kam vor der 9. Strafkammer des Berliner Landgerichts I in der Berufungsinstanz zur Verhandlung. Es handelt sich um die in der Blum'schen Broschüre „Die Lügen der Sozialdemo kratie" enthaltenen, angeblich durch den Boulanger- Prozeß bestätigten Borwurf gegen die deutsche Sozial demokratie, daß diese von Boulanger Geld erhalten habe, um für den Fall des Ausbruchs eines Krieges den eigenen Truppen in den Rücken zu fallen. Die Blum'schen Enthüllungen wurden bei dem Wahlkampfe nn Plauener Kreise, aus welchem der Sozialdemokrat Gerisch als Sieger hervorging, verwertet und gaben den gerade im Wahlkreise an wesenden Abgeordneten Auer und Liebknecht Veran lassung, in ernem Flugblatt unter dem Titel „Ein Bubenstück" die Blum'schen Behauptungen in sehr scharfen Worten zurückzuwüsen. Der Inhalt dieses Flugblattes fand teilweise Aufnahme m einem Ar tikel des „Vorwärts" unter dem Titel „Schamlose Agitation", und dieser ist Gegenstand der Privat klage. Das Schöffengericht hatte den Angeklagten zu 100 Mk. Geldstrafe verurteilt, während derVer- rreter Dr. Blum's Gefängnis und die Zuerkennung einer Buße von 1000 Mark beantragt hatte. Sein Vertreter Dr. Sauer beantragte die Vertagung der Verhandlungen bis zur Erledigung eines vom Reichs- anwalt gegen verschiedene Sozialdemokraten eröffneten Verfahrens wegen Hochverrat. Die Blum'schen Beweise befänden sich in den Händen des Reichsauwalts, der Reichsanwalt habe ursprünglich selbst den Vertagungs- antragstellen wollen, es ober schließlich Herrn Dr. Blum selbst überlassen. Nachdem der Gerichtshof dsnBer- tagungSantrag abgelehnt hatte, beantragte Rechtsan walt Dr. Sauer wiederum, die Geldstrafe in eine Gefängnisstrafe zu verwandeln und dem Dr. Blum eine Buße in Höhe von 1600 Mk. zuzuerkennen. Der Vertreter verwies auch noch auf zwei Artikel der Magdeb. Ztg., in welcher Dr. Hans Blum den Nachweis geführt habe, daß er seine Behauptungen über Beziehungen Boulanger'« zur Sozialdemokratie sich nicht aus den Fingern gesogen, sondern franzö sischen Quellen entnommen habe. - Dem gegenüber erbot sich Rechtsanwalt Heine abermals zu dem event. Beweise, daß Dr. Blum wider besseres Wissen Be hauptungen aufgestellt und falsch zitiert habe, um diesen Behauptungen den Schein der Beglaubigung zu verleihen. Das sei eine litterarische Unehrlich keit. Die in der Magdeb. Zig. vom Kläger ver suchte Beweisführung beruhe auf logischen Fehlern, Rechenfehlern und durch und durch falschen Citaten. Der Kläger habe in grenzenlos leichtfertiger Weise mit der Ehre Anderer gespielt, und dafür sei kein Ausdruck der Abwehr scharf genug. Der Gerichts hof erkannte nach kurzer Beratung auf Verwerfung der Berufung auf Kosten des Klägers. 8 Der ehemalige preußische Justizminister vr. v. Friedberg ist verschieden. Derselbe war der Schöpfer des deutschen Strafgesetzbuches, das haupt- - zu zeigen, aber er fühlte, die Wagen der Leidenschaft stiegen täglich höher; — eine Aussprache war un vermeidlich. Mela blieb unbefangen; sie bewunderte seine Stimme, die Art seines Vortrages aufrichtig, aber über eine Arbeit gebeugt, gewahrte sie nicht die glut vollen Blicke, die vom Flügel her der Baron auf sie warf. Auch beim Vorlesen vertiefte sie sich zu sehr in die Größe Göthe'scher Dichtungen, um auszumer ken, was um sie her vorging. Sie hielt die Ehe des Barons für eine glückliche und ihr Sinn war zu rein, auch zu sehr von der Vergangenheit umfangen, um Worte, die ihr in seiner Rede rätselhaft erschienen, auf sich zu beziehen. Sie verstand ihn nicht, wenn er in leidenschaftlich« Kla gen ausbrach und schob sein oft sonderbares Wesen auf die Trennung von seiner Frau, die ihm sicher schmerzlich war. Auch gab der Baron auf sich acht, besonders in Gegenwart Laura's, die oft ein bösed Lächeln für ihn hatte, wenn sie seine Bemühungen um Mela sah. Den ersten milden Novembertagen war Sturm gefolgt, und Mela hatte die täglichen Spaziergänge mit den Kindern einstellen müssen. Ein sonniger Morgen lockte sie aber endlich ins Freie, und nach Beendigung der Stunden belustigten sich Marie und Henriette auf dem großen Rasenplatz vor dem Hause mit Reifenspiel. Natürlich mußte Mela bald mit Teilnehmerin von der Parthie sein. Das junge Mädchen hatte sich der Jahreszeit gemäß warm gekleidet, nun brannte aber die Sonne, — die Bewegung des Spiels machte sie heiß. Sie legte also bald Hut und Paletot bei Seite. sächlich durch seine energische Thätigkeit in der kurze» Zeit von zwei Jahren zu stände kam. Kaiser Fried rich verlieh ihm 1888 den Schwarzen Adlerorden und damit den erblichen Adel. 1889 nahm Friedberg seinen Abschied. 