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rat Dr. Alfred Lehmann-DreSden beschlossen, die selben zu berücksichtigen. Ferner wurde beschlossen, den 8 14 der Statuten zu ändern. Das Stiftungs- kapital ist bereits über 10000 M. angewachsen; es wäre erwünscht, daß demselben aus Schützenkreiscn »och öftere Zuwendungen zugingen. Zu gleicher Zeit tagte ebenda der Vorstand des Wettinschützm- dundes und beschloß unter anderem, die diesjährige Generalversammlung am 29. Juli cr. in Zittau ab zuhalten. 1896 aber ein Bundesschießen entweder in Schneeberg oder in Chemnitz abzuhalten; weitere Beitrittserklärungen sind an Dr. Lehmann zu richten. — Bischofswerda, 10. Juni. Der Ver band sächsischer Gewerbe- und Handwerkervereine eröffnete gestern nachmittag seinen diesjährigen Ver- bandStag mit einer Sitzung des Vsrbands- ausschusses im Saale des hiesigen Schützen- Hauses. Zu Ehren der hier eingetroffenen Festgästs haben die Häuser unsrer Stadt reichen Flaggenschmuck angelegt. Im Laufe des gestrigen Vormittags wur den die aus allen Teilen des Königreichs Sachsen eintrcffenden Delegierten der auswärtigen Gewerbe- und Hcmdwerkcrvereine auf dem hiesigen Bahnhöfe empfangen und nach kurzer Begrüßung ia die Stadt geleitet, wo man sich im Hotel „König Albert" bei einem Frühconcert vereinigte. Nachmittags um 3 Uhr begann, wie bereits eingangs erwähnt, die erste Sitzung, an der die Vertreter der den stündigen Vcr- bandsausschuß bildende» Vereine teilnahmen. Mit einer herzlichen Begrüßung der Anwesenden eröffnete der Herr Berbandsvorsitzmde, H-rr GaSdirekior Thomas aus Zittau, die Verhandlungen, deren erster Punkt die Beratung des Statuter.entwurfe« für die Wettm-Stiftung bildete. Zweck dieser Stiftung soll es sein, wie im § 1 des Statutenenrwmfes gesagt wird, bedürftigen und würdigen Handwerkslehrlingen den Besuch von Fach- und Fortbildungsschulen durch gänzlichen oder teilweisen Erlaß des Schulgeldes zu ermöglichen. Zur Erreichung dieses Zweckes sollen, bis das Stiftungskapital durch freiwillige Spenden und Zinsenzuwachs d.eHöhe von 10000 M. erreicht hat, jährlich 100 M. aus den Ertragnissen der Stif tung verwendet werden. Gesuche und Zuwendungen aus der Stiftung sind bei dem geschäsiSführsnven Verein, dem Allgemeinen Handwerkervsrnn in Dres den, einzureiche». Doch sollen nur Gesuche von dem Verbände angehörenem Vereinen Berücksichtigung finden. Die Versammlung genehmigte den Statuteu- entwmf. Er soll der Hauptversammlung zur end gültigen Annahme vorgelegt werden. Dem hierauf von Herrn V-rbandSkassierer Kaufmann Schneider aus Zittau vorgetragmen Kassenberichte zufolge be trugen die Verenrsemuahmm für die Zeit seit dem letzten Verbandstage vor zwei Jahren zusammen 1074 M. 30 Pf., die Ausgaben 930 M. 3 Pf., sodaß ein Ueberschuß von 144 M. 27 Pf. verbleibt. Das Vermögen des Verbandes erhöht sich durch diesen UebersLuß von 312 M. 54. Ps. auf 456 M. 81 Pf. Dem gemachten Vorschläge, den Mimmalbeitrag zur Vereinkaffe von 2 M. auf 3 M, für Vereine mit einer Mitgliederzahl bis zu 150 zu erhöhen, wurde nicht beigestimmt, sondern beschlossen, der Hauptversammlung die Erhebung des alten Satzes vorzuschlagen. Im Anschluß an die VnbandLcms- schußsitzuvg fand eine allgemeine Versammlung statt, von welcher zum 3. Vorsitzenden der Hauptversamm' luug der Vorsitzende des hiesigen Vereins gewählt wurde. Als Schriftführer wühlte mau die Herren Patentanwalt Schmidt - Dresden und Registrator Paugritz aus Zittau. Nach Aufhebung dieser Ver sammlung vereinigte man sich im Garten des Schützen- Hauses zu einem gemütlichen Beisammensein. Abends gegen 8 Uhr nahm in dem mit Handwerkeremblemen, Tannengrün und Guklcmden Prächtig dekorierten Saale des Schützenhauses das Festmahl seinen An fang, das von dem Herrn Bürgermeister unserer Stadt mit einem kräftigem Hoch auf Se. Majestät den König Albert eröffnet