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seines Lebens habe ich noch herausgefunden, daß er aus Sachsen ausgewandert und im Erzgebirge oder im angrenzenden Vogtlande geboren war. Aus Dank barkeit für die Pflege hat mir der Verstorbene fein ganzes Vermögen vermacht. Ich bin jetzt nun selbst alt und habe keine Verwandten. Das Vermögen, was mir Herr Franz Cornelius Plath — so hieß der Verstorbene — vermacht hat, betrug 80,600 Dollars und ist durch Zinsen, die ich nicht verwerten konnte, auf 90,000 Dollars angewachsen. Das Ka pital ist in einem Bankhaus in New-Jork angelegt. Sollte sich ein Verwandter des Herrn finden, dem ich mein Glück verdanke, so würde er sich zu melden haben. Als erftberechtigren Erben würde ich den anerkennen, der denselben Namen wie der Verstorbene — Franz Plath — führt; diesem soll es nach Wunsch freigestellt sein, das Vermögen zu verteilen, falls sich noch weitere Erben melden. Ich bin alt, kränklich und schließlich auch lebensmüde, möchte da her die Sache nicht so lange hinausgezogen wissen, denn wer weiß, wie bald meine Stunde schlägt." Der Brief, der von einer alte« Dame geschrieben ist, macht einen durchaus vertrauenerweckenden Eindruck, der noch verstärkt wird durch verschiedene nähere Angaben über ihre Person, Wohnung usw. usw. Der „Vogtl. Anz." ersucht alle, die Verwandte jenes Franz Cornelius Plath zu sein glauben, ihm (dem „Vogtl. Anz.") baldmöglichst ihre Adressen zu über mitteln; weiteres wird dann von dem Plauener Blatte bez. von der Behörde veranlaßt werden. — Marienberg, 5. Juni. Heute nachmit tag gegen 5 Uhr trat hier ein er. 3 Stunden an dauerndes starkes Gewitter auf. Um 5 Uhr schlug der Blitz in das Rathaus, ohne zu zünden, betäubte aber den PoUzeiexpedienten Fischer derart, daß man ihn für tot hielt; derselbe erholte sich aber nach längerer Bewußtlosigkeit. Auch war die RathauSuhr zum Stillstand gekommen. Um ^/s6 Uhr schlug der Blitz in das Haus des Webermeisters Melzer und richtete au dem Gebäude mehrfachen Schaden an, ohne zu zünden. Um 6 Uhr schlug ein Blitz in die Scheune des nahe der Stadt gelegenen, Herrn Albin Claußnitzer gehörigen Gasthauses „Zum WaidMöß- chen" und legte die Scheune mit den darin befind lichen Ack-rgeräten und einigen Erntevorraten in Asche. So ein furchtbares Gewitter mit wolken- bruchartchem Regen ist hier seit langer Zeit nicht aufgetroffen. — Ein ganz besonderer Zugvogel, der gar vi-.ler Menschen Wohnungen, Städte und Dörfer schon ge sehen hat und noch zu sehen bekommen wird, dürfte in diesen Tagen auf kurze ZU; in Leisni g ver weilen. EL ist dies der 30 Jahre alte Gustav Kögel, der Bruder eines dortigen Postbeamte». Gustav Kögel und der 24 Jahre alte Maler Feed Thörmer aus Münster in Westfalen, welche vor mehreren Jahren nach dm ..Vereinigten Staaten" auswander ten, begannen am 10. Juni vongen Jahres einen richtigen „WUtendummel". Sie verpflichteten sich, innerhalb zweier Jahre das große Erdenrund zu um- pilgern. Es handelt sich dabei um eine Wette von 16 000 Dollar, und da die beiden Dauergänger heute, nach einer Wanderung von noch nicht ganz 12 Mo naten bereits die größere Hälfte ihres Weges, näm lich eine Strecke vou rund 7000 englischen Meilen hinter sich haben und da sie bisher alle Strapazen und Beschwerden mit Leichtigkeit ertrugen und frisch- fröhlich den kommenden Mühseligkeiten entgegcn- blicken, läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit an nehmen, daß sie das kühn unternommene Wagnis glücklich zu Ende führen werden. Ihren Unterhalt müssen sie sich selbst verschaffen und zu diesem Zwecke entweder von der Gastfreiheit der verschiedenen von ihnen besuchten Völker ausgedehnten Gebrauch mache« Verlorem rmd Gewonnen. Novelle von C. Martin. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Sie entschied sich zu bleiben. Herr von Horwitz nahm den Bescheid des Fräu leins, daß sie auf den Wagen verzichte, um die Kin der nicht ganz allein zu lassen, freudig auf. Es kostete Mela Ueberwmdung, ihr Zimmer zu verlassen, und mit den Kindern zu beten, wie sie es allabendlich Lhat. Schweren Herzens die Kleinen endlich verlassend, kam ihr die Beleuchtung der Treppe mangelhaft vor. Sie ging zurück. „Bitte, Luise," sprach sie zu der Wärterin, „begleiten sie mich nach oben, ich fühle mich unwohl und fürchte umzusinken. Gewiß war ich rmt den Mädchen zu lange in der feuchten Herbstlust." „Gleich, gleich, Fräulein!" Luise kam mit Licht. An der Treppe stand der Garon. Mela sah ihn stolz an, Verachtung blitzte aus ihren Augen. „Ich reise zu sehr früher Stunde, Fräulein von Rosen," sagte er leise, „ich konnte nicht gehen, ohne Ihnen Lebewohl gesagt zu haben." Er streckte ihr seine Hand entgegen, Mela beachtete es nicht. „Sagen Sie der Frau Baronin und Baronesse Ellen meine Empfehlungen," erwiderte sie kalt und stieg hinan. „Dank, tausend Dank! Ich gehe beruhigt, da ich Sie hier weiß!" Fräulein Nerken sah beim Diner am nächsten Tage boshafter aus, als sonst. Sie hatte die jungen Beamten der Frau des Inspektors zur Beköstigung oder durch den Verkauf ihrer Photographien und durch Schaustellungen sich eine Einnahmequelle er öffnen. Sie haben noch Rußland, Sibirien uud Japan zu durchwandern. — Aus derSächsischenSchweiz,b. Juni. Im Uttewalde» Grunde entstand am 1. Juni nach mittags ein Waldbrand. Von Wehlen aus wurde sofort die Feuerwehr nach dem Brandherde entsandt und die Unterdrückung des Feuers von den Mann schaften eifrigst betrieben. Nach kurzer Zeit gelang es auch, unter großen Anstrengungen, den turmhoch emporlodernden Flammen Einhalt zu gebieten. Die Entstehungsursache des Brandes, durch den ungefähr 2 lla Küfernbestand vernichtet würben, ist noch nicht aufgeklärt. ß Berlin, 6. Juni. Die Kaiserin verbringt mit den Kaiserlichen Kindern einen Teil des Sommers in Saßnitz auf Rügen. Die Abreise dorthin erfolgt voraussichtlich Anfang Juli. Z Rückfahrkarten mit zehntägiger Giltigkeit. Einer Aenßeruug des preußischen Eisenbahnministers über die Rückfahrkarten mit zehntägiger Gütigkeit ist in einer der letzten Sitzungen der württembergischen Abgeordnetenkammer vom Ministerpräsidenten v. Mainacht widersprochen. Die Aeußsrung des Fehr, v. Mittnacht lautete: „Es ist im preußischen Ab- geordnetenhause im Februar d. I. den Wünschen gegenüber, die zehntägige Dauer auch in Preußen emzufähren, von maßgebender Seite erwidert worden, die Erfahrungen, die man in Württemberg mit dieser verlängerten Giltigkeitsdauer gemacht habe, seien nicht gerade ermutigend. Ich kann diese Behaup tung nicht bestätigen. Die Rückfahrkarten mit zehn tägiger Giltigkeit haben positiv günstig auf die Ein nahme» aus dem Personenverkehr eingewirkt; sie sind sehr populär geworden und würden sehr ungern vermißt werden. Mißbräuche, wie sie bszüglrch der Fahrkarteubenutzung in Preußen vorgekommen find, hat man bis jetzt in Württemberg nicht bemerkt." Z Aus Kiel wird über die Einzelheiten des MarinefesteS folgendes geschrieben: Die Verpflegung der Mannschaften der deutschen und fremden Kriegs- sch ffe, annähernd 30 000, ist mit großen Schwierig keiten verbunden und erfordert weitgehende und um fassende Vorbereitungen. Die bisher seitens der Marineverwaltuna und Ker städtischen BerpfleguugS- Kommissign getroff-neu Maßnahmen lassen eine be friedigende Durchführung des Plaues erwarten. Es sind un ganzen täglich mnd 25 000 Pfund füschrs, 3000 Pfund geräuchertes und gesalzenes Fleisch, 5000 Plund Butter, 16 000 Eier, 1000 Liter Milch, forme 16000 Pfund Bwt, Kartoffeln, Erbsen, Linsen usw. wbst ca. 12 000 Liter Bier zu liefern. Die Manne-Intendantur hat die Lieferanten angewiesen, die Prooiantmasse» in dem am Hafen liegenden Zokl- schvppm in den frühesten Morgenstunden aufzustapeln. 