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schlug plötzlich der Drehling zurück und traf den Arbeiter Wächtler derart am Kopse und am Rücken, daß er vom Platze getragen Werden mußte. Dem Arbeiter Hinke wurde der linke Daumen vollständig zermalmt. Die Verletzten wurden nach hier gebracht, wo ihnen von dem sofort herbeigerufenen Bahnarzt Dr. Haller aus Zschopau die nötige ärztliche Hilfe zu Teil ward. 8 Berlin, 15. Mai. In militärischen Krei sen verlautet, daß der Prinzregent von Bayern an läßlich seiner Teilnahme an der Nordvstseekanalfeier den Kaiser einladen werde, in dem nächsten Jahr den bayrischen Manöver» beizuwohnen und sein Gast in München zu sein. Z Berlin, 15. Mai. Ewe Anklage wegen Beleidigung durch Gesangbuchverse gelangte gestern vor der sechsten Berufungskammer des Landgerichts 1. zur Verhandlung. Eine junge Witwe, die den Namen Jungfer führte, und zwei ihrer Freundinnen, die Ella und Gretchen H., waren beschuldigt, die ältere aber noch unverheiratete Tante der Frau Juagfer, die Lehrerin N., durch eine Postkarte beleidigt zu haben. Der Adekssatin wurden auf der Postkarte die „LisbltngSgesänge der sitzengebliebenen Mädchen in den verschiedenen Lebensaltern" aufgeführt: 20—30 „Liebster Jesu, wir sind hier", 30—40 „Es ist gewißlich an der Zeit", 40 — 50 „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir!" 50—60 „Nun ruhen alle Wälder!" Unterzeichnet war di« Karte, die von Frau Jungfer diktiert, von Frl. Ella geschrieben und von Frl. Gretchen zur Post gebracht war, mit „Beste Grüße von einem glühenden Verehrer!" Die Adressatin er stattete gegen die drei Damen Strafanzeige, das Schöffengericht fällte aber ein sreisprechendes Urteil, da es der Behauptung der drei Angeklagten glaubte, daß sie eine beleidigende Absicht nicht gehabt hatten, sondern nur in jugendlichem Uebermut einen, aller dings nicht empfehlenswerten Scherz statten machen wollen. Die Lehrerin war mit dieser Auffassung nicht einverstanden und ebensowenig der Staats anwalt, der Berufung einlegte. Im gestrigen Ter mine erzielte die Beleidigte, daß der Gerichtshof unter Aufhebung des ersten Urteils die Angeklagte Frau Jungfer zu zwanzig Mark, die beiden Fräulein N. zu je 10 Mar? Strafe verurteilte. 8 Der R e i ch s t a g s s ch l u ß wird aller Wahr scheinlichkeit nach Mitte nächster Woche erfoigen; Wenigstens lauten dahin übereinstimmend die bezüg lichen Meldungen. Auch soll bereits eine Verein barung zwischen dem Reichekanzler und dem Präsi dium des Reichstages in diesem Sinne stattgefunden haben. Die beiden Nachtragsetats und das sogen. Not-Zuckersteuer-Gssitz stansen bereits am Donners tag zur Beratung. Nunmehr werden der Antrag der wirtschaftlichen Vereinigung betr. den Handel und Verkehr mit Butter rc. und die Branntweinsteuer- Novelle, die bis dahin für das Plenum reif sein wird, zur Beratung gestellt werden. Damit wird im Großen und Ganzen das Arbeitspensum des Reichstages er schöpft sein. Das Börsenreformgesetz wird also leider nicht mehr zur Beratung gelangen. 8 Die Reichseinnahmen sollen, wie nach der „Freis. Ztg." verlautet, im April, also im ersten Monat des Etatsjahres 1895/96 wiederum nicht un erhebliche Mehreinnahmen geaen das Vorjahr er geben haben. Da der neue Etat noch hinter der Jsteinnahme des Vorjahrs zurückvleibt, folgert das citierte Blatt, so ergiebl sich aus's neue, daß die Forderung einer Erhöhung der Tabakbesteuerung auch in demjenigen Betrage ungerechtfertigt war, der zuletzt von dem Schatziekretär Grafen Posadowsky in Höhe von 10'/s Millionen verlangt wurde. 8 Eine Neuerung im Verkehr der Fernsprech ämter mit den Teilnehmern „vor und nach einem Arts dem Walde. Roman von M. B r a n d r n h. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Herrn Walter aber sträubten sich die Haare, und wiederholt schauderte seine lange spindel dürre Gestalt in sich zusammen, als er mit ange spannter Aufmerksamkeit den Worten des Erzählers lauschte. Als dieser aber geendet, rief er, noch alle Zeichen des Schreckens in dem blassen Gesicht: „Und nachdem Ihrer armenTochter so Entsetzliches passiert, kommen Sie doch schon heute wieder mutterseelen allein nach dem Bahnhof spaziert, als liefen statt der grimmigen Raubtiere nur wie sonst harmlose Rehe und Hasen im Walde herum?" Rinow mußte lachen. „Nun, so mutterseelen allein habe ich mich denn doch nicht aus dem Bau gewagt," sagte er dann. Und mit der Rechten aus die Hunde zeigend, welche neben ihm standen, fuhr er fort: „Sehen Sie doch 'mal diese beiden Packer an. Jeder von ihnen nimmt es gut und gern mit zwei von den Wölfen, seinen Vettern, auf. — Und hier," Rinow klopfte an seine Büchsflinte, „sitzt auch der Tod für mindestens ein paar dieser Jsegrtmme. . Ach so," unterbrach sich der Förster dann, „ich muß Sie bitten, mir bis zum Nachmittag für die Hunde einen verschließbaren Raum zu überlassen, denn nach Thorn, wohin ich mich kurz entschlossen habe, mit dem nächsten Zuge zu fahren, kann ich Pluto und Nero unmöglich mitnehmen." „Das ist auch nicht nötig," entgegnete Herr Walter, „da ich den Tieren ein Asyl bieten kann, wie Sie sich es besser nicht für dieselben wünschen Gewitter" ist auf Befehl der Oberpostdirekiion in Berlin eingeführt. Jeder Teilnehmer wird, sobald ein Gewitter droht und die Lust sehr elektrisch ist, vom Amt aus durch ein 20mal in gleichmäßigen Zwischenräumen erfolgendes Wecken davon verstän digt, so daß also der telephonische Verkehr bis auf Weiteres zuruhen habe. Ist das Gewitter vorüber, die Luft also rein, wird vom Fernsprechamt aus die« durch achtmalige« Klingeln bekannt gegeben. 8 Eine hübsche Bismarck-Anekdote wird wie folgt mitaeteilt: Bei Gelegenheit der Huldigungs fahrt der Westfalen nach Friedrichsrub zeichnete Fürst Bismarck u. a. auch den in der Nähe des Balkons stehenden Geh. Sanstätsrat Müller durch eine Ansprache aus. Als der Fürst ihn fragte, wo her er wäre, und dis Antwort erhielt: aus Minden, meinte der Altreichskanzler, das freue ihn sehr, an die Stadt Minden ecin-iert zu werden. Die Stadt sei früher aus Reisen sehr unbequem gewesen. Herr Müller warf dazwischen, wohl deshalb, weil man hier immer Staüon zu machen gezwungen gewesen wäre. „Nün nein," fuhr der Fürst fort, „das war es nicht allein. Di« Polizei war das Schlimmste, die sah so scharf auf die Pässe der Reisenden. Bei einem Aufenthalte in Ihrer Stadt begegnete es mir, daß ich keinen Paß hatte, al« ich 'hu durchaus vorzeigen sollte. Als der Polizeibeamte immer stürmischer meinen Paß verlangte, fragte ich ihn, ob er mich nicht kenne. Nach semem energischen „New!" lüftete ich, ohne weiter dabei an Anderes zu denken, den Hut und strich mit der Hand über die Stirn. Da ries plötzlich der Polizist: „Jetzt kenn' ich Ihnen." Auf meine verwunderte Frage, woher er denn so plötz-ich mich erkannt, entgegnete er etwas verlegen: „Kladderadatsch." 8 Pleß, 14. Mai. T-n verheerendes Feuer wütete in vergangener Nacht auf dem Dampf-ägewerk zu Neu-Berun. Die gesamten Vorräte an Schnitt- material fielen dem Feuer zum Opfer. Der Schaden beläuft sich nach ungefährer Schätzung auf mehr als 100 090 Mark. Die Maschinen und Gebäude wurden erhalten. Aus My-lowitz und Kattowch wurde telegraphisch Löschhiise requiriert und wurden aus beiden Orten um 1 Uhr nachts Extrazöge, mit welchen die Feuerwehr und Spritzen befördert wurden, abgelassen. Das Feuer ist, dem Rw. Anz. zufolge, bis jetzt noch nicht gelöscht. Durch sie Glut schmolz der Lack an den Eisenbahnwagen, die Holzichwellen unter den Eisenbahnschienen find teilweise verkohlt. * * Lüttich, 16. Mai. Die Polizei, der mit geteilt worden war, daß drei aus dem Arrest ent flohene