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des hiesigen Oberen Bahnhofes ihr Nest gebaut, haben weiße Junge ausgebrütet. — Zittau, 25. Mai. Ein Schuhmachergeselle litt seit etwa vierzehn Tagen an starken Magen schmerzen, Uebelkeit, Appetitlosigkeit und sonstigen Beschwerden, die auf einen erkranken Magen schlie ßen ließen. Er begab sich infolgedessen bei einem Grottauer Arzt in Behandlung, der ihm nach statt gehabter Untersuchung ein Brechmittel eingab. Das selbe verfehlte seine Wirkung nicht. Wer aber be schreibt das Erstaunen des Patienten, als mit dem Mageninhalte eine — lebendige (! ?) Eidechse zum Vorschein kam. Jetzt besann sich derselbe, daß er gelegentlich einer Bergpartie aus einem Quell ge trunken hatte, wobei wahrscheinlich das Tier in den Magen gelangt war. Nach Aussage des Arztes hätte in etwa 4 Wochen der Tod des Gesellen eintreten können. Dieses Vorkommnis soll nach den „Z. N." vollständig auf Wahrheit beruhen. 8 Vom Für st en Bismarck. Ueber die Unterhaltung, die Fürst Bismarck bei der Tafel kürzlich mit seinen Leipziger Gästen geführt har, Werden jetzt interessante Mitteilungen gemacht. Man sprach vom Generalfeldmarschall v. Moltke. Der Fürst sagte: „Wir Beide waren zwei grundverschie dene Naturen. Moltke war stets, wie es in dem Göthe'schen Gedicht heißt, „kühl bis ans Herz hinan". Ein Durchgänger ist er nie gewesen. Ich Hube nur ein einziges Mal einen Scherz von ihm gehört, und zwar war das in sehr ernster Stunde. Es war am 15. Juni 1866 Der Graf war meiner Einladung zur Tafel gefolgt. Ich fragte ihn, ob Mr nicht in 24 Stunden losschlagen könnten. Moltke stand auf und ging überlegend in der Stube hin und her. Dann sagte er kurz: „Ja!" — „Also los!" erwiderte ich. Als sich Moltke bald darauf entfernte, drehte er sich, schon zwischen Thür, und Angel, nochmals um und sagte mit Bezug auf ein vorauSgrgangenes Gespräch: „Wissen Sie auch, daß dis große Elbbrücke in Dresden gesprengt worden ist?" — „Meso?" fragte ich erstaunt. — „Ja; aber nur mit Wasser . . Die liebenswürdig« Behaglichkeit, mit welcher der greise Fürst diese Episode zum besten gab, war un beschreiblich. „Manchmal", erzählte er von Moltke weiter, „geschah e«, daß ich den Grafen nachts zn mir bitten ließ. Nur wenige Minuten dauerte es, da trat er m wein Zimmer, stets im strammen sol datischen Gewand und mit gewichsten Stiefeln. Bis weilen suchten wir des Nachts noch den König auf (Wilhelm I.). Einmal komme ich auch um 3 Uhr morgens zum König. „Nun, Bisma'ck", sagte der König, „Sie kommen ja mit weißer Kravaite? ' — „Majestät, die trag' ich noch von gestern!" Das Auge des Fürsten bsitzte Heller auf, als er dies er zählte. „Ja, ja, der alte Herr!" sagte er sinnend; „solch ein Manu kommt alle hundert Jahr« nur ein- mal . . ." Mau kam aus die politisch- Entwickelung Sachsens zu sprechen. Der Fürst entwickelte hierbei höchst interessante Gesichtspunkte. Er sagte etwa: s „Die Selbständigkeit Sachsens sei ;m Jahre 1866 s recht bedroht gewesen. Ihre Rettung sei wesentlich j das Virdienst der Gesinnung des Königs Johann i und des Prinze« Albert gewesen. Preußen hab« die s Wahl zwischen Hannover oder Sachsen gehabt. Die z Welsen hätten kine schlechte Gesinnung, über sie seien ! nicht zuverlässig gewesen. Entscheidend war, daß s Hannover mitten in Preußen liegt. Wir wußtm > auch, daß wir uns, wenn dis Selbständigkeit Sach- s fms gewahrt blieb, auf König Johann verlassen s können. König Johann Hut uns ja mancherlei s Schwierigkeiten bereitet, besonders durch Damen, i aber wenn er sich erst einmal entschieden hatte, war j er auch durchaus zuverlässig. „Bei Ihrem jetzigen s König", so schloß der Fürst mir warmer Ueber- - zeugung, „ist jeder Zweifel hinfällig; er ist