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Tage der diesjährigen Kaisermanöver sämtliche Trup pen kriegsmäßig bivouakieren. ES werden dieses Mal so große Truppenmassen zusammenkommen, wie noch nie in Deutschland, und daher werden auch an das Sanitätewsicn große Anforderungen gestellt werden. Besonders wirb man sich auf plötzlich ein« tretende Erkrankungen vorsehen müssen. Mit Rücksicht hierauf will man besondere Feldlazarette aufsteUen. 8 Der Invalid mit der Kugel auf der Brust. Der Besuch, de» der Kaiser im vorigen Jahre der Stadt Elbing abstattete, hat einem dortigen alten Soldaten angenehme Ueberrafchung gebracht. Am 18, August 1870 erhrelt der jetzige Invalide Thiessen k im französischen Kriege bei Gravelotte mehrere Ver- f wunduugen, so daß er aus dem Gchiachtfelde wie f tot niederfiel; unter anderem blieb dem Manne eine Kugel im Oberschenkel sitzen. Als Thiessen im La- , zareit lag, und als durch Operation die Kugel aus > dem Oberschenkel entfernt war, erschien eines Tages im Lazarett der damalige Krorp iuz Friedrich Wil helm, später Kaiser Friedrich. Der hohe Herr be merkte die Kugel, nahm sie an sich und ließ sie in Silber einfassen mit der Aufschrift: „Gravelotte den 18. August 1870." Thiessen erhielt dis Kagel darin zum Tragen auf der Brust zurück. Als nun im September 1894 Kaiser Wilhelm seinen Einzug in Elbing hielt, und bei den alten Kriegern vorbeiritt, bemerkte er den Invaliden mit der Kugel auf der Brust und erkundigte sich noch dem Sachverhalt. Nach einizen Wochen erhielt Thiessen als Nachschuß 170 Mk„ und später bekam er: dis Nachricht, daß seine Pension monatlich um 8 Mk. erhöht werden s sei. Thiessen wird auch, wie dis „Elbinger Zig." jetzt meldet, im Laufs des Sommers eine Badereise unternehmen, wobst ihm freie Fahrt und im Bade orte freier Unterhalt gewährt wich. § FriedrichSruh, 9. Mai. Bei dem! gestrigen Empfange der Vertreter von 72 sächsischen Städten ergriff Fürst Bismarck, ehe er sich mit seinen Gästen zur Frühftückstafel znrückzog, nochmals das Wort. Er dankte für die ihm zu Teil gewordene Ehrung und betrachte das Kommen der Sechsen als eine Art Frisdensreise; weiterhin ermahnte der Fürst, man möge doch die Minister mit etwas mehr Nach sicht behandeln, als es bisher in Deutschland üblich - sei und leerte schließlich sein GlaS auf das Wohl j der sächsischen Städte. Bel der FrühAückstsfe! toastete i Dr. Beck-Freiberg auf den Fürsten, der zahlreiche Erzählungen aus seiner Vergangenheit zum Besten gab. Die sächsischen Vertreter begaben sich später nach Hamburg, wo ein Festmahl m der „Alsterlust" - And später eine Rundfahrt um di- Alster stattfand, j Bei dem Festmahle brachte Oberbürgermeister Dr s Dittrich-Plauen einen Triukspruch aus das gaWck.s - Hamburg, den König von Sachsen und den Ka ss^ i a«S. Bürgermeister Gschenbecher-LeiSntg feierte bis Veranstalter der Festlichkeit. Stadtrat Dr. Kuhn- I Zwickau würdigte die großen Verdienste des Fürsten Bismarck und brachte ein begeistert aufgenommems j Hoch auf den Fürsten aus. Ferner ist noch zu er wähnen, daß Dr. Beck-Freiberg auf dm Lefter der Hamburger Fahrt, Dr. Dtttrich-Plauen, toastete und mitterlte, daß ihm eine Reproduktion des dem Fürsten Bismarck überreichten StädtealbumS gewidmet wer den solle. 8 Kiel, 9. Mai. Bei Schießübungen mit Mörsern auf der Slmndbatteris in Friedrichsort ex plodierte eine Kartusche und riß dem dienstthuenden Unteroffizier die rechte Hand ab, zwei bei dem Ge? schütz stehende Einjährige und ein Feuerwerker er litten schwere Brandwunden. 