Soldaten sich in das sozialistische Volkshaus geflüchtet hätten, versuchte auf Antrag der Mlitär- behörd- i» dasselbe einzudringen. Die Beamten wurden aber schlecht empfangen. Bon allen Seiten flogen ihnen Stühle und Gläser entgegen» wobei ein Sergeant verwundet wurde. Schließlich gewann die Polizei aber die Oberhand und es gelang ihr auch, einen der entsprungenen Soldaten fsstzunshmen; die beiden anderen konnten nicht aufgefunden werden. * * Paris, 16. Mai. Gestern ging über Mont» brison ein schreckliches Gewitter nieder. Alle Pflan zungen wurden vollständig zerstört. Sechs Personen sind vom Blitze getötet, acht verwundet morsen. * * Bern, 16. Mai. Seit gestern ist allgemein ei» starker Tempsraturwechsil eivgetceten. Bou heute morgen an trafen aus allen Teilen der Schweiz, den Alpen und der Jura - Hochebene Meldungen über Schneefall ein. Der Verkehr auf der Buendorfer Bergstraße ist sehr erschwert. Im Flüelpaß ist heute mittag die Post in dem meterhohen Schnee stecken geblieben. Die Passagiere mußten in das Hospiz zu rückkehren. , dürften. Ich werde sie nämlich in meinen Schweine- ! stall bringen, dessen Insassen gestern ihr kostbares Leben zum Wohle meiner Familie opfern mußten." „Doch jetzt kommen Sie nach dem Buffet und lassen Sie uns einen Cognac trinken. Die gruseli gen Wolfsgeschichten haben mich ganz schwach gemacht, und ich bedarf der Stärkung." Als die beiden Männer sich erquickt, eilte der Beamte nach seiner Postexpedition, um den für Rinow eingegangenen Brief zu holen. Bald hielt der Adressat denn auch ein gewichtiges Couvert in den Händen. Als sich Walter aber von Neuem entfernt, um einer Dienstpflicht nachzukommen, betrachtete er es aufmerksam von allen Seiten. „Na — hm," brummte der Förster dann. „Von wem mag die Epistel sein? dle Handschrift kenne ich nicht." Hastig riß er nun den Umschlag von einander. Mehrere geöffnete Briefe, mit amerikanischen Wert zeichen frankiert, fielen ihm jetzt in die Hände. Alle aber trugen die Aufschrift: „Master Louis Berg mann — Thorn in Preußen." Kopfschüttelnd be trachtete er sie der Reihe nach. Dann brummte er wieder: „Der Absender muß geglaubt haben, daß sich Bergmann bei mir aufhält. Jedenfalls hat der Ame rikaner diese Briefe verloren, und der Finder schickt sie mir." — Jetzt stutzte der Förster plötzlich aus's neue. Da war ja noch ein Couvert, die« aber zeigte sich verschlossen. Er wendete es und las nun seine eigene Adresse mit dem Zusatz: „Sofort zu öffnen!" In diesem Moment trat jedoch der Stations vorsteher wieder zu Rinow. „Soeben sind die zwei Kalitscher Unterinspektorcn per Schlitten auf der * * Laibach, 16. Mai. Geringe Erdschwan- kungen machen sich noch fortwährend bemerkbar; jede Nacht erfolgen 2 bis 3 leichte Stöße, welche jedoch keine Beunruhigung mehr unter der Bevölkerung Her vorrufen. Auf den während der letzten Tage herr schenden Sirocco folgte vergangene Nacht Nachtsturm mit Gewitter und Regengüssen. Seit heute vormittag 10 Uhr herrscht Schneefall. Die Unterbringung von Wohvungslosen in Baracken erfolgt nunmehr in grö ßerer Beschleunigung. * Lugano, 15. Mai. Der italienische FiS- kus benutzt jetzt Torpedoboote im Kampfe gegen die Schmuggler, oie noch immer die Grenze unsicher machen. Bisher sind zur Ueberwachung des Schmug gelhandels mit elektrischen Scheinwerfern ausgerüstete Torpedoboote im Comer See und dem Lago Mag giore stationiert worden, deren Apparate bei Nacht einen du- klen Gegenstand auf dem Wasser zu erken nen gestatten. Sämtliche Schmuggler sind italienische Unterthemen, ehemalige Soldaten und zum Teil selbst ehemalige Grenzzollbsamte, die d-n Dienst qaittiert oder ihr Engagement gebrochen haben. Die im all gemeinen wohlhabende Bevölkerm g des Tessin giebt sich zu dem gefährlichen Erwerbszweige nicht her. Auch auf dem Garba-See (in