8 Kiel, 6. Juni. Zur Kuller Festwoche sind bisher 210 Jachten, 168 Segel-Jachten und 42 Dampf-Iachteu aug-meldst. Eine solche Beteili gung übertrifft thatsächüch die allergünstigsten Er wartungen. 8 Bremen, 6. Ium. Wie aus Pernambuco gemeldet wird, ist die deutsche Barks „Eilbeck", von Liverpool nach Guayaquil unterwegs, bei Fernando de Vorona untergegangen. Alle an Bord befindlkchen Personen wurden gerettet und bereits gelandet. 8 Liegnitz, 6. Juni. Ungeheure Heuschr- cken- schwärms suchen unsere Provinz auf. Nach Millionen zählende Schwärme werden in der Gegend von Sprot- taa und Landshut beobachtet. 8 Leichtfertiges Umgehen mit einem Artillerie- qeschvß hat wieder ein großes Unglück angerichtet. De« Arbeiter Thober aus Podgerz fand auf dem Artillerieschießplätze bei Thorn eine blindgegangene übergeben, und mühte sich nun vergeblich, aus der blassen schweigsamen Mela etwas tzerauszubringen. Endlich beim Nachtisch, als die Kinder sich entfernt hatten, Hob sie an: „Wie schade, daß Horwitz abgereift ist! —Graut Ihnen nicht auch vor de« langen Winterabenden? Dabei ist die Jnspektorssrau eine so bornierte Person, daß man nicht mit ihr verkehren kann! Was werden wir anfangen?" „O, mir ist nicht bange!" rief Mela. „Ich habe große Pläne für den W'rüer! Sie wissen, ich studiere polnisch — um mich darin zu vervollständigen, werde ich die JnspektorEnder des Abends bei mir sehen". Zögernd und ihre Antipathie mühsam über windend, fügte Mela bei: „Wollen Sie nicht alsdann mit auf mein Zim mer kommen? Marianka Wronzka ist ja bald er wachsen." „Gott steh' mir bei," lachte das Fräulein. „Aber," fuhr sie lauernd fort, „es werden doch noch Tage vergehen, ehe dieses Chor bei Ihnen sich einuistet?" „Gewiß, ich muß erst mit Jnspektor's sprechen." „Nun viel Vergnügen! Ich bestaune ihre Pas sionen! — warum fesselten Sie nicht lieber den getreuen Anbeter! Er hätte Sie zur Baronin gemacht." Mela erschrak! So wußte diese Person. — „O, ich bin doch nicht blind," sagte Laura. „Schon in den ersten Tagen Ihres Hierseins be griff ich die Sache!" „Sie haben mich nicht gewarnt? Ich hätte das Haus längst verlassen sollen!" Granate. Za Hause zerklopfte er deren Mantel; als er hierbei versuchte, das Geschoß zu entleeren, explodierte die Granate mit schrecklicher Wirkung. Fünf der umstehenden Personen wurden verletzt, da von drei schwer, dem Thober wurde die linke Hand abgerissen und die rechte verstümmelt und sein Kopf wurde so schwer verwundet, daß an deS Mannes Aufkommen gezweifelt wird. 8 Posen, 6. Juni. Auf dem Dominium Mlelzyn brach bei der Schafwäsche die Teichbrücke zusammen. Siebzehn Personen sind in das Wasser gestürzt und 4 Frauen ertranken. Von den Geretteten wurden mehrere lebensgefährlich verletzt. Z Straßburg, 6. Juni. In Oberaspach hat ein Bauerngutsbesitzer seinen eigenen Sohn, so wie seinen Schwiegersohn erstochen. Die Ursache waren Streitigkeiten zwischen dem Besitzer und seiner Frau wegen eines verlorenen Prozesses. Der Mann be drohte die Frau mit einem Messer, die beiden Söhne warfen sich dazwischen und fielen dem Wütenden zum Opfer, während die Frau sich retten konnte. 8 Stuttgart, 6. Juni. In Balingen fand Nachts ein Wolkenbruch statt; die hochgeschwollene Eyach riß ein Wohnhaus samt den Bewohnern fort, 9 Personen werden vermißt. In Frommer« wurden 4 Hä ffer w-ggerffsin, auch hier werden 9 Personen vermißt. In Duerwangen wurde ein Haus weqge- schwemmt, in Lausen vermißt man 15 Personen. 