mit Leib und Seele deutschnational und von unvergleichlicher Liebenswürdigkeit". Im weiteren Verlauf der Unter haltung nahm Reichstagsabgeordneter Hasse Ver anlassung, dem Fürsten einen Gruß seines Sohnes Herbert auSzarichten. „Wie macht er sich denn?" fragte der Fürst. „Wir stimmen sehr gut zusammen", entgegnete Dr. Hasse. „Wir haben erst gestern in einer Sache Beide mit Ja gestimmt", worauf der Fürsttrockenbemerkte:„Jstauch eineBeschäftigung!. Fürst Bismarck wird die badischen Oberbürgermeister am 12. Juni empfangen und in dieser Woche die Adresse der Städte des Fürstentums Schwarzburg- Rudolstadt eutgegennehmm. Z Der orkanartige Sturm, der in den letzten Tagen im Kanal und in der Nordsee wütete, hat viel Unheil ungerichtet und auch den Untergang der deutschen Bark „Joachim Christian" und der norwe gischen Bark „Ceylon" herbeigeführt. Während von ersterer überhaupt Niemand von der Mannschaft ge rettet wurde und nur zw.-t bisher uufgefischte und in Lowestoft gelandete Leichen von dem Unfall ein stilles Zeugnis ablegen, ist ein T tl der Mannschaft der norwegischen Bark auf sonderbare Weise ge- rettU und rn Dover gelandet worden. Den Schiff bruch und die von ihnen ausgestaudcucn unsäglichen Leiden schildern die vier Ueberlebenden wie folgt: Das Schiff war zwischen die gefährlichen Sandbänke unweit Jarmouth geraten und schließlich auf der Hasborough Bank gestrandet. Die Mannschaft ver- tebie von Sonnabend zum Sonntag eine fürchterliche Nacht; sie war des stürmischen Wetters wegen ge zwungen, sich an den Hintermast festzubinden. Bald mußte dieser aber, um das Schiff vor dem Kentern zu bewahren, gekappt werden. Die Mannschaft sah sich nun genötigt, auf Händen und Füßen und be ständig von den über das Schiff brechenden Wellen bespült, über das Deck nach vorn zum Vorderwast zu kriechen und sich au diesem wiederum ftstzrbinden. Gegen 2 Uhr nachts rissen die Wogen den Groß mast und die Takelung des Bordermastes über Bord, zertrümmerten auch die drei Schiffsboote. Dann fiel auch der Bordermast, die Leeseite der Bark brach fort, so daß die Ladung aus dem Schiff herausge spült wurde. Trotz der hin und wieder abgefm«rtm Notsignale und des während der ganzen Nacht ge zeigten Flack-rfemrs, nahte den armen Schiffbrüchi gen, die bis mif's äußerste erschöpft waren, keine Hilfe. Zs kamen allerdings vier Dampfer und zwei Segelschiffs in Gicht, keines aber kam zur Hilfs. Mochten sie nun die Notsignal« nicht bemerkt haben oder wegen des schweren Seegangs nicht an die gs- Mruche Strand nugLstell? Habs» herankommen können, genug, zur entsetzlichen Enttäuschung der Armen gingen sämtliche Schiffe ruhig vorüber. Am Sonn tag mittag kam daun das Ende: Die „Ceylon" brach mitten durch in zwei Teile. Während nun das Vorderteil sofort auseinanderbrach und die 6 auf ihm befindlichen Seeleute in den Wellen begraben wurden, löste das Hinterteil sich los, trieb in die Nordsee hinein und wurde hier von den; vorüber- komMenden Dampfer „Newcastle" ungelroffm, der den Kapi'än und drei Manu der „Ceylon" geborgen und in Dover gelandet hat. § Dt? Nord-Ostdeutsche Gewerbe-AuSstellungist soeben in Königsberg i. Pr. feierlich von dem Oberplüfidenten Grafen Wilhelm Bismarck eröffnet worden. In seiner Eröffnungs-Rede betonte der Oberpräsident die Notwendigkeit des Zusammenar beiten«; von LaNdBirtfchaft und Industrie; er schloß mit einem Hoch aus den Kaiser, den Schirmer des Friedens. In Posen ist di« Provlnzialgewsrbeaus- steüung eröffnet worden. Obsrp-.