8 Aus der Lüneburger Haide wird geschrie ben, daß durch Blitzschlag, der einen Feldschasstall bei Höhne im Landkreise Celle traf, 300 Schafe mit verbrannt sind; ferner entzündeten Blitzschläge ein Gehöft in Isenbüttel bei Gifhorn, zwei Häuser in Ohof bei Weinersen und ein Gehöft in Münster bet Soltau. Im letzteren Falle verbrannte sämtliches Vieh. Z Zu den Eröffnungsfeierlichkeiten in Kiel sind bereits 120 Passagierdampfer angemeldet — eine Zahl, die thatjächlich alles Erwartete in den Schatten stellt. 8 Kiel, 5. Juni. Infolge einer Gasexplosion im Kohlenraum des Panzers „Württemberg" wurden der Maschinen-Jngenieur Gehrmann schwer, 2 Heizer leicht verwundet. Der Unfall ereignete sich vor Helgoland. Die Verwundeten wurden nach Wilhelms haven geschafft. Z Kiel, 5. Juni. Die Probefahrt der Kaiser- Jacht „Hohenzollern" durch den Nordostseekanal ist ohne Unterbrechung überaus erfolgreich verlaufen. Die Durchfahrt durch die Brücken geschah ohne Zeit verlust. Der W llenschiag war geringer, als erwar tet wurde. Die Probefahrt hat vollständig befriedigt. 8 Kottbuö, 5. Juni. Die Gärtnereibesitze- riu Henschke wurde mit zertrümmertem Schädel er mordet aufgesunden. Ihr 70jähriger Ehemann wurde als des Moides verdächtig verhaftet. 8 Eine für Lottenejpieler wichtige Entscheidung fällte dieser Tage das Neuwieder Landgericht. Drei Herren spielten seit mehreren Jahren mit einem Restaurateur in Linz am Rhein gemeinschaftlich ein Los der Preußischen Klaffen-Lotterie. Der Letztere, welcher das Amt des Kassierers versah, hatte die Verpflichtung übernommen, für einen der drei Herren, einem etwas von Linz entfernt wohnenden Mühlen- besitzer, bei dessen eventueller Verhinderung den fäl ligen Betrag zur Deckung des Loses auszulegen. So hatten sie es seit Langem gehalten. Im vorigen Jahre nun zog der Mühlenbesitzer noch weiter von Linz fort, weshalb der Restaurateur beschloß, dem Ersteren sagen zu lassen, daß Letzterer mit den beiden anderen Herren für die Folge das Los allein spielen würde. Wie schon oft, so wollte es auch hier ine launige Fortuna, daß das Los in der darauf folgen den Klasse mit einem Haupigewinn von 45,000 Mk. gezogen wurde. Der Restaurateur teilte sich mit den beiden anderen Herren in den Gewinn. Der Müh lenbesitzer wurde aber gegen den Ersteren klagbar: erstens sei ihm keine Mitteilung geworben, daß man ihn ausgeschlossen, zweitens sei das LoS für ihn mit beschafft worden, und er habe keine Lust, aus sein Anrecht zu verzichten, drittens sei er bei den früheren Abrechnungen seinen Verpflichtungen stets nachge- kommen. Das Landgericht zu Neuwied entschied, daß der Miteigentümer des Loses uns durch die Erklä rung des Restaurateurs semes Anrechtes nicht ver lustig gegangen sei; er verurteilte den Letzteren zur Auszahlung des vierten Teiles des Gewinnes an den Kläger und in die Kosten. ** Eger, 31. Mai. Auf eigentümliche Weise wurde hier ein Hochstapler verhaftet. Ein älterer, sehr vornehm aussehender Herr ließ sich in diesen Tagen bei einem hiesigen Juwelier wertvolle Broschen und Ohrgehänge zur Auswahl vorlegen. In einem unbewachten Augenblicke ließ er hierbei 2 Etuis mit kostbaren Broschen im Werte von über 1000 M. in seine Taschen verschwinden und empfahl sich sehr höflich mit der Ausrede, bald mildem Herrn Schwa- Die Kinderstimmen trieben den Baron von seinem Schreibtisch an's Fenster, entzückt blieb er hinter der Gardine stehen. Mela, mit lebhaft geröteten Wangen und glän zenden Augen ließ den Reif mit anmutiger Bewe gung in die Höhe fliegen, um ihn ebenso graziös wieder zu fangen. Das knapp anliegende schwarze Kleid hob die biegsame Geschmeidigkeit ihrer Glieder prächtig hervor, und der liebreizende Mund lachte wieder so froh wie in früherer Zeit. Unter den Kindern ward sie selbst zum Kinde. Der Baron stand und schaute. Niemand be merkte ihn. „Ein Kuß von solchen Lippen müßte berauschen!" sagte er für sich. „Sie soll mein wer den, koste es, was es wolle. Warum liebt sie mich nicht? Bin ich doch immer noch der „schöne Hor witz", den die Frauen hätschelten, so lange er denken kann! Oder verstellt sie sich? Selbst Laura sagte doch gestern, als ich „das Haideröslein" gesungen, und Mela in Gedanken vertieft das rß: „Nun, Baron, Sie machen ja Fortschritte!" Das bezog sich doch nur auf meine Leidenschaft, und wenn auch Laura's Gesicht bei den Worten sehr mokant aussah, sie ist eine zu schlaue Person, um sich zu täuschen. Sollte ich nicht schneller vorgehen? Könnte ich sie nicht überrumpeln? Wer wagt, gewinnt! Auch die kleine Spröde wird zu besiegen sein! Er lächelte und schaute. — Endlich sprach Mela ein Machtwort, — die Kinder eilten in'S Haus. Mela stieg langsam und nachdenklich die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Im Hausflur war ihr von Fräulein Laura ein Brief