8 Thorn, 9. Mai. Ein mächtiger Waldbrand hat in dem fürstlich alurckmgischen Forst Grabia ge wütet. Durch den herrschenden Sturm wurde ein Gebiet von über 8000 Morgen vom Feuer erfaßt. Auf dem zum Artillerie-Schießplatze abgeholzten Terrain verbrannten mehrere Tausend Raummeter abgeschlagenes Holz. Der Schaden ist enorm. Auch die Unierförsterer Dziwak wurde ein Raub der Flam men. Die Bewohner vermochten sich nur mit knapper Not zu retten. Drei Regimenter Soldaten sind zur Löschung des Brandes hsrbeigerufen. 8 P o s e n, 9. Mai. Eine Reihe Ortschaften in dem Regierungsbezirke Bromberg hatten letzter Tage große Feuersbrünste. In einzelnen Dörfern wurden fünf bis fünfzehn Bauernhöfe eingeäschert; insgesamt sind über ein Tausend Stück Vieh, meist Schafe, verbrannt. 8 Vieh- und Menschenschmuggel stehen an der deutsch-holländischen Grenze in üppiger Blüte. Kein Tag vergeht, an dem nicht von aufgefangenen Vish- trauSporten seitens preußischer Grenzbeamten berichtet wird. Trotz der strengsten Grenzsperre, trotz der da mit verbundenen Lebensgefahr scheint allnächtlich dos Schwärzen von holländiichem Milchvieh versucht zu werden. Die Polizeibehörde in Crefeld sieht sich Ihrerseits genötigt, in kurzen Zwischenräumen vor in ländischen Kupplern und holländischen Seelenverkäu fer» zu warnen. Besonders arg haben es in letzter Zeit die Wirte Siemes und Wltthof in Venlo bei Ersfeld getrieben. Sechs deutsche Mädchen, zum Teil aus Westfalen, die aus diesen Spelunken zurück- kehre« konnten, haben in das Krankenhaus ausge nommen werden müsse». Em Teil der Kappkr- bande ist sbgefaßt und sitzt hinter Schloß und Riegel. 8 Eins prachtvolle Naturerscheinung konnte am Sonntag abend in München beobachtet werden. Die Gebirgskette, die Tags über in Wolkenschatten lag, wurde kurz nach 7 Uhr von der untergehsndeu Sonne beschiene», so daß sie im magischen Lichte erstrahlte. Allmählich mischte sich ein roter Schimmer -Adas glänzende Bild und kurz vor 8 Uhr erstrahlte bis Gebirgskette von dsrZugspH? bis zum Herzog- staud in zauberischem Rot. Es bot sich dcm ent zückenden Auge ein Alpenglühen in einer Schönheit, wie es dort nur äußerst selten beobachtet werden kann. * * Aus dem Zuchthaus in Stet« entsprang der gefährliche Verbrecher Ludwig Schettler; er wurde jedoch von Gauern tu den Senftenberger Wäldern an den Sträflingskleidern erkannt und fcstgevommen. " Aus Grindelwald (Schweiz), 7. Masi wird witgeterlt: Gestern abend wurden durch einen bedeutenden Felssturz oberhalb der Häusergruppe des AnMstalden mehrere Grundstücke verschüttet. Sin fünfzig Kubikmeter haltender Block rollte bis in die Nähe der erwähnten Häuser. Einige Land leute konnten sich rechtzeitig flüchten, ein junger Bursche wurde leicht verletzt und ein Kmd durch den Luftdruck in einen Bach geweht, doch gerettet. * * Wien, 9. Mai. In Bawalsw in Galizien hatte ei« Gendarm, der im Auftrag des Geztrks- HsuptmaunS dis Bevölkerung ausforderte, die durch Hochwass r zerstörte Brücke wiederherzustellen, mit den widerspenstigen Gauern, die ihn drohend um- Mgelten, einen blutigen Kampf zu bestehen. Der Gendarm erschoß zwei Brüder und verletzte die Frau des einen schwer. * * Wien, 9. Mai, Von der au der Theiß gelegenen Süder Hochebene stürzte eine 200 Meter lange und 30 Meter breite Bergmasse ab und begrub ein Haus samt den darin befindlichen 4 Bewohnern. Dir Ursache ist in Unterwafchung des Berges durch Hochwasser zu suchen. * * Bauernfang. Aus Paris wird berichtet: Eins unangenehme Geschichte ist einem Ungarn pas siert, der bei Zeiner Ankunft auf dem Ostbahnhof von einem Manne in feiner Muttersprache angeredet wurde. Darob große Freude für unsern Ankömm Aus dem Walde. Roman von M. -8 r a n d r u h. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Förster Rüww preßte sitzt die Hand des schmächtigen Gastwirts aber in so festem Druck, Laß derselbe nicht den Ausruf zu unterdrücken vermochte: „Au — au waihl! Lassen Se se los, Herr Förster, lassen Se se los! Se quetschen msr ja sonst die Fingerche entzwei." „Das will ich nun freilich nicht," rief der Förster lachend. Dann aber ward er wieder ernst und fragte: „Aber sagen Sie, Hirschchsn, ist da vorn irgend einer meiner Leute?" „Mehrere, Herr Förster, mehrere. Wollen Se sprechen den Holzmeister, so will ich ihm schnell geben a Winkche!" Damit wollte der Diensteifrige auch fchon durch die Thür des Verschlages in die Gaststube eilen. Rinow hielt ihn jedoch noch mit den Worten zurück: „Was ist denn aber heute los, daß es so hoch bei Euch hergeht? Und wer sind die Kerle, die da drinnen die Mäuler aufreißen, als wären sie allein zu dem großen Wort berechtigt?" „Schmuggler — polnische Schmuggler, Herr Förster!" wisperte der Kleine. „Schmuggler?!" „Nu, es ist kein Verbrechen in ihrem Thun," entgegnete Hirsch eifrig, immer in Flüsterton jedoch. „Das heißt — ich will sagen: weil sie ihre Waren «ur nach Russisch - Polen Hinüberschwärzen, können ihnen unsere Grenzaufseher nichts, gar nichts an haben, anders wär's freilich, wenn sie wollten ver botene Waren von drüben zu uns herüber bringen, s Das lhun se doch aber nicht. Hihihi — wissen schon, j was bann ihrer wartet." Der Förster neigte zustimmend den Kopf. „Sie s haben ganz recht, Hirfchchen. Diesseits können die s Leute nicht verhindert werden, ihre Waren über die f Grenze zu schleppen. Immerhin setzen sie sich dabei s doch einer großen Gefahr aus. Denn auch die s Russen haben tüchtige Grenzbsamts. Trotzdem scheint ! das Schmugglergewerbe ein recht beliebtes zu sein, s Im Sommer sah ich von Thorn aus, sogar am hell- ! lichten Tags, manchmal an die dreißig Kähne, mit Branntwein, Pulver, Cigarren usw. beladen, die Weichsel herauf der Grenze zu fahren." Der kleine Krugwirt schmunzelte. „Das Ge schäftchen lohnt in der That," flüsterte er. „Diesmal muß es den Leuten aber gebracht haben ein beson deres Profitche," setzte er dann hinzu. „Denn so viel wie heute haben se noch nie draufgehen lassen bei mir." „Und da helfen ihnen meine Waldarbeiter nur zu gern trinken und schmausen?" „Warum sollen se nich, Herr Förster. Alle Tage wird's nicht so geboten den armen Teufeln. Außerdem aber sind se ja Verwandte und gute Be kannte der Schmuggler. — Doch womit kann ich Ihnen dienen, bester Herr Förster? Ein Gläschen Grog zu Befehl? Ja? Nun, Se sollen haben vom Besten, was im Haus ist." Bei den letzten Worten verschwand Hirsch durch eine Thür, welche in die Küche führte. In kurzer Zeit erschien der mehr denn siebzigjährige Greis wieder im Schankraum. Mit einer komischen Ber ¬ ling, einen Landsmann zur richtigen Zeit angetroffen zu haben. Der Angekommene wollte sich zunächst auf das österreichisch-ungarische Konsulat führen lassen; sein neuer Freund wußte dies jedoch weiter hinauszuschieben; es wurde natürlich verschiedenen Wein- und Bierhäusern ein Besuch abgestattet und der junge Angekommene solange von seinem Cwerone angszapft, bis ihm die Geduld ausging. Da fing nun der Cicerone Härdel mit ihm an, die in Thät- lichkelien übergingen, was natürlich das Publikum herbeilockte. Nun glaubte der Cicerone den Zeitpunkt gekommen, dem Streite eine andere Seite obzuge- wlnnen. In französischer Sprache nannte er seinen Landsmann einen Preußen und Spion. Es bedurfte natürlich nichts weiter, um die versammelten neugie rigen Personen dazu zu bringen, Stellung gegen diesen „Prussien" zu nehmen und ihm Hiebe zu versetzen, welchen Umstand der andere wahrnahm, um sich aus dem Staube zu machen. H-rbngeeilte Polizisten be freiten den armen Teufel aus den Händen seiner Feinde, führten chn, der kein Wort französisch sprach, auf die Wache, und durch einen zugezogenen Dvlmetfch