äsideM Frhr. von Wilamvwitz hielt dis E-öffaungSrsde. Er dankte allen Beteiligten, den Behörden und Einzelnen, ins besondere auch dem Ausstellungskomitee sür ihren Eifer und hob den innigen Zusammenhang aller Produktionsstände hervor, dabei die fundamentale Bedeutung von Handel und Industrie für die Städte betonend. Redner schloß mit einem begeistert auf genommenen Hoch auf den Kaiser. Oberbürgermeister Witting begrüßte hierauf die Erschienenen namens der Provinzialhauptstadt und gab der Hoffnung Aus druck, daß reiche Anregungen von der Ausstellung ausgehen mögen für das gewerbliche Leben in der Provinz. Sein Hoch gelte der Provinz Posen, die nach so vielen Stürmen dec inneren Ruhe, des Frie dens und der Thättgkeit dringend bedürfe. 8 Kiel, 27. Mai. Nach der „Kieler Ztg." erfolgte heute mittag auf dem für die Türkei auf der Germaniawerft erbauten Torpedcjäger tn der Eckern- föcder Bucht eine Explosion. Dos Deck des Schiffes wurde vollständig aufgerisien. Sechs Mann wurden schwerverbrüht nach Eckernförde gebracht. Der Dampfer „Hollmann" wurde von Kiel zu Hilfe gesandt. Der Dampfer schleppte später den arg beschädigten Tor pedojäger, von dessen Besatzung 7 Mann tot und 12 schwer verwundet sind, sämtlich Angehörige der Ger- mamawerft, in den hiesigen Hafen ein. 8 Köln, 26. Mai. Gestern nachmittag kurz nach 5 Uhr fuhr während eines heftigen Gewitters ein Blitzstrahl in bas Treckenhaus der Pulverfabrik Osenberg bei Halver und brachte dasselbe zur Ex plosion. Es sind die Gebäude der Fabrik mehr oder minder beschädigt. Menschen sind nicht verletzt. 8 Köln, 27. Mai. Bei der heute hier statt- gesundenen Reichstagsstichwadl erhielt Landgsrichts- rat Greis (Zentrum) etwa 12 500, Lüttgenau (So zialdemokrat) 7800 Stimmen ; das Resultat ans einem Bezirk steht noch aaS. Greis ist sonach als gewählt zu betrachten. 8 Eschwege, 27. Mai. In Königinthal an der sogen. Schäferbura hat ein mächtiger Felssturz stattgesunden. Ein« 100 Fuß hohe Felswand ist ab- gestürst, ein großes Stück Buchenwald mit sich fort reißend. Die Erschütterung war so gewaltig, daß die Bewohner ter umliegenden Ortschaften anfangs an ein Erdbeben glaubten. 8 Würzburg, 27. Mai. Bst einer ia dem hiesigen Drogmgeschäst von Sveder staltgefundmm Benzm-Exploston wurde das ganze Haus vollständig demoliert und ein Dienstmädchen getötet. ** Antwerpen, 27. Mai. Gestern wurde ein VergmtgungsdaMpfer von einem anderen Dampfer mitten durchzefchnitten. Die Insassen wurden dis auf «inen gerettet. ** Aus Paris wird geschrieben: Heute be ging Baron Rotschild seine Vermählung mit Fräul. Mathilde von Wrißenweillcr. An die Trauung im Tempel der Rue de la Victoire schloß sich ein Em pfang bei der Baronin Nathaniel. Roischild tn deren Palais, wo besonders die Pracht der ausgestellten BraMgaven Bewunderung erregte' Es sin« eme kaum zählbare Menge echter Schsmcksachm u. Kunstwerke, unter denen besonders hervorragen: sm Rubinen schmuck, Geschenk der Baronin Nathaniel Rothschild, bestehend aus einem von Blätterwerk gebildeten Diadem, zwei Armbändern, emem aus drei riesigen Rubinen gebildeten Trofle und einem prächtigen Brillanten Halsband, dessen Mittelstück aus Rubinen besteht und das fünf Gehänge aus Rubinen besitzt. Dazu hat die Baronin noch einige Stücke aus ihrer Sammlung gefügt: eine Breloqu? aus blauem Email und Brillanten, dis einst dem Jermizen v. Conds gehörte; ein Rmg mit einem großen persischen Türkis zwischen zwei Brillanten; ein? von einer schwarzen, weißen und roten Perle gebildeten Broche; ein Arm band von einer Kette Diamanten gebildet, in deren Verlören rmd Gewmmn Novelle von (5. Martin. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Glühend rot beugte sich Mela zu dem Kinde nieder. Ec hatte Recht gehabt, si- war reicher geworden in den letzten Wochen, — sie hatte so achtlos früher den Schatz übersehen, der für sie zu heben war. An der Thür ertönte leises Klopsen. Herr von Rosen öffnete. Mit einem Karton trat er aus Mela zu. „Für Dich, mit dem Poststempel „Dresden". ..Wen hast Du dort?" Mit zitternden Händen löste Mela die Fäden, ein süßer Duft strömte ihr evtgcgm. „Veilchen sind drinnen", ruf das Kind. „Wie schön! Zu Weihnachten Veilchen!" Das letzte Seidenpapier fiel: Mela's bebende Hände hielten einen prachtvollen Strauß von Veil chen und Theerofen. Sie drückte lhr Gesicht hinein, — zwei glänzende Tropfen fielen auf die Blumen. * * * Draußen Sturm und Regen, drinnen Heller Sonnenschein, Lenchens Strmme klang wieder durch die Räume, und Leonie's Krankheit besserte sich zu sehends bei Mela's Pflege. Sie empfand die frohe Stimmung des Mädchens mit Behagen, ohne nach der Ursache zu forschen. „Vielleicht hat Blumenreich ihr von seiner Liebe gesprochen und sie fühlte ein menschliches Rühren!" Herr von Rosen betrachtete alle Abende kopf schüttelnd seine Schwester, dis bei der ariftregeude« Pflege der Frau noch Znt für Wirtschaftsfragen hatte, deren Munterkeit die Abende für ihn zu so genußreichen zu machen verstand. Mela, die nach jenem Kirchenbesuch nichts Eiligeres zu thun gehabt, als mit ihrer festen, charak tervollen Handschrift das Bibrlwort, welches Graf Rodach ihr wiederholt, niederzKschrsiben, beherzigte dasselbe wohl. Wie nahe schien ihr das Mück! Er liebte sie ja! In Tagen, in Stunden schon, konnte das Wort gesprochen werden, welches sie in deu Himmel hob! Würde es anders kommen? Nein, das war nicht auszudenken! Er mußte Wissen, daß unter seinen Blicken alle edlen Regungen ihres Herzens mächtig aufstcebten, daß es leicht für fic sei, gut zu sein, wenn er ihr nahe. So sah sie mit Behagen den Ausruhr der Ele mente zu und schloß lächelnd die Augen, auch wenn ihr der Sturm ein Schlummerlied saug. „So tobt« es noch vor wenigen Wochen in mir", dachtest«. „Nun ist's still, ganz still! Bald sprossen die Frühlingsblumen, bald ist der Winter dahin — und dann — dann? Kaun ich dann glücklicher werden?" Auf dem Spaziergang«, den sie jetzt täglich mit Lenchen, die der Obhut der Bonne noch nicht anver traut ward, machen mußte, traf sie wohl ihre Freun dinnen und Bekannten, doch nie den Grafen Rodach. Wie freudig begrüßte daher Mela die glänzende Eisfläche, die den Stadtgraben gefangen nahm und Jung und Alt hcmkdcrlvckte. Elastischen Schrittes, die Schlittschuhe im Arm, eilte sie ihrem Bruder immer voraus. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, denn hier, wo alle Welt sich traf, mußte sie ihn ja Wiedersehen. Sie hatte schnell anschnallen lassen und war im Be griff, ihrem Bruder davonzueilsv, als sie bei einer Wendung des Kopfes Rodach neben sich fah. Ihre Hände fanden sich zu innigem Drucke. „Wie froh kuu ich," sprach der Graf, „Sie hier frisch wiedcrzusehsn! — Sie haben eine Harts Zeit durchlebt und treulich ihre Pflichten erfüllt. Wie glücklich muß Sie das Bewußtsein machen, den Ihrigen ein Trost und eine Stütze gewesen zu sein." „O," rief Mela lebhaft, „Sie loben mich wirk lich über Gebühr, Herr Graf. Ich habe bei Lenchens Pflege kein großes Opfer gebracht, denn die Liebe, die das süße Ding wir plötzlich schenkte, hat reich lich alle Mühe aufgehoben." „So haben Sie doch dm Segen dieser Kinder» gemeinschaft empfunden?" „Ja, Sie haben wieder Recht gehabt! Ich be- daure von Herzev, daß ich nicht schon früher solchen Schatz, wie Lenchens Zärtlichkeit, mir erobert." „Sie können jeden Schatz haben, Mela," sagte Rodach warm. „Wer Liebe giebk, empfängt sie auch wieder für alle Zeiten." Rosen, der so lange mit Bekannten geplaudert, trat heran. „Wie, mein Schwesterchen steht noch steif und still und konnte es doch gar nicht erwarten, bis die Esten festsaßev? Ist Dir Deine alte Geschicklichkeit abhanden gekommen?" „Wollen Sie sich meiner Führung anvertrauen?"