8 D«e Ocdre, welche der Kaiser in Pasewalk an das Kürassier Regiment Königin richtete, hatte folgenden Wortlaut: „Ich will dem Kürassier-Regi ment Königin (Pommerschcs) Nr. 2 zu dem 150- jährigen Jahrestage des Sieges bei Hohenfriedberg einen besonderen Beweis Meiner königlichen Gnade dadurch zu Tut werden lassen, daß Ich seinen An gehörigen die Berechtigung verleihe, im Feldoerhält- vis und bei Paraden und im großen Dienst für Mannschaften und Offiziere, jedesmal wenn sie den blauen oder weißen Koller anleqen, ein Brusischild mit dem Namenszeichen des großen Königs, Meines erhabenen Ahnherrn, und den in dieser Schlacht von dem Regiment erkämpften Trophäen zu tragen. Ich thue dies in der Ueberzeugung, daß das Regiment dieses Zeichen Meiner dankenden Anerkennung sich zum Ansporn gereichen lassen wird, Mir, Meinem Hause und dem Vaterlands in gleich ausgezeichneter Weise zu dienen, wie es das bisher gethan hat." — Rach der Besichtigung des Regiments begaben sich der Kaiser und die Kaiserin zum Festessen nach dem Ka sino des Regiments, Nach dem dritten Gange erhob sich die Kaiserin zu einer längeren Ansprache, in der sie die Auszeichnung hervorhob, die dem Regiment zu Teil geworden, und betonte, wie sie als Ches vom Regiment erwarte, daß eS sich stets der allerhöchsten Gunst würdig zeigen möge, und wenn der oberste Kriegsherr einmal rufe, die Königin-Kürassiere dann ihr Leben und Blut für ihren König und Herrn mit Freuden einfl-tzien. Die Kaiserin wandie sich dann an ihren Gemahl, diesem im Namen des Regiments für die huldvolle Auszeichnung dankend, und forderte dis Tischgenossen auf, in den Ruf einzustimmen: „Ss. Majestät der Kaiser hoch!" der von der Na tionalhymne begleitet wurde. Gleich darauf erhob sich der Kaffer. Er sprach zunächst seiner Gemahlin fernen allerhsrzlichstsn Dank für dis im Namen des Regiment« gesprochenen freundlichen Worte aus. Dem Regiment sei bisher noch nicht die Ehre zu Teil geworden, daß die Königin selbst an dun Feste des Regiments sich beteilige. Bei der Enthüllung des Denkmals hätten wir einen Rückblick auf Friedrich den Großen gethan mit dem Hinblick auf die Gegen wart, auf das neu gegründete Reich. Damals habe Preußen mit allen Ländern im Kämpfe gelegen und heute befinde sich Deutschland mit alle» Ländern im „Das sehe ich nicht ein. — Fühle« Sie gar nichts für Horwitz? Er ist ein schöner Mann." „Der Gatte einer anderen." — „Pah, was geschieht nicht alles im Leben. Sie wären Baronin geworden! Herrin von GrunthaN Aber jetzt?" „Nun j tzt?" Sie fragte es zornerbebend. „Je nun! —" ein falsches Lächeln spielte um die dünnen Lippen des Fräuleins — „der Baron hat Leidenschaft! Vielleicht erzwingt er nun doch, was er will, und — nun jedenfalls werden Sie nicht mehr Baronin!" Heftig stieß Mela den Stuhl zurück und sprang auf. „Sie haben Talent zur Romanschriftstellerin, ein sensationeller Schluß ist also am Platze! Das Leben giebt sich einfacher: Melanie von Rosen wird den Herrn von Grunthal nie Wiedersehen." Aufge regt hatte Mela die Worte hcrvorgestoßen, sie ver ließ schon das Zimmer, als Fräulein Nerken rief: „Nun, wir wollen ja sehen!" Verstimmt durch die Reden Laura's, die in ihrer Gemeinheit so abstoßend für sie waren, hielt sich Mela am nächsten Tage in ihrem Zimmer auf. Das Wetter war rauh, der Wind fegte die letzten Blätter von den Bäumen. Man fühlte sich in dem gut ge heizten Raume geborgen — und begehrte nicht hinein in den Sturm. Mela, durch des Barons Abwesenheit erleichtert, hatte abends lange Briefe geschrieben. Spät erst bereitete sie sich zum Unterricht des kommenden Tages vor, und sah nun, daß ein dazu nötiges Buch noch in der Bibliothek sein müsse. Es war 11 Uhr. — Sie nahm ein Tuch um, die Lampe in die Hand