wurde. Zahlreiche Reden ernsten sowohl als auch heiteren Inhalts würzten die Tasel, die erst gegen Mitternacht aufgehoben wurde. — Eine schreckliche Fahrt mußte am 10. d. M. der GasthofSbefitzer Klinger in Miltitz mit seiner Frau und einem etwa 20jährigen Neffen erleben. Sie wollten mit Geschirr nach Grumbach b. Wils» druff fahren, um der Fahnenweihe des dortigen Militär vereins beizuwohnen. Kaum waren sie aber von ihrer Wohnung weggefahren, als plötzlich die Pferde scheu wurden und durchgingen. Die Twre rasten mit dem leichten Wagen die Dorsstraße hinab und bogen, als sie über die Gahngeleise gekommen waren, die Straße nach Roitzschen zu ab. Durch die verschiedenen Stöße, welche der Wagen erhielt, war derselbe all mählich so beschädigt worden, daß er plötzlich in der Mitte auseinanderging. Die Insassen stürzten in folgedessen sämtlich auf die Straße und die Pferde rasten mit dem Vorderteil des Wagens weiter. Am schwersten verletzt wurde Frau Klinger, sie wurde blutüberströmt und bewußtlos in das kleine, an dem Kalkwerk stehende Haus gebracht. Ihr Gatte und sein Verwandter erhielten ebenfalls bedeutende Ver letzungen am Kopfe und Rücken. 8 Berlin, 11. Juni. Gegen den Vertreter von Chemnitz, den Reichstagsubgeordneten Schippel, ist Anklage erhoben worden, wei! er die Vorgesetzten der deutschen Armee beleidigt haben soll. Der Straf antrag ist vom preußischen Keiegöminister Bronsart von Gchsllendors im Namen der deutschen Armee gestellt worden. Der Prozeß sollte gestern verhandelt "werden, doch mußte der Termin vertagt werden, weil das Gericht durch anders Verhandlungen in Anspruch genommen war. 8 Das Luther-Denkmal auf dem Neuen Markt in Berlin ist Dienstag in Gegenwart des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, als Vertreters des Kaisers und einer ansehnlichen Versammlung von hohen Würdenträgern und Bürgern der Stadt unter dem Gesang des Liedes „Nun danket alle Gott" ent hüllt worden, Auf einem Unterbau von prächtig polierten braunen schlesischen Granit erhebt sich das Denkmal, zu welchem zehn breite Stufen hinaufführev, rings umgeben von Granitballustraden. Der hohe Unterbau nimmt gleichzeitig Wohl einige hundert Personen auf. An den Trcppsnwangen halten in sitzendi« Stellung gleichzeitig Ulrich von Hutten und Franz von Sickingsn Wacht. Luther selbst ist in mehr als doppelter Lebensgröße ausgeführt, der Kopf in Anlehnung an Usberlirsrrungen von Lucas Cranach. Noch sechs weitere Mitkämpfer Lmhers sind in weit über L-bensgröße an dem Denkmal verherrlicht. Melanchton und Guggenhagen stehen ihm auf Vor sprüngen des Sockels zur Seite, Reuchlin und Spa- iatin, Jonas und Krutziger sitzen ihm zu Füßen, die letzteren je zwei und zwei zu einer Gruppe vereint. Dw Figuren sind sämtlich aus Bwnzeguß. Das Denkmal ist wohl das imposanteste rm heutigen Berlin. Ansprachen hielten Kammsrgerichtsrat Schr öder, als Vorsitzender des Denkmal-Komitees, General- Superintendent Faber und Oberbürgermeister Zelle, welcher im Namen der Stadt das Monument über nahm. ß Berlin, 11. Juni. Dem preußischen Ab geordnetenhaus« ging heute folgende Interpellation zu: Weiche Maßregel hat die Regierung ergriffen oder beabsichtigt dieselbe zu ergreifen, um die bei dem Prozesse Mellage zu Tage getretenen, der Mensch lichkeit, den Erfordernissen der ärztlichen Wissenschaft und den Gesetzen widersprechenden Zustände in pri vaten oder unter der Leitung von Korporationen stehenden Irrenanstalten zu beseitigen und eine durch greifende staatliche Beaufsichtigung herbeizuführen? Z Der 8. allgemeine Deutsche Handwerkertag in Halle a. S. hatte den Antrag auf Abordnung einer Deputation an den Kaiser angenommen. Im Vollzug dieses Beschlusses richtete der Zentralvor- stand des Handwerkerbundes an den Kaiser daL Ge such, einer Deputation eine Audienz gewähren zu wollen, um in derselben die Beschlüsse des Hand- werkertages überreichen zu dürfen. Auf diese Imme diateingabe wurde den Vorständen des Handwerker bundes durch das kaiserliche Zioilkabinett miigeicilt, „daß Se. Majestät bedauere, die Deputation nicht empfangen zu können, aber die schriftliche Einsendung der Beschlüsse deS8.Handwerkertages anheimstellen lasse. 