Salo) stationiert zu gleichem Zweck ein italienisches Torpedoboot * * Rom, 16. Mai. Nach einer Wahlversamm lung in Spinazzola wurde der Bürgermeister des Ottes, Sarazevo, der die Kandidatur des radikalen Kandidaten Bovio befürwortet Harts, meuchlings er mordet. Der Bürgermeister befand sich in dem Augenblicke, als er getötet wurde, in Begleitung des radikalen Abgeordneten Jmbriam. * * Petersburg, 15 Mai. Die „Nowosti" erhielten eine telegraphische Nachricht aus Kasan, daß die Wolga stark ausgetreten sei; der Bahnhof stehe unter Wasser, der EisinbatMumm bei Kasan sei beschädigt. Die Reisenden würden von der Siatton Swijashk mit Dampfern nach Kasan über- gesetzt. * * Aus Kopenhagen schreibt man: Ein JnbianermäLchen, oaS unter den Indianern Csntral- amsrikas aufgewachsen und dessen Leben recht aben teuerlich ist, ist kürzlich hier angekommen. Vor einigen Jahren war ein dänischer Arzt, namens Lausen, nach Buenos-Ayres gereist, um dort sein Glück zu ver suchen. Er bekam eine große Praxis und erwarb ein bedeutendes Vermögen. Gegen die Armen war er sehr wohlthättg, und so hotte «r auch ein kleines Jndianermädchen, dessen Eltern gestorben waren, zu sich genommen. Als er nach Dänemark znrückkehrte, nahm er das sechsjährige Mädchen mit sich. Hier verheiratete er sich mit emer reichen Dame, die an fangs mit der „Mitgift", die der Arzt ihr brachte, nicht sehr zufrieden war, jedoch fpäter das Jndianer- mädchm recht lieb gewann. Das Kind erhielt eine gute Erziehung und wurde nach dem Tode ihres Wohllhäters in einer Erziehungsanstalt untergebracht. Jetzt ist ihre Ausbildung vollendet, und sie ist hier angekommen, um ihre Stiefmutter zu besuchen. Es ist eine hübsche junge Dame von achtzehn Jahren, die sich bei ihren neuen Landsleuten völlig akklimati siert hat. * * Eine rassische Spezialkommission hat sich nach Japan begeben, um in Tokio wegen Eröffnung eines oder mehrerer Häfen im Nolden Japans be hufs Errichtung von Kohlenstationen zu unterhandeln. Sollten diese Verhandlungen, wie zu erwarten steht, erfolgreich verlaufen, so werden seitens anderer euro päischer Staaten die gleichen Ansuchen für im Süden gelgene Häfen Japans an dieses Jnselreich gerichtet werden. * * Aus Tanger: Die Umgegsnd von Mara- kesch in Marokko ist noch immer der Schauplatz hef- Station eingetroffsn," sagte er — „um sich — ver wundert über das Ausbleiben der Postsachen — die selben abzuholen. Die Leute haben sich bis an die Zähne bewaffnet und scheuten den Weg nicht, trotz, dem —" „Prächtig — prächtig!" unterbrach Rinow den Beamten jedoch und eilte den Kalitschern entgegen, welche gerade den Restaurationsaal betraten. Mit freundlichen Worten bat er die Herren nun, auf der Heimfahrt in Karemba halten zu wollen und die Försterin zu benachrichtigen, daß er, Rinow, sich ge nötigt gesehen habe, nach Thorn zu fahren, somit schwerlich vor Anbruch der Nacht wieder zu Hause sein dürfte Natürlich bat er nicht umsonst und kehrte befriedigt zu dem Stationsvorsteher zu rück. Da der Zug in wenig Minuten eintreffen mußte, hatte Walter indessen ein Retourbillet sür den För ster gelöst. Trotzdem fand Rinow kaum noch Zeit, dasselbe zu begleichen und seine Hunde nach dem ihm gebotenen Stall zu führen. Gleich daraus saß der Alte wohlgeborgen in einem Coupee dritter Klasse. Er befand sich zufällig allein in demselben. Als der Schaffner sein Billet coupiert und die Thür hinter sich zugeworfen, wußte Rinow sich denn auch vollständig ungestört. Rasch zog er nun das um fangreiche Briefpaket, welches er vorhin in seine Jagdtasche geschoben, wieder hervor. Ohne Zögern griff er jetzt aber nach dem geschlossenen und noch an ihn adressierten Billet. Er öffnete dasselbe und fand mehrere engbeschriebene Blätter. Dieselben trugen die Unterschrift: „Ihr ergebener John Blunk." (Fortsetzung folgt.)