koume er sein Mißgeschick klarlegen. * * Parts, 9. Mai. Die Sp'.onenfurcht regt sich wieder, mehrere Blätter fordern die Regierung auf, die italienische Grenze aufs Strengste zu über wachen, da eine Anzahl von Individuen, die sich als Hausierer ausgebcn, damit beschäftigt seien, die Festungei an am Alpen auszuspionieren. * * el ntwerpen , 9. Mai. Der Pgstdampfer des „Norddeutschen Lloyd", „H. H. Meyer", erlitt gestern einen Unfall, der leicht erhebliche Folgen haben konnte. Das Ss>l, weiches das Schiff am Ufer festhklt, riß plötzlich. Das Riesenschiff, welches 400 Fuß lang ist und einen Tiefgang von 26 Fuß hat, wurde auf eine Sandbank getrieben. Sofort wurden 9 der größten Schleppdampfer zu Hilfe geschickt. Nach Windiger Arbeit gelang es, das Schiff wieder flott zu machen. * * Petersburg, 8. Mai. Ems Anzahl roher s Burschen hat in der Nähe der Stadt ein junges Mädchen betrunken gemacht und als es auf freiem Felde einschlief, frine Kleider ««gezündet. Vorüber gehende bemerkten plötzlich eine Feuersäule; als sie hiuzueilten, sanden sie das Mädchen bereits halb verbrannt vor. Kurze Zeit darauf starb es unter entsetzlichen Qualen. Deutscher Ksuchst Kg, Sitzung vo.m 9. Mai. Nachdem ein schleuniger Antrag Auer auf Einstellung des Strafverfahrens gegen den sozial demokratischer! Abgeordneten Horn angenommen war, setzte das Haus die Beratung über 8 m der Um sturzvorlage fmt- JusiizMinistcr Schoenstedi sprach die Hoff nung aus, das Centrum werde doch noch zur An nahme der konservativen Anträge bereit werden und empfahl der Partei, dicssN Anschluß bald zu suchen. Vou der freisinnigen Volkspartei sprach sich Abg. Lenz mann entschieden gegen den Paragraphen aus, den Abg. v. K ö l l e r an der Hand umfang reichen Materials über die verderbliche Litteratur der Sozialdemokratie als unentbehrlich darstellte. Dem Minister antwortete der Sozialdemokrat Bebel in einer überlangen Rede, in welcher er die Ausführungen Köllers zu widerlegen suchte und die Grundsätze der modernen Staatenentwickelnng als revolutionär bszeichnste. Auf Angriffs auf die Justiz erhält Redner sofort durch den Justizmimster Schoen - stedt die gebührende Antwort. Der Welfe v. Hoden berg tritt für den 8 Hl ein, erklärt jedoch zu dem ganzen Gesetze noch keine feste Stellung genommen zu haben. beugung überbrachte der Alte feinem Gaste auf einem Tablett dis dampfende Labe. Dann aber wendete er sich dem Schanktisch zu, wo man bereits seiner harrte. „Na, Jgnatzche," fragte er einen jungen Burschen, auf dessen dunklem Haupt die viereckige Polenmütze faß, „was foll sein?! Noch eine Strofche Wodki? — Schön. — Hier, mein Söhnche, hast Du daS Verlangte, und vu thu mer den Gefallen und sag dem Navokowsly, er soll n'mal e bische zu msr hier herein kommen — hörst Du, hier herein. Der Herr Förster sei da." „Werr ich ihm sagen, Panni Jcsch," entgegnete Ignatz, mit seiner Flasche liebäugelnd. . . Eine Minute später knarrte die Thür des Ver- schlags, und der Holzmeister stand vor seinem Brot herrn. — „Guten Abend, Err Förster," sagte der Pole und machte, die Polenmütze in der Hand, einen mäch tigen Kratzfuß. „Schön Dank, Novakowsky! Habt Euch da vorne wohl verschworen, den Schnapsvorrat dsS Krugwirts bis auf den letzten Tropfen auszusaufen?! — Na, wenn's nur schmeckt! Ich bin auch nicht gekommen, Euer Vergnügen zu stören, sondern wollte nur sagen, daß Ihr Euch Montag mit einigen Leuten in der Schlucht einzufinden habt. Ich war heute dort und fand sie von Schnee vollständig zugeweht. Der aber mußherausgeschafft werden. Kein Mensch kommt sonst mit einem Fahrwerk durch." „Nach — dem — Schlucht?!" Navokowsky schaute verlegen vor sich nieder und kratzte dabei seine« dicke« Kopf. (Fortsetzung folgt.)