8 Bei der Eröffnung des NordorstseekanalS werden die noch am Kanal thätigen Arbeiter zur Begrüßung der Schiffe an bestimmten, durch ent sprechende Dekorationen besonders kenntlich gemachten Plätzen am Ufer des Kanals Aufstellung finden. Am 20. Juni wird ihnen in den bestgelegenen Baracken eine festliche Bewirtung zu teil, an der sich sowohl Beamte der Kanalkommission wie auch die Unter nehmer beteiligen. 8 Der bekannte Naundorff, welcher sich für den Abkömmling des Dauphin, sog. Ludwig XVII. von Frankreich ausgiebt, hat anläßlich der bevorstehenden Kieler Festlichkeiten an das französische Volk ein Manifest gerichtet, in welchem es u. a. heißt: „In meiner Eigenschaft als Erster der Franzosen, erkläre ich vor der ganzen Welt, daß ich durch mein Still schweigen nicht den Anschein erwecken will, als sei ich an der Demütigung, die Frankreich in Kiel er leidet, mitschuldig!" 8 lieber eine Rettrrngsthat, dis auf Persönliche Anordnung des Kaisers vollführt wurde, wird be richtet : Als am letzten Donnerstag nachmittag der Kaiser mit der Fregatte „Royal Luise" eins Segel fahrt auf dem Wannsee bei frischer östlicher Brise unternahm, kenterte dicht beim Schiffe ein kleines Boot, das von dem in Berliner Segleckreisen bekann ten H rrn Eichmann geführt wurde. Der Kaiser, der den Unfall zuerst bemerkte, beorderte sofort die begleitende Dampfpinasss zur Hilfeleistung, die sehr von nöten war, da das stark gebaüastrts kleine Segel boot sofort sank. Herr Eichmann wurde an Gord der Pinaffe ausgenommen und »ach seinem Wohnsitz am Wannsse befördert. 8 Als erstes ausländisches Kriegsschiff traf zur Kanatfeier am Sonntag nachmittag der amerikanische Aviso „Marblehead" mit 241 Mann Besatzung in Hamburg em. Zwei iyn bis zur Erbmündung begleitende Panzer dampften von dort nach Krel- 8 Thorn, 11. Juni. Sechs Ziegelarbeitsr und ein Artillene-Uüterosfizür fuhren in einem kleinen Kahn über die Weichsel. Mitten auf dem Strome begannen sie zu schaukeln, infolgedessen schlug das Fahrzeug um und vier Arbeiter und der Unteroffizier ertranken. Die beiden anderen Arbeiter konnten sich retten. 8 Kattowitz, 11. Juni. Das Feuer in der Grube „Segen Gottes" in der Antonienhmte brach vormittags 10 Uhr auf bisher unaufgeklärte Weiss aus. Dem größten Teil der BUegNannschasten ge, lang es, rechtzeitig das Freie zu gewinnen. Fünfzig Man» wurden bewußtlos und neun als Leichen zu Tage gefördert. Unter den Getöteten befanden sich zwei Steiger. Mit Hilfe der herbeigeeilten Rettungs mannschaften und Feuerwehren wurden dis Bewußt losen ins Lebe« zurückgerufen. 15 Mann werden vermißt, sie sind wahrscheinlich erstickt. Zur Zeit werden Versuche angestellt, das noch unmerfort wü tende Feuer durch Mauern einzudämmen. Kus dem Ersehntes Glück. Original-Novelle von Marie Wirth. Nachdruck «erboten. (Fortsetzung.) Doktor Wirker, der V-tter Gilbert'L und Annet tens war gestorben, als Gilbert eben das Abitu- rtentenexamen gemacht hatte und sich nun darauf vorbereitete, die kleine Stadt in S—schen zu ver lassen, um in Berlin das Baufach zu studieren. Architekt zu werden, war der glühendste Wunsch des jungen, für dieses Fach glänzend talentierten Men schen. Des Vaters Tod fiel nun vernichtend in alle Hoffnungen und Pläne Gi-bert's. Reichten doch die Zinsen des kleinen Vermögens, welches Doktor Wirker den Seinen hinterlassen, kaum hin, den Hausstand der Witwe auf dem allerein fachsten Fuß zu erhalten. Frau Wirker konnte somit von ihren Einkünften auch nicht einen Thaler für das Studium des Sohnes verwenden. Die Hilfe guter Freunde aber wollte sie nicht in Anspruch nehmen. Da, als Gilbert bereits zu resignieren ver suchte und schon gewillt war, sich zum Postfach zu melden, um all' seine schönen Hoffnungen in einem subalternen Dienst zu begraben, fiel ihm Annette eines Morgens glückselig um den Hals: „Du sollst auf die Akademie. Ich aber will es fein, die Dir dazu verhilft. — Du weißt doch, Bruder — daß ich als Backfisch die Putzmacherkunst erlernte. Nur zu meinem Vergnügen eigentlich, denn damals lebte ich ja auch der Hoffnung, die glückliche Gattin Vetter Josts zu werden. Nun, seitdem rühmte man allgemein den guten Geschmack Deiner Schwester und ihre Geschick ¬ lichkeit. Manche Dame trägt auch heute noch eine Kopfbedeckung, die meine Hand verfertigt. Was ich bisher gegen einen „freundlichen Dank" gsihan, will ich mir jetzt mit klingender Münze bezahlen lasten." Gilbert hatte erschrocken die Hände erhoben. Seine Schwester sollte Putzmacherin werde» — für Geld arbeiten! Es war unmöglich! Das verstieß gegen alle Traditionen der kleinen Stadt A—bürg, in dem die Wirkers zu den Honoratioren gehörten. Annette aber war eine gar resolute Person. Mehr als zehn Jahre älter wie der Bruder, der ihr von acht Geschwistern allein am Leben geblieben — hatte sie ihm gegenüber stets dis Rolle einer mütterlichen Beraterin gespielt, die für ihn dachte und um ihn sorgte. So nahm sie auch jetzt „seine Zukunft in die Hände," wie sie sich ausdrückte, und warf sich mutig der Arbeit um das tägliche Brot in die Arme. Frei lich — zur Schande der Krähwinkler in A—bürg sei es gesagt — verlor das brave Mädchen damit an Ansehen unter den Leuten. Andererseits aber erwies sich ihr Unternehmen durchaus segensreich. Annette Wirker ward im Handumdrehen die gesuch teste Putzmacherin am Oct. Mit ihrem Verdienst vermochte sie aber alle Bedürfnisse des Haushalts zu bestreiten, so daß es der Mutter möglich war, dem Sohn die Mittel zum Akademiebesuch zu überant worten. . . Ja, Gilbert hatte sogar seine kühnsten Wünsche erfüllen und nach Beendigung der Studien nach Ita lien gehen dürfen, um in Venedig, Florenz, Rom und Neapel an de» Werken der großen Meister seines Fachs zu lernen. Fast berauscht von den gehabten Genüssen kehrte er dann nach A—bürg zurück. Kaum aber gelang es ihm nun in der nahen Hauptstadt seines Vaterlandes — auf dm Staats dienst verzichtend, die bereits erwähnte private Stel lung zu erhalte», als die Doktorin nach kurzem Kran kenlager starb. Vorher aber hatte sie noch, den wiederholten Bitten Gilberts folgend, zu Gunsten Annettens testiert, die, nachdem sie in jugendlichem Atter den Bräutigam verloren, für immer allen Heiratsgedanken entsagt. Das Fläulein kaufte sich jetzt das kleine Haus, auf weichem bisher ihr Vermögen hypothekarisch ficher-gestellt gewesen. G-lbert aber zog zu ihr, trotz dem er es doch um vieles bequemer gehabt Hütte, wenn er tn der Residenz selber gewohnt haben würde. Aber einerseits erweckte es ein besonderes Behagen in ihm, unter den alten Mobilien zu leben, die schon seine Kinderseels gesehen — andererseits aber gedachte er auch, sich nun erkenntlich zu zeigen. Er wollte für die Schwester sorgen, deren schlichte Thätigkeit ihm ja übsrhaupt ein Dorn im Auge war. Annette hatte jedoch ihre eigenen Gedanken über diesen Punkt: „Ich will van niemandem abhängig sein", sagte sie, „so lange ich noch arbeiten kann. Später aber — Gilbert, wenn ich alt geworden und meine Hüte und Hauben nicht mehr gefallen wollen, werde ich gern aus Deinen Händen das tägliche Brot nehmen". Bei diesem Ausspruch blieb es, wie oft Gilbert auch im Laufe der Zsit, gleich wie zu Beginn dieser Erzählung — versucht, die Schwester umzustimmen. 4- 4° Annette Wirker hatte ihre große Spätherbst wäsche gehabt. Jetzt stand sie mit der Klammer schürze vor dem schlichten graugeftreiften Wollenkleid